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Transkript:

Beispielbild Blockseminar 14.12. und 15.122007 Aufmerksamkeitsstörungen

Störungsbilder Wann ist Aufmerksamkeit gefordert? Sie wird immer aktiviert, wenn man es nicht mit überlernten Routinehandlungen zu tun hat. Wofür ist Aufmerksamkeit erforderlich? Aufmerksamkeit ist die Grundlage für jede höhere perzeptive, kognitive oder motorische Leistung. Muss/kann Aufmerksamkeit trainiert werden? Jede Rehabilitationsmaßnahme muss an der Aufmerksamkeit ansetzen, sofern diese betroffen ist. 2

Störungsbilder Definition der Aufmerksamkeit:..Focalization, concentration of consciousness are of its essence. It implies withdrawal from some things in order to deal better with others... (W. James) Fazit der Definition: Aufmerksamkeit ist ein Selektionsmechanismus! Aber die klinischen Erscheinungsbilder können vielfältiger sein... 3

Störungsbilder Taxonomie der Aufmerksamkeit nach Sturm (2004) Aktivierungs -niveau Trennung wird in anderen Bereichen der Kognitiven Psychologie nicht gemacht Selektionsniveau 4

Störungsbilder Dimension: Intensität Definition von Alertness: Allgemeine Wachheit (tonische Alertness) und Aktivierungsanstieg nach einem Warnreiz (phasische Alertness) Störung der Alertness: Patient ist......nicht ansprechbar....zeitlich oder räumlich nicht vollständig orientiert....leidet möglicherweise an einer allgemeinen Verlangsamung....berichtet von erhöhter Ermüdbarkeit 5

Störungsbilder Dimension: Intensität Definition von Daueraufmerksamkeit/Vigilanz: Aufmerksamkeit wird unter mentaler Anstrengung über einen längeren Zeitraum hinweg aufrechterhalten. Bei Vigilanz unter monotoner Reizbedingung, bei Daueraufmerksamkeit bei hoher Reizdichte. Störung der Daueraufmerksamkeit/Vigilanz: Rasche Ermüdung bei jeder alltagspraktischen Tätigkeit (DA) Längere Pausen erforderlich. Störungen der Vigilanz sind weniger alltags-nah. 6

Störungsbilder Dimension: Selektivität Definition der selektiven Aufmerksamkeit: Isolation eines spezifischen Reizausschnittes, und Unterdrückung ablenkender Reize durch z.t. parallel ablaufende Prozesse. Störung der selektiven Aufmerksamkeit: Patient ist.....sehr ablenkbar...bricht laufende Aktivitäten häufig ab, ohne die zu beenden. Neue Reize rufen Orientierungsreaktion hervor 7

Störungsbilder Dimension: Selektivität Definition des Wechsels des Aufmerksamkeitsfokus: Offene und verdeckte Verschiebung des Aufmerksamkeitsfokus. Lösen von vorher relevanten Reizen und Zuwendung zu neuen Reizen. Störung des Wechsels des Aufmerksamkeitsfokus: Klinische Beispiele sind besonders deutlich im Neglect und auch im Balint-Syndrom 8

Störungsbilder Dimension: Selektivität Definition der geteilten Aufmerksamkeit: Beschränkte Aufmerksamkeitskapazität macht Verteilung (oder Teilung) der Ressourcen notwendig. So können mehrer Aufgaben gleichzeitig monitort werden. Störungen der geteilten Aufmerksamkeit: Divided Attention Deficit, d.h.: Situationen, die das parallele Ausführen mehrerer Aufgaben verlangen, werden nicht bewältigt (Gehen & Sprechen) 9

Ätiologie: Das SHT Als Schädel-Hirn-Trauma (auch SHT) bezeichnet man jede Verletzung des Schädels mit Hirnbeteiligung, aber keine reinen Schädelfrakturen oder Kopfplatzwunden. SHT 1. Grades (commotio cerebri oder Gehirnerschütterung): Ist als eine leichte, gedeckte Hirnverletzung ohne Bewusstlosigkeit bzw. mit Bewusstlosigkeit bis zu 5 Minuten definiert. Sie heilt in ca. 5 Tagen vollständig aus. Die Patienten haben in der Regel lediglich eine retrograde Amnesie und Übelkeit zu beklagen. SHT 2. Grades (contusio cerebri oder Gehirnprellung): Bewusstlosigkeit bis 30 Minuten. Spätfolgen sind von der Lokalisation der Hirnschädigung abhängig. SHT 3. Grades (compressio cerebri oder Gehirnquetschung): Bewusstlosigkeit länger als 30 Minuten, verursacht durch Einklemmung des Gehirns durch Blutungen, Ödeme oder ähnliche Vorgänge. Grund sind raumfordernde Prozesse, die dazu führen, dass das gesamte Gehirn unter dem Druckanstieg und der folgenden Einklemmung leiden kann. Die Folge ist oftmals ein lang andauerndes (oftmals künstliches) Koma, ein komaähnlicher Zustand, eine temporäre Entfernung eines Teils der Schädeldecke (einige Monate) oder gar der Tod. Dauerhafte Schäden sind zu erwarten, aber nicht zwangsläufig. 10

Ätiologie SHT Allgemeine Bemerkungen zum SHT: - Bewirkt eine allgemeine, unspezifische Verlangsamung - Kann jedoch unterschiedlich Selektion oder Intensität betreffen - Ursache sollen diffuse axonale Schädigungen sein - Bei schwerem SHT vor allem Mini-Läsionen im Cingulum und im präfrontalen Kortex (Aktivierung und Modulation der Aufm.) - Problem bei der Untersuchung: Tests haben nicht die Komplexität einer Alltags-Situation 11

Ätiologie SHT: minimale traumatische Schädigung Definition: - Setzt zeitweilige Bewusstlosigkeit oder transiente Amnesie oder Desorientierung voraus. - Im MRT zeigt sich auch bei leichter SHT eine diffuse axonale Schädigung - Symptome nicht eindeutig nur organisch, z.t. auch psychogen (Aggravation) 12

Ätiologie SHT: HWS-Schleudertrauma - Typische Situation: Auffahrunfall - Die Peitschenschlagverletzung ist von einem Schmerzsyndrom geprägt (Nacken- und Kopfschmerzen), aber auch sehr häufig von Aufmerksamkeitsdefiziten (hier in einfachsten Routineaufgaben) - Korrelation zwischen Schmerzerleben und Aufmerksamkeitsdefizit, was auch die Rückbildung betrifft. Die Korrelation gilt aber auch für Nicht-HWS -Patienten! - Im Verlauf der Erkrankung stehen vor allem die erhöhte Ermüdbarkeit und die Erschöpfung im Vordergrund, die Defizite in der selektiven Aufmerksamkeit gehen zurück. 13

Epidemiologie Systematische Untersuchungen meist an SHT-Patienten. (1) Beschwerden bleiben auch 2 Jahre nach Insult erhalten (2) Kein direkter Zusammenhang zwischen Störung und Schwere des SHT Schweres SHT + 2 Jahre Leichtes SHT Problem aus dem letzten Punkt: Einschränkungen werden oft als Aggravation ausgelegt! Die fehlende soziale Anerkennung des Defizits hat starke psychische Auswirkungen. 14

Verlauf & Prognose Prognose für SHT: Mögliche Konstanz des Aufmerksamkeitsdefizits (bei schweren SHT: 30 46% der Patienten). Prognose nach Frequenz der Schädigung: Bei einmaligem Vorfall bleiben bei 2-5% der Patienten langfristige Einschränkungen, ansonsten Besserung in den ersten 10 Tagen Bei mehrmaligem Vorfall (Boxer): Kumulativer Effekt, d.h. das Risiko für langfristige Spätfolgen steigt signifikant an. 15

Andere Ätiologien Hirnstamm Läsion im Bereich der ARAS kann Störungen der Daueraufmerksamkeit und Vigilanz induzieren Rechtshemisphärische Kortikale Schädigungen Aufrechterhaltung der Aufmerksamkeit und Kontrolle des Aktivierungsniveaus ist vor allem rechte Hemisphäre gebunden, die linke ist eher für die Fluktuation der Aufmerksamkeit zuständig. Frontallappen- Schädigungen Bilaterale Schädigungen im Frontallappen können die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsteilung reduzieren. 16

Weitere Ätiologien Neurodegenerative Erkrankungen Symptome bei kortikalen Demenzen (Alzheimer): Zuerst Defizite in Wahlreaktionsaufgaben, dann Störungen in der inhibitorischen Kontrolle. Insgesamt bleibt jedoch (zunächst) die automatisierte Verarbeitung erhalten, dagegen zeigen sich Defizite in den kontrollierten Prozessen. Symptome bei subkortikaler Demenzen (Huntington, Parkinson): Defizite in der Alertness, der selektiven Aufmerksamkeit, der geteilten Aufmerksamkeit und des Aufmerksamkeitswechsels. Dagegen keine Probleme bei der verdeckten Aufmerksamkeitslenkung und Vigilanz. 17

Störungstheorien Dimension: Intensität Tonische und Phasische Alertness: Alertness ist durch eine einfache Aufgabenstruktur und Reaktionsdruck gekennzeichnet. Daueraufmerksamkeit ist durch komplexere Aufgaben charakterisiert, und die Zielreize erfordern nicht immer eine unmittelbare Reaktion. Deshalb aktiviert sie nicht in optimaler Weise das Aktivierungsnetzwerk. Vigilanz ist durch eine Monitoring-Tätigkeit von langer Dauer in reizarmer Umgebung charakterisiert. 18

Störungstheorien Dimension: Intensität Funktionelle Bildgebung: Alertness Einfache visuelle Reaktionsaufgabe evoziert Aktivität im Cingulum (2), im präfrontalen (1) und im parietalen Kortex (3), Mesencephalon (5). Theoretisches Netzwerk: Cingulum & Kortex kontrollieren über den Nucl. Reticularis (Thalamus) den Hirnstamm, und damit die Aufmerksamkeitsaktivierung. 19

Störungstheorien Dimension: Intensität Funktionelle Bildgebung: Daueraufmerksamkeit 60 Minuten Vigilanzaufgabe: Abnahme der Aktivierung im Frontallappen und Thalamus, damit verbunden eine Aktivierungsänderung im Cingulum und Mesencephalon. D.h. eine Veränderung im Alertness- System Rolle der parietalen Aktivierung: Der Parietallappen ist nicht nur für die räumliche Aufmerksamkeitsverschiebung verantwortlich. Erklärt den positiven Effekt von Vigilanztraining bei Neglect. 20

Störungstheorien Dimension: Selektion Psychologische Theorien: Selektive Aufmerksamkeit Klassiker unter den Theorien: Broadbents Filtermodell Die begrenzte Verarbeitungskapazität macht es notwendig, dass die parallel verarbeitete sensorische Information gefiltert wird. Problem: Reize werden offenbar nicht nach einem O/1-Prinzip gefiltert! 21

Störungstheorien Dimension: Selektion Psychologische Theorien: Selektive Aufmerksamkeit 2-Prozess-Modell von Shiffrin & Schneider Automatische Verarbeitung erfolgt parallel, kontrollierte seriell. Störungsformen: 1. FAD (Defizit der Fokussierung): Unterdrückung automatischer Reaktionen 2. DAD (Defizit der Teilung der Aufm.): Überlastung der kontrollierten Verarbeitung 22

Störungstheorien Dimension: Selektion Psychologische Theorien: Selektive Aufmerksamkeit Cognitive-Schema-Theorie von Shallice Verarbeitung erfolgt aufgrund von Vorerfahrungen (Schemata), d.h. bestimmte Reizkonfigurationen aktivieren bestimmte Verhaltensmuster Was reguliert die Wahl und Ausführung der Handlungsschemata? 1. Contention Scheduling: Schemata werden automatisch an Situationen angepasst und unpassende gehemmt (Wettbewerb der Schemata) 2. Supervisory Attentional Control: Abgleich mit dem Arbeitsgedächtnis, ob Schema angemessen ist. Kontrolliert Erregbarkeit vorhandener Schemata. Schlüssel für geteilte Aufmerksamkeit! 23

Störungstheorien Dimension: Selektion Funktionelle Bildgebung: Selektive Aufmerksamkeit Involviertes Netzwerk: Alertness-Netzwerk (retikuläres System und Thalamus) und eine frontothalamisches Gating-System, welches nur selektiv die relevanten Informationen passieren lässt. Besondere Bedeutung soll dabei die linke Hemisphäre besitzen, die vor allem eine lokale Analyse der Reizmerkmale durchführt. Subtraktion Selektion Alertness : Links-inferiore frontale Aktivierung und rechtes Cingulum aktiv 24

Störungstheorien Dimension: Selektion Nach Shiffrin & Schneider begrenzt durch die Ressourcen der kontrollierten Verarbeitung. Psychologische Theorien: Geteilte Aufmerksamkeit Wickens Modell Modell nach Wickens: Mehrdimensionales Schema multipler Ressourcen, die in unterschiedlichem Maß interferieren. Unähnliche Aufgaben können leichter parallel ablaufen. Nach Shallice wird die Aufmerksamkeitsteilung primär durch die Supervisory Attentional Control gesteuert. Damit erhöhte Bedeutung des Arbeitsgedächntis 25

Störungstheorien Zusammenfassung 26

27

Aufmerksamkeit Therapieansätze 28

Differenzierungen Therapieziel: Wiedereingliederung oder Selbstständigkeit Therapieansatz: Kompensatorisch oder Restitutiv Therapiestrategie: Unspezifisches Training oder Spezifisches Training 29

Ein Therapieschema Therapie umfasst 3 Stufen: - Training der Mehrfachwahlreaktionen am DTG (Determinationsgerät) - Training der geteilten Aufmerksamkeit am KT (kombinierten Test) - Training von Mehrfachwahlreaktionen und geteilter Aufmerksamkeit unter erhöhten Anforderungen am ART 90 DTG - geringste Anforderungen - erfolgt mit Lichtreizen; reaktionsgesteuert - Dauer: 45 min. KT - reizgesteuert mit ISI von 1,3 bis 1,5 s - Dauer: 45 min. ART 90 - höchste Anforderungen - reizgesteuerte Abläufe; Einbeziehung von akustischen Signalen und Fußpedalen - weitgehend als Selbsttherapie durchgeführt 30

Eingangsdiagnostik: ZVT Ein Therapieschema DTG falls DTG-PR 25 Trainingsstufe 1: DTG Falls DTG- PR > 25 wenn nach Therapie DTG-PR > 50 Diagnostik: KT falls KT-PR 25 Trainingsstufe 2: KT Falls KT-PR >25 wenn nach Therapie KT-PR > 50 Diagnostik: ZVT PASAT falls PASAT- oder ZVT-PR 25 Trainingsstufe 3: Falls PASAT und ZVT-PR > 25 Mehrfachwahlreakt./ geteilte Aufmerksamkeit unter erhöhten Anforderungen Keine Therapie Therapieende 31

Probleme beim Therapieschema Unspezifisches Aufmerksamkeits-Training die Tatsache, dass Aufmerksamkeit aus mehreren Komponenten besteht, wird nicht berücksichtigt; eher globales Training Spezifisches Aufmerksamkeits-Training es werden die Komponenten von Aufmerksamkeit trainiert, in denen Leistungsdefizite vorliegen 32

Unspezifisches Training Training mit dem Determinationsgerät Training mit Vigilanztests Eingeschränkte Generalisierung. Leistung in ähnlichen Tests wird besser Keine Generalisierung. Unspezifisches Training ist nicht effizient 33

Spezifisches Training Spezifisches Training: - Therapieansätze unterscheiden sich bzgl. der angesprochenen Komponenten der Aufmerksamkeit - Evaluation der Effizienz von Trainings auf drei verschiedenen Ebenen: - Trainingsaufgabe ist die gleiche, wie Test zur Evaluation - Psychometrische Aufgaben/Test zur Evaluation - Auswirkungen der Therapie auf Alltagsleistungen 34

Spezifisches Training AixTent nach Sturm, Orgaß und Hartje (RWTH Aachen) AixTent trainiert die Aufmerksamkeitsbereiche Alertness, selektive Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit und optische Vigilanz. Das Programm besteht aus sieben unterschiedlichen Trainingsmodulen. Um ein optimales Training zu gewährleisten, kann das Programm in einem selbstadaptiven Modus betrieben werden, so dass es sich selbständig an den Leistungsstand des Patienten anpasst. Cockpit - Training der geteilten Aufmerksamkeit An einem vereinfachten Flugsimulator erhält der Patient die Aufgabe, auf drei unter-schiedliche Ereignisse, die simultan und/oder einzeln auftreten können, zu reagieren. Folgende Ereignisse treten auf: Das Flugzeug verlässt den Horizont, das Motoren-geräusch verändert sich, die Tachometernadel verlässt den grünen Bereich. Radar - Training der optischen Vigilanz Der Patient überwacht mittels eines Radargeräts den Flugverkehr. Beim Auftreten eines kritischen Ereignisses, es taucht z.b. plötzlich ein fremdes Objekt auf oder ein Flugzeug wechselt plötzlich rasant die Position, muss er auf dieses Ereignis reagieren. 35

Spezifisches Training Spezifisches Training: - Computertraining: - Verbesserung elementarer Aufmerksamkeitsfunktionen durch Stimulationstherapie ohne das Patient hierzu spezielle Strategien erlernen muss - Eher Restitutionsprozess, weniger Kompensationsprozess Spezifisches Training: - Computertraining: Vorteile: - Möglichkeit der Verlaufskontrolle - Einfache Handhabung, kurze Einarbeitungszeit - Schwierigkeitsgrad und Anforderungsprofil kann individuell angepasst werden (teilweise passt sich das Programm den Leistungen des Patienten von selbst an) - Nahezu unbegrenzte Auswahl an Übungen (Zufallsgenerator) - Ökonomisch ( spart Zeit und Personal) - Auch zu Hause durchführbar 36

Andere Ansätze Sonstige Therapieansätze: - Selbstinstruktionsstechniken - Verhaltenstherapeutische Methoden - Hilfen bei der Organisation des Alltags - Einbeziehung und Neuorganisation des Patientenumfeldes 37

Aufmerksamkeit Diagnostik 38

Diagnostik Anamnese & Exploration Folgende Fragen in Eigen- und Fremdanamnese: 1. Standardfragen nach Händigkeit (Testverfahren), Seh- oder Hörhilfen, Schul- und Berufsbildung (prämorbides Niveau) 2. Schilderung des Unfallverlaufs (retrorade Amnesie, Bewusstlosigkeit, posttraumatische Amnesie) 3. Selbsteinschätzung: Antrieb, Ermüdbarkeit, Konzentration, Ablenkbarkeit, Verlangsamung, Schlafbedürfnis, Aufgabenteilung, Vernachlässigung von Raumhälften 39

Diagnostik Verhaltensbeobachtung Beobachtungsschwerpunkte 1. Folgt der Patient den Ausführungen des Untersuchers? Berichtet der Patient konsistent seine Geschichte? 2. Wirkt der Patient abwesend? Lenken ihn Geräusche ab? 3. Ermüdet der Patient schnell trotz ausreichendem Schlaf? 4. Ist die Bearbeitung der Aufgaben schnell, aber ungenau? 5. Lässt der Patient eine Hälfte bei der Bearbeitung der Vorlage aus? 6. Werden Symptome bagatellisiert? 40

Diagnostik Verhaltensbeobachtung Hinweise auf eine Aggravation, wenn... 1. Ein äußerer Anreiz zum verstärkten Darstellen der Symptomatik besteht (Krankheitsgewinn) 2. Die Testergebnisse nicht mit dem Eigenbericht konsistent sind 3. Symptome und Beschwerden neuropsychologisch nicht einzuordnen sind 4. Hinweise auf eine emotionale oder Persönlichkeitsstörung bestehen 5. Die Kooperationsbereitschaft des Patienten fraglich ist. 41

Diagnostik Verhaltensbeobachtung AV=Ablenkbarkeit EV=Ermüdung AM=Antrieb 42

Diagnostik Eine neuropsychologische Diagnostik der Aufmerksamkeit sollte sich an der folgenden Taxonomie ausrichten: 43

Diagnostik Allgemeine Empfehlungen: 1. Aufmerksamkeitsintensität (Alertness) am Anfang und Ende der Untersuchung testen (Ermüdungseffekte) 2. Alle Komponenten der Selektivität erfassen, nicht zur dir klassische selektive Aufmerksamkeit 3. Bei rechtsseitigen Läsionen immer auch die räumliche Aufmerksamkeitslenkung testen 4. Nur normierte Testverfahren wählen 5. Computergestützte Testverfahren wählen, da die Analyse der Reaktionszeiten elementar ist. 44

Diagnostik Dimension: Intensität Alertness Sie wird untersucht mit einfachen Reaktionszeitaufgaben, wahlweise mit oder ohne Warnton. Die Differenz schätzt die phasische Alterness (Caveat: Bei Selektionsstörungen wirkt der Hinweisreiz als Distraktor). Das wichtigste Maß bleibt jedoch die intrinsische Alertness, die tageszeitabhängig schwanken kann. Mögliche Testverfahren: -TAP: Alterness -Wiener Reaktionsgerät -ZVT / TMT A (schlecht!) 45

Diagnostik Dimension: Intensität Längerfristige Aufmerksamkeitszuwendung Enthält fast immer auch einen Selektionsaspekt, teilweise auch andere kognitive Leistungen (Rechenfertigkeit beim KLT) Daueraufmerksamkeit wird mit dem Wiener Testsystem untersucht. 46

Diagnostik Dimension: Intensität Längerfristige Aufmerksamkeitszuwendung Vigilanz wird entweder mit dem Wiener Testsystem, der TAP oder dem Konzentrations-Leistungs-Test (KLT) untersucht. Wiener Testsystem lehnt sich an die Mackworth-Uhr an. 47

Diagnostik Dimension: Selektivität Selektive / Fokussierte Aufmerksamkeit Aufgaben, die rasche Reaktionen auf der Reiz- oder Reaktionsseite erfordern. Relevant sind immer auch Arbeitsgedächtnisprozesse und die Inhibitionsfähigkeit des Probanden. Das typische Paradigma ist die Wahlreaktionsaufgabe, wobei die Steigerung der Reaktionsalternativen die selektive Aufmerksamkeit mehr belastet. Erfasst werden typischerweise die Reaktionszeiten, die Fehler- und die Auslassungsraten. Verlangsamungen in den einfachen RT-Aufgaben sind jedoch ein Alertness-Problem! 48

Diagnostik Dimension: Selektivität Selektive / Fokussierte Aufmerksamkeit Testverfahren (paper-pencil): D2 (hier wird auch die Verarbeitungsgeschwindigkeit gemessen) Stroop (hier wird vor allem die Inhibition automatisierter Reaktionstendenzen) 49

Diagnostik Dimension: Selektivität Selektive / Fokussierte Aufmerksamkeit Testverfahren (computer-gestützt): TAP: Go/NoGo Wiener-Testsystem: Wahlreaktion 50

Diagnostik Dimension: Selektivität Visuell-räumliche Aufmerksamkeit Impliziert räumliches Suchen, oder auch die Bewegung des Aufmerksamkeitsfokus bei konstanten Augenbewegungen. Testverfahren: TAP: Verdeckte Aufmerksamkeit ZVT / TMT A 51

Diagnostik Dimension: Selektivität Geteilte Aufmerksamkeit / Kognitive Flexibilität Fähigkeit, die Verarbeitungsressourcen auf zwei Aufgaben zu verteilen. Je ähnlicher die Aufgaben, desto größer die Anforderung. Bei der dual-task (höchste Anforderung, da stark konkurrierende Informationen) soll primär das Konzept der Supervisory Attentional Control aktiviert werden. Das Konzept der kognitiven Flexibilität ist eng verwandt, da es hier meist auf einen schnellen Wechsel des Aufmerksamkeitsfokus ankommt. Hier sollte man jedoch beachten, dass zumeist auch die motorischen Anforderungen erhöht sind. 52

Diagnostik Dimension: Selektivität Geteilte Aufmerksamkeit / Kognitive Flexibilität Testverfahren: TAP: Geteilte Aufmerksamkeit / Reaktionswechsel PASAT (paced auditory serial addition task) TMT B 53

Diagnostik Übersicht: TAP Untertests der TAP (1) Alertness (2) Arbeitsgedächtnis (in 3 Schwierigkeitsabstufungen) (3) Augenbewegung (4) Gesichtsfeld- bzw. Neglectprüfung (5) Geteilte Aufmerksamkeit (mit 2 Vortests) (6) Go/Nogo-Test (in 2 Varianten) (7) Inkompatibilität (8) Intermodaler Vergleich (9) Reaktionswechsel (in 2 Varianten) (10) Verdeckte Aufmerksamkeitsverschiebung (11) Vigilanztest (in 4 Varianten) (12) Visuelles Scanning 54