1 1 Bilanz ziehen * Bilanz ziehen Ausgangspunkt jeder geschäftlichen Tätigkeit Bilanz ziehen im privaten und geschäftlichen Leben 1 Bilanzstruktur 3 2 Inventur und Inventar In diesem Kapitel gehen Sie zunächst der Frage nach, was es bedeutet Bilanz zu ziehen, wie dies in einem Unternehmen geschieht und wie eine Bilanz aufgebaut ist. Jeder kennt den umgangssprachlichen Ausdruck»Ich habe Bilanz gezogen«. Diese Feststellung für den privaten Bereich liegt gar nicht weit entfernt vom geschäftlichen Bereich. Der Geschäftsmann verhält sich ähnlich einer Privatperson! Viele geschäftliche Entscheidungen des täglichen Lebens liegen gar nicht so weit entfernt von den kaufmännischen Entscheidungen eines Unternehmens. Dies wird im ersten Unterkapitel»Bilanzwaage«(S. 2) deutlich. Im zweiten Unterkapitel»Inventar Bilanz Kapital«(S. 3) geht es darum, wie die Werte einer Bilanz zustande kommen. Bevor die Bilanz erstellt werden kann, muss festgestellt werden, was überhaupt an Vermögenswerten und Schuldposten zur Verfügung steht und woher diese Positionen stammen. Hierzu dient die Inventur als Durchführung der Aufnahme und das Inventar als Aufstellung des Ergebnisses. Rechtliche Vorschriften bestimmen an dieser Stelle das Handeln.
2 1 Bilanz ziehen * Im dritten Unterkapitel»Der Bilanzaufbau«(S. 7) wird das Ergebnis der Inventur und des Inventars die Bilanz in ihrer Struktur näher betrachtet. Rechtliche Vorgaben bestimmen die Struktur. 1.1 Bilanzwaage * Die Bilanz ist als Waage zu verstehen, deren linke Seite die Vermögenswerte und deren rechte Seite das benötigte Kapital darstellen. Bilanz Vorüberlegung vor einer Beschaffung Jeder hat die Situation persönlich schon erlebt: Es liegt eine Beschaffung an und nun muss die Frage geklärt werden, ob die Beschaffung wirklich vorgenommen werden kann. Die sich stellende Frage lautet: Sind genügend eigene finanzielle Mittel vorhanden, um den Kauf zu tätigen oder besteht die Möglichkeit, die finanziellen Mittel durch Dritte zu erhalten? Um die Frage beantworten zu können, ist es nötig Bilanz zu ziehen. Bilanz ein Begriff aus dem Italienischen übersetzt heißt das»waage«(abb. 1.1-1). Abb. 1.1-1: Bilanzwaage. Die rechte Schale enthält das Geld, das notwendig ist, um den Kauf zu tätigen. Dabei spielt die Herkunft zunächst keine Rolle. Die linke Schale enthält das Gekaufte. Eine Beschaffung kann nur dann erfolgen, wenn sich die Waage im Gleichgewicht befindet.
1.2 Inventar Bilanz Kapital * 3 Denn das zu Beschaffende muss dem Lieferer bezahlt werden, der Lieferer des PC erwartet das Geld ebenso wie Tante Emma im Kaufladen vom Käufer. Das Geld kann in dieser Situation vom Käufer selbst oder von einem Dritten, z. B. der Bank oder den Eltern, stammen. Bevor es zu der Beschaffung kommt, muss daher immer geklärt werden, ob genügend eigene Mittel zur Verfügung stehen oder ob es externe Geldgeber gibt, die den fehlenden Betrag zur Verfügung stellen. Bei den Überlegungen bleibt an dieser Stelle völlig außer Betracht, ob der Kauf überhaupt notwendig ist und wie die Rückzahlung eines Kredites vorgenommen werden soll. Diesen Fragen wird im Bereich der Investition nachgegangen. Kommen Sie zu dem Schluss, dass die Frage zur Beschaffung der Finanzmittel geklärt ist, kann der Kauf getätigt werden. Zur Klärung der Frage, ob ein Kauf getätigt werden soll, wurde Bilanz gezogen und eine Entscheidung gefällt. Nichts Anderes geschieht im Unternehmen! Investition Fazit 1.2 Inventar Bilanz Kapital * Die Bilanz ist die Grundlage der geschäftlichen Tätigkeit. Um sie aufstellen zu können, müssen zunächst das Vermögen und die Schulden festgestellt werden. Hierzu dient die Inventur. Aus dem Inventurergebnis wird ein Inventar aufgestellt, das die rechnerische Ermittlung der Höhe des Kapitals ermöglicht und die Grundlage zur Bilanzerstellung ist. Vom Inventar zur Bilanz Die finanziellen Mittel, die ein Unternehmen einsetzt, heißen Kapital. Ohne Kapital kann kein Unternehmen arbeiten. Abgesehen von rechtlichen Vorschriften, die die Kapitalhöhe für bestimmte Gesellschaften vorschreiben, spielt es zunächst keine Rolle, ob es sich um Kapital handelt, das die Eigentümer selbst aufbringen oder ob es sich um geliehenes Kapital handelt. Kapital
4 1 Bilanz ziehen * Kapital, das die Eigentümer selbst aufbringen oder sich privat leihen und in die Unternehmung einbringen, wird Eigenkapital (im Weiteren EK) genannt. Beispiel Herr Riegel möchte einen Kiosk»Süße Ecke«eröffnen. Dazu benötigt er 20.000. Das notwendige Kapital zur Eröffnung kann er von seinem Sparbuch nehmen oder er kann sich von Dritten, z. B. einem Verwandten oder der Bank, ein Darlehen geben lassen. Kapital, das Personen oder Institutionen dem Unternehmen zur Verfügung stellen, heißt Fremdkapital (im Weiteren FK). Beispiel Kapitalverwendung Kapitalquelle Herr Riegel wird durch die»softdrink Company«mit Getränken beliefert. Der Fahrer übergibt nur einen Lieferschein, die Rechnung kommt einige Tage später. Der Rechnungsbetrag wird so zu FK. Bis zur tatsächlichen Bezahlung kann Herr Riegel das FK zum Betrieb des Kioskes nutzen. Wie gelangt ein Unternehmen zu Kapital? Wozu wird es verwendet? Im einfachsten Fall legt der Unternehmer das Geld auf das Geschäftskonto. In der Praxis wird er das Geld aber nur zu einem kleinen Teil auf einem Finanzkonto halten. Er wird mit diesem Geld Beschaffungen tätigen, teilweise wird das Geld benötigt, um Maschinen und Betriebs- und Geschäftsausstattung zu erwerben, teilweise wird das Geld benötigt, um Vorräte anzuschaffen. Maschinen, Software, Betriebs- und Geschäftsausstattung werden Anlagevermögen genannt, Vorräte und Geldmittel werden Umlaufvermögen genannt. Es handelt sich in beiden Fällen um Investitionen, d. h. um eine Verwendung des Kapitals. Die Kapitalseite kann aus eigenen und/oder fremden Mitteln bestehen und gibt damit Auskunft über die Mittelherkunft. Die Gegenüberstellung des Kapitals und der Investition erfolgt in der Bilanz. Einen Eindruck vermittelt die Abb. 1.2-1. Für eine Privatperson ist es i.d.r. einfach, persönlich eine Bilanz zu ziehen. Ohne große Aktivitäten zu entfalten ge-
1.2 Inventar Bilanz Kapital * 5 Aktivseite Anlagevermögen Bilanz Eigenkapital Passivseite Umlaufvermögen Fremdkapital Abb. 1.2-1: Bilanz. winnt sie in den meisten Fällen einen Überblick über ihre wirtschaftliche Situation. Bei einem Kaufmann sieht die Sache sehr viel schwieriger aus. Er hat sehr wahrscheinlich viele Geschäftsbeziehungen mit nicht vollständig abgeschlossenen Vorfällen; z. B. Vorräte, Anlagen und unterschiedliche Finanzierungen mit verschiedenen Fälligkeiten. Die rechtlichen Vorschriften des Handelsgesetzbuches (im Weiteren HGB) in den 239 ff. bestimmen daher ein Verfahren, das die Aufstellung der Bilanz ermöglicht. Jeder Kaufmann hat z. B. am Ende eines jeden Geschäftsjahres auf Grund der Inventur ein Inventar zu erstellen und daraus die Bilanz zu entwickeln. Die Inventur ist die körperliche (messen, zählen, wiegen) und nichtkörperliche Aufnahme (Prüfung Kontoauszug) der Vermögensgegenstände und Schulden zu einem Stichtag. Das Inventar ist das Ergebnis der Inventur. Das Inventar erfasst alle Vermögensgegenstände und Schulden zu einem Stichtag nach Art, Menge und Wert in einer Liste: Inventur Inventar 10 Kästen Softdrinks A à 5 =50 Beispiel 15 Kästen Softdrinks B à 6 =90 Das Reinvermögen oder EK wird als Differenz der Vermögensposten und der Schuldposten ermittelt. Dagegen werden in der Bilanz Vermögen, FK und EK in Form eines Kontos nur mit den Endwerten gegenübergestellt. Auf der linken Seite stehen die Vermögenswerte, auf der rechten Seite das Eigen- und das Fremdkapital. Bilanz
6 1 Bilanz ziehen * Beispiel Vorräte: Softdrinks 140 Den Zusammenhang und die Änderung der Begrifflichkeit veranschaulicht die Abb. 1.2-2. Inventar - Bilanz Zunehmende Liquidität Vermögensposten Längere Verfügbarkeit Vermögensposten Kurze Verfügbarkeit Schuldposten Kurzfristige Fälligkeit Abnehmende Verfügbarkeit Reinvermögen Anlagevermögen Eigenkapital Umlaufvermögen Fremdkapital Abb. 1.2-2: Zusammenhang Inventar Bilanz. Literatur Aus der Abbildung lassen sich verschiedene Gleichungen ableiten: Eigenkapital = Vermögen Fremdkapital Vermögen = Eigenkapital + Fremdkapital Fremdkapital = Vermögen Eigenkapital Die rechtlichen Grundlagen finden sich im [HGB04] und in [Beck07]. Einführungen in die Thematik geben [Born03], [CGN03], [WöLü96], [Fröh03] und [DeSc03].
1.3 Der Bilanzaufbau * 7 1.3 Der Bilanzaufbau * Wichtige Positionen der Bilanz auf der Aktiv- sowie auf der Passivseite sind die Positionen Anlage- und Umlaufvermögen sowie Eigen- und Fremdkapital. Diese werden weiter untergliedert, die Aktivseite folgt dem Prinzip der Liquidität, die Passivseite dem Prinzip der Verfügbarkeit. Die gesetzliche Grundlage findet sich im 266 HGB. Bilanzaufbau und -inhalt Die Bilanz ist wie ein T aufgebaut, d. h. sie besteht aus zwei Seiten. Die linke Seite wird Aktivseite und die rechte Seite Passivseite genannt. Beide Seiten sind immer ausgeglichen. Das wird als Bilanzgleichgewicht bezeichnet. Auf der Passivseite finden Sie das Eigen- und das Fremdkapital. Es handelt sich um die Seite der Kapitalherkunft oder der Kapitalquellen. Das Eigenkapital steht dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung, deshalb nimmt es die erste Position auf der Passivseite ein. Das FK kann aus Krediten unterschiedlicher Kreditgeber, noch nicht ausgezahlten Löhnen, Steuern, Lieferantenkrediten und weiteren Positionen bestehen. Die Gliederung erfolgt nach Fälligkeit bzw. nach Verfügbarkeit. Den längerfristigen Verbindlichkeiten, z. B. Hypothekendarlehen oder Investitionskrediten, folgen die kurzfristigen Verbindlichkeiten, z. B. Steuern und Lieferantenkredite. Die auf der Passivseite ausgewiesenen Beträge dienen der Finanzierung des Unternehmens. Mit diesem Geld arbeitet das Unternehmen. Diese Kapitalquellen speisen die Aktivseite der Bilanz. Aus dieser Erkenntnis folgt, dass die Position EK nicht als Sparstrumpf eines Unternehmens anzusehen ist. Alle Mittel, die sowohl von Anteilseignern als auch Fremdkapitalgebern bereitgestellt werden, finden für die Posten der Aktivseite Verwendung. Auf der Aktivseite befindet sich das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen eines Unternehmens. Gespeist werden diese Positionen aus dem Eigen- und Fremdkapital, denn Bilanzseiten Passivseite Folgerung Aktivseite
8 1 Bilanz ziehen * 266 HGB es müssen Mittel bereitstehen, um die Vermögenspositionen zu erwerben. Im Anlagevermögen finden Sie z. B. immaterielle Vermögenswerte und Immobilien an oberer Position. Denn diese Vermögenswerte lassen sich nicht kurzfristig durch Verkauf in flüssige Mittel umwandeln. Es folgen die Sachanlagen und die Finanzanlagen. Im Umlaufvermögen beginnt die Aufstellung mit den Vorräten, es folgen Forderungen, Wertpapiere und Kassenbestand sowie Bankguthaben. Der Bilanzaufbau wird durch den 266 HGB bestimmt. Bilanzen werden unterschiedlich detailliert aufgegliedert, der Grad der Unterteilung ist abhängig von der Rechtsform und dem Zweck, dem die aufgestellte Bilanz dient. Die Bilanz einer kleinen Kapitalgesellschaft könnte den Aufbau in der Abb. 1.3-1 haben. Aktivseite Bilanz Demo GmbH Passivseite A. Anlagevermögen I. Sachanlagen 1. Technische Anlagen und Maschinen 25.000 A. Eigenkapital 1. Gezeichnetes Kapital 50.000 B. Umlaufvermögen I. Kassenbestand und Guthaben bei Kreditinstituten 35.000 B. Verbindlichkeiten 1. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten 10.000 60.000 60.000 Abb. 1.3-1: Vereinfachte Bilanz. Ordnungsprinzip Die Posten der Aktivseite sind unterschiedlich liquide. Das Anlagevermögen kann nur in einem Verkaufsprozess liquidiert werden, dieser Vorgang nimmt immer einen gewissen Zeitraum ein. Bankguthaben und Kassenguthaben sind dagegen kurzfristig oder sofort verfügbar. Das Unternehmen hat durch die Anteilseigner ein Kapital von 50.000,00 gestellt bekommen. Dieses Kapital steht
1.3 Der Bilanzaufbau * 9 dauerhaft zur Verfügung. Es wird benötigt, um die Positionen auf der Aktivseite der Bilanz zu bilden. Allerdings reichen die 50.000,00 nicht aus. Aus fremden Mitteln, in diesem Fall Kredite, die nach einiger Zeit zurückgezahlt werden müssen, werden weitere 10.000,00 benötigt, um die Posten auf der Aktivseite zu bilden. Auf der Passivseite steht das EK an oberster Stelle. Es wird dem Unternehmen von den Eigenkapitalgebern dauerhaft zur Verfügung gestellt. Nach dem EK folgt in der Bilanz das FK. Es wird in zwei Blöcke untergliedert: Zunächst folgen die langfristigen Verbindlichkeiten, die zwar zurückgezahlt werden müssen, jedoch nicht in einem kurzen Zeitraum. An letzter Position stehen auf der Passivseite einer Bilanz die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Mit diesen Mitteln kann das Unternehmen nur kurz arbeiten. Es wird deutlich, das EK wird verwendet. Es steckt teilweise im Anlage- und teilweise im Umlaufvermögen. Werden der Kassenbestand und die Guthaben auf Null abgeschmolzen, dann hat das Unternehmen ein großes Problem: Es ist insolvent und muss beim Amtsgericht Insolvenz anmelden. Denn auf das EK kann das Unternehmen nicht mehr zugreifen, es ist schon verwendet worden. Das EK ist kein Sparstrumpf, auf den in schlechten Zeiten zurückgegriffen werden kann. Durch geschäftliches Handeln ändern sich im Geschäftsjahr die Positionen und das EK mehrt oder mindert sich. Eine Mehrung heißt Gewinn und eine Minderung heißt Verlust. Im tatsächlichen Geschäftsleben enthält die Bilanz eines Unternehmens eine Vielzahl von weiteren Positionen und zwar sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite. Das Ordnungsprinzip nach Liquidität und Verfügbarkeit zu sortieren, wird dabei auch unter den Postenüberschriften eingehalten. Beispiele sind auf der Aktivseite: Betriebs- und Geschäftsausstattung, Vorräte an Handelswaren, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen. Zusammenfassende Würdigung Beispiele
10 1 Bilanz ziehen * Beispiele sind auf der Passivseite: Gewinnrücklagen, Hypothekendarlehen, Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen.