Frankfurter Verwaltertage 2016 Todsünden des WEG-Verwalters was man warum nicht tun sollte? Prof. Dr. Florian Jacoby Frankfurt, 24. November 2016
Sünden, der Tod und andere Folgen Fehler des Verwalters können ihm das Amt kosten - keine Wiederwahl, - keine Entlastung - Abberufung zur Haftung führen, - via Prozesskosten, 49 Abs. 2 WEG, - über selbstständig Geltendmachung, - auch Erstattungsansprüche des Verwalters hindern, in der Sache den Erwartungen der Eigentümer entsprechen. Folie 2
Erlebnisse eines Neueigentümers Im Wege der vorweggenommenen Erbfolge erhält ein Neueigentümer von seiner Mutter unter Nießbrauchsvorbehalt eine Wohnung überschrieben. Zu den ersten Erlebnissen zählen: - Noch vor Eigentumsumschreibung erhält der künftige Neueigentümer eine Rechnung des Verwalters, der den Aufwand seiner Zustimmungserklärung nach Verwaltervertrag abrechnet. - Nach Umschreibung benachrichtigt der Verwalter den Neueigentümer, dass sich wegen des Nießbrauchvorbehalts nichts ändere, weiterhin die Mutter sein Ansprechpartner bleibe. - Von der Mutter erhält der Neueigentümer Einsicht in das aktuelle Beschlussprotokoll. Auf Vorschlag des Verwalters wurde beschlossen, dass allen Eigentümern, die eine Gasetagenheizung installieren, bestimmte näher bezeichnete Wartungs- und Benachrichtigungspflichten auferlegt werden. Was ist dem Neueigentümer zu raten? Folie 3
Agenda I. Beschlusskompetenzen II. III. IV. Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung Bauliche Maßnahmen Bestellung und Verwaltervertrag Folie 4
I. Beschlusskompetenz BGH v. 20.9.2000 - V ZB 58/99: Durch Beschlussfassung (= Mehrheitsmacht) können nur solche Angelegenheiten geordnet werden, über die nach dem WEG (= gesetzliche Beschlusskompetenz) oder nach einer Vereinbarung (= Öffnungsklausel) die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden dürfen, anderenfalls (= keine Beschlusskompetenz) bedarf es einer Vereinbarung. Ein ohne Beschlusskompetenz gefasster Beschluss ist nichtig. Ein mit Beschlusskompetenz gefasster rechtswidriger Beschluss ist grds. wirksam, nur anfechtbar. Folie 5
Folgen fehlender Beschlusskompetenz Da kein wirksamer Beschluss zustande kommen kann, hat der Verwalter - die Eigentümer darüber zu informieren, - den nichtigen Beschluss nicht zu verkünden, - den nichtigen Beschluss nicht in die Beschlusssammlung aufzunehmen und - den nichtigen Beschluss nicht auszuführen. Folie 6
Keine Kompetenz für Leistungspflichten BGH v. 18.2.2011 - V ZR 82/10: Wohnungseigentümern fehlt die Kompetenz, Leistungspflichten außerhalb des Bereichs der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten durch Mehrheitsbeschluss zu begründen. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Rückgängigmachung einer baulichen Veränderung geht. BGH v. 9.3.2012 - V ZR 161/11: Eine Verpflichtung der einzelnen Wohnungseigentümer, die Räum- und Streupflicht im Wechsel zu erfüllen, kann nicht durch Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch Vereinbarung begründet werden. Folie 7
II. Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung 1. Verkündung 2. Bestimmtheit 3. Beschluss-Sammlung 4. Durchführung Folie 8
1. Verkündung BGH v. 23.08.2001 - V ZB 10/01: Der Feststellung und Bekanntgabe des Beschlussergebnisses durch den Vorsitzenden der Wohnungseigentümerversammlung kommt grundsätzlich konstitutive Bedeutung zu. Es handelt sich im Regelfall um eine Voraussetzung für das rechtswirksame Zustandekommen eines Eigentümerbeschlusses. Folie 9
2. Inhaltliche Bestimmtheit BGH, Urt. v. 10.10.2014 V ZR 315/13: Beschlüsse der Eigentümerversammlung müssen inhaltlich so bestimmt sein, dass die durch den Beschluss beabsichtigten Wirkungen dessen reinem Wortlaut entnommen werden können, ohne dass äußere Umstände zu seiner Auslegung herangezogen werden müssen. Sie sind auszulegen wie eine Grundbucheintragung, denn es besteht ein Interesse des Rechtsverkehrs, die durch die Beschlussfassung gewollten Rechtswirkungen der Beschlussformulierung selbst entnehmen zu können. Ein Beschluss muss aus sich heraus verständlich sein. Eine ergänzende Auslegung kommt grundsätzlich nur bei Regelungslücken in Frage. Folie 10
3. Beschluss-Sammlung Der gesetzgeberische Fehlgriff in 26 Abs.1 S. 4 WEG: Über die Bestellung und Abberufung des Verwalters beschließen die Wohnungseigentümer mit Stimmenmehrheit. ( ) Die Abberufung des Verwalters kann auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes beschränkt werden. Ein wichtiger Grund liegt regelmäßig vor, wenn der Verwalter die Beschluss-Sammlung nicht ordnungsmäßig führt. Folie 11
Zum Vergleich: BGH v. 20.6.2002 V ZB 39/01 Der Umstand, dass die Verwalterin im Jahr 1998 keine und im darauffolgenden Jahr erst zum 19. November 1999 eine Eigentümerversammlung einberufen und damit gegen 24 Abs. 1 WEG sowie gegen 6.1 des Verwaltervertrags verstoßen hat, berechtigt nicht zu ihrer außerordentlichen Abberufung. Zwar kann die unterbliebene Einberufung einer Eigentümerversammlung unter bestimmten Voraussetzungen den sofortigen Entzug des Verwalteramts rechtfertigen. Hierfür müssen zu dem Unterlassen des Verwalters weitere Umstände hinzutreten, die seine Pflichtwidrigkeit als schwerwiegend erscheinen lassen. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn ohne die Durchführung einer Eigentümerversammlung die Funktionsfähigkeit der Verwaltung in Frage steht ( ). Folie 12
LG Karlsruhe v. 21.2.2012 11 S 46/11 Der Verwalter hat die in Gerichtsverfahren gegen ihn ergangenen Entscheidungen entgegen seiner Pflicht aus 24 Abs. 7 und 8 WEG nicht in die von ihm zu führende Beschluss-Sammlung aufgenommen. Aus 24 Abs. 7 S. 2 Nr. 3 WEG ergibt sich eindeutig, dass die Urteilsformeln aller Rechtsstreitigkeiten nach 43 WEG in die Beschlusssammlung eingetragen werden müssen. Davon umfasst sind auch die Rechtsstreitigkeiten über Rechte und Pflichten des Verwalters. Nach 24 Abs. 7 S. 7 WEG sind Eintragungen in die Beschlusssammlung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern, zu erledigen. Davon ist maximal ein Zeitraum von drei Tagen umfasst (Jennißen/Jennißen, a. a. O., 26 Rn. 157), der hier deutlich überschritten wurde. Nimmt ein Wohnungseigentumsverwalter gegen ihn ergangene Entscheidungen entgegen seiner Pflicht aus 24 Abs. 7 und 8 WEG nicht in die von ihm zu führende Beschlusssammlung auf, so rechtfertigt bereits eine einmalige Pflichtverletzung seine Kündigung. Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich. Dabei ist unerheblich, ob die Nichtaufnahme, wie die Beklagten behaupten, auf einem Irrtum des Verwalters beruht. Wegen der Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung zur Führung der Beschlusssammlung ist ein Versäumnis des Verwalters aus Unkenntnis fahrlässig und damit schuldhaft. Folie 13
Immerhin: BGH v. 10.2.2012 V ZR 105/11 Die Verwalterin hat im Jahre 2009 Eintragungen mit einer Verzögerung von sechs Wochen vorgenommen. Es fehlt auch die fortlaufende Nummerierung, sodass die Vollständigkeit nicht überprüfbar ist. Schließlich ist ein Negativbeschluss nicht aufgenommen, und Urteilsformeln nicht vollständig übertragen worden. Ein einzelner Wohnungseigentümer kann die Abberufung des Verwalters nicht schon deshalb verlangen, weil ein wichtiger Grund im Sinne von 26 Abs. 1 Satz 3 und 4 WEG hierfür besteht; den Wohnungseigentümern steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu, der erst dann überschritten ist, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. Folie 14
4. Durchführung Der Verwalter verletzt seine Pflicht aus 27 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 WEG ( Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen ), wenn er einen wirksamen Beschluss verzögert umsetzt. Regelmäßig keine Entlastung wegen - Anfechtung - Kein Eingang abgeforderter Mittel (Einzelfall) - Einwirkung des Beirats oder anderer Eigentümer Folie 15
III. Bauliche Maßnahmen 1. Keine Verwaltungskompetenz der Gemeinschaft (Probleme: Vereinbarungen, Sondereigentum) 2. Eigenmacht des Verwalters 3. Kein Selbstsanierungsbeschluss Folie 16
1. Abweichende Verwaltungszuständigkeit Beispiel: In der Teilungserklärung heißt es u. a.: Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z.b. Balkone, Terrassen, Veranden, Einstellplätze), sind von ihm auf seine Kosten instandzusetzen und instandzuhalten. Folie 17
Instandsetzung von Sondereigentum LG München I v. 1.2.2016 1 S 12786/15: Setzt die Gemeinschaft (bzw. der Verwalter für die Gemeinschaft) im irrigen Glauben, es handele sich um Gemeinschaftseigentum, Sondereigentum gegen den Willen des Sondereigentümers instand, so kann sie hierfür grundsätzlich keinen Bereicherungsausgleich verlangen. Folie 18
Heizkörper und Sondereigentum BGH v. 8.7.2011 - V ZR 176/10: Die Heizkörper und die dazugehörigen Leitungen zum Anschluss an die Zentralheizung sind Sondereigentum der Wohnungseigentümer. Den Wohnungseigentümern fehlt es an der Beschlusskompetenz. Der Beschluss ist, soweit er die Heizkörper und die dazugehörigen Anschlussleitungen betrifft, nichtig. Folie 19
2. Eigenmacht des Verwalters BGH v. 18.2.2011 V ZR 197/10: 1. Der Wohnungseigentumsverwalter ist nicht befugt, zur Erreichung eines Sanierungsziels Aufträge in unbegrenzter Höhe zu vergeben, wenn in einem Beschluss der Wohnungseigentümer zur Durchführung einer Instandsetzung weder der Umfang der auszuführenden Maßnahmen bestimmt noch eine Kostenobergrenze für die zu vergebenden Aufträge genannt worden ist. Maßgebend für die Durchführung eines Beschlusses durch den Verwalter ist vielmehr der Wille der Wohnungseigentümer, wie er sich für ihn aus den zur Vorbereitung der Beschlussfassung vorgelegten Unterlagen, dem Beschlussprotokoll und dem Inhalt des Beschlusses ergibt. 2. Das Notgeschäftsführungsrecht berechtigt den Verwalter nur zu den Maßnahmen, welche die Gefahrenlage beseitigen, jedoch nicht zur Beauftragung solcher Arbeiten, die einer dauerhaften Beseitigung der Schadensursache dienen. Folie 20
Kompetenzen des Verwalters OLG Frankfurt v. 28.05.2009: Die Pflicht des Verwalters gemäß 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG beschränkt sich darauf, - Baumängel festzustellen (Pflicht zur Begehung!), - die Wohnungseigentümer darüber zu unterrichten und - deren Entscheidung über die weiteren Schritte herbeizuführen. Aus eigenem Recht ist der Verwalter nicht befugt, einen Sachverständigen zu bestellen. Haben der Verwalter und die Wohnungseigentümer gleichen Kenntnisstand, obliegt es Letzteren, einen Beschluss der Gemeinschaft zur Feststellung der Mängelursache und deren Beseitigung rechtzeitig herbeizuführen. Folie 21
Beispiel Verwalterfehler In einer vermieteten Eigentumswohnung treten im Bereich des Dachflächenfensters Feuchtigkeit und Schimmel auf und es zeigt sich ein Befall mit Silberfischen. Der Verwalter besichtigt auf eine Anzeige des Vermieters den Schaden und erklärt, Ursache der Mängel sei falsches Lüftungsverhalten des Mieters. Weitere Nachforschungen lehnt der Verwalter ab. Neun Monate nach der Mängelanzeige schaltet der Verwalter einen Sachverständigen ein, der einen Mangel am Fenster als Schadenursache bestätigt. Der vermietende Wohnungseigentümer verlangt jetzt vom Verwalter Schadenersatz in Höhe der geminderten Miete und hinsichtlich des Mietausfalls für die Zeit zwischen der außerordentlichen Kündigung des Mieters und der Neuvermietung. LG München I v. 15.10.2012, 1 S 26801/11: mit Erfolg! Folie 22
3. Kein Selbstsanierungsbeschluss Eigentümer A verlangt von der Eigentümergemeinschaft die Erneuerung seines irreparablen Schlafzimmerfensters. Die übrigen Eigentümer verweigern dies mit der Begründung, dass bisher alle Eigentümer ihre Fenster selbst erneuert haben. Diese Praxis beruht auf einem vor längerer Zeit gefassten Beschluss, dass jeder Eigentümer seine Fenster selbst zu erneuern und bezahlen habe. Jedoch: Dieser Beschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig. Für die Praxis fehlt es an einer Grundlage. A hat Anspruch auf Erneuerung durch die Gemeinschaft. Folie 23
IV. Bestellung und Verwaltervertrag 1. Highlander-Prinzip (ein Amt, ein Verwalter) 2. Gestaltungsgrenzen beim Verwaltervertrag Folie 24
1. Highlander-Prinzip Es gibt nur ein Amt: niemals mehrere Ämter, auch nicht für Blöcke von Mehrhausanlagen Überdies: Pflichten des Verwalters sind nach 27 Abs. 4 WEG nicht dispositiv, daher keine Beschränkung auf Teile des Gemeinschaftseigentums ( Garage, Haus 1) zulässig (selbst wenn es in Teilungserklärung steht). Es kann nur eine Person gewählt werden: Wahl eines Duos ist nichtig, nach BGH v. 26.01.2006 - V ZB 132/05 gilt das auch für die Wahl einer GbR! Folie 25
2. Gestaltungsgrenzen beim Verwaltervertrag Vorrang der Gemeinschaftsordnung (Gesetz, Teilungserklärung Beschlüsse) [Beschlusskompetenz] Vertrag betrifft nur Rechtsverhältnis der Vertragsparteien rechtsfähige Gemeinschaft und Verwalter; kein Vertrag zulasten der Eigentümer AGB-Kontrolle ( 305 ff. BGB), keine Bestandskraft Folie 26
Beispiele 1. Nach Verwaltervertrag haben die Eigentümer dem Verwalter einen Mieterwechsel unverzüglich anzuzeigen. - Unwirksam: Verpflichtung eines einzelnen Eigentümers unzulässig. 2. Nach Verwaltervertrag erhält der Verwalter für die Abhaltung jeder weiteren Eigentümerversammlung eine Sondervergütung. - Unwirksam: unangemessene Benachteiligung, 307 I BGB, weil kein Ausschluss für weitere Versammlungen wegen Verwalterverschulden. 3. Nach Verwaltervertrag kann der Verwalter Maßnahmen, die keinen Aufschub bis zur nächsten Eigentümerversammlung dulden, im Namen und auf Rechnung der Eigentümergemeinschaft beauftragen. - Unwirksam: jedenfalls unangemessene Benachteiligung, 307 I 1 BGB, weil Eingriff in die Entscheidungshoheit der Eigentümer; darüber hinaus Transparenz fraglich, 307 I 2 BGB. Folie 27
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld florian.jacoby@uni-bielefeld.de www.jura.uni-bielefeld.de/fir/