Wie funktioniert ein Bürgerbegehren?

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Transkript:

06.07.2017 Mehr Demokratie Baden-Württemberg 0711 509 1010, info@mitentscheiden.de Wie funktioniert ein Bürgerbegehren? Wenn Bürgerinnen und Bürger unzufrieden sind mit einer Entscheidung ihres Gemeinderates oder wenn sie eine eigene Idee zur Abstimmung stellen wollen, steht ihnen nach der Baden- Württembergischen Gemeindeordnung ( 21) das Instrument eines Bürgerbegehrens zur Verfügung. Sind genügend Unterschriften für ein Bürgerbegehren zusammen gekommen, kommt es zu einem Bürgerentscheid. Diese Kurz-Übersicht soll anhand eines fiktiven Fallbeispiels anschaulich machen, wie der Prozess bis zum Bürgerentscheid aussieht. Beratung durch Mehr Demokratie e.v. Wenn Sie selbst ein Bürgerbegehren starten wollen, bietet Mehr Demokratie kostenfreie Beratung an. Wir empfehlen Ihnen generell vor dem Start der Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren mit uns per Mail oder telefonisch in Kontakt zu treten, um rechtliche Probleme frühzeitig auszuschließen. Kontakt: info@mitentscheiden.de Telefon: 0711 501010. Wenn die Bürgerinnen und Bürger entscheiden! Zum Einstieg eine kurze Erklärung zu den Begrifflichkeiten, die manchmal etwas verwirren können. In Deutschland gibt es seit den 50-erJahren Verfahren der direkten Demokratie. Bei der direkten Demokratie treffen die Bürgerinnen und Bürger anstelle eines gewählten Gremiums - wie dem Bundestag, dem Landtag, dem Kreistag oder dem Gemeinderat - eine politische Entscheidung. In den Kommunen und den Landkreisen wird das Bürgerentscheid genannt, während für landesweite und bundesweite Entscheide das Wort Volksentscheid verwendet wird. In diesem Text geht es ausschließlich um Bürgerentscheide in den Kommunen. Wie funktioniert nun so ein Bürgerentscheid? Jedes Bundesland bestimmt selbst die Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Bürgerentscheid stattfinden kann. 2015 gab es in Baden-Württemberg eine Reform, die es den Bürger/innen erleichtert, einen Bürgerentscheid herbeizuführen. An einem fiktiven Beispiel zeigen wir, wie das Verfahren in Baden-Württemberg funktioniert: Los geht s!

Der Auslöser Lisa S. lebt in der kleinen Gemeinde Bad Württlingen. Gestern hat sie in der Zeitung gelesen, dass der Gemeinderat beschlossen hat, direkt neben der Schule ihrer Kinder neue Wohnungen bauen zu lassen. Eigentlich war dieses Gebiet dafür vorgesehen die Schule auszubauen. Nun bleibt nur noch die Möglichkeit die Schule zur anderen Seite hin zu erweitern, an der eine große lärmige Straße vorbeiführt. Lisa S. ist unzufrieden über diese Entscheidung im Gemeinderat und beschließt akiv zu werden. Sie lädt die anderen Eltern zu einem Treffen ein, um gemeinsam zu beraten. Schnell wird klar, dass viele von ihnen ebenfalls mit der Entscheidung des Gemeinderates nicht einverstandenen sind. Plötzlich kommt die Idee auf: Wir tun uns als Bürgerinitiative zusammen, sammeln Unterschriften für ein Bürgerbegehren und stoßen so einen Bürgerentscheid zu dieser Sache an! Unterschriftensammlung: Nicht Hals über Kopf los sammeln! Damit das Bürgerbegehren später nicht abgewiesen werden kann, ist es sehr wichtig ein korrektes Unterschriften-Formular zu erstellen. Das Unterschriftenblatt muss folgendes enthalten: Die Abstimmungsfrage zu der ein Bürgerentscheid erwünscht ist. Eine kurz gehaltene, sachliche Begründung zum Anliegen des Bürgerbegehrens. Und einen sogenannten Kostendeckungsvorschlag für den Fall, dass der Gemeinde (Mehr)Kosten entstehen, wenn das Bürgerbegehren tatsächlich von der Mehrheit angenommen und umgesetzt wird. Außerdem müssen bis zu drei Personen als Vertrauenspersonen genannt werden, die für die Verwaltung die Kontaktpersonen sind und für das Bürgerbegehren sprechen können. Auskünfte und Rückmeldung von der Gemeinde einholen Weil Lisa S. noch unsicher ist wegen der Formulierung der Fragestellung und ob ein Kostendeckungsvorschlag nötig ist, macht sie einen Termin bei der Stadtverwaltung aus. Sie erklärt dort, warum die Bürgerinitiative ein Bürgerbegehren starten möchte und fragt nach, ob die Gemeinde Probleme bei der Fragestellung sieht oder ihrer Einschätzung nach Mehrkosten durch eine Annahme des Bürgerbegehrens entstehen würden. Die Gemeinde ist bei Fragen zum Kostendeckungsvorschlags auskunftspflichtig ( 21 Abs. 3 der Gemeinderordnung). Lisa S. bekommt die Auskunft: Da die Bürgerinitiative erst einmal nur den Grundstücksverkauf verhindern will und daher lediglich die Unterlassung einer Maßnahme fordert, muss in diesem Fall kein Kostendeckungsvorschlag erstellt werden.

In unserem Fall sieht ein mögliches Unterschriftenblatt so aus: Bürgerbegehren Otto-Schule braucht Freiraum Die Unterzeichnenden beantragen einen Bürgerentscheid nach 21 Absatz 3 der Gemeindeordnung zu folgender Fragestellung: Sind Sie dafür, dass das Grundstück unmittelbar südwestlich der Otto-Schule im Eigentum der Stadt bleibt, um den Ausbau der Schule zu ermöglichen? Begründung: Am 13.01.2017 hat der Gemeinderat beschlossen, das Grundstück an einen Investor zum Bau neuer Wohnanlagen zu verkaufen. Wir setzen uns dafür ein, dieses Grundstück im Eigentum der Stadt zu belassen, damit die Erweiterung der Otto-Schule dort umgesetzt werden kann. Kostendeckungsvorschlag: Ist hier nicht erforderlich, weil das Bürgerbegehren auf die Unterlassung einer Maßnahme zielt (Verkauf des Grundstücks). Vertrauenspersonen: Lisa Sanders, Sommerstr. 12; Beate Birne, Herbstweg 18; Max Melone; Winterallee 24; jeweils 79831 Bad Württlingen. Nr. Nachname Vorname Straße und Hausnr. Ort Geburtsdatum Datum Unterschrift 1 Bad Würtlingen 2 Bad Würtlingen 3 Bad Würtlingen 4 Bad Würtlingen 5 Bad Würtlingen Die Fragestellung bei der Sammlung für ein Bürgerbegehren ist die selbe Frage, die allen Abstimmenden Bürger_innen später beim Bürgerentscheid gestellt wird. Sie sollte so einfach wie möglich sein, muss jedoch auch so präzise wie nötig sein. Der Kostendeckungsvorschlag ist manchmal die größter Herausforderung. Wenn es wahrscheinlich ist, dass durch die Umsetzung des Anliegens der Initiative Mehrkosten anfallen, sollte die Bürgerinitiative unbedingt die Gemeindeverwaltung kontaktieren und um Beratung bitten. Die Gemeinde ist dazu verpflichtet Auskunft zu geben, welche Summe ihrer Meinung nach als Mehrkosten anfallen könnte und wie diese Summe möglicherweise zu decken wäre. Loslegen mit der Unterschriftensammlung Ist das Unterschriftenblatt erstellt, kann es endlich losgehen! Ab der Entscheidung des Gemeinderates bleiben Lisa S. und ihrer Truppe drei Monate Zeit um sieben Prozent der Unterschriften aller wahlberechtigten Bürger/innen aus Bad Württlingen sammeln. Auch Jugendliche ab 16 Jahren können unterschreiben. Dazu organisieren sie Infostände auf dem Marktplatz, planen Hausbesuche und fragen an, ob sie die Sammellisten in Buchläden, Bäckereien

und Supermärkten auslegen können. Wichtig ist, dass viele Menschen vom Bürgerbegehren erfahren, deswegen hat Lisa S. auch bei der Lokalzeitung angerufen und eine Presseinformation über die Beweggründe der Bürgerinitiative zusammengestellt. Und tatsächlich ist es nach sechs Wochen geschafft. Die nötige Zahl an Unterschriften ist zusammen gekommen. Zusammen mit vielen Kindern aus der Otto-Schule überreicht die Bürgerinitiative dem Bürgermeister bei einem vereinbarten Termin das Bürgerbegehren. Am nächsten Tag gibt es darüber einen großen Bericht mit Fotos in der Zeitung. Die Zulässigkeitsprüfung Der Gemeinderat hat jetzt zwei Monate Zeit zu entscheiden, ob das Begehren zulässig ist. Dazu prüft die Verwaltung zunächst anhand des Einwohnermeldeverzeichnisses, ob genügend Unterschriften aus der Kommune zusammengekommen sind. Zusätzlich muss sie prüfen, ob das Begehren alle formalen Regeln einhält und zum Beispiel keine sachlich unwahren Behauptungen in der Begründung oder Fehler im Kostendeckungsvorschlag vorkommen. Der Gemeinderat hat kein Recht, das Bürgerbegehren abzulehnen, weil es den Gemeinderäten inhaltlich nicht gefällt. Sind alle formalen Anforderungen erfüllt, ist das Bürgerbegehren zulässig und die Gemeinde ist verpflichtet einen Bürgerentscheid anzusetzen. Nach erfolgter Zulassung darf der Gemeinderat auch nichts mehr unternehmen, was dem Bürgerbegehren inhaltlich entgegensteht. Er darf zum Beispiel keine Verkaufsverträge mehr unterschreiben. Geschafft: das Bürgerbegehren wird angenommen! Der Tag der Entscheidung im Gemeinderat ist gekommen. Auch Lisa S. ist als Vertrauenspersonen eingeladen. Sie hat das Recht das Bürgerbegehren im Gemeinderat vorzustellen und es zu begründen. Freiwillig übernehmen möchte der Gemeinderat das Anliegen nicht. Aber der Gemeinderat kann auch keine Unregelmäßigkeiten feststellen. Das Bürgerbegehren ist also zulässig und es wird einen Bürgerentscheid geben! Der Gemeinderat legt den Termin dafür fest. Länger als vier Monate nach der Zulassung darf es aber nicht dauern bis zum Bürgerentscheid, es sei denn die Vertrauenspersonen sind mit einem späteren Termin einverstanden, z.b. weil die Abstimmung dann mit einer sowieso anstehenden Wahl zusammengelegt werden könnte. So etwas ist gleich doppelt vorteilhaft, weil so Organisationskosten eingespart werden und potenziell mehr Bürger_innen an der Abstimmung teilnehmen.

Aufmerksamkeit zu schaffen, hat die Bürgerinitiative ein Bürgerfest auf dem betroffenen Grundstück organisiert und die Kinder haben auf großen Bildern aufgemalt, wie sie sich ihre erweiterte Schule vorstellen. Das Fest hat dazu beigetragen, die Diskussion anzuregen und viele Menschen dazu zu motivieren, an der Abstimmung teilzunehmen. Zusätzlich gibt es eine von der Stadt organisierte große Informationsveranstaltung, zu der auch die Bürgerinitiative eingeladen ist, um Pro- und Contra-Argumente auszutauschen. Außerdem hängen beide Seiten in der ganzen Stadt Plakate auf und verteilen ihre Infoflyer. Die Gemeindeordnung legt zudem fest, dass die Gemeinde vor der Abstimmung schriftliche Informationen mit Pro- und Contra-Argumenten herauszugeben hat. In Bad Württlingen wird dazu eine Informationsbroschüre an alle Haushalte verschickt. In dieser Broschüre hat Lisa S. mit ihrer Bürgerinitiative genau so viel Platz wie der Gemeinderat und der Bürgermeister, um die Argumente der Bürgerinitiative darzulegen. Außerdem gibt es, wie bei einer Wahl, eine Benachrichtigung zum Abstimmungstermin an alle Stimmbrechtigten inklusive der Möglichkeit zur Briefabstimmung. Der Bürgerentscheid Nun ist es soweit: der Tag der Entscheidung! Lisa und die anderen sind jetzt wahnsinnig gespannt, wie es ausgehen wird. Im Rathaus kommen alle zusammen, um gemeinsam der Verkündung der Ergebnisse beizuwohnen. Um kurz nach sieben Uhr ist es soweit, alle Stimmen sind ausgezählt. Der Bürgermeister verkündet: 65 Prozent der Abstimmenden haben gegen den Verkauf des Grundstücks gestimmt und die Abstimmungsbeteiligung lag bei erfreulichen 46 Prozent. Lisa kann es gar nicht glauben: Sie haben gewonnen und auch das sogenannte 20-Prozent- Zustimmungsquorum ist geknackt. Denn die 65 Prozent der Zustimmenden repräsentieren insgesamt mehr als 20 Prozent aller Stimmberechtigen. Das ist in Baden-Württemberg die Voraussetzung dafür, dass ein Bürgerentscheid rechtlich gültig ist und umgesetzt werden muss. Der Gemeinderat ist dann drei Jahre lang an den Bürgerentscheid gebunden. Im Fall Württlingen ist damit sichergestellt: Das Grundstück wird nicht an den Investor verkauft und dem Ausbau der Otto-Schule fernab der lärmigen Straße steht nun nichts mehr im Wege. Bitte weiterlesen!

In dieser Grafik sind die Schritte zum Bürgerentscheid zusammengefasst: Sie wollen selbst ein Bürgerbegehren starten? Mehr Demokratie e.v. bietet Ihnen gerne eine direkte Beratung an. Wir empfehlen Ihnen generell: Nehmen Sie vor dem Start der Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren mit uns Kontakt auf. So können wir Ihnen Rückmeldung geben, ob Ihr Unterschriftenblatt rechtssicher formuliert ist. Vor dem Start eines Bürgerbegehrens sollten Sie auch unser ausführliches Handbuch zur erfolgreichen Durchführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden, das Sie auf unserer Homepage www.mitentscheiden.de finden. Dort werden Ihnen ganz konkrete Hilfestellungen zu den einzelnen Schritten auf dem Weg zum Bürgerentscheid angeboten. Unsere Beratung ist für Sie kostenfrei. Als gemeinnütziger, staatlich unabhängiger Verein, sind wir jedoch auf Spenden angewiesen, um auch weiterhin unser Beratungsangebot für Bürgerinitiativen in vollem Umfang anbieten zu können. Spenden können Sie direkt und unkompliziert unter: https://www.mehr-demokratie.de/spenden_bw.html Kontakt Landesbüro Mehr Demokratie BaWü: Tel. 0711-509 1010, Mail: info@mitentscheiden.de