Bruno Binder/Gudrun Trauner WS 2013/14 1. KREUZEN SIE AN!

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Transkript:

JA ARBEITSGEMEINSCHAFT ÖFFENTLICHES RECHT I VORLESUNG ÖFFENTLICHES RECHT I Bruno Binder/Gudrun Trauner WS 2013/14 18. KAPITEL: DAS SUBJEKTIVE RECHT 1. KREUZEN SIE AN! OBJEKTIVE RECHTSSCHUTZEINRICHTUNGEN DES STAATS 1) Die Rechts- und Verfassungsordnung strebt danach, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sicherzustellen. So kennt sie eine Reihe objektiver Rechtsschutzeinrichtungen. Zu den objektiven Rechtsschutzeinrichtungen zählen etwa die Kontrollrechte des Parlaments, der Rechnungshof, die Volksanwaltschaft, spezielle Aufsichtsbehörden, die Staatsgerichtsbarkeit des Verfassungsgerichtshofs. 2) Die objektiven Rechtsschutzeinrichtungen sind für den Rechtsschutz insbesondere dort von Bedeutung, wo die Gesetzgebung verwaltungsbetroffenen Personen keine subjektiven Rechte einräumt. 3) Nur wenn der Gesetzgeber die Verwaltung nicht nur zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichtet, sondern dem Einzelnen darüber hinaus ein subjektives (öffentliches) Recht auf das gesetzmäßige Verhalten der Verwaltung gewährt, kann der Einzelne die Verwaltung in einem rechtsstaatlichen Prozess auf das Gesetz hinzwingen. 4) Objektive Rechtsschutzeinrichtungen gewährleisten die Einhaltung der Gesetze durch die Verwaltung, sie handeln unabhängig vom Vorliegen subjektiver Rechte. 5) Wer von rechtswidrigem Handeln des Staats betroffen ist, aber kein subjektives Recht hat, kann darauf hoffen, dass die objektiven Rechtsschutzeinrichtungen des Staats die Rechtmäßigkeit des Staatshandelns herstellen. PERSÖNLICHE VERANTWORTUNG DER ORGANWALTER 6) Wenn die Organwalter rechtswidrig handeln, stellt sich die Frage, welche Verantwortlichkeiten sich aus dem rechtswidrigen Handeln ergeben. Handelt ein Organwalter strafgesetzwidrig, so ziehen die Strafgerichte immer das ihm vorgesetzte Organ zur Verantwortung. 7) Es besteht keine finanzielle Verantwortung der Organwalter für Schäden, die sie einer Gebietskörperschaft unmittelbar zufügen. 8) Die Organ(walter)haftung verpflichtet einen Organwalter zum Ersatz von Schäden, die er durch rechtswidriges und schuldhaftes Handeln in der Hoheitsverwaltung oder in der Gerichtsbarkeit unmittelbar der Gebietskörperschaft selbst zufügt. 9) Eine Gebietskörperschaft, die den durch einen ihrer Organwalter zugefügten Schaden dem Geschädigten gegenüber ersetzt, kann grundsätzlich vom Organwalter Rückersatz begehren, also beim Organwalter Regress nehmen (= Amtshaftungsregress ) 10) Die Bundesversammlung kann den Bundespräsidenten wegen Verletzung der Bundesverfassung des Amtes entheben. 11) Der Nationalrat kann die Bundesminister wegen Gesetzesverletzung durch Beschluss beim Verfassungsgerichtshof anklagen. 12) Der Landtag kann ein Mitglied der Landesregierung wegen Gesetzesverletzung beim Verfassungsgerichtshof anklagen, sofern in ein subjektives Recht eingegriffen wurde. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2013/14) Kapitel 18/Seite 1

JA DAS SUBJEKTIVE ÖFFENTLICHE RECHT 13) Subjektive Rechte werden durch Gesetze eingeräumt. Allerdings gewährt nur die einfache Gesetzgebung solche Rechte. 14) Ein subjektives Recht bezeichnen wir auch als Anspruch. 15) Wir sprechen von einem subjektiven öffentlichen Recht, wenn das öffentliche Recht das subjektive Recht gewährt. 16) Wem das Gesetz ein subjektives auf dem Prozessweg durchsetzbares Recht gibt, ist im verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren Partei. 17) Die Bedeutung des subjektiven Rechts liegt darin, dass der vom Gesetzgeber gewährte Anspruch auf dem Rechtsweg letztlich vor Gerichten durchgesetzt werden kann. 18) Träger subjektiver Rechte sind in der Lage, sich bei Übergriffen des Staats gegen den Staat auf rechtsstaatlichem gerichtlichem Weg zur Wehr zu setzen. 19) Alle subjektiven Rechte sind Grundrechte. Subjektive Rechte können von einfachen Gesetzen oder von Verfassungsgesetzen eingeräumt sein. 20) Grundrechte sind verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte, soweit sie für Staat und Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sind. 21) Die Verfassung nennt die Grundrechte verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte. 22) Wer kein subjektives Recht hat, kann keinen Prozess führen. 23) Wir unterscheiden objektives Recht und subjektives Recht. Das objektive Recht gilt generell für jedermann, das subjektive Recht nur für bestimmte einzelne Personen. 24) Statt ein verwaltungsbetroffener Mensch hat ein subjektives Recht können wir auch sagen, ein Mensch ist von einem Rechtsreflex betroffen. VERWALTUNG, VERWALTUNGSGERICHTE, EGMR; RECHTSSCHUTZTHEMEN 25) Die Rechtswege im öffentlichen Recht zerfallen in zwei Abschnitte: In das Verwaltungsverfahren und in das anschließende Verfahren vor den Gerichten des öffentlichen Rechts. Ein internationaler Rechtsweg ist nur bei zivil- und strafrechtlichen Angelegenheiten vor dem EGMR möglich. 26) Der Rechtsweg gegen einen Bescheid findet zunächst im Verwaltungsverfahren auf der Grundlage der Verwaltungsverfahrensgesetze vor den Verwaltungsbehörden statt. Ist dieser Rechtsweg erschöpft, folgt das gerichtliche Rechtsschutzverfahren vor den Gerichten des öffentlichen Rechts (Verwaltungsgerichte, Verwaltungsgerichtshof, Verfassungsgerichtshof) auf der Grundlage gerichtlicher Verfahrensordnungen. Ist der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft, kann noch ein internationaler Rechtsweg beim EGMR stattfinden. 27) Das verwaltungsgerichtliche Verfahren I. Instanz (= Verfahren vor den VwG) setzt die behauptete Verletzung eines einfachgesetzlich gewährleisteten Rechts voraus. 28) Das Verwaltungsverfahren und das verwaltungsgerichtliche Verfahren II. Instanz setzen ein einfachgesetzlich gewährleistetes Recht voraus, das verfassungsgerichtliche Verfahren in der Regel ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, ein Verfahren vor dem EGMR ein von der EMRK gewährtes Recht. 29) Drei grundsätzliche Themen sind Gegenstand eines Rechtsschutzwegs: Das rechtswidrige hoheitliche Vollziehungshandeln, die rechtswidrige Säumnis eines staatlichen Vollziehungsorgans und der Ausgleich eines durch rechtswidriges Handeln oder rechtswidrige Säumnis verursachten Schadens in Geld. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2013/14) Kapitel 18/Seite 2

AMTSHAFTUNG 30) Die Amtshaftung ist in Art 23 Abs 1 B-VG und auf einfachgesetzlicher Grundlage im Amtshaftungsgesetz (AHG) geregelt. Die Gebietskörperschaften haften für Schäden, die ihre Organwalter in der Gerichtsbarkeit oder in der Hoheitsverwaltung privaten Personen durch ein rechtswidriges Verhalten zugefügt haben. Auf einen persönlichen Schuldvorwurf kommt es dabei nicht an. 31) Die Gebietskörperschaften haften nach Amtshaftungsrecht für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten in Vollziehung der Gesetze. Damit ist das gesamte Vollziehungshandeln von der Amtshaftung erfasst, das Handeln der Gesetzgebung ist von der Amtshaftung ausgeschlossen. 32) Die Amtshaftung ist die finanzielle Haftung der Gebietskörperschaften für Schäden, die ein Organwalter einer Person rechtswidrig und schuldhaft zugefügt hat. Die Amtshaftung nach B-VG ist auf das hoheitliche Vollziehungshandeln (Hoheitsverwaltung und Gerichtsbarkeit) beschränkt. 33) Die Amtshaftung schützt die Organwalter. Sie können für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten nicht persönlich von Geschädigten haftbar gemacht werden. Sie sind ihrer Gebietskörperschaft aber regresspflichtig. Musste die Gebietskörperschaft einen Amtshaftungsschaden bezahlen, so kann sie gegen den schädigenden Organwalter uneingeschränkt Regress nehmen. 34) Statt Amtshaftung sprechen wir auch von Organhaftung. 35) Ist durch einen schuldhaft rechtswidrig erlassenen Bescheid dem Adressaten ein Schaden entstanden, so kann er diesen im Wege der Amtshaftung vor den ordentlichen Gerichten gegen die handelnde Gebietskörperschaft geltend machen. 36) Amtshaftungsansprüche sind vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. 37) Fügt die Gerichtsbarkeit durch rechtswidriges Handeln jemandem Schaden zu, sprechen wir von legislativem Unrecht. 38) Auch für Schäden aus legislativem Unrecht gibt es nach dem B-VG einen Amts- haftungsanspruch. 2. STREICHEN SIE FALSCHE TEXTPASSAGEN DURCH! Aufgabe A [3 Fehler]: Die Rechtsordnung muss im Sinne des Rechtsschutzstaats Vorkehrungen treffen, damit die staatlichen Organe die Rechtsnormen tatsächlich einhalten. Dies geschieht einerseits durch objektive Rechtsschutzeinrichtungen, etwa der politischen und rechtlichen Verantwortung von Organen der Vollziehung gegenüber den Parlamenten, der Tätigkeit des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft. Nur ein vom rechtswidrigen staatlichen Handeln Betroffener kann das Tätigwerden der objektiven Rechtsschutzeinrichtungen erzwingen. Der Rechtsschutzstaat verlangt aber anderseits, dass einzelne vom Staatshandeln Betroffene gegen den Staat einen förmlichen Prozess führen können mit dem Ziel, das rechtswidrige handelnde Staatsorgan durch verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Entscheidung zum gesetzmäßigen Handeln zu zwingen. Ein solcher Prozessweg steht einem Betroffenen allerdings nur offen, wenn der Gesetzgeber ihm ein subjektives Recht im Zusammenhang mit einem bestimmten Staatshandeln einräumt. Subjektive Rechte kann nur der Verfassungsgesetzgeber gewähren. Der Prozessweg, den ein Betroffener aufgrund subjektiver Rechte beschreiten kann, kann ihn zu Verwaltungsbehörden, zu den Gerichten des öffentlichen Rechts (VwG, VwGH, VfGH) und auf internationaler Ebene bei einem Recht aus der EMRK zum Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) führen. (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2013/14) Kapitel 18/Seite 3

Aufgabe B [11 Fehler]: (1) Der Rechtsstaat verlangt nicht nur die theoretische Bindung der Vollziehung an die Gesetze (Gesetzmäßigkeitsgebot), der Rechtsstaat ist daran interessiert, dass die Vollziehung die Gesetze tatsächlich einhält. Die Rechtsordnung trifft daher eine Reihe von Vorkehrungen, die tatsächliche Einhaltung der Gesetze sicherzustellen. Weil diese Vorkehrungen grundsätzlich unabhängig von der Initiative und dem Willen der vom rechtswidrigen Handeln der Vollziehung Betroffenen gelten, sprechen wir von objektiven Rechtsschutzeinrichtungen. Dazu zählen die persönliche strafrechtliche und finanzielle Verantwortung der Organwalter: Die Rechtsordnung bedroht die Vollziehungsorgane für den Fall rechtswidrigen Handelns mit besonderen Straftatbeständen und finanzieller Haftung im Rahmen des Amtshaftungsregresses und der Organhaftung. Weiters die politische und rechtliche Verantwortung der Vollziehungsspitzen: Politische Amtsträger können bei Gesetzwidrigkeiten durch Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ihr Amt verlieren (Art 142 B-VG), die Mitglieder der Regierungen auf Anklage durch den Bundespräsidenten, der Bundespräsident auf Anklage durch den Bundeskanzler. Auch die der Rechnungshof, die Landesrechnungshöfe und Kontrollämter sowie die Volksanwaltschaft sind objektive Rechtsschutzeinrichtungen. (2) Der Rechtsstaat ist auch Rechtsschutzstaat. Der Rechtsschutzstaat begnügt sich nicht mit objektiven Rechtsschutzeinrichtungen. Er verlangt darüber hinaus von der Gesetzgebung den vom rechtswidrigen Handeln der Vollziehung Betroffenen in einzelnen Bereichen den Anspruch einzuräumen, in einem Verwaltungsprozess gegen die Verwaltung die Richtigkeit (= Gesetzmäßigkeit) des Verwaltungshandelns durchzusetzen. Solche von der Gesetzgebung eingeräumte Ansprüche nennen wir subjektive Rechte. Subjektive Rechte kann die Verfassungsgesetzgebung gewähren, wir sprechen dann von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder Grundrechten. Solche durch Verfassungsgesetz gewährleistete subjektive Rechte sind beispielsweise das Gesetzmäßigkeitsgebot des Art 18 Abs 1 B-VG, 3 BVG Staatsziele, der Gleichheitssatz (Art 7 Abs 1 B-VG), die Eigentumsfreiheit (Art 5 StGG, Art 1 1. ZPzEMRK), ua. Subjektive Rechte gewährt in vielen Bereichen vor allem die einfache Gesetzgebung; weil sie sich gegen die Verwaltung richten, nennen wir sie subjektive öffentliche Rechte. (3) Die subjektiven Rechte werden auf den Rechtswegen des öffentlichen Rechts durchgesetzt. Diese Rechtswege sind in drei Abschnitte gegliedert: Der erste Abschnitt umfasst den Rechtsschutz vor den Verwaltungsbehörden; der zweite Abschnitt den Rechtsschutz vor den Gerichten des öffentlichen Rechts; und der dritte Abschnitt betrifft den Rechtsschutz auf der Grundlage der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wenn irgendein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt sein könnte. (4) Ein öffentlich-rechtlicher Streit zur Durchsetzung rechtmäßgen hoheitlichen Verwaltungshandelns beginnt vor der Verwaltungsbehörde und soweit es um einen Bescheid geht mit einem Verwaltungsverfahren. Wer ein einfachgesetzlich gewährleistetes subjektives öffentliches Recht hat, ist Partei und kann das Verwaltungsverfahren betreiben. (5) Der zweite Abschnitt des Rechtswegs im öffentlichen Recht führt nach Erschöpfung des Verwaltungsrechtswegs zu den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts, zunächst zu den Verwaltungsgerichten I. Instanz, erst zum Landesverwaltungsgericht (LVwG) und danach zum Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts I. Instanz können die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts angerufen werden, zur Durchsetzung einfachgesetzlich gewährleisteter subjektiver Rechte auf der Grundlage des Verwaltungsgerichtshofgesetzes (VwGG) mit dem Rechtsmittel der Revision der Verwaltungsgerichtshof (VwGH), zur Durchsetzung vor allem verfassungsgesetzlich gewährleisteter subjektiver Rechte auf der Grundlage des Verfassungsgerichtshofgesetzes (VfGG) mit dem Rechtsmittel der Beschwerde der Verfassungsgerichtshof (VfGH). (6) Das rechtswidrige Handeln staatlicher Organwalter wird im Rechtsschutz- und Rechtswegesystem des öffentlichen Rechts zwar beseitigt. Mit der Beseitigung des rechtswidrigen Handelns ist aber der eventuelle finanzielle Schaden, den ein Betroffener durch das rechtswidrige Handeln erlit- (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2013/14) Kapitel 18/Seite 4

ten hat, nicht mit abgegolten. Stiftet der Organwalter durch sein Handeln einer Person Schaden, so haftet der Organwalter dem Geschädigten immer selbst persönlich. Hat ein Organwalter in Privatwirtschaftsverwaltung gehandelt, so haftet nach den privatrechtlichen Schadenersatzregeln des ABGB in der Regel die Gebietskörperschaft, der das Verwaltungsorgan angehört. Schäden etwa, die aus einem rechtswidrigen Bescheid resultieren, sind nach den Regeln des zivilen Schadenersatzrechts geltend zu machen. Hat ein Organwalter in Hoheitsverwaltung oder in Privatwirtschaftsverwaltung oder einer Richter in Rechtsprechung den Schaden gestiftet, so gilt die Amtshaftung als besonderes Schadenersatzrecht. Gesetzgebungsorgane und Höchstgerichte unterliegen keinem Schadenersatzrecht. Die Amtshaftung ist nur einfachgesetzlich im Amtshaftungsgesetz (AHG) geregelt. 3. BEANTWORTEN SIE! W wohnt in einem Einfamilienhaus in einer Gemeinde in Oberösterreich. B baut auf dem Nachbargrundstück ein Einfamilienhaus, das mit roter Signalfarbe angestrichen wird. Der Bürgermeister ist mit W befreundet und hat ihm die Baubewilligung eingeschlossen die rote Färbelung erteilt. W ist entsetzt. Er sieht das Ortsbild verschandelt und fürchtet für den Verkehrswert seiner Liegenschaft. Die oberösterreichische Bauordnung 1994 (Oö BauO 1994) verlangt, dass Bauten sich im öffentlichen Interesse in das Ortsbild einfügen müssen. Ein wie immer geartetes subjektives Recht auf Einhaltung der Erfordernisse des Ortsbilds gibt das Gesetz niemandem, insbesondere den Nachbarn nicht. 1. Wer erlässt die oberösterreichische Bauordnung 1994? Was ist die verfassungsgesetzliche Grundlage dafür? 2. Warum ist der Bürgermeister für die Erteilung der Baubewilligung zuständig? Was ist die verfassungsgesetzliche Grundlage dafür? 3. Handelt der Bürgermeister, der einen Bau, der das Ortsbild stört, bewilligt, rechtswidrig? Warum? Welche Verantwortung trifft den Bürgermeister, wenn die Bewilligung rechtswidrig wäre? 4. Welche Möglichkeiten des objektiven und subjektiven Rechtsschutzes gegen die Färbelung des Hauses hat W? 5. Sollte tatsächlich die Liegenschaft des W wegen der Färbelung des Nachbarhauses an Verkehrswert verlieren, kann W gegen den Bürgermeister Amtshaftung geltend machen? Begründen Sie Ihre Antwort! (Cyber)Arbeitsgemeinschaft Öffentliches Recht I (WS 2013/14) Kapitel 18/Seite 5