BERGISCHES STUDIENINSTITUT FÜR KOMMUNALE VERWALTUNG Allgemeines Verwaltungsrecht. Aufgabe Punkte

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Fall 1; Schwierigkeitsgrad: Lösungsskizze: 1 Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bindet die Verwaltung an die Regelungen des Gesetzgebers. Danach ist die Verwaltung an Recht und Gesetz gebunden. Dieser Grundsatz ergibt sich aus Art. 20 Abs. 3 GG, aber darüber hinaus auch aus dem Rechtsstaatsprinzip und letztlich auch aus dem Demokratieprinzip. Er enthält zwei Komponenten, den Vorbehalt des Gesetzes (Handeln nur mit Gesetz) und den Vorrang des Gesetzes (Kein Handeln gegen das Gesetz). Zu beachten ist noch, dass die wesentlichen Regelungen des Gemeinwesens nicht durch die Verwaltung, sondern durch den Gesetzgeber vorzunehmen sind (Wesentlichkeitstheorie) 15 2 Körperschaften d.ö.r. sind mitgliedschaftlich organisierte Personenzusammenschlüsse, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben erledigen. Es besteht eine Zwangsmitgliedschaft, wobei die Mitglieder wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Verwaltungstätigkeit haben (sie wählen weitgehend ihre Organe). Beispiele: Gemeinden, Gemeindeverbände, Land, Bund 15 3.1 Zu prüfen ist, ob es sich bei der Ausnahmegenehmigung um einen VA i.s. 35 Satz 1 VwVfG NW handelt. Die fünf Merkmale sind umfassend zu prüfen, die da lauten : 25

Maßnahme einer Behörde Regelung Einzelfall Öffentliches Recht Außenwirkung Zunächst einmal muss es sich um die Maßnahme einer Behörde handeln. Behörde ist gem. 1 Abs. 2 VwVfG NRW jede Stelle, die n der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Die Stadtverwaltung hier das Ordnungsamt stellt die Behörde Bürgermeister dar. Daher ist das Handeln einer Behörde gegeben. Eine Maßnahme stellt jedes zweckgerichtete Handeln dar. Im vorliegenden Fall wird die Behörde mit einem bestimmten Ziel tätig, hier eine Erlaubnis zu erteilen. Es liegt somit die Maßnahme einer Behörde vor. Ferner muss eine Regelung vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Maßnahme nach ihrem Erklärungsinhalt auf die Herbeiführung einer unmittelbaren Rechtsfolge (auf einen Rechtserfolg) gerichtet ist. Dies geschieht, indem Rechte oder Pflichten einseitig durch die Behörde begründet, abgeändert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt werden. Durch die Erteilung der Erlaubnis hat sich die Rechtsstellung des Adressaten verändert, die war auch das Ziel der Maßnahme. Eine Regelung liegt damit vor.

Als nächstes ist zu prüfen, ob es sich um einen Einzelfall handelt. Ein Einzelfall liegt vor, wenn ein konkreter Sachverhalt geregelt wird und sich das Schreiben an eine einzelne Person richtet (Hinweis; Ausnahme Allgemeinverfügung). Durch das Schreiben wird ein konkreter Einzelfall die Erlaubnis, von der Sperrzeit für die Dauer des Festes teilweise entbunden zu werden geregelt, das Schreiben richtet sich nur an den Adressaten Herrn G und ist damit individuell. Ein Einzelfall ist damit auch gegeben. Die Maßnahme muss auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts liegen. Öffentliches Recht liegt vor, wenn die Behörde von ihren öffentlich- rechtlichen Befugnissen Gebrauch macht, ihr Recht also aus öffentlich- rechtlichen Vorschriften ableitet. Zur Unterscheidung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Recht sind drei Theorien hilfreich. Nach der Sonderrechtstheorie (Zuordnungstheorie) ist öffentliches Recht gegeben, wenn nur ein Verwaltungsträger berechtigt oder verpflichtet ist, die Handlung vorzunehmen. Aufgrund der Vorschrift der Gaststättenverordnung ist nur die Behörde berechtigt, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Es liegt somit öffentliches Recht vor. Zuletzt ist noch festzustellen, ob die Außenwirkung gegeben ist. Die Maßnahme hat Außenwirkung, wenn sie auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gegenüber einer außerhalb der Verwaltung stehenden Person gerichtet ist.

Dies setzt voraus, dass das Schreiben die Verwaltung verlässt und in den Rechtskreis (Machtbereich) des Empfängers gelangt. Im vorliegenden Fall hat Herr G. das Schreiben erhalten. Die Außenwirkung ist damit eingetreten. Es ist festzustellen, dass es sich bei der Ausnahmegenehmigung um einen VA handelt. 3.2 Einschränkung 1: Hier handelt es sich um die Hauptbestimmung, also den eigentlichen VA. Es liegt somit keine Nebenbestimmung i.s. 36 Abs. 2 VwVfG vor. 10 Bei der Einschränkung 2 wird ein Unterlassen gefordert; nach 1 Uhr darf keine Musik gespielt werden. Dies ist eine zusätzliche, eigenständige Anordnung und damit Auflage i.s. 36 Abs. 2 Ziffer 4 VwVfG Bei der Einschränkung 3 wird auf das Gaststättengesetz verwiesen, wonach es unzulässig ist, Alkohol an Betrunkene zu veräußern. Dies stellt lediglich den Hinweis auf die Gesetzeslage dar, eine eigenständige Regelung beinhaltet die Formulierung nicht. 10 5 3.3 Bei 3 ist 3 Gewerberechtsverordnung NW umfassend zu prüfen. Es ist festzustellen, dass es sich bei den Formulierungen öffentliches Bedürfnis und besondere örtliche Verhältnisse um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, die auszulegen sind. 20

Im vorliegenden Fall lässt sich aufgrund des Stadtfestes zweifelsfrei ein öffentliches Bedürfnis bejahen. Die Verwaltung hat nach der genannten Norm Ermessen, ob und in welchem Umfang sie eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Bei der Ausübung des Ermessens ist 40 VwVfG anzuwenden und zu prüfen, ob das Ermessen fehlerfrei zur Anwendung kam. Lt. Mitteilung der Behörde war es nicht zulässig, die Sperrzeit um mehr als vier Stunden zu verkürzen. Hier hat die Verwaltung ihr weitergehendes Ermessen nicht erkannt. Nach der eindeutigen gesetzlichen Norm durfte die Behörde eine umfassendere Erlaubnis erteilen, sie hat somit einen Ermessensfehler begangen. / erreichte 100