Tutorium zur Vorlesung von Prof. Tanja A. Börzel Einführung in die Integrationsforschung Der Europäische Gerichtshof EGKS 1951 Europäischer Gerichtshof (EuGH) Schon seit den 1. Vertragstexten. Bisher ungeändert bis auf Erweiterungen Zusammensetzung: Ein Richter je Mitgliedstaat. Derzeit besteht der Gerichtshof aus 25 Richtern und 8 Generalanwälten (formulieren erste Meinung zu Rechtsfällen), die von den Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen für sechs Jahre gewählt werden. Organisation der Arbeit: Damit die Effizienz des Gerichtshofs nicht leidet, werden Rechtssachen in einer großen Kammer mit nur 13 Richtern behandelt (bei großen komplexen Rechtsstreitigkeiten oder wenn es ein Mitgliedsland explizit wünscht). Die Verhandlungen sind öffentlich. Entscheidungen werden jedoch hinter verschlossenen Türen getroffen, wenn nötig nach Mehrheitsprinzip. Der europäische Gerichtshof trifft seine Entscheidungen unabhängig von den einzelnen Nationalstaaten und übt diese Befugnis bindend für alle Mitgliedstaaten aus. Die Zuständigkeiten des Gerichtshofs erstrecken sich auf die erste Säule (EG) des Maastrichter Vertrags. Der Gerichtshof wird vom Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (EuGeI) unterstützt, das 1989 eingesetzt wurde. Das Gericht erster Instanz besteht aus 25 Richtern und befasst sich mit Streitsachen zwischen der EU und ihren Bediensteten, Wettbewerbsverfahren und ist für direkte Klagen von Bürgern oder Unternehmen gegen Organe der EU zuständig. 1
Der EuGH umfasst zwei Hauptfunktionen: 1. die Rechtsakte der EU und Mitgliedstaaten auf ihre Vereinbarkeit mit den Verträgen hin zu überprüfen 2. auf Ersuchen nationaler Gerichte trifft der EuGH Vorabentscheidungen über die Auslegung oder Anwendung von EG-Recht. Bei der Ausgestaltung der Rechtsordnung bildeten sich vier Grundsätze heraus. 1. unmittelbare Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht: Einzelpersonen können sich selbst dann auf das Gemeinschaftsrecht berufen, wenn dieses der nationalen Gesetzgebung widerspricht. 2. Vorrang von Gemeinschaftsrecht: setzt das durch die europäischen Verträge gesetzte Recht über nationale Recht 3. Schutz der Grundrechte 4. Schadensersatzpflicht der Mitgliedstaaten: Verstößt ein Mitgliedstaat gegen Gemeinschaftsrecht und schädigt dadurch Einzelpersonen, muss er Schadensersatz leisten Die Europäische Zentralbank WWU 3. Stufe/ Vertrag über die Europäischen Union 1998 Zusammensetzung: Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet mit dem Europäisches System der Zentralbanken zusammen (alle 25 EU-Staaten) Euro-Gebiet : Besteht aus 12 Mitgliedstaaten, die den Euro eingeführt haben. Ihre Zentralbanken sowie die EZB werden zum so genannten Eurosystem zusammengefasst. Gewicht im politischen System: Die EZB ist bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben völlig unabhängig. Weder die EZB noch die nationalen Zentralbanken des Eurosystems noch die Mitglieder ihrer Entscheidungsgremien dürfen Weisungen 2
von anderen Stellen einholen oder entgegennehmen (supranationales Entscheidungsorgan). Die EZB sorgt in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Zentralbanken Vorbereitung und Umsetzung von Beschlüssen der Entscheidungsgremien des Eurosystems, d.h. des Rates der Zentralbankpräsidenten, des Direktoriums und des Erweiterten Rates. Aufgaben der EZB: Sicherstellung der Preisstabilität im Euro-Gebiet, um die Kaufkraft des Euro zu wahren. Zu diesem Zweck ist die Inflation gering zu halten. Ziel der EZB ist es zu gewährleisten, dass der Anstieg der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr unter 2% liegt. Die EZB wendet dabei zwei Strategien an: 1. Sie kontrolliert die Geldmenge. Wenn diese im Vergleich zum Angebot der Waren und Dienstleistungen zu hoch ist, steigt die Inflation 2. Sie beobachtet die Preisentwicklung und beurteilt das daraus entstehende Risiko für die Preisstabilität im Euro-Gebiet. Zur Kontrolle der Geldmenge gehört unter anderem die Festlegung von Zinssätzen für das gesamte Euro-Gebiet. Organisation der Arbeit der Bank Direktorium Zusammensetzung: Präsident, Vizepräsident und vier weiteren Mitgliedern der EZB, die im gegenseitigen Einvernehmen von den Präsidenten oder Premierministern der Länder des Euro-Gebiets ernannt werden (8 Jahre Amtszeit mit möglicher Wiederernennung) Aufgaben: Durchführung der vom Rat der Zentralbankpräsidenten festgelegten Geldpolitik, erteilt den nationalen Zentralbanken die erforderlichen Weisungen, bereitet Sitzungen des Rates der Zentralbankpräsidenten vor und führt die Tagesgeschäfte der EZB durch. Rat der Zentralbankpräsidenten Höchstes Entscheidungsgremium der EZB 3
Zusammensetzung: 6 Mitglieder des Direktoriums, Präsidenten der 12 Zentralbanken aus dem Euro-Gebiet Vorsitz: Präsident der EZB Aufgaben: Festlegung der Geldpolitik für das Euro-Gebiet, Festsetzung der Zinssätze, zu denen sich Geschäftsbanken Geld von der Zentralbank beschaffen können Der Erweiterte Rat Drittes Entscheidungsgremium der EZB Zusammensetzung: Präsident, Vizepräsident der EZB sowie Präsidenten der nationalen Zentralbanken aller 25 EU-Staaten Aufgaben: Beteiligung an den Beratungs- und Koordinierungsarbeiten der EZB und an den Vorbereitungen für eine künftige Erweiterung des Euro-Gebiets Der Europäische Rat 1974 Etablierung nach dem Gipfeltreffen von Paris Im Europäischen Rat treten die Staats- oder Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie der Präsident der Europäischen Kommission (als vollberechtigtes Mitglied) regelmäßig zusammen. Unterstütz wird der Europäische Rat von den Ministern für Auswärtige Angelegenheiten und einem Mitglied der Kommission. Der Europäische Rat legt die allgemeinen Leitlinien der europäischen Politik fest. Ferner bietet er ein Forum, die Probleme zu klären, die auf Ministerebene nicht geklärt werden konnten. Er wird nicht gesetzgeberisch tätig. 4
Die Tagungen finden mindestens zweimal jährlich statt. Den Vorsitz des Europäischen Rats hat der Mitgliedstaat inne, der nach der vorgegebenen Reihenfolge für sechs Monate die Präsidentschaft der Europäischen Union ausübt. Das Europäische Parlament EGKS 1951 1987 EEA (offizielle Bezeichnung) Das Europäische Parlament (EP) wird seit 1979 in allgemeiner und direkter Wahl gewählt. Das Europäische Parlament hat 732 Abgeordnete, die sich nach der Bevölkerungszahl der Mitgliedstaaten verteilen. Es gibt noch kein einheitliches Wahlsystem. Vielmehr werden die Europaabgeordneten im wesentlichen entsprechend dem im eigenen Land bei nationalen Parlamentswahlen geltenden Wahlsystem bestimmt. Das Europäische Parlament hat folgende Hauptaufgaben: Gesetzgebungsfunktion: Gesetzesentwürfe der Kommission können geändert oder gestoppt werden, wenn der Ministerrat die Änderungsvorschläge nicht akzeptiert. Gesetze können verabschiedet werden, indem es die Änderungsvorschläge des Rates billigt. Es hat kein Initiativrecht, kann die Kommission aber auffordern, einen Gesetzesentwurf einzubringen Haushaltsbefugnisse: Verabschiedet zusammen mit dem Rat den jährlichen Haushaltsplan und genehmigt (Unterschrift des Parlamentspräsidenten) und überwacht dessen Ausführung. Kontrollfunktion: Übt politische Kontrolle der europäischen Organe, insbesondere der Kommission aus. Das Parlament kann die Ernennung der Mitglieder der Kommission billigen oder ablehnen und die Kommission als Ganze durch einen Misstrauensantrag ihres Amtes entheben. Es kontrolliert die Tätigkeit der EU durch schriftliche und mündliche Anfragen, die es an die Kommission und den Rat richtet. Es kann außerdem Untersuchungsausschüsse einsetzen, die befugt sind, nicht nur die Tätigkeit der EU-Organe, sondern auch das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei der Durchführung der gemeinschaftlichen Politiken zu untersuchen. Zustimmungsrechte in den Außenbeziehungen: Völkerrechtliche Verträge bedürfen der Zustimmung. 5
Vertrag von Amsterdam (1999): Ausweitung des Mitentscheidungsverfahren. Fortgesetzt mit dem Vertrag von Nizza (2003). Europäische Verfassung sieht Stärkung der Befugnisse des Europäischen Parlaments als Mitgesetzgeber vor. Das Mitentscheidungsverfahren soll auf neue Bereiche ausgeweitet werden. Ab 2009 darf die Zahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments 750 nicht überschreiten. Stetige Kompetenzerweiterung. Problem: Geringe Wahlbeteiligung an Europawahlen (1979: 62,4%; 1989: 58,4%; 1999 49,8%). Gesetzgebung: Verordnungen: unmittelbare, Richtlinien: mittelbare Gesetzeskraft 1. Anhörung (seit 1957): beratende Funktion des EP, gilt u.a. für die Steuerpolitik 2. Zustimmung (seit 1987) des EP Bedarf es v.a. für völkerrechtliche Verträge, Ernennung der Kommission billigen oder ablehnen. Zustimmung erteil das Europäische Parlament mit der absoluten Mehrheit, danach beschließt der Rat in der Regel einstimmig. 3. Zusammenarbeit (seit 1987): In einer zweiten Lesung wird der gemeinsame Standpunkt des Rates angenommen, geändert oder abgelehnt. Die Kommission prüft dann nochmals ihren Entwurf und übernimmt ggf. Änderungen des Parlaments. Der Rat beschließt in zweiter Lesung endgültig mit qualifizierter Mehrheit, falls der Vorschlag der Kommission unverändert angenommen wird, und mit Einstimmigkeit, falls der Rat noch Änderungen vornimmt, gilt für Wirtschaftspolitik. 4. Mitentscheidung (seit 1993): Unterschied zu Punkt 3: Ändert das Europäische Parlament in zweiter Lesung den gemeinsamen Standpunkt des Rates, muss der Rat einen Vermittlungsausschuss einberufen, wenn er die Änderungen ablehnt (Ausschuss: ½ Ratsmitglieder, ½ MdEP). Kommt keine Einigung zustande, ist der Entwurf endgültig gescheitert. Billigt der Ausschuss einen gemeinsamen Entschluss, so geht dieser zur dritten Lesung an Parlament und Rat. Nur, wenn beide zustimmen, ist der Entwurf angenommen. Der Rat beschließt mit qualifizierte Mehrheit, das Parlament kann Änderungen nur mit absoluter Mehrheit vorschlagen. 6
Der Rat der Europäischen Union (Ministerrat) EGKS 1951 Besonderer Ministerrat Maastricht 1993 Rat der EU Der Rat der Union (Ministerrat oder Rat) ist die oberste Entscheidungsinstanz der Europäischen Union, der bemächtigt ist Entscheidungen in jedem Politikfeld zu treffen und Gesetze zu erlassen, insofern das Europäische Parlament keine Änderungen wünscht, die für den Rat nicht akzeptabel sind (kein Initiativrecht; kann Gesetzesentwürfe aber anfordern). Rechtlich betrachtet, existiert nur ein Ministerrat als einheitliches EU-Organ, er tritt jedoch in verschiedener Besetzung zusammen, da die Mitgliedstaaten des Rates die einzelnen Fachminister der Mitgliedstaaten sind ( intergouvernmental). Der Rat vertritt die Mitgliedstaaten, und an seinen Tagungen nimmt je ein Minister aus den nationalen Regierungen der EU-Staaten teil. Welche Minister am Treffen teilnehmen hängt vom Thema ab und wie die Regierungen vertreten werden wollen. Bei Umweltfragen nehmen z.b. die Umweltminister aus allen EU-Staaten an der Tagung teil, die dann als Rat Umwelt bezeichnet wird. Wichtige und traditionsreiche Zusammensetzungen des Rates: Der Rat Allgemeinen Angelegenheiten der Rat der Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN-Rat) Rat der Landwirtschaftsminister zurückblicken. Die wichtigsten Räte treten ca. einmal monatlich in Brüssel zusammen. Der Ausschuss der ständigen Vertretungen COREPER hat die Aufgabe, die Arbeiten des Rates vorzubereiten und die ihm vom Rat übertragenen Aufträge auszuführen. Der Vorsitz im Rat wechselt alle sechs Monate (ist für die Tagesordnung des Rates verantwortlich; vermitteln Kompromisse unter Mitgliedstaaten). 7
Kann der Ministerrat als zweite Kammer bezeichnet werden? Was ist eine Hypothese? eine Aussage über Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Variablen Behauptungen über allgemeine Gesetzmäßigkeiten oder empirische Generalisierungen, deren Wahrheit noch nicht feststeht Ziel: Erklärung der Realität Was ist die Operationalisierung von Hypothesen? Prozess der Zuordnung von direkt beobachtbaren Größen zu theoretischen, abstrakten oder unscharfen Begriffen geschieht in zwei Schritten. 1. Festlegung der Bedingungen, unter denen die Variablen beobachtet werden können Versuchsplanung 2. Erfassung der Ausprägung der Variablen Einsatz von Erhebungsinstrumenten Operationalisierungen sollten zuverlässig (reliabel) und gültig (valide) sein: - reliabel = wenn durch das Messverfahren keine Zufallsergebnisse gewonnen werden, sondern empirische Daten, die konsistent bei mehreren Messungen oder bei Erhebung durch verschiedene Personen wieder gewonnen werden - valide = wenn die Messung tatsächlich den gemeinten Sachverhalt angibt Was sind Indikatoren? 8
unmittelbar messbare Sachverhalten, welche das Vorliegen der gemeinten, aber nicht direkt erfassbaren Phänomene anzeigen Funktionen von (sozialwissenschaftlichen) Theorien Selektionsfunktion Reduktion von Komplexität durch Auswahl relevanter Fakten Ordnungsfunktion Strukturierung perzipierter Realität Erklärungsfunktion Schlüsse ziehen und Einsichten vermitteln Operative Funktion Anwendung von Wissen in Forschung und politischer Praxis ermöglichen Prognosefunktion Treffen verallgemeinerungsfähiger Aussagen über soziale Zusammenhänge Problemlösungsfunktion Lösen spezifischer empirischer oder theoretischer Probleme 9
Aufgaben für die nächste Sitzung am 13. Mai Integrationstheorien Vertreter (histor.) Hintergrund Fokus Prämissen Hypothesen bzgl. Europäischen Integration Beziehung zu anderen Theorien / Ansätzen Geltung heute 1. Föderalismus 2. Funktionalismus 3. Neofunktionalismus 4. Intergouvernmentalismus 10