Die Pflegeversicherung 1. Warum steigt die Anzahl der pflegebedürftigen Personen? (Buch, S. 89) 2. Warum ist der Anteil der pflegebedürftigen Frauen deutlich höher als jener der pflegebedürftigen Männer? 3. Welche Pflegestufe ist vermutlich in der vollstationären Pflege die Regel? Begründen Sie! (Buch, S. 89)
Die große Lücke: Wie die Betreuung künftig bezahlt werden könnte Die Ausgangslage ist noch einfach. Deutschland vergreist, hierzulande leben bald weniger Kinder und mehr Alte. Bis zum Jahr 2050 sollen die Frauen nur noch 500 000 Kinder im Jahr zur Welt bringen, 2011 waren es 665 000. Dann sollen auch zehn Millionen Menschen über 80 Jahre in Deutschland leben, fast dreimal so viel wie heute. Diese Hochbetagten bereiten besondere Probleme. Sie kämpfen gegen Bluthochdruck, Diabetes oder Grauen Star, ohne tägliche Hilfe scheitern sie am Alltag. Doch sie finden seltener Beistand, weil sich die Gesellschaft häutet. Mehr Menschen leben in Kleinfamilien oder als Single, oft weit entfernt vom Elternhaus und wenn der Vater eines Tages ständig Gegenwart und Vergangenheit verwechselt, ist private Hilfe kaum möglich. Aber wie die Pflege der vielen Alten bezahlen? Um die richtige Antwort ringen die Missionare (Anmerkung: hier Experten der politischen Parteien) seit Jahren. Ihre Dogmen heißen, je nach Glaubenslage, Kapitaldeckung oder Umlageverfahren, und wer obsiegt, ist unklar. Die Lager sind ungleich, an die Kapitaldeckung glauben viele, Arbeitgeber, Versicherer, Banker auch viele Politiker von Union und FDP ( ). Die Jünger des Umlageverfahrens sind wenige, Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken zählen dazu, Gewerkschafter, Fachleute wie der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach. Beide Lager fechten für einfache Prinzipien. Bei der Kapitaldeckung überweisen die Bürger vielleicht 30 oder 50 Euro im Monat. Versicherer legen das Geld an, und in zwei, drei Jahrzehnten hat sich das Sümmchen ausreichend vermehrt, um die Pflegekosten zu bezahlen. Nach diesem Prinzip arbeiten Lebens- und private Krankenversicherer. Das Umlageverfahren lebt dagegen von der Hand in den Mund. Es ist ein riesiger Topf, in den viele zahlen und aus dem stets Geld abfließt um Leistungen für wenige zu zahlen; gespart wird kaum. Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung folgen diesem Prinzip, doch wenn das Land altert, entsteht Not. Wenn künftig weniger Menschen arbeiten und mehr Alte im Ruhestand leben, müssen die Beiträge zwangsläufig steigen. Fast alle Experten erwarten dies auch, nicht nur für die Pflege, sondern auch für Kranken- und Rentenversicherung. ( ) Wer den Missionaren der Kapitaldeckung lauscht, hört viele Vorteile. Sie reden von Gerechtigkeit: Die heutigen Arbeitnehmer würden mehr vorsorgen, deshalb müssten die heutigen Kinder, wenn sie eines Tages arbeiten, weniger zahlen. Auch gebe es weniger Arbeitslose, weil die Sozialbeiträge weniger wachsen würden und die Jobs nicht verteuerten. Die Kapitaldeckung glitzert wie der Stein der Weisen bis Fragen auftauchen. Was passiert, wenn das gesparte Kapital verloren geht? Die Deutschen sind darin erfahren. Als Ende des 19. Jahrhunderts zuerst Kranken- und später die Rentenversicherung entstanden, waren sie kapitalgedeckte Vorsorgeinstrumente. Doch die Hyperinflation der zwanziger Jahre ließ von den Milliarden nichts übrig, weswegen Konrad Adenauer das Umlageverfahren einführte. Doch man muss keinen globalen Finanz-Gau bemühen, um weitere Ungereimtheiten zu entdecken. Wie hoch sollen die Prämien sein? Was passiert mit Armen, die nicht zahlen können? Springt der Staat ein? Wie vollzieht sich der Übergang? Die heutigen Arbeitnehmer müssten zweimal zahlen für ihre Vorsorge und für die heutigen Alten. Diesen Fragen weichen viele Kapitalstock-Befürworter aus. Der Sachverständigenrat hat vor einiger Zeit berechnet, was ein Umstieg kosten würde, und für viele Menschen, besonders Alte, dürfte es teuer werden. Ein Durchschnittsrentner mit 1000 Euro
Monatsrente, der heute 17 Euro Pflegebeitrag zahlt, müsste 50 Euro hinlegen. Damit die Lasten für Alte nicht übermäßig steigen, müsste der Staat einspringen und zwischen sieben und zehn Milliarden Euro jährlich austeilen. ( ) Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 20.07.2007 Reform der Pflegeversicherung ab 2013 Ab Januar 2013 steigt der Beitragssatz in der Pflegeversicherung von 1,95 Prozent auf 2,05 Prozent. Wer neben der gesetzlichen Pflegeversicherung künftig auch noch eine Pflege-Tagegeldversicherung abschließt, bekommt ab 2013 vom Staat dafür jährlich 60 Euro Zuschuss, das sind fünf Euro pro Monat. Die Versicherer dürfen niemanden ablehnen, der zum Beispiel Vorerkrankungen hat. Der Abschluss der Pflege-Tagegeldversicherung ist freiwillig. 1. Welche Gründe machen eine Reform in der Pflegeversicherung notwendig? 2. Welche Lösungsmöglichkeiten werden diskutiert? Erklären Sie die beiden Modelle incl. möglicher Probleme! 3. Von wem werden die beiden Modelle unterstützt bzw. favorisiert? 4. Inwieweit sind die beiden Modelle für die Generationen unterschiedlich attraktiv? 5. Welcher Weg wurde mit der Pflegereform 2013 eingeschlagen?
Lösungshinweise (Blatt 1): 1) Die Anzahl der älteren Menschen als Hauptgruppe der pflegebedürftigen Personen steigt an, weil die Lebenserwartung stetig zunimmt und alte Menschen in der Regel eher einer Pflege bedürfen. Die Pflege durch der Pflegeversicherung steigt an, weil ältere Menschen zukünftig auf Grund des sozialen Wandels (mehr Singlehaushalte bzw. große Entfernung der eigenen Kinder) sich nicht mehr auf die Pflege ihrer Verwandten verlassen können. 2. Die Lebenserwartung der Frauen ist deutlich höher als die Lebenserwartung der Männer. Somit kommt es zu einem größeren Anteil an pflegebedürftigen Frauen. 3. In der vollstationären Pflege ist eine Pflege und Betreuung rund um die Uhr gewährleistet. Dies ist für Pflegebedürftige der Pflegestufe III notwendig. Es handelt sich in der vollstationären Pflege zumeist um Demenzkranke. Lösungshinweise (Blatt 2/3): 1. Die Überalterung der Gesellschaft bei gleichzeitigem Geburtenrückgang und der soziale Wandel (Kleinfamilien, Singlehaushalte, Rückgang der verwandtschaftlich organisierten Pflege) machen eine Reform der Pflegeversicherung nötig. 2. Das Kapitaldeckungsverfahren: Die Bürger leisten regelmäßig Beiträge an eine Versicherung, die diese Beiträge anlegt und im Pflegefall die Pflegekosten bezahlt. Die heutigen Erwerbstätigen sorgen damit für ihren Pflegefall vor. Die Kinder würden damit mit diesen Kosten nicht belastet. Es besteht die Gefahr, dass eine Inflation die angelegten Mittel entwertet und dann keine Unterstützung mehr geleistet werden kann. Arme können keine regelmäßigen Beiträge in eine Versicherung leisten, würden damit keine Unterstützung erhalten können. Es gibt Generationen, die nicht mehr lange Zeit Beiträge in eine Versicherung zahlen können, also im Pflegefall nur geringe Unterstützung erwarten könnten. Das Umlageverfahren: Für die derzeitigen Pflegefälle werden Mittel aus aktuellen Zahlungen vieler Personen bereitgestellt. Bei zurückgehender Bevölkerung müssten die Beiträge dann erhöht oder die Leistungen der Pflegeversicherung gesenkt werden. 3. Für das Kapitaldeckungsverfahren sind die Union (CDU/CSU), die FDP, die Arbeitgeber, die Versicherungen und die Banken. Für das Umlageverfahren sind die SPD, die Grünen, die Gewerkschaften und die Linken.
4. Jüngere Menschen würden durch das Kapitaldeckungsverfahren begünstigt, weil sie über sehr viele Jahre hinweg mit relativ geringen Beiträgen einen großen Kapitalstock aufbauen könnten. Evtl. wären diese zu leistenden Beiträge geringer als Beiträge in eine gesetzliche Pflegeversicherung nach dem Umlageverfahren. Ältere Menschen haben im Kapitaldeckungsverfahren nur noch wenige Jahre, um einen Kapitalstock aufzubauen. Sie müssten ersatzweise evtl. hohe Beiträge in die Versicherung zahlen. 5. Mit der Beitragssatzerhöhung um 0,1 Prozent wurde auf das Umlageverfahren gesetzt. Die Möglichkeit sich zusätzlich privat für den Pflegefall zu versichern, geht in die Richtung des Kapitaldeckungsverfahrens. Somit liegt eine Mischform vor. Hinweis: Demokratie gestalten liegt als aktualisierte sechste Auflage vor und ist zugelassen. Die Inhalte der Lehrplanänderungen sind aufgenommen worden. ZN 165/04-B (17.08.11).