Diabetes in der Schwangerschaft und Gestationsdiabetes (GDM): Formen, Vorkommen, Ursachen und Folgen

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Transkript:

Diabetessprechstunde Jens H. Stupin und Christine Klapp Die Diabetessprechstunde der Klinik für Geburtsmedizin ist eine Spezialsprechstunde für Schwangere mit einer Zuckerstoffwechselstörung (Diabetes mellitus). Sie sind in unserer Sprechstunde richtig, wenn Sie einen bereits vorbestehenden Diabetes haben oder wenn jetzt der Verdacht auf einen Diabetes oder Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes) besteht. Wir erklären Ihnen die Zusammenhänge und beraten Sie gern über die guten und meist relativ einfach anzuwendenden Möglichkeiten der Behandlung. Wir betreuen Sie in Ergänzung zur normalen Schwangerenvorsorge, die weiter bei Ihrem Frauenarzt stattfindet. Wenn ein Diabetes schon vor der Schwangerschaft bekannt war, betreuen wir Sie in Ergänzung zu Ihrer vertrauten frauenärztlichen und diabetologischen Sprechstunde. Bei gut eingestelltem Blutzucker und normalem Wachstum des Kindes sind fast immer eine weitgehend normale (wenn auch mehr überwachte) Schwangerschaft und Geburt zu erwarten. Bei möglichen Komplikationen arbeiten wir eng mit unseren erfahrenen, immer anwesenden Kinderärzten zusammen, um das Beste für die Gesundheit Ihres Kindes zu erreichen. Diabetes in der Schwangerschaft und Gestationsdiabetes (GDM): Formen, Vorkommen, Ursachen und Folgen Es werden vier Formen des Diabetes mellitus unterschieden: - Typ-1-Diabetes: absoluter Insulinmangel durch Störung der B-Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas), - Typ-2-Diabetes: vorwiegend Insulinresistenz oder sekretorischer Defekt (fehlende Wirkung des körpereigenen Insulin), - weitere spezifische Typen, basierend auf Schädigung der Bauchspeicheldrüse (sekundärer Diabetes), - Schwangerschaftsdiabetes (Gestationsdiabetes, GDM).

Der Gestationsdiabetes (GDM) ist definiert als eine erstmals in der Schwangerschaft auftretende oder diagnostizierte Kohlenhydratstoffwechselstörung, die oft nach der Geburt wieder verschwindet. Es besteht aber auch die Möglichkeit des erstmaligen Auftretens eines Typ-1- oder Typ- 2-Diabetes oder anderer spezifischer Diabetes-Formen in der Schwangerschaft. Außerdem kann auch ein bereits vor der Schwangerschaft bestehender, aber bisher nicht bekannter Typ-2-Diabetes in der Schwangerschaft erstmals diagnostiziert werden. Der Gestationsdiabetes ist eine der häufigsten Schwangerschaftskomplikationen. Er betrifft bis zu 14 % aller Schwangeren und muss deshalb als Zivilisationskrankheit in der Schwangerschaft bezeichnet werden. Er tritt üblicherweise erst nach der 20. Schwangerschaftswoche (SSW) auf. Ursachen sind verschiedene Schwangerschaftshormone, die zu einem Anstieg des Blutzuckers führen (Östrogen, humanes plazentares Laktogen), aber auch Überernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel. Der unbehandelte Gestationsdiabetes ist zunächst symptomlos. Seine schädlichen Auswirkungen zeigen sich erst in akuten Folgen am Ende der Schwangerschaft und Langzeitfolgen im späteren Leben von Mutter und Kind. Akute mögliche Folgen für die Mutter sind das erhöhte Risiko für Harnwegsinfekte, Bluthochdruck bzw. eine früher so genannte Schwangerschaftsvergiftung mit zusätzlicher Eiweißausscheidung im Urin, aus der sich eine lebensgefährdende Situation ergeben kann (Präeklampsie/Eklampsie). Bei der Geburt ist, bei (diabetesbedingt) sehr großem Kind die Rate an Kaiserschnitten oder vaginaloperativen Entbindungen (z.b. Saugglocke) erhöht. Nach einer Schwangerschaft mit GDM besteht ein Risiko von 50 % für das erneute Auftreten in der folgenden Schwangerschaft. Wichtigste Langzeitfolge für die Mutter ist die mögliche Entwicklung eines Typ-2-Diabetes bei 30-50 % der Frauen in einem Zeitraum von 10 Jahren nach der Geburt. Dies kann durch rechtzeitiges Erkennen und Therapie verhindert werden.

Akute Folge für das Kind ist eine durch erhöhten mütterlichen Blutzucker vermehrte Insulinproduktion des Ungeborenen (Hyperinsulinismus), die dazu führt, dass das Kind dicker und größer wird (Makrosomie), trotzdem aber unreif bleibt. Durch die Makrosomie steigt die Gefahr von komplizierten Entbindungen (s.o.). Außerdem produziert das Kind vermehrt Urin, wodurch sich die Fruchtwassermenge erhöht. Dies gilt als Risiko für einen vorzeitigen Blasensprung und vorzeitige Wehen sowie daraus resultierender Frühgeburtlichkeit. Bei einem unbehandelten GDM kann es zum intrauterinen Fruchttod kommen. Die Neugeborenen leiden zudem vermehrt unter einer besonders für das Gehirn gefährlichen Unterzuckerung (Hypoglykämie), einer Neugeborenen-Gelbsucht (Hyperbilirubinämie) oder einem Atemnotsyndrom. Durch hohe Insulinwerte des Ungeborenen (fetaler Hyperinsulinismus) kann es vermutlich auch zu einer Fehlprogrammierung von Regelzentren des Gehirns kommen, die die Nahrungsaufnahme, das Körpergewicht und den Stoffwechsel auch weiterhin beeinflussen. Langzeitfolge für das Kind kann eine erworbene Neigung zu Übergewicht, Diabetes und Metabolischem Syndrom bereits in der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter sein. Screening Wie kann man einen Gestationsdiabetes feststellen? Seit März 2012 beinhalten die Mutterschaftsrichtlinien ein für alle Schwangeren verbindliches zweistufiges Glukoseintoleranz-Screening. Im Zeitraum zwischen 24 und 28 vollendeten Schwangerschaftswochen (SSW) findet ein 50-g Test statt. Der Test kann zu jeder Tageszeit und unabhängig von einer vorhergehenden Nahrungsaufnahme durchgeführt werden, die Schwangere muss dazu nicht nüchtern sein. Dabei bekommt die Schwangere eine Testlösung, die 50 g Glukose enthält, zu trinken. Der Blutzucker (Blutglukose) wird eine Stunde nach dem Trinken der Testlösung durch Blutentnahme aus der Armvene (venöses Plasma) bestimmt. Schwangere mit auffälligen Blutzuckerwerten: 135 mg/dl ( 7,5 mmol/l) und 200 mg/dl ( 11,1 mmol/l) erhalten zeitnah einen oralen Glukosetoleranztest (ogtt). Bei Schwangeren mit Blutzuckerwerten > 200 mg/dl (> 11,1 mmol/l) besteht der Verdacht auf einen manifesten Diabetes, der wie ein Typ-1- bzw. Typ-2-Diabetes behandelt wird.

Der ogtt sollte morgens nach etwa acht Stunden ohne Nahrungsaufnahme stattfinden. An den Tagen zuvor sollte kohlenhydratreich gegessen werden. Die Schwangere bekommt eine Testlösung, die 75 g Glukose enthält, zu trinken. Der Blutzucker (Blutglukose) wird vor dem Test (nüchtern) sowie eine und zwei Stunden nach dem Trinken der Testlösung ebenfalls durch Blutentnahme aus der Armvene (venöses Plasma) bestimmt. Nach der Definition der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) besteht ein Gestationsdiabetes, wenn mindestens einer der folgenden drei Grenzwerte im 75-g ogtt erreicht oder überschritten wird (Leitlinie Gestationsdiabetes, August 2011): Messzeitpunkt nüchtern nach 1 h nach 2 h Venöses Plasma 92 mg/dl 180 mg/dl 153 mg/dl ( 5,1 mmol/l) ( 10,0 mmol/l) ( 8,5 mmol/l) Bei Vorliegen entsprechender Risiken für einen GDM wie u.a. Übergewicht, Diabetes der Eltern, GDM in einer vorangehenden Schwangerschaft oder Geburt eines Kindes mit einem Geburtsgewicht von mehr als 4500 g sollte ein Glukoseintoleranz-Screening bereits im 1. Drittel (Trimenon) der Schwangerschaft durchgeführt und bei unauffälligem Ergebnis zwischen 24 und 28 vollendeten SSW wiederholt werden. Therapie Was geschieht, wenn bei Ihnen eine eingeschränkte Glukosetoleranz oder ein Gestationsdiabetes diagnostiziert wurde? Die Erkrankung Gestationsdiabetes kann man gut behandeln, vorausgesetzt, sie wurde diagnostiziert. Die Therapie besteht zunächst aus einer Ernährungsumstellung und körperlicher Bewegung, deren Erfolg durch Selbstkontrolle der Blutzuckerwerte ermittelt und angepasst wird. Ziel ist das Erreichen eines Nüchternblutzuckerwertes von 65-95 mg/dl (3,6 5,3 mmol/l), eines Blutzuckerwertes eine Stunde nach dem Essen von

140 mg/dl ( 7,8 mmol/l) bzw. zwei Stunden nach dem Essen von 120 mg/dl ( 6,7 mmol/l). Abb. 1: Blutzuckermessgerät (Quelle: www.accu-chek.de) Die Selbstkontrolle der Blutzuckerwerte geschieht mit einem Handmessgerät, das wir Ihnen zur Verfügung stellen (Abb. 1). Sie werden in die Bedienung des Gerätes ausführlich eingewiesen. Die Blutzuckerwerte werden vor den drei Hauptmahlzeiten und eine Stunde nach Beginn der Mahlzeiten gemessen und dokumentiert (Blutzuckertagesprofil ( BZTP): 4 Messungen pro Tag). Am Beginn der Therapie steht die Ernährungsumstellung. Dazu erhalten Sie eine individuelle Beratung über die bedarfsgerechte Ernährung in der Schwangerschaft mit adäquater Kalorienmenge und Zusammensetzung (Abb. 2).

Abb. 2: Ernährungskreis (Quelle: www.dge.de) Schwangerschaft bedeutet nicht, für zwei essen zu müssen. Während der ersten Hälfte der Schwangerschaft ist der tägliche Energiebedarf nicht erhöht. Während der zweiten Hälfte sollten täglich etwa 100-300 kcal zusätzlich zugeführt werden, das entspricht etwa einer zusätzlichen Scheibe Brot mit Käse. Allgemein gilt, dass der tägliche Energiebedarf in der Schwangerschaft ca. 30 kcal/kg des Körpersollgewichtes (Körpergröße in cm 100) beträgt, bei übergewichtigen Schwangeren ca. 25 kcal/kg. Der Kohlenhydratanteil sollte etwa 40 % betragen. Zusätzlich erhalten Sie zum Nachlesen eine von unserer Klinik herausgegebene Broschüre zur Ernährung in der Schwangerschaft unter besonderer Berücksichtigung des Gestationsdiabetes (Abb. 3).

Abb. 3: K.J. Bühling, C. Wäscher, R. Bergmann, J.W. Dudenhausen: Gestationsdiabetes Ernährung in der Schwangerschaft (Akademos Wissenschaftsverlag) Durch körperliche Aktivität, vor allem Ausdauersportarten, wird die Normalisierung erhöhter Blutzuckerwerte durch Verbesserung der Insulinsensitivität und direkten Energieverbrauch unterstützt. Sie bekommen bei uns eine Anleitung für ein einfaches, zu Hause durchführbares kleines Bewegungsprogramm im Sitzen speziell für Schwangere. Der Erfolg der Ernährungsumstellung wird durch die Blutzuckerselbstkontrolle überprüft. Kann das Therapieziel durch Diät und körperliche Aktivität innerhalb von zwei Wochen nicht erreicht werden, wird zusätzlich Insulin gegeben. Die Insulingabe ist der Ersatz für zu wenig oder nicht wirksames Insulin der Schwangeren und schadet dem Kind nicht. Im Gegenteil, es verhindert, dass die kindliche Bauchspeicheldrüse erschöpft und das Kind (s.o.) selbst früh einen Diabetes bekommt oder als Kind und Jugendlicher

übergewichtig wird. Wenn die Blutzucker-Werte trotz Diät und Bewegung öfter deutlich erhöht sind, oder bei grenzwertiger Erhöhung im Ultraschall ein übergewichtiges Kind (Makrosomie, vergrößerter Bauchumfang) festgestellt wurde, sollte mit einer Insulintherapie begonnen werden. Dazu erhalten Sie eine individuelle Beratung und Anleitung, die Ihnen das Insulinspritzen leicht macht. Überwachung der Schwangerschaft und unter der Geburt Wie sieht die optimale Betreuung Ihrer Schwangerschaft und Geburt aus? Die Betreuung sollte in einem spezialisierten Zentrum, wie z.b. unserer Klinik, mit Erfahrung auf dem Gebiet des Gestationsdiabetes, sowie immer erreichbarem erfahrenen Kinderarzt erfolgen. Die normale Schwangerenvorsorge bleibt dabei weiterhin in den Händen Ihres Frauenarztes. Zur Vorsorge gehören eine ausführliche Eigen- und Familienanamnese, Kontrolle des Körpergewichts, des Blutdrucks, entsprechende Blut- und Urinuntersuchungen sowie Abstriche. Einmalig wird das sogenannte Langzeitblutzuckergedächtnis (HbA 1c ) bestimmt. In zwei bis vierwöchentlichen Abständen sollten die Blutzuckertagesprofile besprochen und bei Bedarf optimiert werden. Während der Schwangerschaft wird durch regelmäßige Ultraschall-Kontrollen das Wachstum des Kindes überwacht, um rechtzeitig das Entstehen einer Makrosomie zu erfassen, dies kann großenteils auch bei Ihrem Frauenarzt stattfinden. Bei bereits bekanntem Diabetes sollte schon zwischen der 11. und 14. Schwangerschaftswoche eine Messung der Nackentransparenz (NT) des Kindes stattfinden. Im Hinblick auf ein erhöhtes Fehlbildungsrisiko ist eine Feindiagnostik (Organscreening zwischen der 19. und 22. SSW) zu empfehlen. Ab der 32. SSW erfolgt einmal, ab der 37. SSW zweimal pro Woche ein Kardiotokogramm (CTG). Bei Aufnahme zur Entbindung wird ein Ultraschall zur Erhebung des Schätzgewichtes durchgeführt. Ein gut eingestellter Gestationsdiabetes lässt fast immer eine normale Geburt zu. Bei insulinpflichtigem GDM sollte jedoch der errechnete Geburtstermin nicht überschritten und die Geburt deshalb eingeleitet werden. Die Einleitung vor dem Termin oder die

mögliche Empfehlung eines Kaiserschnitts erfordern immer eine individuelle Entscheidung, in die die Stoffwechseleinstellung und eine mögliche Makrosomie des Kindes eingehen. Unter der Geburt wird das Insulin abgesetzt, und es erfolgen stündliche Blutzuckerkontrollen. Um eine optimale Erstversorgung des Kindes zu gewährleisten, sollten Sie sich besonders bei insulinpflichtigem GDM für eine Entbindung in einer Geburtsklinik mit Neonatologie, wie der Charité, entscheiden. Vorgehen nach der Geburt Was ist direkt nach der Geburt und in den folgenden Jahren zu beachten? Das Neugeborene einer Mutter mit GDM wird in besonderer Weise überwacht. Um Unterzuckerungen (Hypoglykämien) rechtzeitig zu entdecken, werden nach der Geburt Blutzucker-Bestimmungen nach 1, 3 und 12 Stunden durchgeführt. Zur Prophylaxe von Hypoglykämien, die das Gehirn des Neugeborenen schädigen, kann die Frühfütterung mit Glukose notwendig sein. Bei Wöchnerinnen mit diätetisch eingestelltem GDM wird am 2. Tag nach der Geburt ein Blutzuckertagesprofil durchgeführt. Wöchnerinnen mit insulinpflichtigem GDM setzen das Insulin ab und führen am 2. Tag nach der Geburt ebenfalls ein Blutzuckertagesprofil durch. Bei Überschreiten der Grenzwerte [nüchtern 100 mg/dl ( 5,6 mmol/l) bzw. nach einer Stunde nach dem Essen (postprandial) 160 mg/dl ( 8,9 mmol/l)] sollte das Tagesprofil für 1 Woche fortgeführt werden. Wenn sich innerhalb dieser Zeit die Blutzuckerwerte nicht normalisieren, bzw. Werte 200 mg/dl (11,1 mmol/l) auftreten, sind die kurzfristige Vorstellung bei einem Diabetologen und eine weitere Insulintherapie notwendig.

Bei normalen Blutzuckerwerten ist ein erneuter oraler Glukosetoleranztest (ogtt) 6 12 Wochen nach der Entbindung und bei normalem Ergebnis dann mindestens alle 2-3 Jahre zu empfehlen. Eine jährliche Wiederholung des Tests wird bei Diagnose einer gestörten Glukosetoleranz empfohlen. Sollte bei Ihnen bereits ein diagnostizierter Typ-1- oder Typ-2-Diabetes bestehen, erfolgt die Stoffwechseleinstellung in Zusammenarbeit mit Ihrem Diabetologen und/oder unserem Stoffwechselzentrum (Diabetestagesklinik). Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre Schwangerschaft!