AUTISMUS Erscheinungsformen, Ursachen, Hilfen



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Transkript:

Helmut Remschmidt AUTISMUS Erscheinungsformen, Ursachen, Hilfen Abbildungen und Tabellen zum Hörbuch 1

erschienen bei LAUSCH 2012 Weitere Hörbücher aus der Reihe WIS- SEN finden Sie unter: www.merlausch.de Originalausgabe des Buches Verlag C.H.Beck ohg, München 2010 Satz, Druck u. Bindung: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen www.beck.de 2

Tabelle 1 Diagnostische Leitlinien bzw. Kriterien für den frühkindlichen Autismus nach ICD-10 und DSM-IV (gekürzt und sinngemäß) ICD-10 1. Qualitative Beeinträchtigungen wechselseitiger sozialer Aktionen (z.b. unangemessene Einschätzung sozialer und emotionaler Signale; geringer Gebrauch sozialer Signale) 2. Qualitative Beeinträchtigungen der Kommunikation (z.b. Fehlen eines sozialen Gebrauchs sprachlicher Fertigkeiten; Mangel an emotionaler Resonanz auf verbale und nonverbale Annäherungen durch andere Menschen; Veränderungen der Sprachmelodie) 3. Eingeschränkte Interessen und stereotype Verhaltensmuster (z.b. Starre und Routine hinsichtlich alltäglicher Beschäftigungen; Widerstand gegen Veränderungen) 4. Unspezifische Probleme wie Befürchtungen, Phobien, Schlaf- und Eßstörungen, Wutausbrüche, Aggressionen, Selbstverletzungen DSM-IV 1. Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion (z.b. bei nonverbalen Verhaltensweisen wie Blickkontakt etc.; Beziehungsaufnahme zu Gleichaltrigen; Ausdruck von Gefühlen) 2. Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation (z.b. verzögerte oder ausbleiben- de Sprachentwicklung, stereotyper oder repetitiver Gebrauch der Sprache; Fehlen von entwicklungsgemäßen Rollen- und Imitationsspielen) 3. Beschränkte repetitive und stereotype Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten 4. Beginn vor dem 3. Lebensjahr und Verzögerungen oder abnorme Funktionsfähigkeit 5. Manifestation vor dem 3. Lebensjahr 3

Abbildung 3 Schema zum diagnostischen Vorgehen bei Verdacht auf Autismus-Spektrum-Störungen, nach Filipek et al. 1999) Level 1: Routine-Untersuchungen zum Entwicklungsstand (z. B. durch Pädiater usw.). Absolute Indikatoren für weitere Untersuchungen: kein Brabbeln mit 12 Monaten kein Zeigen oder andere Gesten mit 12 Monaten keine Wörter mit 16 Monaten keine spontanen 2-Wort-Sätze (nicht Echolalie!) mit 24 Monaten JEDER Verlust der Sprache oder sozialer Fertigkeiten bei jedem Alter! AUFFÄLLIG UNAUFFÄLLIG Wiederholung bei nächster Untersuchung Level 1: Weitere medizinische Untersuchungen Differenzierte Untersuchung des Hörvermögens Spezifisches Screening AUTISMUS CHAT FSK SEAS-M MBAS Level 2: Diagnose und Einschätzung Standardisierte Verfahren Interviews: ADI-R Verhaltensbeobachtung: ADOS-G Diagnostische Kriterien: ICD-10 Erweiterte medizinische und neurologische Untersuchungen Körperlich-neurologische Untersuchung EEG und bei Indikation bildgebende Verfahren Hören und Sehen Blutanalysen, genetische Analysen Spezifische Untersuchung zur Einschätzung des Entwicklungsstandes Sprachtest IQ Adaptive Fertigkeiten Familienanamnese und familiäre Ressourcen Neuropsychologische Untersuchung 4

Tabelle 2 Differentialdiagnose der autistischen Syndrome (Kanner-Syndrom, Asperger-Syndrom) erste Auffälligkeiten Blickkontakt Sprache Intelligenz Motorik Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom) meist in den ersten Lebensmonaten zunächst oft fehlend, später selten, flüchtig, ausweichend später Sprachbeginn, häufig sogar Ausbleiben einer Sprachentwicklung (etwa 50 %) stark verzögerte Sprachentwicklung Die Sprache hat anfänglich keine kommunikative Funktion (Echolalie). meist erheblich eingeschränkte intellektuelle Leistungen,charakteristische Intelligenzstruktur keine Einschränkungen, sofern nicht eine zusätzliche Erkrankung vorliegt Autistische Psychopathie (Asperger-Syndrom) markante Auffälligkeiten etwa vom 3. Lebensjahr an selten, flüchtig früher Sprachbeginn rasche Entwicklung einer grammatisch und stilistisch hochstehenden Sprache Die Sprache hat immer eine kommunikative Funktion, die allerdings gestört ist (Spontanrede). gute bis überdurchschnittliche intellektuelle Leistungen,Intelligenzschwäche selten auffällige Motorik: motorische Ungeschicklich- keit, grob- und feinmotorische Koordinationsstörungen, ungelenke und linkische Motorik 5

Tabelle 3 Autismus bei Geschwistern von autistischen Probanden (aus Smalley et al. 1988, S. 995) Quelle Anzahl der Probanden Familien Geschwister Autisten August et al. (1981) Baird und August (1985) Deykin und MacMahon (1980) Folstein und Rutter (1977) Minton et al. (1982) Ritvo et al. (1985a) 41 29 154 21*... 40* 71 51 364 36 284 80 2 3 9 1 7 2 Gesamt Gesamtinzidenz bei Geschwistern 285... 886... 24 2,7% * durch Zwillingspaare ermittelte Familien 6

Tabelle 4 Konkordanzraten für frühkindlichen Autismus MZ DZ absolut in % absolut in % Steffenburg et al. (1989) 10/11 91 0/10 0 Folstein und Rutter (1977) 4/11 36 0/10 0 Ritvo et al. (1985a) 22/23 95,7 4/17 23,5 Zusammenfassung von Einzelfallstudien nach Smalleyet al. (1988, S. 955)* 9/11 82 2/9 22 * Einbeziehung von gegengeschlechtlichen Zwillingen 7

Tabelle 5 Konkordanzraten für cognitive disorder (Autismus eingeschlossen) MZ DZ absolut in % absolut in % Steffenburg et al. (1989) 10/11 91 3/10 30 Folstein und Rutter (1977) Ritvo et al. (1985a) 9/11 1/33 82 3 1/10 7/45 10 15 * nur nichtautistische Geschwister berücksichtigt, keine Zwillinge 8

Abbildung 4 Modell zur Verursachung autistischer Störungen, nach Remschmidt in Herpertz-Dahlmann et al. 2008, S. 385 genetische Faktoren/Umweltfaktoren assoziierte körperliche Erkrankungen anatomische Anomalien, Hirnschädigungen, Hirnfunktionsstörungen biochemische Anomalien (Hyperserotoninämie, Funktionsstörungen anderer Störung der affektiven Transmittersysteme autismustypische Symtomatik: Interaktionsstörung Kommunikationsstörungen stereotype Verhaltensmuster Störung der kognitiven Entwicklung und der Sprachentwicklung Störung der affektiven Entwicklung 9

Tabelle 6 Diagnostische Kriterien bzw. Leitlinien für das Asperger-Syndrom nach ICD-10 und DSM-IV (gekürzt und sinngemäß) ICD-10 DSM-IV 1. Fehlen einer Sprachentwicklungsverzögerung oder einer Verzögerung der kognitiven Entwicklung. Die Diagnose erfordert, daß einzelne Worte im 2. Lebensjahr oder früher benutzt werden. 1. Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion in mehreren (mindestens 2) Bereichen: (z.b. bei nonverbalem Verhalten, in der Beziehung zu Gleichaltrigen, in der emotionalen Resonanz) 2. Qualitative Beeinträchtigungen der gegenseitigen sozialen Interaktionen (entsprechend den Kriterien des frühkindlichen Autismus) 2. Beschränkte repetitive und stereotype Verhaltensmuster (z.b. in den Interessen, Gewohnheiten oder der Motorik) 3. Ungewöhnliche und sehr ausgeprägte umschriebene Interessen (ausgestanzte Sonderinteressen) und stereotype Verhaltensmuster 3. Klinisch bedeutsame Beeinträchtigung in sozialen oder beruflichen Funktionsbereichen 4. Die Störung ist nicht einer anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung zuzuordnen. 4. Kein klinisch bedeutsamer Sprachrückstand und keine klinisch bedeutsamen Verzögerungen der kognitiven Entwicklung 5. Die Störung erfüllt nicht die Kriterien einer anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung. 10

Tabelle 7: Therapeutische Interventionen bei Asperger-Syndrom und High-functioning -Autismus (modifiziert nach Mesibov 1992) 1. Individuelle Behandlung Anregung von Lernprozessen zur eigenen Lebensperspektive Aufbau einer Beziehung und des Gespürs für Vertrauen Anregung zur Analyse und Organisation der eigenen Denkprozesse Herausarbeitung der Zusammenhänge von Ereignissen Einübung der Bewältigung von Alltagsproblemen 2. Einübung sozialer Fertigkeiten in einer Gruppensituation Förderung des Interesses an sozialen Interaktionen Förderung des Verständnisses sozialer Regeln Vermittlung sozialer Erfahrungen 3. Berufliches Training und Beschäftigung Nutzung der Spezialinteressen für die berufliche Ausbildung Bereitstellung beruflicher Möglichkeiten, die den besonderen individuellen Fähigkeiten angepaßt sind Vermeidung von Beschäftigungen, die intensive soziale Kontakte erfordern 4. Medikation Zielorientierte Anwendung einer Medikation nach Maßgabe der Symptomatik bzw. der Verhaltensauffälligkeiten Die Medikation darf stets nur eine Komponente in einem umfassenderen Behandlungsplan sein. 11

Tabelle 8 Vergleich charakteristischer Merkmale tiefgreifender Entwicklungsstörungen Autismus Atypischer Autismus Asperger Syndrom Alter bei Erstmanifestation < 3 J. > 3 J. > 3 J. Geschlechterverhältnis (m/w) Symptomatologie 3:1 Qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation Repetitive/stereotype Verhaltensweisen Sprachentwicklungsverzögerung Kein symbolisches Spiel 3:1 Keine vollständige Symptomatik 8:1 Beeinträchtigung der sozialen Interaktion Stereotype Verhaltensweisen und Interessen Keine Sprachentwicklungsverzögerung Keine kognitiven Beeinträchtigungen Kognitive Funktionen Meist beeinträchtigt, aber stabil Häufig geistige Behinderung Nicht beeinträchtigt, aber spezifische Besonderheiten Epileptische Anfälle in 25 % bis zur Adoleszenz Ø Ätiologie Verlauf Überwiegend genetisch bedingt Stetig, stabil keine psychotischen Episoden Seltene psychotische Episoden 12

Tabelle 9 Grundsätze zur Bewertung neuer Therapien (American Autism Society) 1. Jeder neuen Therapie sollte man mit hoffnungsvoller Skepsis begegnen. 2. Besondere Skepsis ist angebracht, wenn eine Methode beansprucht, bei jeder Form von Autismus oder bei jedem Betroffenen zu wirken. 3. Vorsicht mit allen Methoden, die die Individualität mißachten und dem Betroffenen schaden können. 4. Immer daran denken, daß jede Methode nur eine von mehreren Möglichkeiten darstellt. 5. Jede Behandlung kann nur nach einer individuellen Untersuchung eingesetzt werden, die ihre Angemessenheit prüfen soll. 6. Über neue Therapiemethoden wird oft recht oberflächlich diskutiert: Vorsicht, wenn die Debatte auf die moralische Ebene gerät. 7. Neue Behandlungsmethoden müssen wissenschaftlich evaluiert sein. 13

Tabelle 10 Übersicht über die Zusammenhänge zwischen Behandlungs- und Förderungsmethoden und den zu beeinflussenden Zielansätzen Zielsymptome Zielverhalten Behandlungs- und Fördermethoden Nonverbale Kommunikation Verbale Kommunikation Hyperaktivität/ Selbststimulation Aggressivität, Wutausbrüche Selbstverletzendes Verhalten Stereotypien und Zwänge Angstzustände Isolation und Rückzug Frühförderung Verhaltenstherapie Körperbezogene Verfahren (Festhaltetherapie, FC, neurosensorische Verfahren) Pädagogische Programme Medikamentöse Therapie Ernährung/Diät/Vitamine Sport und Bewegung Depressive Störungen Schlafstörungen 14

Tabelle 11 Übersicht über kontrollierte Studien zur Gestützten Kommunikation (1990 1996) nach Howlin (1997) Gesamtzahl der Studien 45 Unabhängige Kommunikation bestätigt 8 Unabhängige Kommunikation nicht bestätigt 37 Gesamtzahl der Teilnehmer 359 Autismus/Tiefgreifende Entwicklungsstörung 265 Lernstörungen (mittelmäßig bis ausgeprägt) 82 Zerebrale Lähmungen 9 Andere Störungen (z.b. SHT, unbek. Ursache) 3 Erfolgreich behandelte Teilnehmer 23 Nicht erfolgreich behandelte Teilnehmer 336 Unabhängige Kommunikation bestätigt: bei Erfolg in mehr als 10 % der Fälle 15

Tabelle 12 Die am häufigsten in den USA angewandten Medikamente bei autistischen Störungen (aus Rimland und Baker 1996) Substanz Zahl der Verschreibungen Prozentsatz der Besserungen Prozentsatz der Verschlechterungen* Ritalin 1971 27 47 Melleril 1668 34 28 Benedryl 1582 26 22 Dillantin 878 24 28 Haloperidol 852 37 39 Tegretal 799 33 24 * Enthält auch Fälle ohne Wirksamkeitsnachweis 16

Tabelle 13 Interventionsbedürftige Störungen bei Autismus Angst-, Unruhe- und Erregungszustände Hartnäckige Schlafstörungen Aggressives Verhalten Hartnäckige Zwangssyndrome Selbstverletzungen Epileptische Anfälle Psychotische Zustandsbilder (Körperlich begründbare Psychosen) 17

Tabelle 14 Mögliche Ursachen krisenhafter Störungen bei autistischen Syndromen 1. Umwelt- und Umgebungsveränderungen 2. Kommunikative Mißverständnisse 3. Entwicklungs- und Reifungsphasen als Krisenmoment 4. Veränderungen in den Bedingungen und im Verlauf etwaiger Grundkrankheiten 18

Tabelle 15 Möglicherweise beeinträchtigte Funktionen und Interaktionen 1. Hirnfunktion 2. Entwicklung 3. Intelligenz 4. Sprache 5. Affektivität 6. Psychomotorik 7. Sexualität 8. Sozialverhalten Hirnorganisches Psychosyndrom, neuropsychologische Syndrome Entwicklungs- und Reifungsverzögerung Intelligenzminderungen und Demenzprozesse Sprach- und Sprachentwicklungsstörungen Störungen der Affektivität (z.b. Depression, Antriebsarmut) univers. und umschrieb. Störungen der Psychomotorik sexuelle Verhaltensabweichungen soziale Anpassungsstörungen 19

Tabelle 16 Medikamentöse Behandlung autistischer Störungen nach Zielsymptomen Zielsymptom aggressives und selbstverletzendes Verhalten Stereotypien, Rituale Hyperaktivität, impulsives Verhalten Angstzustände Depression Medikation atypische Neuroleptika Lithium Antikonvulsiva Clonidin SSRI, atypische Neuroleptika Stimulanzien atypische Neuroleptika Clonidin Naltrexon Buspiron atypische Neuroleptika Clonidin Antidepressiva vom Typ SSRI 20