Belastungsmessungen am 3-Ring-System eines Sprungfallschirms

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Transkript:

Belastungsmessungen am 3-Ring-System eines Sprungfallschirms Prof. Dr.-Ing. Egon Füglein Dipl.-Ing. Christian Scheller Einführung Dynamisch beanspruchte Bauteile können durch Ermüdung (fatigue) versagen. Aufgabe der Betriebsfestigkeit ist es, die Lebensdauer rechnerisch bzw. experimentell zu ermitteln. Die Beanspruchungsverläufe der meisten Bauteile sind regellos. Nur experimentelle Lebensdauernachweise sind ausreichend zuverlässig. Regelloser Belastungsverlauf eines Bauteiles 1

Dauerbruch, Schwingbruch Ursache für Schwingbrüche ist die Ermüdung Ein Werkstoff ermüdet bei dynamischer Beanspruchung oberhalb seiner Dauerfestigkeit Schwingbruch an einer Schraube Ziele der Betriebsfestigkeit 1. Ermittlung der tatsächlichen Bauteilbeanspruchungen (Kräfte, Momente, Spannungen) durch Messung im Betrieb. 2. Nachweis der Bauteil-Lebensdauer rechnerisch nicht sicher möglich. Der experimentelle Betriebsfestigkeitsversuch ist für den Lebensdauernachweis geeignet. 2

0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 16000 18000 20000 Beispiele: Messung der Beanspruchung einer Fahrradgabel Gemessene Beanspruchungs-Zeit-Funktion an der Gabel eines Mountain-Bikes Einstufiger Kräfteverlauf Messung der Beanspruchung an einem nachgeführten Beiwagen 3

Moment an der Beiwagen -Kupplung Moment [Nm] Torsion 3, Zuladung: 150 kg 500 400 300 200 100 0-100 -200-300 -400-500 Häufigkeit 1 10 100 1000 Fahrbetriebsmessung an einem Snow-Scooter 4

Belastungsmessungen am 3-Ring- System eines Sprungfallschirms 1.Vorbereitung der Messung: 1.1 Messobjekt : Großer Ring aus dem kleinen 3-Ring-System 1.2 Messaufnehmer : Dehnungsmessstreifen DMS Das metallische Messgitter des DMS ändert seinen Widerstand bei Längenänderung (Dehnung). Dadurch ist es möglich, mit aufgeklebten Dehnmessstreifen die Dehnungen eines Bauteils messtechnisch sehr genau zu erfassen. 5

1.3 Theoretische Ermittlung der maximalen Spannungen und Dehnungen am Ring Biegemomentenverlauf Maximale Dehnungen an der Innenseite des Rings durch Überlagerung von Zugdehnungen aus Biegung und Normalkraft, und geringster Querschnittsfläche des Bauteils 2. Applikation der Messtechnik: 2.1 Die DMS sind auf den Ring geklebt. 6

2.2 Die DMS werden mit den Messverstärkern verdrahtet DMS Messkabel (DMS-Messverstärker) Messverstärker + Stromversorgung Datenlogger Messbrückenergänzung (Temperaturkompensation) Entwicklung, Prüf- und Messtechnik 3. Kalibrierung Damit die Kräfte am Ring ermittelt werden können, müssen die Messstellen kalibriert werden. Ring mit DMS-Aufnehmer Kraftaufnehmer 7

4. Sprung auf dem Flugfeld in Hassfurt: 5. Protokoll des Sprungs: Ort / Datum: Hassfurt, 23.07.06 Uhrzeit: 17:15 Temperatur: 28,6 C Rel. Luftfeuchte: 33% Anhängende Last: 90 Kg Absprunghöhe: 3800 m Fallschirmöffnung: 1800 m Freifallzeit: 41 sec. V max : 197 km/h Manöver: Öffnung des Fallschirms in einer Höhe von 1800 Meter 360 Rechtkurve mit anschließender 360 Linkskurve Vollbremsung in 1400 Meter 2 Rechtskurven mit je 360 2 Linkskurven mit je 360 270 Linkskurve bei 360 Meter Landung 8

6. Kraftverläufe der beiden Ringe während des Sprungs: Anhängelast: 900 Newton Freifallzeit: 41 sec. 6.1 Öffnungsbelastung des Fallschirms in 1800 Meter: F links = 850 N F rechts = 2350 N Fgesamt = 3200 N == 3,6 g 9

6.2 Diverse Manöver: 360 Rechtskurve 360 Linkskurve Vollbremsung: Fgesamt = 3500 N == 3,9 g 2 x 360 Rechtskurve 2 x 360 Linkskurve 6.3 Landung: 270 radiale Linkskurve Landung 10

7.Beanspruchungen am Bauteil: Die Ergebnisse gelten nur für den dargestellten Sprung und sind nicht repräsentativ! Maximale Beanspruchung beim Öffnen des Fallschirms. Frechts = 2350 N Ermittlung der Bauteildehnungen über die Dehnung der DMS: ε = 1290 µm/m Mit einem Elastizitätsmodul von Stahl von 210.000 N/mm² ergibt sich eine gemittelte Spannung im Ring, im Bereich des DMS von: σ = 270 N/mm² Bei ungünstigen Bedingungen könnte auf einen Ring u.u. die ganze Last einwirken. Dann betrüge die Spannung ca. das Doppelte. 8. Vergleich mit den Werkstoffdaten : Verwendetes Material: 9. Ausblick Vermutlich MIL-S-5626 mechanischen Eigenschaften lt. Datenblatt: Zugfestigkeit 630 880 N/mm 2 Fließgrenze 420 740 N/mm 2 Das Bauteil ist wahrscheinlich nicht dauerfest sondern nur zeit- bzw. betriebsfest. Der Ring kann nur eine bestimmte (endliche) Anzahl von Sprüngen ohne Schaden ertragen. Da die Ringe vermutlich nicht dauerfest sind, sollte die Lebensdauer, d.h. die Anzahl der möglichen repräsentativen Sprünge bis zum Versagen experimentell nachgewiesen werden. Das Gurtsystem ist in die Untersuchungen mit einzubeziehen. 11

10.Betriebsfestigkeitsversuch zur Ermittlung der Bauteillebensdauer: Generierung einer repräsentativen Lastfolge Hierfür sind weitere Messungen erforderlich mit: Verschiedenen Springern Verschiedenen Manövern Unterschiedlichen Schirmen Sonderbelastungen und Missbrauch Servohydraulischer Prüfstand 11. Fragen, Wünsche, Anregungen: Kontakt: Prof. Dr.-Ing. Egon Füglein Labor für Maschinenelemente Fachhochschule Schweinfurt Ignaz-Schön-Str. 11 97421 Schweinfurt Tel.: +49 (0)9721 / 940948 Fax: +49 (0)9721 / 87809 Mail: efueglein@fh-sw.de Christian Scheller Labor für Maschinenelemente Fachhochschule Schweinfurt Ignaz-Schön-Str. 11 97421 Schweinfurt Tel.: +49 (0)9721 / 940941 Fax: +49 (0)9721 / 87809 Mail: scheller@fh-sw.de 12