Psychologie der Familiengründung mit Spendersamen

Ähnliche Dokumente
Elternschaft zu dritt, zu viert und ihre rechtlichen Folgen

Trotzdem möchten wir Ihnen nun einige Gedanken nahe bringen, die von Mitgliedern aus dem DI-Netz in den vergangenen Tagen an uns herangetragen wurden.

Grundlage für die Rückschlüsse ist die Erfahrung aus der psychosozialen Begleitung von 368 Paaren vor während und ggf. nach einer donogenen Therapie z

Wie können wir miteinander reden?

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder. zu dem Gesetzentwurf der Fraktion BU NDNIS 90/DIE GRU NEN

Frühes Trauma. Zeugung, Schwangerschaft und Geburt als traumatisierende Erfahrungen Prof. Dr.

Stellungnahme. Wir sind ein Verein zur Förderung und Unterstützung von Regenbogenfamilien in Österreich.

Evolutionäre Psychologie

Ergebnisse der öffentlichen Befragung. Katrin Amunts Mitglied des Deutschen Ethikrates

Die Rechtsstellung des Samenspenders bei der Insemination/IVF

Das Trauma der Liebe. Hospitalhof Stuttgart 23. Juli Prof. Dr. Franz Ruppert 1

Zentrale Adoptionsstelle des LWL-Landesjugendamtes Münster

Psychische Erkrankungen als Familienerkrankungen

Kinder psychisch kranker Eltern INHALT

eine Hochrisikopopulation: Biographien betroffener Persönlichkeiten

Leitlinien für die psychosoziale Beratung bei Gametenspende (GS-Leitlinien von BKiD)

Bad Sassendorf, Vater-Kind-Bindung: Ist sie etwas Besonderes? Dr. Andreas Eickhorst. Deutsches Jugendinstitut, München

Wie Beziehung Kinder und Erwachsene stark macht

Zu 1a) Forderungen der GRÜNEN: einfachgesetzliche Regelung des Auskunftsrechtes und Eintragung der Samenspende ins Geburtenregister

Was erlebt ein Kind im Mutterleib?

Elternschaft zu dritt, zu viert und ihre rechtlichen Folgen

Leben mit einer bipolaren Partnerin

Schwangerschaftsberatung...

Was brauchen Familien nach Samenspende vom Gesetzgeber? Klare Rechtsverhältnisse mit klaren Rollen der Beteiligten. und

Samenspende. Information der Ärztekammer Nordrhein

Lehrbuch Klinische Paar- und Familienpsychologie

Häusliche Gewalt und die Folgen für die Kinder

Homosexuelle Elternschaft

Inhaltsverzeichnis. Literaturverzeichnis. Abkürzungsverzeichnis für Spezialbegriffe. 1. Kapitel: Einleitung

Liturgievorschlag für Neujahr Hochfest der Gottesmutter Maria

Brustkrebs: Mut zum Überleben

Neue Wege zum eigenen Kind

Erziehungsberatung für alle

Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung - ein Einblick

Brustkrebs und Sexualität

Kinderwunsch, PID und Beratung - praktische Herausforderungen im Kontext rechtlicher Rahmenbedingungen

Regenbogenfamilie Werden und Sein. Chancen und Herausforderungen einer neuen Familienform

Stellungnahme zum Antrag der Grünen (BT-Drucks. 18/7655) zur Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung

Stadt Luzern. Leitsätze. Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Stadtrat

Fam ART. Books for Family Building with Medical Assistance Bücher zur Familienbildung mit medizinischer Unterstützung

Angehörige und Pflegekräfte auf dem Weg zu einem partnerschaftlichen Miteinander

Psychiatrisches Zentrum Nordbaden. Mutter-Kind- Behandlung. Bei postpartalen psychischen Erkrankungen. Ein Hilfsangebot.

Gemeinsame Stellungnahme zur Gesetzesinitiative der GRÜNEN Donogene Insemination gesetzlich als Adoption regeln?

ICH, LIEBE UND TRAUMA IM PÄDAGOGISCHEN ALLTAG

Kultur und psychische Erkrankungen Der Einfluss der sozialen und kulturellen Umwelt auf die Resilienz alter Menschen. Entwicklungskontextualismus

Familienrecht Vorlesung 12. Familienrecht. Hauptabschnitt II

Über die Gründe, moralisch zu handeln. Eine Reflexion im Ausgang von Kant Peter Schaber (Universität Zürich)

Gesundheit der Frau. Künstliche Insemination mit Samenspende

Elternabend der Schulen Geissenstein & Steinhof, Luzern 26. Mai 2011

Biologische Abstammung als Maßstab rechtlicher Zuordnung?

Familien stärken- Förderung von Resilienz

Gerechtigkeit in Partnerschaften

Ersttrimester- Screening Was wird untersucht? MUSTER

Förderung sicherer Bindungen im Kleinkindalter

Belastungen und Bewältigungsstrategien von Kindern psychisch erkrankter Eltern. Prävention durch Intervention

Die Schläge, die meine Mama bekam, spürte ich in meinem Bauch

Künstliche Befruchtung aus juristischer Sicht

Trennung und Verlust

Generation Baby Boomer versus Generation Y?

Wenn Eltern psychisch krank sind: Forschungsstand und Erfordernisse der Praxis

Das emotionale Familienklima - über Gefühle in Beziehungen Ergebnisse der modernen Paar- und Familienpsychologie

Leseprobe aus: Koch/Strecker, Kinder bei Trennung und Scheidung, ISBN Beltz Verlag, Weinheim und Basel

Tagung Gender und Familie Tutzing,

Der Umgang mit einem Kinderwunsch in der Biografie psychisch Kranker. Stralsund, 24. Februar Hintergrund

Wie erkennen Pflegefachpersonen, was Angehörige von onkologischen Patienten brauchen?

Wer darf Eltern sein? Rechtslage in der Schweiz und im angrenzenden Ausland

Beihilfe zur Selbsttötung, Tötung aus Mitleid, Tötung auf Verlangen?

Unterstützung von Familien mit psychisch kranken Eltern in Basel Erfolgsfaktoren und Stolpersteine

Elternschaftskonzepte und Bildungsprozesse im internationalen Vergleich

Kinder psychisch erkrankter Eltern: Belastungen, Entwicklungsrisiken, Hilfebedarf

1. Kinder deren Eltern nie zusammengelebt haben: ungeplante Schwangerschaften (z.b. bei Minderjährigen) Lebenskonzepte 2. Kinder deren Eltern sich

NomosPraxis. Psychologische Sachverständigengutachten im Familienrecht. Nomos. Castellanos Hertkorn

Was ko nnen wir lernen? Konzepte und Modellprojekte in der Arbeit mit Kindern & Familien

Fachtagung. Wer darf Eltern sein? Familienkonstellationen und die Entwicklung der Kinder 17. Juni Interfakultär Universität FrEiburg

Grundlagen der medizinischen Psychologie und Soziologie

Kooperation in der Organisation Schule. Dr. Heinz Hinz

Wie viel Mutter und Vater brauchen Kinder? Heinz Kindler, Deutsches Jugendinstitut

Praxis für Psychotherapie (für Erwachsene) Elternberatung für Säuglinge und Kleinkinder von 0 bis 3 Jahren

Fachstelle für Kinder psychisch kranker Eltern: Bedarf und Notwendigkeit

Wie wichtig sind sichere Beziehungen? Über Kompetenz und Verletzlichkeit von Kleinkindern

Ablösung leicht(er) gemacht Zum Umgang mit Trennungsängsten

Das Baby verstehen. das Handbuch zum Elternkurs für Hebammen. von Angelika Gregor und Manfred Cierpka

Stellungnahme des Vereins Spenderkinder. zu dem Antrag

Erste interdisziplinäre kantonale Tagung Kinder psychisch belasteter Eltern, 2014

Coming out - Ich bin schwul!

Psychosoziale Aspekte der Inkontinenz - Ergebnisse einer Patientenbefragung -

Psychische Gesundheit in Beziehungen

Angehörige: Unterstützung oder Herausforderung

Fragebogen zur Einleitung oder Verlängerung einer ambulanten Psychotherapie

Dr. Ludger Kotthoff Narben sexueller Gewalt. Psychische Folgen der Traumatisierung

Vielfalt als Normalität

Akzeptierende Ansätze in der Sozialen Arbeit

VORWORT 7 1. EINLEITUNG 9 2. DIAGNOSTIK KULTURHISTORISCHE BETRACHTUNG ERKLÄRUNGSMODELLE DER ANOREXIA NERVOSA 28

Emotionsmanagement in der Essstörungstherapie

Transkript:

Psychologie der Familiengründung mit Spendersamen Dipl.Psych. Claudia Brügge DI-Netz e.v. - Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende Vortrag: Kinderwunsch Tage Berlin, 18. Februar 2017

Familien nach Samenspende Technisiertes Fortpflanzungsgemurkse egoistischer Wunscheltern im Komplott mit der internationalen Fortpflanzungsindustrie - auf Kosten der Kinder Geburtsfehler - oder - ganz normale Familie? Da standen wir nun mit unserem Kinderwunsch aber ohne Samen. Das hatten wir wirklich nicht erwartet. Dank der Hilfe eines Samenspenders konnten wir dann doch noch unsere Familie gründen. Was haben wir ein Glück!.

Was bedeutet es, wenn wir uns für eine Familiengründung mit Hilfe von Spendersamen entscheiden? Welche Themen kommen auf uns zu?

1. Donogene Insemination bedeutet Keine genetische Verbindung des Kindes* zum Vater* Genetische Verbindung* des Kindes zu einem unbekannten* Mann außerhalb* der Familie Donogene Insemination: medizinische* Hilfe

2. Donogene Insemination bedeutet eine Fülle von inneren Themen im Vorfeld Bionormativität ist immer schon da Abweichung von der Norm/ Normvariante/ Anderssein Subjektive Gefühle von Trauer, Unsicherheit, Angst, Scham, Schuld, Sorge - Hoffnung Zulassen von Teilöffentlichkeit in eigener Intimität (PatientIn - medizinisches Team - Samenbank) Subjektive Bedeutung/Rolle des Samenspenders Unterschiedliche Rollen beider Partner Entscheidungen Aufklärung des Kindes ja nein Entscheidungen Umgang mit dem sozialen Umfeld Ungewissheit Gewissheit: Das Kind bekommt ein besonderes Thema* mit auf den Weg. Antizipierte Autonomie des Kindes Subjektive Bedeutsamkeit der Genetik = Psychischer Reflexions- und psychologischer Beratungsbedarf. Und: Diese Themen können später immer wieder aufkommen.

Entscheidung zur Familiengründung mit Samenspende Die Entscheidung zur Familiengründung mit Samenspende ist keine Lifestyle- Entscheidung. Menschen ziehen es vor, sich mit ihren eigenen Gameten und mit den Gameten ihres Partners fortzupflanzen.

Eine Samenspende zu nutzen war für uns nicht die erste Wahl aber heute sind wir eine erstklassige Familie. Agenturfoto: mit Modell gestellt Istock/Omgimages

Allerdings: Die Samenspende ist nicht nur eine Behandlungsmethode sondern ein bleibendes Familienthema. Die Samenspende wird nicht vergessen!

Wie geht es den Eltern? Wie geht es den Kindern?!

Motive der Eltern Eltern wollen einen möglichst normalen Familienalltag. Sie wollen gute Eltern sein. Sie wollen ihre Kinder schützen. Sie wollen sich selbst schützen vor Beschämung.

Aus dieser Motivlage heraus streben Eltern zwei verschiedene Familienmodelle an. Variante A: Verleugnung: Familiengeheimnis Variante B: Offener Umgang und Integration der Samenspende Es ist nichts passiert. Wir sind exakt wie andere Familien auch. Uns unterscheidet nichts.. Wir sind wie andere Familien auch, es gibt allerdings noch Extrathemen - wegen der Samenspende. So wie viele Familien oft noch eigene Themen haben.. Agenturfoto: Mit Model gestellt: Istock/Ridofranz Agenturfoto: Mit Model gestellt Istock/omgimages

A) Gut! Forschungsteam Susan Golombok (GB), empirische Forschung Moderne Zeiten = Plurale Familienwelten Familienbildung nach Samenspende ist eine Normvariante unter vielen. Die kindliche Entwicklung ist psychopathologisch unauffällig. Für eine gelingende Entwicklung zählt die Qualität der Familienbeziehung.

B) Schwierig! Vgl. Psychologisches auf www.spenderkinder.de, Oelsner/Lehmkuhl Spenderkinder Strukturelle Störung des Familiensystems: Unausweichliche Parentifizierung des Kindes Polarisierte Familienpositionen: angeregte, viel stärkere Mutter, mit Doppelbindung zum Kind schwacher, vom Kind abhängiger Josefsvater potenter, idealer, depersonalisierter, verantwortungsloser biologischer Vater Kind in schwieriger Mittelposition => Keine aktive Förderung der Samenspende

Kritik A) Reichweite der empirischen Studien GOLOMBOKs: - kleine Stichproben, mit verschiedenen reproduktiven Methoden und verschiedenen Familienformen (Nivellierung), - Langzeit - keine tiefenpsychologische Erhebung B) Spenderkinder sind Kinder ihrer Zeit. (Behandlung 80er-90er Jahre). Erfahrungen mit der Samenspende sind zeit- und kontextgebunden. Konfundierung mit später Aufklärung unter ungünstigen Umständen: Vertrauensbruch, kein Zugang zur Kenntnis der Abstammung, Desidentifikation Othering Schädlichkeit des Opferdiskurses für die nächste Generation

Familienrealitäten im DI-Netz

Was trägt zur Normalisierung bei?

Eintrittskarten Ausweg aus der ungewollten Kinderlosigkeit Intendierte Elternschaft Mut zur Autonomie und Selbstakzeptanz Vielfalt der Familienformen Community: Kontakt mit anderen Familien Samenspende im medizinischen System Sprache Namensgebung, Metaphern DI-International Anerkennung durch Umfeld und Autoritäten Schwangerschaft Familienrecht Geburt Wechselseitige Identifikation Anerkennung des Vaters durch die Mutter Gewöhnung und Zeit Bindung Doing Family Anerkennung des Vaters durch das Kind Zuhause Gelebte Beziehung Elternverantwortung Familienalltag, Familienalltag, Familienalltag, Familienalltag

Nichts trägt so viel zur Normalisierung bei wie der Kontakt der Familien untereinander.

Belastungsfaktoren Kommunikationsstörungen keine oder späte Aufklärung! Verleugnung der Samenspende als riskante Bewältigungsstrategie Bindungsunsicherheit, geringe Identifikation untereinander Persönlichkeitspathologien? Geringe Familienähnlichkeit? Isolation in Sachen Samenspende? Geringe soziale Akzeptanz der DI, Rechtfertigungsdruck? Geringe Familienressourcen? Ausgeprägte Erziehungsschwierigkeiten? Trennung der Eltern?! Nicht-Identifizierbarkeit, Kontaktverweigerung des Spenders

These: Schuldhafte Zeugung ist ein universelles Thema zwischen Eltern und Kindern Sándor Ferenczi (1929): Das Kind muss durch ungeheuren Aufwand von Liebe, Zärtlichkeit und Fürsorge dazu gebracht werden, es den Eltern zu verzeihen, dass sie es ohne seine Absicht zur Welt brachten, sonst regen sich alsbald die Zerstörungstriebe.

Vielen Dank!