Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser Kapitel 4 Technischer Fortschritt die kurze, mittlere und lange Frist

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Transkript:

Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser Kapitel 4 Technischer Fortschritt die kurze, mittlere und lange Frist Version: 17.10.2011

Dimensionen des technischen Fortschritts 1. Es gibt optimistische und pessimistische Sichtweisen des technischen Fortschritts. Technischer Fortschritt ermöglicht es, immer mehr Güter mit der selben Zahl von Beschäftigten zu produzieren. Technischer Fortschritt bedeutet aber auch, dass eine Volkswirtschaft die gleiche Menge an Gütern mit immer weniger Beschäftigten herstellen kann. Technische Arbeitslosigkeit ein Konzept der Technokratie- Bewegung während der großen Depression ist eine Bezeichnung dafür, dass Arbeitslosigkeit durch den Einsatz von Maschinen für den Fertigungsprozess hervorgerufen wird. Unsere Theorien lehren uns, dass langfristig technischer Fortschritt zu Produktionszuwächsen, nicht zu Beschäftigungsabbau führt. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 2

Dimensionen des technischen Fortschritts 1. Es gibt optimistische und pessimistische Sichtweisen des technischen Fortschritts. In diesem Kapitel heben wir die Annahme einer konstanten bzw. einer mit einer konstanten Rate wachsenden Beschäftigung auf und betrachten den kurz- bis mittelfristigen Anpassungsprozess nach einem Anstieg des technischen Wissens. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 3

Dimensionen des technischen Fortschritts 2. Technischer Fortschritt führt zur Produktion neuer Güter und zum Verschwinden von alten Gütern. Wachstum ist im Grunde ein Prozess der kreativen Zerstörung (Joseph Schumpeter). Mit technischem Fortschritt geht sowohl ein Prozess der Arbeitsplatzschaffung (bei den neuen Gütern) als auch einer der Arbeitsplatzzerstörung (bei den alten Gütern) einher. Der technische Fortschritt geht mit Verteilungseffekten einher. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 4

Produktivität und Arbeitslosigkeit in der kurzen Frist Eine Produktionsfunktion mit technischem Fortschritt lautet: Y = F(K,AN) Man lässt nun Kapital außer Acht und nimmt folgende Produktionsfunktion an: Y = AN Produktion erfolgt also nur durch Arbeitseinsatz, N, wobei jeder Beschäftigte A Einheiten der produzierten Güter herstellt. Ein Anstieg von A bezeichnet technischen Fortschritt. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 5

Produktivität und Arbeitslosigkeit in der kurzen Frist Alternativ kann der technische Fortschritt als Produktion je Beschäftigten, und somit als Produktivität, interpretiert werden Y A = N Die Beschäftigung ist gleich der Produktion geteilt durch die Produktivität: Y N = A Die Befürchtung ist nun, dass, gegeben das Kapitalniveau, ein Produktivitätsanstieg das Beschäftigungsniveau reduziert. Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dieser Frage. Besonderes Augenmerk werden wir auf die kurz- bis mittelfristigen Reaktionen von Produktion, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit legen. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 6

Technischer Fortschritt, aggregiertes Angebot und aggregierte Nachfrage Aggregierte Angebotsfunktion und aggregierte Nachfragefunktion für ein gegebenes Produktivitätsniveau. Die aggregierte Angebotsfunktion verläuft steigend: Ein Anstieg des Produktionsniveaus führt zu einem Anstieg des Preisniveaus. Die aggregierte Nachfragekurve fällt: Mit steigendem Preisniveau geht die Nachfrage nach produzierten Gütern zurück. Für gegebenes Y gilt: Je höher A, desto geringer N. Was aber passiert mit Y, wenn A steigt? Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 7

Technischer Fortschritt, aggregiertes Angebot und aggregierte Nachfrage Die Wirkung eines Produktivitätsanstiegs auf Produktion und Beschäftigung in der kurzen Frist hängt davon ab, wie er die AS-Kurve und die AD- Kurve verschiebt. Kurzfristig verschiebt sich die AS-Kurve nach unten. Durch einen Produktivitätszuwachs muss weniger Arbeit für die Erstellung einer Produktionseinheit eingesetzt werden, wodurch die Kosten für die Unternehmen sinken. Die Unternehmen senken für jedes Produktionsniveau ihre Preise. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 8

Technischer Fortschritt, aggregiertes Angebot und aggregierte Nachfrage Was mit der AD-Kurve geschieht, hängt von der Ursache des Produktivitätszuwachses ab: Technische Neuerungen führen zu höheren Gewinnerwartungen und damit unter Umständen zu einem Investitionsschub. Die Nachfrage nach Gütern steigt und die AD-Kurve verschiebt sich nach rechts. Der effizientere Einsatz bereits bestehender Technologien erfordert wenig oder keine neuen Investitionen. Die gesunkene Arbeitsplatzsicherheit induziert einen Anstieg der Ersparnis und einen Rückgang der Konsumausgaben die AD-Kurve verschiebt sich nach links. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 9

Technischer Fortschritt, aggregiertes Angebot und aggregierte Nachfrage Die Auswirkungen eines Produktivitätszuwachses auf die Produktion in der kurzen Frist Ein Produktivitätszuwachs verschiebt die AS-Kurve nach unten. Die Auswirkung auf die AD-Kurve ist nicht eindeutig, sie kann sich nach links oder nach rechts verschieben. Hier nehmen wir eine Rechtsverschiebung an. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 10

Empirische Ergebnisse Unter dieser Annahme kommt es somit kurzfristig nach einem Produktivitätsanstieg zu einem Anstieg der Produktion. (auch wenn sich die AD Kurve geringfügig nach links verschieben würde, käme es zu einem Anstieg der Produktion) Ob die Beschäftigung steigt oder fällt, ist nicht klar, da g N = g Y g A Im Modell hängt das Ergebnis u.a. von den Steigungen der Kurven ab, und somit von den strukturellen Parametern der Volkswirtschaft. Was sagt die Empirie? Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 11

Empirische Ergebnisse Wachstum von Arbeitsproduktivität und Produktion in den USA, 1960-2010 Es besteht eine enge Beziehung zwischen Produktions- und Produktivitätswachstum. Veränderung ggü. Vorjahr in Prozent Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 12

Empirische Ergebnisse Aus der Grafik könnte man entnehmen, dass meistens gilt: g N = g Y g A > 0. in Prozentpunkten Differenz zwischen Produktions- und Produktivitätswachstum 5 4 3 2 1 0-1 -2-3 -4-5 -6 60 65 70 75 80 85 90 95 00 05 10 Source: Reuters EcoWin Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 13

Empirische Ergebnisse Aus der Grafik könnte man entnehmen, dass meistens gilt: g N = g Y g A > 0. Allerdings muss man bei dieser Interpretation die Kausalitäten berücksichtigen: Im Mittelpunkt unserer Analyse steht ein exogener Anstieg der Produktivität und wir fragen uns, welche Effekte dieser Anstieg auf Produktion und Beschäftigung hat. In der kurzen Frist verläuft die kausale Beziehung allerdings häufig nicht vom Produktivitäts- zum Produktionswachstum, sondern umgekehrt. D.h. Produktionsänderungen (wie auch immer ausgelöst) haben einen positiven Effekt auf die Produktivität. Es kommt also zu einer endogenen Veränderung der Produktivität. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 14

Empirische Ergebnisse Ursache hierfür liegt im Gesetz von Okun: Weder werden Beschäftigte proportional zum Produktionsrückgang entlassen, noch wird proportional zum Anstieg eingestellt: ut ut 1 = β( gyt gy) mit β < 1 Wenn also die Produktion um 1 Prozentpunkt steigt, geht die Arbeitslosenquote um weniger als einen Prozentpunkt zurück und Beschäftigung steigt um weniger als einen Prozent. Deshalb führt ein Produktionszuwachs zu einem Anstieg der Produktivität: g A = g Y g N >0 Wenn β gleich eins wäre, dürfte es zu einer solchen Reaktion der Produktivität nicht kommen. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 15

Empirische Ergebnisse Ursache hierfür liegt im Gesetz von Okun: Veränderung der Arbeitslosenquote in Prozentpunkten 3 2 1 0-1 -2 β = 1 USA -3-5.0-2.5 0.0 2.5 5.0 7.5 10.0 12.5 Veränderung des realen BIP in Prozent Source: Reuters EcoWin Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 16

Empirische Ergebnisse Die Grafik vermengt demnach solche endogenen Produktivitätsänderungen mit exogenen (also durch technischen Fortschritt bedingten) Änderungen der Produktivität. Empirische Analysen der Auswirkungen eines exogenen Produktivitätswachstums auf die Produktion liefern folgende Ergebnisse: Manchmal führen Produktivitätszuwächse zu Steigerungen der Produktion, die ausreichen, die Beschäftigung in der kurzen Frist beizubehalten oder zu steigern. Manchmal führen sie aber nicht dazu. Die Arbeitslosigkeit steigt dann in der kurzen Frist. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 17

Empirische Ergebnisse rote Linie: exogene und konjunkturelle Veränderungen des Produktivitätswachstums blaue Linie: trendmäßige (d.h. um konjunkturelle Einflüsse bereinigte) Veränderung des Produktivitätswachstums in Prozent Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 18

Produktivität und natürliche Arbeitslosenquote die mittelfristige Anpassung Falls die Firmen ihre Preise gleich 1+ μ mal ihren Kosten setzen, beträgt das Preisniveau: W Preissetzung: P = ( 1+μ) A Y=AN: Die Produktion einer Gütereinheit erfordert 1/A Beschäftigte. Die entsprechenden Kosten betragen W/A. Steigt A, sinken die Kosten. Der von den Firmen bezahlte Reallohn, W/P, steigt 1:1 mit der Produktivität, A. Je höher das Produktivitätsniveau, desto niedriger der von den Firmen festgesetzte Preis bei gegebenem Nominallohn und desto höher ist der von den Firmen gezahlte Reallohn: W A P = 1+ μ Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 19

Produktivität und natürliche Arbeitslosenquote die mittelfristige Anpassung Lohnverhandlungen spiegeln zukünftige Produktivitätsgewinne wider: Lohnsetzung: W = e e A P F(u,z) erwartete Produktivitätszuwächse führen zu Produktionserhöhungen und deshalb zu höheren Einkommen Unter der Bedingung richtiger Erwartungen, d.h. P e = P und A e = A, verändert sich die Lohnsetzungsgleichung zu: ( W ) ( + ) = AF( u, z ) P Der Reallohn hängt sowohl vom Produktivitätsniveau als auch von der Arbeitslosenquote ab. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 20

Die natürliche Arbeitslosenquote Die Auswirkungen eines Produktivitätszuwachses auf die natürliche Arbeitslosenquote Ein Produktivitätsgewinn verschiebt sowohl die Lohnsetzungskurve als auch die Preissetzungskurve im selben proportionalen Ausmaß nach oben. Er hat somit keinen Effekt auf die natürliche Arbeitslosenquote. Ein Anstieg der Produktivität um x% lässt die Unternehmen ihre Preise um x% senken. Das führt zu einem Reallohnanstieg um x%. Dieser Anstieg entspricht genau dem bei u n vereinbarten Anstieg der Reallöhne. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 21

Die natürliche Arbeitslosenquote Die natürliche Arbeitslosenquote hängt also weder vom Produktivitätsniveau noch von der Produktivitätswachstumsrate ab: A = AF(u n,z) 1+μ 1 = F(u n,z) 1+μ 1 = 1 α un + z (vgl. Kapitel 8 im Lehrbuch) 1+μ 1 1 un = 1 + α 1 +μ z Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 22

Empirische Ergebnisse Produktivitätswachstum und Arbeitslosigkeit, Durchschnitte für die Jahrzehnte von 1890-2000 Es besteht kaum ein Zusammenhang zwischen den Zehn-Jahres-Durchschnitten des Produktivitätswachstums und der Arbeitslosenquote. Wenn ein solcher Zusammenhang besteht, führt niedrigeres Produktivitätswachstum zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 23

Empirische Ergebnisse Lässt sich der schwach inverse Zusammenhang auch theoretisch erklären? Ja! Annahme: Produktivitätserwartungen passen sich nur sehr langsam an die Realität niedrigeren Produktivitätswachstums an (d.h. g A weiterhin positiv, aber A e > A) Preissetzung: W P = A 1+ μ W e Lohnsetzung: A 1 u n z P = α + ( ) 1 A 1 A un = 1 + z mit < 1 e e α A 1+μ A Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 24

Empirische Ergebnisse Die Auswirkungen einer Abnahme des Produktivitätswachstums auf die Arbeitslosenquote, wenn sich die Erwartungen über das Produktivitätswachstum langsam anpassen. Falls es dauert, bis die Beschäftigten ihre Erwartungen bezüglich des Produktivitätswachstums anpassen, erhöht eine Verlangsamung des Produktivitätswachstums die natürliche Arbeitslosenquote für einige Zeit. Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 25

Empirische Ergebnisse Veränderung ggü. Vorjahr in Prozent Prozent New Economy (1996-2000): hohes Produktivitätswachstum Rückgang der Arbeitslosenquoten (g Y > g A ) auf die niedrigste Rate seit 30 Jahren Kam es auch zu einem Rückgang der natürlichen Arbeitslosenquote? Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 26

Empirische Ergebnisse Veränderung ggü. Vorjahr in Prozent Prozent New Economy (1996-2000): niedrige und konstante Inflationsraten sprechen dafür Erklärung: der Anstieg der Arbeitsproduktivität war in dieser Stärke nicht erwartet worden bei gegebenem Nominallohnanstieg führt eine höher als erwartetes Produktivitätswachstum zu niedrigeren Preisanstiegen Makro II, Prof. Dr. T. Wollmershäuser, Folie 27