Thema: Aufschrei der Landärzte: Hausapotheken-Sterben und Nachfolgesorgen. Zeit: Mittwoch, 28. Oktober 2009, Uhr. Ort:

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Transkript:

MEDIENDIENST DER ÖSTERREICHISCHEN ÄRZTEKAMMER Inhaber, Herausgeber, Hersteller und Redaktion: Pressestelle A-1010 Wien, Nibelungengasse 13 Telefon 01/513 18 33 Telefax 01/513 18 33-24 DW P R E S S E K O N F E R E N Z Thema: Aufschrei der Landärzte: Hausapotheken-Sterben und Nachfolgesorgen Zeit: Mittwoch, 28. Oktober 2009, 11.00 Uhr Ort: Weihburggasse 10-12 Unterteilung 1010 Wien Teilnehmer: Dr. Jörg Pruckner Obmann der Sektion Allgemeinmedizin Leiter des Referats für Landmedizin und Hausapotheken Dr. Otto Pjeta Hausapothekenreferent Leiter des Referats für Medikamentenangelegenheiten Die Österreichischen Ärztinnen und Ärzte Aktiv für Ihre Gesundheit

Aufschrei der Landärzte: Hausapotheken-Sterben und Nachfolgesorgen Rund 2000 Landärztinnen und ärzte betreuen ihre PatientInnen auch in abgelegenen Gegenden medizinisch. Sie machen durchschnittlich 850 Hausbesuche jährlich, mit 935 ärztlichen Hausapotheken versorgen sie dabei zwei Millionen Menschen daheim oder in der Ordination sofort mit lebensnotwendigen Medikamenten. Von diesem Service profitieren besonders gebrechliche, immobile und alte Menschen und Familien. Doch diese wichtige Infrastruktur ist jetzt in Gefahr. Die warnt vor einem Ausdünnen der landärztlichen Versorgung. Immer mehr von Landärztinnen und -ärzten geführte Hausapotheken müssen aufgrund der veränderten Gesetzeslage von 2006 zugunsten öffentlicher Apotheken schließen. Für betroffene Landarzt-Ordinationen finden sich aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nur noch schwer Nachfolger. Die Bereitschaft junger Ärzte, eingeführte Landarztordinationen zu übernehmen, sank in den letzten zwei Jahren um 20 Prozent. In Salzburg-Land werden der Bevölkerung sogar mehrere ärztliche Landarztordinationen langfristig verloren gehen. Hier ist bereits jede fünfte ärztliche Hausapotheke von der Schließung bedroht. Derzeit werden rund zwei Millionen Menschen in Österreich von Landärzten mit Hausapotheke versorgt. Diese Menschen leben in ländlichen Gegenden, die oft nur über eine schwache Infrastruktur verfügen. Landärzte mit Hausapotheke versorgen hier Familien, die auf ärztliche Komplett-Versorgung angewiesen sind etwa betagte Senioren, deren Mobilität schon stark eingeschränkt ist, oder auch Mütter mit Kleinkindern. Jeder Arzt absolviert pro Jahr durchschnittlich 850 Hausbesuche, wobei er auch die wichtigen Medikamente für die Bettlägerigen parat hat. Aber auch das Zustellservice der Hausapotheken ist ein großer Vorteil. Auf lange Sicht geht durch das Hausapothekensterben ein wichtiger Teil der ländlichen Infrastruktur verloren gerade in schwach besiedelten entlegenen Gemeinden. Hintergrund der bedenklichen Entwicklung ist eine Vielzahl neuer Apothekengründungen, die strategisch so geplant werden, dass ärztliche Hausapotheken aufgrund der veränderten Gesetzeslage schließen müssen. Dabei wird die Gesetzeslage mit findigen Mitteln ausgenützt: Unter anderem werden konkurrierende Apotheken-Container so in die gesetzlich vorgeschriebene Bannmeile zum benachbarten Landarzt gestellt, dass dieser die behördliche Auflage erhält, seine Hausapotheke zu schließen. Das Gesetz legt zwar ausdrücklich fest, dass in kleinen Gemeinden mit nur einem Arzt die Medikamentenversorgung der Bevölkerung durch ärztliche Hausapotheken erfolgen soll, räumt aber gleichzeitig den öffentlichen Apotheken die Möglichkeit ein, durch Kampfgründungen ärztliche Hausapotheken zum Zusperren zu zwingen. 2

Umfassende Versorgung durch Landmedizin absichern Der Leiter des Referats für Landmedizin und Hausapotheken in der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Dr. Jörg Pruckner, fordert vor diesem Hintergrund die politische Anerkennung des Grundsatzes, dass in Ein-Arzt-Gemeinden Arzneimittel- und ärztliche Versorgung eine Einheit sein müssen. Dieser Grundsatz, den auch schon ein neueres VfGH-Urteil bestätigt hat, muss nun auch in gesetzliche Maßnahmen einfließen, fordert Pruckner. Es ist hoch an der Zeit, das Bekenntnis zur wichtigen Funktion des Hausarztes auch legistisch abzusichern. Gerade auf dem Land ist der Hausarzt der medizinische Nahversorger schlechthin und erfüllt auch eine eklatante soziale Funktion. Deshalb muss die Politik dieser schleichenden Aushöhlung gegensteuern. Hausapotheken-Auflassung schreckt potenzielle Nachfolger ab Pruckner beobachtet, dass die Auflassung von immer mehr ärztlichen Hausapotheken mittlerweile bundesweit potenzielle Bewerber von der Übernahme einer Ordination abschreckt. Neben den hohen bürokratischen Auflagen für Landärzte, den überzogenen Bürokratie- und Dokumentationsvorschriften, neben der Einschränkung der Verschreibungsmöglichkeiten und den zahlreichen ökonomischen Zwängen kommt nun der Wegfall von Hausapotheken als Negativ-Aspekt. Das macht die Niederlassung in infrastrukturell schwachen Bereichen komplett unattraktiv, denn die Patientenbetreuung in dünn besiedelten Gebieten ist für junge Ärztinnen und Ärzte ohne Hausapotheke schwieriger als im städtischen Bereich. Deshalb ist auch seiner Beobachtung zufolge die Bereitschaft junger Ärzte, eine Landordination zu übernehmen, in den vergangenen zwei Jahren um etwa 20 Prozent gesunken. Versorgungskrise auf dem Land absehbar Da in den nächsten Jahren ein Drittel aller Allgemeinmediziner in Pension gehen wird, ist eine ernste Versorgungskrise absehbar, warnt auch der Leiter des Medikamenten-Referats in der ÖÄK, Otto Pjeta. Ohne landärztliche Betreuung sei eine adäquate medizinische Versorgung der Menschen nicht gewährleistet. Die Apotheken könnten die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Pjeta: Öffentliche Apotheken werben damit, dass sie 24 Stunden am Tag für die Patienten da sind ohne Krankenschein. Doch in Landgemeinden kann dieses Rund-um-die- Uhr-Service kostendeckend nicht angeboten werden: Die Apotheken sind außerhalb der Verkaufsstunden geschlossen und die Vertretungssysteme sind für viele Patienten eine unzumutbare Belastung. Die kleinen Landapotheken können das Personal nicht bezahlen, wenn nur ein Notfall bzw. Kunde pro Nacht anläutet. Das Fazit ist, dass öffentliche Apotheken um Ausnahmebewilligung ansuchen, mit der sie dann nicht mehr 24 Stunden erreichbar sein müssen und sich von Apotheken vertreten lassen, die zehn bis 25 km entfernt sind. Gleichzeitig gibt es aber keine Hausapotheken und keine Ärzte mehr. Pjeta betrachtet die gesetzlich verankerte Schließungs-Bedrohung für ärztliche Hausapotheken als kontraproduktive Attacke gegen die symbiotisch gewachsene umfassende medizinische Betreuung der Bevölkerung in dünnbesiedelten Gebieten. 3

Die Landärztinnen und Landärzte seien auf alle existentiellen Bedürfnisse mehrfachkranker, pflegebedürftiger und immobiler Patientinnen und Patienten eingestellt. Das gehe sogar so weit, dass die Landärzte ein kostenloses Zustellservice für Medikamente eingerichtet hätten. Auch dies sei ein entscheidender Vorteil für die Bevölkerung, der durch öffentliche Apotheken nicht geboten werde: Wenn die öffentlichen Apotheken dieses Service anbieten, dann im Gegensatz zu den Hausapotheken-führenden Ärztinnen und Ärzten - gegen Verrechnung von Gebühren und Transportkosten. Das kann es ja wohl nicht sein, dass gerade jene, die sowieso schon rechnen müssen, und das sind nun einmal die älteren, kranken Menschen, die nicht mobil sind, dann draufzahlen!, so Pjeta. Pjeta nennt zahlreiche Beispiele für den vielleicht ungewollten doch höchst effektiven Raubbau an der landärztlichen Gesundheitsversorgung. Bundesweite Entwicklung verheerend Konkret entwickelt sich die Situation der Medikamentenversorgung am Land in den verschiedenen Bundesländern verheerend, warnt der ÖÄK-Experte. Österreichweit seien 85 ärztliche Hausapotheken von einer sehr aktiven, zum Teil äußerst phantasievollen Niederlassungspolitik der Apothekerschaft betroffen. 31 hätten bereits geschlossen, 54 stünden davor, zum Teil auch deshalb, da sie bei Pensionierung des Arztes nicht mehr an Nachfolger übergeben werden können. Der Trend ziehe sich laut Pjeta durch alle österreichischen Landregionen, besonders betroffen sind die Steiermark, Oberösterreich und Salzburg: In der Steiermark hätten in den ersten drei Quartalen 2009 elf ärztliche Hausapotheken ihre Pforten geschlossen. Weitere zwölf Hausapotheken stünden bereits definitiv vor der Schließung. Zusätzlich müssten weitere 13 Hausapotheken aufgrund laufender Konzessionsverfahren für öffentliche Apotheken um ihren Fortbestand zittern. Insgesamt seien also in der Steiermark im Jahr 2009 36 Hausapotheken betroffen. In den oberösterreichischen Gemeinden Steyregg, Scharnstein, Ostermiething, Altenberg, Molln, Wartberg, Feldkirchen und Bad Zell sei jeweils eine Konzession für eine neue öffentliche Apotheke erteilt worden. Dies bewirke, dass in diesen Landgemeinden drei Hausapotheken zusperren mussten und 15 weitere vor der Schließung stehen. In Buchkirchen sind drei Hausapotheken von einem Ansuchen für eine öffentliche Apotheke betroffen. Ähnlich ist die Situation in Salzburg Land. Durch eine sehr aktive Gründungspolitik der Apothekerschaft sei bereits jede fünfte Hausapotheke bedroht. Damit gingen auch mehrere ärztliche Ordinationen verloren. Betroffen seien auch die Gemeinden Piesendorf, Eben in Pongau, Koppl, Hof, Leogang und Hüttschlag im Großarltal. Neun ärztliche Hausapotheken und zwei Kassenplanstellen seien gestrichen. 4

Skurrile Verdrängungsmethoden Bei der Verdrängung ärztlicher Hausapotheken ist man nicht unbedingt wählerisch. Welche Formen das annimmt zeigen folgende Beispiele: In der Kärntner Ein-Kassenvertragsarzt-Gemeinde Maria Rain muss nach der Pensionierung des Arztes die Hausapotheke neu bewilligt werden. Nach der neuen Rechtslage ist nun eine skurrile Diskussion darüber ausgebrochen, ob für die Bemessung des Abstandes zwischen Hausapotheke und nächstgelegener öffentlicher Apotheke Straßenverbindungen oder auch Schleichwege herangezogen werden dürfen. Die Argumentation zielt darauf ab, die Bewilligung der ärztlichen Hausapotheke zu verhindern. In Hof bei Salzburg war die Bewilligung zur Errichtung einer neuen öffentlichen Apotheke in unmittelbarer Nähe eines Arztzentrums erteilt worden. Um jedoch die Entfernung zur nächstgelegenen ärztlichen Hausapotheke unter den gesetzlich vorgegebenen Mindestabstand zu drücken, verlegte die öffentliche Apotheke entgegen den Wünschen der Gemeinde ihren Standort an den Ortsrand. Nun beträgt die Distanz zwischen der öffentlichen Apotheke und der ärztlichen Hausapotheke in der Nachbargemeinde Koppl weniger als 6 km. In Niederösterreich nahe der Gemeinde Paudorf wurde ein Container für eine neu zu gründende öffentliche Apotheke auf einem Bergsattel an einem Maisfeld strategisch so ausgerichtet, dass die Entfernung zum Paudorfer Landarzt möglichst kurz wurde, sich der Container aber gerade noch am äußersten Rand der Nachbargemeinde Furth befindet. Hintergrund: Die aktuelle Rechtslage Vor zwei Jahren hat der Gesetzgeber mit der Apothekengesetz-Novelle 2006 eine wichtige Grundsatzentscheidung getroffen und die ärztliche Hausapotheke als primäre Einrichtung für die Versorgung der Landbevölkerung mit Medikamenten definiert. Gemäß 28 Apothekengesetz erfolgt die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Gemeinden, in denen nur ein einziger Kassenvertragsarzt für Allgemeinmedizin ordiniert, in der Regel durch ärztliche Hausapotheken. Eine ärztliche Hausapotheke kann einem Kassenvertragsarzt für Allgemeinmedizin bewilligt werden, wenn sich weder in der Gemeinde, in der er seinen Berufssitz hat, noch im Umkreis von sechs Straßenkilometern eine öffentliche Apotheke befindet. Sobald eine ärztliche Hausapotheke besteht, genießt sie einen gewissen Schutz, dessen Umfang allerdings je nach den örtlichen Gegebenheiten stark variiert: Befindet sich in der Gemeinde außer dem hausapothekenführenden Arzt kein weiterer Kassenarzt für Allgemeinmedizin, kann dort keine öffentliche Apotheke bewilligt werden. Der Verfassungsgerichtshof hat diese Regelung im Juni 2008 als verfassungskonform bestätigt. 5

Gibt es aber in der Gemeinde einen zweiten Kassenarzt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Bevölkerung auch dann weiterhin medizinisch versorgt wird, wenn mit dem Verlust der Hausapotheke möglicherweise auch die Ordination geschlossen wird. In der Zwei- oder Mehrarztgemeinde kann eine öffentliche Apotheke daher auch dann bewilligt werden, wenn eine ärztliche Hausapotheke vorhanden ist. In diesem Fall muss die neue öffentliche Apotheke nur jene Bedarfskriterien erfüllen, die den Bestand der benachbarten öffentlichen Apotheken schützen sollen, wie ein Mindestabstand zur nächsten öffentlichen Apotheke und ein Mindestversorgungspotenzial für die umliegenden öffentlichen Apotheken. Sobald die öffentliche Apotheke in Betrieb genommen wird, werden die Bewilligungen für alle Hausapotheken im Umkreis von vier Kilometern zurückgenommen. Eine Ausnahme gilt wiederum für Hausapotheken, die sich zwar weniger als vier Kilometer von der neuen öffentlichen Apotheke entfernt, aber selbst in einer Ein-Kassenarzt-Gemeinde befinden. Der hausapothekenführende Arzt ist verpflichtet, innerhalb einer Frist von drei Jahren die Hausapotheke zu schließen. In Fällen, in denen das Konzessionsverfahren für die öffentliche Apotheke bei Inkrafttreten der Gesetzesnovelle 2006 schon anhängig war, gilt eine Übergangsregelung: In diesem Fall muss der Arzt seine Hausapotheke mit Vollendung des 65. Lebensjahrs, höchstens aber nach zehn Jahren schließen. Eine gravierende Verschlechterung brachte die Apothekengesetz-Novelle 2006 für die Übertragung ärztlicher Hausapotheken an einen Nachfolger: Während es früher möglich gewesen war, eine bestehende Hausapotheke an den Nachfolgern des Arztes zu übertragen, wenn die Entfernung zur nächsten öffentlichen Apotheke nicht weniger als vier Kilometer betrug, kann jetzt auch dem Nachfolger eines hausapothekenführenden Arztes nur dann eine Bewilligung erteilt werden, wenn die Entfernung zur nächsten öffentlichen Apotheke mehr als 6 km beträgt. De facto können daher alle Hausapotheken, bei denen sich im Umkreis von sechs Kilometern eine öffentliche Apotheke angesiedelt hat, nicht mehr nachbesetzt werden. In der Praxis führt dies bereits zu Fällen, in denen Kassenplanstellen ohne die Hausapotheke so unattraktiv sind, dass sie nicht mehr nachbesetzt werden können. Die betroffenen Gemeinden verlieren daher mit der ärztlichen Hausapotheke auch den Arzt. 6