Vom Stallstaub zum Molekül: Mechanismen der allergieprotektiven Wirkung

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Transkript:

ÜBERSICHT Review Ar ticle Vom Stallstaub zum Molekül: Mechanismen der allergieprotektiven Wirkung Marcus Peters, Albrecht Bufe Abteilung für Experimentelle Pneumologie, Ruhr-Universität Bochum From cowshed dust to molecules: mechanisms of allergy protective activity Schlüsselwörter Arabinogalaktan Hygienehypothese Stallstaubextrakt dendritische Zelle allergische Immunantwort Asthma Zusammenfassung Hintergrund: Die Prävalenz von allergischen Erkrankungen wie dem atopischen Asthma hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Mittlerweile sind genetische Prädispositionen bekannt, die die Entstehung dieser Erkrankung begünstigen. Allerdings gibt es zweifelsfrei Umweltfaktoren, die ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung der Erkrankung spielen. So konnte in epidemiologischen Studien nachgewiesen werden, dass Kinder, die auf Bauernhöfen groß werden und häufigen Stallkontakt haben, vor allergischer Rhinitis und allergischem Asthma geschützt sind. Methoden: Um die Faktoren, die zu diesem Schutz beitragen, zu analysieren, haben wir Stäube von traditionellen Alpenbauernhöfen gesammelt, die anschließend mittels biochemischer Methoden untersucht wurden. Außerdem wurde die allergieprotektive Wirkung der Substanzen in einem Mausmodell für Asthma untersucht. Ergebnisse: Es zeigte sich, dass die Stäube überwiegend aus Pflanzenmaterialen bestehen. Extrakte aus diesen Stäuben konnten in einem murinen Asthmamodell die allergische Atemwegsinflammation verhindern. Im weiteren Verlauf konnten wir zeigen, dass eine arabinogalaktanreiche Fraktion aus den Stallstaubextrakten ein besonders ausgeprägtes allergieprotektives Potenzial beinhaltet. Die Protektion wird teilweise über die Bindung des Arabinogalaktans an dendritische Zellen vermittelt. Dadurch wird die Produktion von Interleukin-10 ausgelöst und somit die Fähigkeit dieser Zellen, eine allergische Immunantwort zu induzieren, partiell inhibiert. Schlussfolgerung: Durch welche Rezeptoren diese Bindung vermittelt wird, muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden. Arabinogalaktane sind somit eine interessante Gruppe von Substanzen, die zur Prävention allergischen Asthmas eingesetzt werden könnten. Key words Arabinogalactan hygiene hypothesis cowshed dust extract dendritic cell allergic immune response asthma Eingang/Reviewed 14. Juli 2011 Annahme/Accepted 21. Oktober 2011 Summary Background: The prevalence of allergic disease like atopic asthma is steadily increasing. Meanwhile some genetic factors leading to a predisposition for asthma are known. However, environmental factors are involved in the development of atopic disease, too. This was concluded from results of epidemiological studies revealing that children who grew up in a traditional farm environment were protected against allergic rhinitis and asthma. Korrespondenzanschrift/Correspondence to Dr. Marcus Peters Abteilung für Experimentelle Pneumologie Ruhr-Universität Bochum Bürkle-de-la-Camp-Platz 1 44789 Bochum E-Mail: marcus.peters@rub.de Methods: To identify these protective factors we have collected dust from the farm environment and analysed the chemical composition by biochemical methods. Furthermore, substances were tested for allergy protective activity in a mouse model of asthma. Results: We revealed that cowshed dust is predominantly composed of plant material. Crude extracts from cowshed dust (CDE) protected mice from airway inflammation in a mouse model of asthma. Further analysis of the protective compounds in CDE showed that plant arabinogalactans have a significant and relevant protective activity in a mouse model of asthma. This protective activity seems to be partly mediated by binding of arabinogalactan to dendritic cells. This leads to interleukin-10 production by these cells, 460 Allergo J 2011; 20: 460 5

resulting in a partial impairment of their ability to induce an allergic immune response. Conclusions: Although the precise role of the dendritic cell receptors involved in this mechanism has to be evaluated in further studies, we suggest arabinogalactan as an interesting candidate for prophylactic treatment of allergic asthma. Aufwachsen auf traditionellen Alpenbauernhöfen schützt vor allergischen Erkrankungen In den letzten Jahrzehnten konnte eine Zunahme der Prävalenz atopischen Asthmas und anderer allergischer Erkrankungen nachgewiesen werden. Eine Ursache für das atopische Asthma wird in genetischen Faktoren gesehen, die die Entstehung begünstigen [7, 13]. Die genetische Prädisposition für diese Erkrankungen kann sich aber nicht maßgeblich in den letzten Jahrzehnten verändert haben. Daher wurden zusätzlich Umweltfaktoren wie Ernährung, Urbanisierung und die Abnahme der Familiengröße für die Zunahme der Prävalenz allergischer Erkrankungen diskutiert. Im Jahr 1989 wurde mit epidemiologischen Methoden ein Zusammenhang zwischen der Abnahme der Familiengröße und einer höheren Prävalenz von Asthma bzw. Heuschnupfen nachgewiesen [14]. Die Korrelation wurde mit einer Abnahme der Infektionskrankheiten in der frühen Kindheit erklärt, die mit der geringeren Geschwisterzahl einhergeht [15]. Dieser Erklärungsansatz wurde als Hygienehypothese bekannt. In den darauf folgenden Jahren wurde in epidemiologischen Studien beobachtet, dass das Aufwachsen auf Bauernhöfen das Risiko für die Entwicklung allergischer Erkrankungen reduziert. Beispielsweise zeigte die SCARPOL-Studie (Swiss Study on Childhood Allergy and Respiratory Symptoms with Respect to Air Pollution, Climate and Verwendete Abkürzungen AG Arabinogalaktan ALEX-Studie Allergie und Endotoxin-Studie BAL Bronchoalveoläre Lavage CDE cowshed dust extract, Stallstaubextrakt ELISA Enzyme-linked immunosorbent assay IC50 Mittlere inhibitorische Konzentration IgE Immunglobulin E IL-10 Interleukin-10 LPS Lipopolysaccharid OVA Ovalbumin SCARPOL-Studie Swiss Study on Childhood Allergy and Respiratory Symptoms with Respect to Air Pollution, Climate and Pollen TH2 T-Helferzellen Typ 2 Pollen), dass Kinder, die in einem bäuerlichen Umfeld aufwuchsen, ein um die Hälfte reduziertes Risiko hatten, an Allergien zu erkranken [1]. Die ALEX-Studie (Allergie und Endotoxin) bestätigte diese Beobachtungen und präzisierte die Faktoren, die man epidemiologisch für die Reduktion der Allergieprävalenz verantwortlich machen kann [13]. Es wurde herausgefunden, dass infolge der Exposition schwangerer Frauen und deren Neugeborener im ersten Lebensjahr gegenüber der bäuerlichen Umwelt das Auftreten von Heuschnupfen und allergischem Asthma bei diesen Kindern im Alter von acht bis 13 Jahren signifikant vermindert war [2, 4, 12]. Auf Grundlage dieser epidemiologischen Beobachtung wurde vermutet, dass das geringere Risiko, an Asthma zu erkranken, möglicherweise auf die hohe mikrobielle Belastung auf Bauern höfen zurückzuführen ist. Mittlerweile gibt es weltweit über 33 Studien, die die Ergebnisse der ALEX- Studie bestätigen [8]. Jüngste Untersuchungen in zwei weiteren europäischen epidemiologischen Studien haben deutlich gemacht, dass nicht ein Leitkeim, sondern die Breite der Exposition gegenüber zahlreichen Mikroorganismen die Reduktion für Atopie und Asthma in der bäuerlichen Umwelt bedingen [3]. Allerdings wurde in den verschiedenen epidemiologischen Studien klar, dass möglicherweise nicht nur mikrobielle Substanzen, sondern auch Bestandteile von Pflanzen am Allergieschutz beteiligt sind [16]. Stallstaubextrakte enthalten Substanzen, die im Tiermodell vor Allergien schützen Um nun einen Eindruck davon zu erhalten, welchen Molekülen Kinder in der Umgebung von Ställen ausgesetzt sind und ob diese Substanzen tatsächlich einen Schutz vor Allergien vermitteln können, haben wir Stäube der schützenden Umgebung gesammelt, um daraus Extrakte herzustellen. Es zeigte sich, dass insbesondere ein Extraktionsverfahren mit physiologischer Kochsalzlösung geeignet war, um biologisch aktive Extrakte zu erhalten [9]. Dieser biologisch aktive Extrakt führte in einem Maus-Asthma- Modell dosisabhängig zur Reduktion der allergischen Atemwegsinflammation (Abbildung 1). Darüber hinaus führte die Inhalation der Extrakte zur reduzierten Hyperreaktivität der Atemwege und einer geringeren Sensibilisierung [9]. Daher stellte sich die Frage, welche Substanzen in den Staub- Allergo J 2011; 20: 460 5 461

ÜBERSICHT Review Ar ticle Vom Stallstaub zum Molekül: Allergieprotektion a a b b c d e f Abbildung 1a: Mäuse wurden während der Sensibilisierung und der Provokation mit dem Allergen mit verschiedenen Dosen an Stallstaubextrakt (CDE) intranasal behandelt. PBS: Placebo. Nach zwei Provokationen mit dem Allergen wurde die Atemwegsinflammation anhand der zellulären Infiltrate in den Atemwegen analysiert. b: Schematische Darstellung des verwendeten Sensibilisierungs und Behandlungsprotokolls. Mäuse werden am Tag 1 und 14 durch Injektion des Modellallergens Ovalbumin (OVA), gebunden an Aluminiumhydroxid, sensibilisiert. Am Tag 28 und 38 werden die Tiere dann mit dem Allergen über die Atemluft provoziert. Während der angezeigten Zeitpunkte wurden die Tiere insgesamt 14 mal durch Applikation des Extrakts über die Nase behandelt. Zur Analyse der allergischen Atemwegsinflammation wurde eine bronchoalveoläre Lavage (BAL) durchgeführt. Abbildung 2: Mikroskopische Untersuchung des Stallstaubs. Die Staubpartikel wurden auf gelatinebeschichtete Objektträger aufgebracht und mit Karminrot gefärbt. Es sind verschiedene mikroskopische Ausschnitte fotografiert worden (a f). a b c Abbildung 3: Der Staubextrakt wurde mittels Gelfiltration fraktioniert, Sephadex G200 prep grade, Detektion bei 280 nm (a). Die drei Elutionsmaxima P1, P2 und P3 wurden anschließend mittels Gelelektrophorese und Coomassie zum Nachweis von Proteinen (b) bzw. Periodic acid Schiff (PAS) Reaktion zum Nachweis von Kohlenhydraten (c) analysiert. Die Nummerierung unter den Laufspuren des Gels bezieht sich auf die Fraktionen, die jeweils aufgetragen wurden. Marker (M): Low range Marker der Firma Bio Rad (b), α1 saures Glykoprotein (c) 462 Allergo J 2011; 20: 460 5

extrakten enthalten sind, die diese ausgeprägte allergieprotektive Wirkung verursachen. Die Analyse der Stäube ergab, dass zwar verschiedene Keime im Stallstaub enthalten sind, diese aber abgesehen von einigen sporenbildenden Bakterien nicht mehr teilungsfähig sind (Daten nicht gezeigt). Auch Substanzen mikrobiellen Ursprungs, wie Lipopolysaccharid (LPS) aus gramnegativen Bakterien sowie β-glucan aus Pilzen liegen nur in relativ geringer Konzentration in den Extrakten vor. So zeigten Kontrollversuche mit LPS, dass die Menge des in den Extrakten enthaltenen LPS nicht ausreicht, um einen wirksamen Schutz vor allergischer Sensibilisierung zu vermitteln [9]. Eine einfache lichtmikroskopische Analyse der Proben ergab, dass die gesammelten Staubproben hauptsächlich Pflanzenbestandteile enthalten. So fanden wir in den Proben unter anderem eine Anzahl verschiedener Pollen und Pflanzenfasern (Abbildung 2), die vermutlich aus dem Futtermaterial für die Viehhaltung stammen. Um die Extrakte aus den Staubproben chemisch zu charakterisieren, haben wir zunächst eine Analyse mittels Chromatographie durchgeführt. Die Extrakte konnten mittels Gelfiltration in drei Fraktionen mit unterschiedlich großen Molekülen aufgelöst werden (Abbildung 3). Die gelelektrophoretische Analyse dieser drei Fraktionen zeigte, dass die Fraktion 1, die die Makromoleküle enthält, hauptsächlich aus Polysacchariden besteht. In Fraktion 2 finden sich dagegen hauptsächlich Proteine und kaum Zuckerstrukturen. Fraktion 3 enthält Moleküle, die sich mit den verwendeten Methoden nicht weiter identifizieren ließen. Um die biologische Aktivität der Fraktionen zu charakterisieren, wurden die Fraktionen im schon zuvor verwendeten Maus-Asthma-Modell eingesetzt. Interessanterweise führte Fraktion 1, die hauptsächlich aus Polysacchariden besteht, zum ausgeprägten Schutz vor allergischer Atemwegsinflammation. Fraktion 2 und 3 dagegen waren deutlich weniger aktiv (Abbildung 4). Darüber hinaus waren auch hier weitere Parameter der allergischen Immunantwort reduziert, so die Produktion von Immunglobulin E (IgE) und die für eine TH2(T-Helferzellen Typ 2)-Immunantwort typischen Zytokine [10]. Abbildung 4: Mäuse wurden während der Sensibilisierung mit den drei verschiedenen Fraktionen der Gelfiltration intranasal behandelt. Dabei wurden die einzelnen Fraktionen so verwendet, dass die Menge der zur Behandlung eingesetzten Substanzen dem Anteil im Gesamtextrakt entsprach. Nach zwei Provokationen mit dem Allergen wurde die Atemwegsinflammation anhand der zellulären Infiltrate in den Atemwegen analysiert. PBS: Placebo Arabinogalaktane schützen im Tiermodell vor allergischem Asthma Die vorangegangenen Analysen legten nahe, dass ein Polysaccharid aus dem Stallstaub den Schutz vor Allergie vermittelt. Die chemische Analyse der Fraktion 1 ergab, dass es sich um ein Molekül handeln muss, das reich an Galaktose und Arabinose ist, aber darüber hinaus noch weitere Monosaccharide enthält (Daten nicht gezeigt). Diese Beobachtung und die Tatsache, dass die gesammelten Stäube hauptsächlich aus Pflanzenmaterialien stammen, legten die Vermutung nahe, dass es sich bei den immunmodulatorisch aktiven Substanzen um pflanzliche Arabinogalaktane handeln könnte [10]. Mittels des sogenannten Yariv-Reagenzes, welches Arabinogalaktane spezifisch präzipitiert, konnte schließlich der Nachweis erbracht werden (Abbildung 5b). Weitere Analysen mit arabinogalaktanspezifischen monoklonalen Antikörpern bestätigten das Ergebnis (Abbildung 5a und 5c). Nun ist es möglich, Arabinogalaktane mit dem Yariv-Reagenz nicht nur nachzuweisen, sondern auch zu isolieren. Ähnlich wie bei einer Immunpräzipitation werden dabei das Reagenz mit der arabinogalaktanhaltigen Lösung gemischt und die entstandenen Präzipitate mittels Zentrifugation gewonnen. Die resolubilisierten Präzipitate enthalten dann Arabinogalaktane in hoher Reinheit. Die Behandlung mit dem aus Staubextrakt isolierten Arabinogalaktan führt zur Reduktion der Atemwegsinflammation mit einer verringerten Eosinophilie in der bronchoalveolären Lavage (BAL) (Abbildung 6). Darüber hinaus war auch hier die Reduktion von IgE und der TH2-Zytokine zu beobachten [10]. Mittlerweile ist es gelungen, strukturgleiche Arabinogalaktane aus verschiedenen Gräsern zu isolieren (Alopecurus pratensis, Holcus lanatus, Phleum pratense), die eine ähnliche allergieprotektive Wirkung in vivo zeigen. Das heißt, dass die im Stallstaub nachgewiesenen Arabinogalaktane höchstwahrscheinlich aus Futtergräsern stammen, die als Heu in die Ställe eingebracht werden. Arabinogalaktane könnten für die Prophylaxe von Allergien klinisch relevant sein Da Arabinogalaktane aus frischen Gräsern isoliert bzw. auf biotechnologischem Weg (Zellsuspensions- Allergo J 2011; 20: 460 5 463

ÜBERSICHT Review Ar ticle Vom Stallstaub zum Molekül: Allergieprotektion a b c Abbildung 5: Nachweis von Arabinogalaktanen (AG) im Stallstaubextrakt. b: Der Nachweis mit dem β Glykosyl Yariv Reagenz, welches spezifisch mit AG reagiert, fiel positiv aus. Hierfür wurde das Reagenz in ein Agarosegel inkorporiert. Die Anwesenheit von AG lässt sich durch die rot braunen Präzipitationsringe belegen. a: Gelelektrophoretische Analyse der isolierten AG; in Spur 1 und 3 befinden sich AG aus Gummi Arabicum, Färbung mit Silber (1), Färbung mit AG spezifischen Antikörpern (3); in Spur 2 und 4 befinden sich AG aus Stallstaubextrakt (CDE), Färbung mit Silber (2) bzw. mit einem AG spezifischen Antikörper (4). c: Mittels Inhibition im enzyme linked immunosorbent assay (ELISA) konnte außerdem gezeigt werden, dass AG aus CDE die Bindung eines AG spezifischen Antikörpers an AG aus Acacia senegal sehr effektiv verhindern kann. IC 50 : mittlere inhibitorische Konzentration Abbildung 6. Behandlung von Mäusen mit aus Stallstaubextrakt (CDE) isoliertem Arabinogalaktan (AG). Die AG sind in der Lage, die eosinophile Atemwegsinflammation ähnlich stark zu inhibieren, wie der Gesamtextrakt. Überstand: Fraktion 1 von CDE nach erfolgter Yariv Präzipitation mit deutlich geringerer Aktivität als CDE oder AG. PBS: Placebo kulturen aus Kallusgewebe von Gräsern) produziert werden können, stellen sie interessante Kandidaten für die klinische Prophylaxe allergischer Erkrankungen dar und werden diesbezüglich weiter untersucht. Insbesondere die geringen proinflammatorischen Eigenschaften der Arabinogalaktane lässt sie als Substanz für die Allergieprävention reizvoll erscheinen. Der Mechanismus der allergieprotektiven Wirkung von Arabinogalaktanen ist jedoch noch nicht vollständig aufgeklärt. Erste Ergebnisse unserer Untersuchungen deuten auf eine Modulation der Aktivierung dendri- tischer Zellen hin. Ähnlich wie nach Stimulation mit Stallstaubextrakt produzieren diese Zellen Interleukin-10 (IL-10), nachdem sie mit Arabinogalaktanen stimuliert wurden. Dieses Zytokin dämpft dann in autokriner Weise die T-Zell-stimulierende Wirkung der dendritischen Zellen. Hierdurch wird ein wirksamer Schutz vor der Induktion einer Sensibilisierung und dem Entstehen einer allergischen Erkrankung vermittelt [5, 10]. Wie Arabinogalaktane in diesen Schutzmechanismus involviert sind, ist noch nicht vollständig verstanden. Allerdings sind hier möglicherweise die Rezeptoren der C-Typ- Lektinfamilie beteiligt. Diese sind dafür bekannt, dass sie Glykostrukturen binden können, wodurch die IL-10-Produktion der dendritischen Zellen vermittelt werden kann [11]. Diese Mechanismen werden zurzeit untersucht und sind von entscheidender Bedeutung für das Verständnis darüber, wie durch die Inhalation von Arabinogalaktanen mit dem Stallstaubextrakt die Entstehung allergischer Sensibilisierung und damit die Entstehung atopischen Asthmas verhindert werden kann. Erklärung zum Interessenkonflikt Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt vorliegt. Danksagung Unser herzlicher Dank gilt den Kollegen vom Forschungszentrum Borstel, Prof. Otto Holst und Petra Behrens, die an der Extraktion und der Analyse der Staubextrakte beteiligt waren. Außerdem gilt unser Dank Imke Steffen, Pia Wentker, Petra Fritz, Sandra Werner und Britta Steeger, die an der Isolation und Charakterisierung der Substanzen mitgewirkt haben. 464 Allergo J 2011; 20: 460 5

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