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Transkript:

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 11017 Berlin Oberste Landessozialbehörden Nachrichtlich: Bundesrechnungshof REFERAT Vb 1 HAUSANSCHRIFT POSTANSCHRIFT Wilhelmstraße 49, 10117 Berlin 11017 Berlin TEL +49 30 18 527-0 FAX +49 30 18 527-1946 auftragsverwaltung-sgbxii@bmas.bund.de www.bmas.de E-MAIL INTERNET Kommunale Spitzenverbände AZ Berlin, 3. Juli 2017 Vb1-50235 Nur per E-Mail Bundesauftragsverwaltung Viertes Kapitel SGB XII Rundschreiben 2017/3 - Ersuchen um gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung für Menschen mit Behinderungen in Werkstätten für Behinderte ( 45 Satz 3 SGB XII in der ab 1. Juli 2017 geltenden Fassung) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, durch Artikel 3a des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3159) wird 45 Satz 3 SGB XII mit Wirkung vom 1. Juli 2017 neugefasst. Aufgrund von Rückfragen über Zielsetzung und vor allem Folgewirkungen der sich aus der Neufassung von 45 Satz 3 SGB XII in dessen Nummer 3 ergebenden Änderung hat das BMAS in der Bund-Länder-Besprechung am 30. Mai 2017 den Ländern zugesagt, seine Rechtsauffassung hierzu in einem Rundschreiben mitzuteilen. Die zugrunde liegenden Rückfragen und damit auch Inhalt dieses Rundschreibens konzentrieren sich vor dem Hintergrund der Konzeption von 45 SGB XII auf die Abgrenzung des nach dem Vierten Kapitel des SGB XII wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung leistungsberechtigten Personen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen. U-Bahn U 2, U 6: Mohrenstraße / Französische Straße Bus 200: Wilhelmstraße S-Bahn 1, 2, 25: Brandenburger Tor

Seite 2 von 7 1. Zielsetzung und Inhalt von 45 SGB XII Die Leistungsberechtigung im Vierten Kapitel SGB XII setzt nach 41 SGB XII neben dem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland sowie dem Vorliegen von Hilfebedürftigkeit nach dessen Absatz 1 alternativ zum Merkmal Alter das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung voraus. Demnach ist nach 41 Absatz 3 SGB XII leistungsberechtigt, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des 43 Abs. 2 des Sechsten Buches ist und bei dem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.. Die Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung ist festzustellen. Dazu ist nach 45 Satz 1 und 2 SGB XII ein Träger der Rentenversicherung um gutachterliche Feststellung zu ersuchen, die Feststellung des Rentenversicherungsträgers ist für den die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ausführenden Träger bindend. Ausnahmen vom Ersuchen an einen Rentenversicherungsträger sind ausschließlich die in 45 Satz 3 SGB XII genannten Fallkonstellationen. 2. Neufassung 45 Satz 3 SGB XII Die Neufassung von 45 Satz 3 SGB XII enthält in den Nummern 3 und 4 Abweichungen zu der bis Ende Juni 2017 geltenden Fassung des Satzes. Die neue Nummer 4 ist in der bisherigen Fassung des Satzes nicht enthalten und stellt eine - unstrittig - klarstellende Ergänzung (siehe Punkt 2.2) dar. Die Nachfragen zur Neufassung von Satz 3 beziehen sich auf dessen Nummer 3 (siehe Punkt (2.1). 2.1 45 Satz 3 Nummer 3 SGB XII Rechtsauffassung des BMAS ist es, dass Nummer 3 in der neuen Fassung zu keinen Abweichungen gegenüber dem bisherigen Rechtsstand beziehungsweise der bisherigen Rechtsauslegung (siehe auch Ergebnisprotokoll vom 26. August 2014 zur Bund-Länder- Besprechung vom 1. Juli 2014) führt. Inhaltlich handelt sich bei der neuen Nummer 3 lediglich um eine formulierungstechnische Zusammenfassung der bisherigen Ausnahmeregelung in 45 Nummer 3 SGB XII der geltenden Fassung, verbunden mit einer zusätzlichen Ergänzung.

Seite 3 von 7 Daraus ergibt sich: Entsprechend der bis 30. Juni 2017 geltenden Fassung von Nummer 3 gelten Beschäftigte im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen regelmäßig als dauerhaft voll erwerbsgemindert, weshalb ein Ersuchen auf Begutachtung nicht erforderlich ist ( 43 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 SGB VI in Verbindung mit 4 Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 WVO). Die in der ab 1. Juli 2017 hinzukommende Ergänzung, wonach bei Menschen mit Behinderungen während des Eingangsverfahrens und des Durchlaufens des Berufsbildungsbereichs kein Ersuchen zu stellen ist, bedeutet eine gesetzliche Festschreibung der seit Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vertretenen Rechtsauffassung des BMAS. Deshalb hat Satz 3 Nummer 3 in der neuen Fassung nicht zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich ab 1. Juli 2017 wegen des Ausschlusses eines Ersuchens an einen Rentenversicherungsträger als Leistungsberechtigte nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gelten. Denn durch ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger soll nicht einer Entscheidung des Werkstattausschusses, welche erst nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereiches erfolgt, vorgegriffen werden. Ausführungen zu der Beibehaltung der bisherigen Abgrenzung des leistungsberechtigten Personenkreises finden sich auch in der Begründung zur Änderung von 45 Satz 3 SGB XII nicht (Entwurf RBEG 2017, Begründung zu Artikel 3 Nummer 16 Buchstabe a, BT-Drs. 18/9984, S. 96 f.). Entsprechend enthält die Begründung zu den finanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfs hierzu keine Ausführungen, was im Falle einer Ausweitung des leistungsberechtigten Personenkreises zwingend erforderlich wäre (Allgemeine Begründung, Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand, BT-Drs. 18/9984, S. 28 f.). Die Zusammenfassung von zwei Sachverhalten in Nummer 3 bedeutet lediglich, dass für Personen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen kein Ersuchen an einen Träger der Rentenversicherung zu stellen ist, auch wenn dies in beiden Fallkonstellationen aus unterschiedlichen Gründen gilt. Etwas anderes kann schon deshalb nicht gelten, weil es sich bei 45 SGB XII um eine Verfahrensbestimmung des Zweiten Abschnitts des Vierten Kapitel SGB XII und nicht um eine Vorschrift zur Bestimmung des leistungsberechtigten Personenkreises im Ersten Abschnitt des Vierten Kapitels SGB XII handelt. Allein aus dem Wortlaut von 45 SGB XII - und damit ohne Bezugnahme auf weitere

Seite 4 von 7 Rechtsvorschriften - kann sich nicht die Abgrenzung des leistungsberechtigten Personenkreises ergeben. 2.2 45 Satz 3 Nummer 4 SGB XII Die in der Neufassung von Satz 3 hinzugekommene Nummer 4 enthält die klarstellende Ergänzung, dass bei Menschen mit Behinderungen kein Ersuchen zu stellen ist, wenn der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis gekommen ist, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung als Voraussetzung für den Übergang in den Arbeitsbereich einer Werkstatt nicht vorliegt. Dieser Personenkreis gilt damit ebenso wie Beschäftigte im Arbeitsbereich einer Werkstatt als dauerhaft voll erwerbsgemindert. 2.3 Stellungnahme Fachausschuss einer Werkstatt Für die Rechtsauffassung des BMAS ergibt sich aus der Neufassung von 45 Satz 3 SGB XII Folgendes: Entsprechend der bereits vor dem 1. Juli 2017 geltenden Rechtsauslegung entscheidet bei Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen der Fachausschuss in seiner Stellungnahme nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs, ob eine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliegt. Aus diesem Grund ist für Menschen mit Behinderungen in einer Werkstatt kein Ersuchen um Begutachtung an einen Träger der Rentenversicherung zu stellen. Der Fachausschuss bewertet in seiner Stellungnahme, ob ein Mindestmaß an verwertbarer Arbeitsleistung vorliegt und damit der Übergang in den Arbeitsbereich der Werkstatt erfolgt (Satz 3 Nummer 3) oder kein Mindestmaß an verwertbarer Arbeitsleistung vorliegt und deshalb keine Werkstattfähigkeit vorliegt (Satz 3 Nummer 4) oder eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist, weshalb keine dauerhafte volle Erwerbsminderung (Satz 3 Nummer 3) vorliegt. Während des Eingangsverfahrens und des Durchlaufens des Berufsbildungsbereichs erfolgt kein Ersuchen, weil während dieser Phase in einer Werkstatt für behinderte Menschen zwar feststeht, dass die Menschen mit Behinderungen voll erwerbsgemindert sind. Die gesonderte Stellungnahme des Fachausschusses nach 4 Absatz 6 WVO, aufgrund derer festgestellt werden kann, ob die Person wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann ( 43 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 SGB VI) steht jedoch noch aus. Dies kann nicht anders sein, denn die Aufgabenstellung dieser Phase in der Werkstatt für behinderte Menschen liegt ja gerade darin, die individuellen Möglichkeiten für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch geeignete Maßnahmen zu fördern und die dafür erforderlichen Fähigkeiten zu stärken. Weshalb eine vorzeitige und nach abstrakten Kriterien durchzuführende Begutachtung durch den Rentenversicherungsträger hier nicht angezeigt ist.

Seite 5 von 7 Diese Rechtsauffassung beruht maßgeblich darauf, dass es sich während des Durchlaufens von Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich um einen im Einzelfall ergebnisoffenen Prozess handelt. Das ergibt sich aus der WVO, die mit Aufgabenstellung und Ausgestaltung des Eingangsverfahrens und des Berufsbildungsbereichs ein schrittweises Vorgehen vorsieht. Dem kann nur Rechnung getragen werden, indem 45 Satz 3 Nummer 3 SGB XII im Lichte der WVO ausgelegt wird (teleologische Reduktion). In der schriftlichen Begründung des Gesetzentwurfs (s.o., Punkt 2.1) wird zu 45 Satz 3 Nummer 3 SGB XII ausdrücklich darauf hingewiesen, dass erst nach Eingangsverfahren und nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs eine Entscheidung über das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung erfolgen soll. 3. Vorgebrachte systematische Argumente als Begründung für eine abweichende Rechtsauffassung Eine von der oben dargelegten Rechtsauffassung des BMAS abweichende Rechtsauffassung zu 45 Satz 3 Nummer 3 SGB XII in der ab 1. Juli 2017 geltenden Fassung wird folgendermaßen begründet: Bei den anderen in 45 Satz 3 SGB XII genannten Ausnahmen vom Ersuchen auf gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erfolgt keine Begutachtung, weil die Dauerhaftigkeit bereits feststeht. Entsprechendes muss deshalb auch für Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich gelten. Diese Bewertung teilt das BMAS ausdrücklich nicht. Zu Satz 3 Nummer 3 und 4 wird auf die voranstehenden Punkt 2, insbesondere Punkt 2.3 verwiesen (die Stellungnahme des Fachausschusses ersetzt die gutachterliche Stellungnahme eines Träger der Rentenversicherung) und auch aus Satz 3 Nummer 1 und 2 ergibt sich nicht, dass Ausnahmen vom Grundsatz der Begutachtung zwingend eine dauerhafte volle Erwerbsminderung voraussetzen beziehungsweise zur Folge haben. Die inhaltlich unverändert in die Neufassung von Satz 3 übernommene Nummer 1 beinhaltet ausschließlich, dass ein Rentenversicherungsträger bereits aus eigener Zuständigkeit, also in einer Angelegenheit nach dem SGB VI und damit unabhängig vom 45 SGB XII bereits über das Vorliegen oder auch Nichtvorliegen der Dauerhaftigkeit entschieden hat. Zur Vermeidung von Mehrfachbegutachtungen gibt es kein Ersuchen nach 45 SGB XII.

Seite 6 von 7 In der ebenfalls unverändert in die Neufassung von Satz 3 übernommenen Nummer 2 liegt bereits eine gutachterliche Feststellung eines Rentenversicherungsträgers vor. Hier allerdings nicht in einer Rentenangelegenheit nach dem SGB VI, sondern aufgrund der Begutachtung aufgrund eines Ersuchens nach 109a Absatz 2 und 3 SGB VI durch einen anderen Träger nach dem SGB XII beziehungsweise nach dem SGB II oder einer Krankenkasse. Auch in diesem Fall gilt: Zur Vermeidung von Mehrfachbegutachtungen gibt es kein Ersuchen nach 45 SGB XII. Durch das vorliegende Gutachten kann sowohl das Vorliegen als auch das Nichtvorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung festgestellt worden sein. 4. Zusammenfassung Zusammengefasst ergibt sich aus Sicht des BMAS für den Anwendungsbereich von 45 Satz 3 SGB XII: Bis zum Abschluss des Berufsbildungsbereichs ist kein Ersuchen zur Begutachtung zu stellen, denn es handelt sich um einen hinsichtlich des erzielbaren Ausmaßes einer Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer Erwerbstätigkeit ergebnisoffenen Prozess. Andernfalls würde die nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs vom Fachausschuss zu treffenden Entscheidung vorweggenommen. Dieser Rechtsauffassung steht nicht entgegen, dass der Fachausschuss in seiner Stellungnahme nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs für die Mehrzahl der Betroffenen nicht das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit feststellt, sondern stattdessen das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Mindestmaßes an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung und damit eine dauerhafte volle Erwerbsminderung. Anderslautende Rechtsprechung der Landessozialgerichte (etwa LSG Schleswig-Holstein vom 18.3.2015 - L 9 SO 41/12), die sich auf den bisherigen Wortlaut des 45 Satz 3 SGB XII bezog, steht der vorgenannten Rechtsauffassung nicht entgegen: Danach hätte das Vorliegen einer Stellungnahme des Fachausschusses der Werkstatt und der gesetzlichen Fiktion der vollen Erwerbsminderung nach 43 Absatz 2 Satz 3 Nummer 1 SGB VI ausgereicht, um die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung anzunehmen. Mit Neufassung des Wortlautes in 45 Satz 3 Nummer 3 und 4 SGB XII zum 1. Juli 2017 hat der Gesetzgeber gerade bekräftigt, dass während des Werkstattbesuchs die Stellungnahme des Fachausschusses ein gegenüber dem Ersuchen vorrangiges Instrument zur Feststellung der Dauerhaftigkeiten der vollen Erwerbsminderung sein soll. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine vor Beginn des Eingangsverfahrens und vor dem Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs einer Werkstatt bereits festgestellte dauerhafte volle Erwerbsminderung auch mit Eintritt in eine Werkstatt für behinderte Menschen

Seite 7 von 7 erhalten bleibt und damit nicht bis zur Entscheidung des Fachausschusses entfällt. Ferner steht 45 Satz 3 Nummer 3 SGB XII Entscheidungen im Rentenverfahren (Feststellung einer befristeten oder unbefristeten vollen Erwerbsminderungsrente) nicht entgegen. Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag gez. Dieter Lutz