Ready-to-use-Spritzen aus Sicht der Krankenhaushygiene und Lösungsvorschlag aus der Apotheke 24.10.2015 ADKA-NRW Dr. D. Hansen
400.000 600.000 nosokomiale Infektionen jährlich in Deutschland 10.000 15.000 Todesfälle 30% der nosokomialen Infektionen vermeidbar Krankenhaus Hygiene + Infektionsverhütung 2011; 77(1): 7-10
Injektionsart s.c.-injektion i.m.-injektion Mögliche infektiöse Komplikation Abszess, Cellulitis, Phlegmone Spritzenabszess, nekrotisierende Faszitis, Septikämie Infektionsrate nach Literaturangaben Einzelfälle und Fallserien beschrieben, Häufigkeit unbekannt 1:10.000-1:12.000 1:1.000.000 Intraartikuläre Injektion Purulente Arthritis 1:25.000 1:35.000 1:3.000-1:50.000 1:1.000-1:16.000 Intravitreale Injektion Panophthalmie 1:3.000 2:1.800 Bundesgesundheitsbl 2011, 54; 1135-1144
ZVK-assoziierte Sepsis Mittlere Septikämierate von 2,2 pro 1000 Kathetertage Extraluminaler Infektionsweg Kolonisation des Katheters geht von Einstichstelle aus (Hautflora) Luminaler Infektionsweg Manipulationen am Konnektionsstück Kontamination der Flüssigkeit in Infusionssystem Katheterferne Infektionsherde
mikrobiologische Kontamination parenteral zu verabreichender Arzneimittel wird beeinflusst von äußeren hygienischen Umgebungsbedingungen Qualifikation des Herstellenden Stucki C., et al. Am J Health-Syst Pharm 2009; 66: 2032-6
Einfluss der Umgebung
Einfluss der Umgebung Studien zur Vorbereitung von Medikamenten zur parenteralen Applikation an Patienten unter aseptischen Bedingungen einschließlich Simulationsstudien 34 Studien, 16552 Dosen, davon 10272 in klinischer Umgebung und 6280 unter pharmazeutischen Reinraumbedingungen Kontaminationsrate in klinischer Umgebung signifikant höher als unter Reinraumbedingungen (2,5% gegenüber 0,5%, Einzeldosis und Batch zusammengefasst) In 19 Studien wurden kontaminierende Erreger differenziert, Kontaminanten bei Vorbereitung in klinischer Umgebung nicht nur Hautkeime sondern auch Erreger wie S. aureus, Serratia marcescens, Klebsiella spp. und Enterobacter spp. Austin et al. J Hosp Infect 2015
Austin et al. J Hosp Infect 2015
Mischinjektionszubereitungen unkontrollierte Umgebung Austin et al. J Hosp Infect 2015
Einfluss des Mitarbeiters Studie in UK Aufziehen von 4 ml Nährbouillon mit einer Spritze und Kanüle aus einer 10 ml Glasampulle in klinischer Umgebung Vergleich der Kontaminationsrate von 1 pharmazeutischen Mitarbeiter und 5 Krankenschwestern Aseptische Technik nicht vorgegeben, arbeiten wie immer Beobachtung: unterschiedliche Arbeitsweise (Oberflächendesinfektion der Arbeitsfläche, Desinfektion der Ampulle) Insgesamt während 8 Monaten 778 Spritzen in 18 Sitzungen Signifikant niedrigere Kontaminationsrate des pharmazeutischen Mitarbeiters Austin P. et al. J Hosp Infect 2013
Austin P. et al. J Hosp Infect 2013
Krankenhaushygiene - Anforderungen Zubereitung ohne Zeitdruck unter Berücksichtigung der Angaben des Arzneimittelherstellers ausschließlich durch geschultes Personal in einem für das Anrichten von Medikamenten vorgesehenen Raum. Die Raumtemperaturen sollen 25 C nicht überschreiten. auf einer hierfür vorgesehenen, vor Spritzwasser geschützten, übersichtlichen und angemessen großen, freien Arbeitsfläche, die vor Beginn der Zubereitung mit einem auf Wirksamkeit geprüften Flächendesinfektionsmittel (Mittel aus VAH-Liste) desinfizierend gereinigt wird. Zubereitung von Medikamenten und Infusionen unmittelbar vor geplanter Applikation; erforderliche Ausnahmen (Notfallmedikamente) müssen mit dem Krankenhaushygieniker und dem zuständigen Apotheker besprochen und in einer Standardarbeitsanweisung festgelegt werden.
Krankenhaushygiene - Anforderungen Definition: unmittelbar vor geplanter Applikation BGH Urteil vom 3.11.1981 VI ZR 119/80 maximal 1 Stunde APIC 2010 maximal 1 Stunde
Krankenhaushygiene - Anforderungen Gummiseptum von Injektions- und Infusionsflaschen vor dem Einführen einer Kanüle mit alkoholischen Desinfektionsmittel desinfizieren Werden Teilmengen aus einem Mehrdosenbehältnis entnommen, ist für jede Entnahme eine neue Spritze und Kanüle zu verwenden. Einmalkanülen dürfen nicht im Mehrdosenbehältnis verbleiben. Werden Teilmengen aus einem Mehrdosenbehältnis mithilfe einer Mehrfachentnahmekanüle (Spike) entnommen, ist für jede Entnahme eine neue Spritze zu verwenden. Auf angebrochenen Mehrdosenbehältnissen sind das Anbruchdatum und die Verwendungsdauer zu vermerken.
Krankenhaushygiene der Alltag Mattner F, Gastmeier P. Bacterial contamination of multiple-dose vials: a prevalence study. Am J Infect Control 2004, 32(1): 12-16 1300 Betten Krankenhaus der Maximalversorgung An einem Tag alle Mehrdosisbehältnisse eingesammelt 227 Mehrdosisbehältnisse 1 Gefäß und 1 Spike kontaminiert mit S. Epidermidis Anbruchdatum nur auf 50% der Behältnisse 19% Lagerung außerhalb von Kühlschrank 48% ohne Konservierungsstoffe
Krankenhaushygiene der Alltag Melnyk PS, Shevchuk YM, Conly JM, Richardson CJ (1993) Contamination study of multiple-dose vials. Ann Pharmacother 27: 274ff Krankenhaus der Maximalversorgung Einsammeln jedes 10. angebrochenen Mehrdosisbehältnisses 4,6% jenseits Verfallsdatum des Herstellers Keine bakterielle Kontamination Aber ein Gefäß sichtbare Blutkontamination
Krankenhaushygiene der Alltag
Krankenhaushygiene der Alltag
Krankenhaushygiene der Alltag
Krankenhaushygiene der Alltag
Kasuistik Sechs Patienten wurden durch intraartikulär, intramuskulär und /oder paravertebral applizierte Injektionen mit Streptococcus pyogenes (Gruppe A-Streptokokken: GAS) infiziert. Alle betroffenen Patienten entwickelten innerhalb von 24 Stunden Gelenkinfektionen beziehungsweise lokale Abszedierungen, im weiteren Verlauf zum Teil eine nekrotisierende Fasziitis beziehungsweise eine systemische Infektion mit Multiorganversagen. Ein Patient verstarb am zweiten Tag nach der Injektion an einer fulminanten Sepsis, ein weiterer am vierten Tag unter dem Bild eines streptococcal toxic shock-like syndrome bei GAS-Fasziitis und Myositis trotz operativer und antibiotischr Behandlung der Gelenkinfektion, trotz nachfolgender Amputation der betroffenen Extremität sowie intensivmedizinischer Therapie. Bader et al. 2005
Kasuistik Ausgangspunkt der Infektionen war eine mit GAS besiedelte Arzthelferin. Sie hatte am Morgen eine große Zahl von Spritzen mit einer Mischinjektionslösung (Kortikosteroid plus Lokalanästhetikum) für den erwarteten Bedarf im Block aufgezogen und dabei teilweise bakteriell kontaminiert. Sechs Wochen zuvor war sie an einer akuten Tonsillopharyngitis mit Nachweis von GAS erkrankt gewesen. Nach klinisch erfolgreicher Penicillin-Therapie hatte sie damals die Arbeit wieder begonnen. Nachdem dem Praxisinhaber Infektionen bei seinen Patienten bekannt wurden, veranlasste er einen Rachenabstrich bei der symptomfreien Arzthelferin und wegen des erneuten GAS-Nachweises einen zweiten Penicillin-Zyklus. Aus Nasenvorhofabstrichen der Arzhelferin wurde zudem ein penicillinresistenter S. aureus isoliert. Ein DNA-identischer S. aureus wurde auch aus einer asservierten Spritze nachgewiesen, welche die Arzthelferin aufgezogen hatte. Diese mikrobiologischen Befunde wiesen darauf hin, dass die Arzthelferin die Injektionslösungen beim Aufziehen mit Erregern ihrer bakteriellen Nasen- Rachen-Flora (S. aureus und GAS) kontaminiert hatte. Bader et al. 2005
Kasuistik Die Arzthelferin gab an, dass sie vor dem Aufziehen der Injektionslösung die Hände nicht desinfiziert hatte. Hierzu habe es in der Praxis keine mündliche oder schriftliche Anweisung oder Kontrolle gegeben. Sie habe Spritzen und Kanülen aus der Sterilverpackung so entnommen, dass sie diese durch den Papierteil durchgedrückt habe zum Teil mit dem offenen Konus voraus. In de Praxis waren zwar alkoholische Händedesinfektionmittel in Flaschen vorhanden, allerdings keine Wandspender. Hygienepläne fehlten, eine Personalschulung zur Hygiene war nie erfolgt. Organisationsverschulden des Praxisinhabers Bader et al. 2005
17. Februar bis 3. März 2004: Von 103 behandelten Patienten hatten 27 eine positive Blutkultur (20 Patienten E. cloacae, 2 Patienten K. oxytoca, 5 Patienten E. cloacae und K. Oxytoca) Risiko Infusion durch ZVK Umgebungsuntersuchung Befragung der Mitarbeiter: täglich wurden 10 ml und 20 ml Spritzen über ein Dosierventil aus einer NaCl-Infusionsflasche aufgezogen, NaCl wurde am Arbeitsende verworfen, Dosierventil wurde mehrere Tage benutzt Nachweis der Ausbruchskeim in aufgezogenen Spritzen, in NaCl-Flasche und am Dosierventil
Risiko Mehrdosisbehältnis Liu D. et al. Outbreak of Serratia marcescens infection due to contamination of multiple-dose vial of heparin-saline solution used to flush deep venous catheters or peripheral trocars. J Hosp Infect 77 (2011); 175 f Simon, PA, Chen RT, Elliott JA, Schwartz B: Outbreak of pyogenic abscesses after diphtheria and tetanus toxoids and pertussis vaccination. Pediatr Infect Dis J, 1993; 12:368-371
Mißbrauch von Einmaldosisbehältnissen Cohen AL, Ridpath A, Noble-Wang J et al. Outbreak of Serratia marcescens bloodstream and central nervous system infections after interventional pain management procedures. Clin J Pain 2008; 24: 374-380 Ersoz, G. et al. Outbreak of meningitis due to Serratia marcescens after spinal anaesthesia. J Hosp Infect 87 (2014) 122-125
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