Epigenetik. Epigenetik

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Transkript:

Epigenetik Hat sie Einfluss auf unsere Zuchtstrategien? Tagung der Zuchtverantwortlichen am 5. November 2016 in Dortmund Helga Eichelberg Epigenetik Epigenetik ist kein mysteriöser Zauber, sondern Naturwissenschaft 1

Der genetische Code Die Merkmale eines Individuums sind in seinen Genen ( DNA ) codiert - Wir sind ein Abbild unserer Gene - Die Gene eines Individuums werden bei der Befruchtung an die Folgegeneration weitergegeben - Nachkommen ähneln ihren Eltern - - - Artgenossen haben artspezifische Merkmale - Gene können sich verändern ( Mutation ) A a Phänomene, die durch Genwirkung allein nicht zu erklären sind Zwei epigenetische Vorgänge, die genetisch reguliert sind - - Zelldifferenzierung - Stammzellen differenzierte Zellen - - Dosiskompensation - Schwarz-rote Katze = weibliche Katze 2

Zelldifferenzierung Alle Körperzellen besitzen den gleichen Genbestand Zygote Stammzellen Leberzelle Lungenzelle Hautzelle Darmzelle Zelldifferenzierung Nach der Befruchtung haben alle Zellen den gleichen Chromosomensatz (Stammzellen ) Zur Differenzierung muss ein System vorhanden sein, das Gene an- und abschaltet, ohne die Gene selbst, also die DNA zu verändern 3

Dosiskompensation Weibliche Säugetiere: X X Männliche Säugetiere: X Y Bei weiblichen Säugetieren wird in der frühen Embryonalentwicklung jeweils ein X-Chromosom ausgeschaltet. Es wird als Barr-Körperchen an den Zellrand abgelegt 4

Dosis-Kompensation XX XX XX XX XX XX XX X X X X X X X X X X X X X X X X X X X 5

Epigenetik Regulationsmechnismus der Gene Chromosomen oder Gene werden aktiviert Chromosomen oder Gene werden abgeschaltet ohne die DNA zu beeinflussen Genom: Hardware Epigenom: Software, Programmierer Schaltmechanismen: Methylierung Veränderung der Histone Epigenetik Das Phänomen ist seit den 30er Jahren bekannt Was ist neu und irritierend? Auch die Umwelt prägt den epigenetischen Code Ernährung, Temperatur, Verhalten, Traumata usw. 6

Wir sind, was unsere Mutter gegessen hat Randy Jirtl, Robert Waterland ( 2007 ) Gelber Mäusestamm (fettleibig, Krebs anfällig) Zusatzfutter während der Tragzeit ( u.a. Folsäure ) Wildfarbige Mäuse ( gesund ) Gelber Mäusestamm Die Genexpression des Nachwuchses wurde geändert, ohne die Gene selbst zu verändern 7

Phänomen Bienen Aus gleichen Eiern entstehen Königinnen oder Arbeiterinnen Steuerung: Futter Alle Larven werden nach dem Schlupf gleich gefüttert: Kopfdrüsensekret: Gelee Royal drei Tage Gelee Royal Pollen und Nektar Königin Arbeiterin Phänomen Wüstenheuschrecke Auch Verhaltensmerkmale werden epigenetisch beeinflusst Wüstenheuschrecken geringe Populationsdichte große Populationsdichte grasgrün, Einzelgänger braunschwarz, Schwarmbildung Steuerung wahrscheinlich vermehrte Serotoninbildung 8

Phänomen Geschlechtsbestimmung Bei Reptilien wird das Geschlecht häufig durch die Bebrütungstemperatur der Eier bestimmt Krokodile: 28-31 Grad Weibchen 31-34 Grad Männchen Bei einigen Fischen vollzieht sich eine Geschlechtsumwandlung: Jung und klein Männchen Älter und groß Weibchen Phänomen Anzahl der Gene Roggen besitzt ca. 60 000 Gene Das menschliche Genom besitzt weniger als 20 000 Gen Karpfen besitzen 52 Chromosomenpaare, Menschen haben 23 Chromosomenpaare Offenbar ist der Trend der Evolution nicht, die Anzahl der Gene zu erhöhen, sondern ihre Regulierbarkeit und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern Das Genom des Schimpansen und des Menschen stimmt zu 98,7% überein 9

Unterschied Genetik - Epigenetik Der genetische Code wird von einer Generation zur anderen weitergegeben Der epigenetische Code verschwindet in den meisten Fällen mit dem Tod des Individuums Mit einem neuen Organismus wird auch ein neues Epigenom aufgebaut, vorwiegend durch Signale aus der Umwelt Phänomen eineiige Zwillinge Trotz des gleichen Genoms sind eineiige Zwillinge zwar ähnlich, aber nicht identisch Ihre Unterschiedlichkeit nimmt mit steigendem Alter zu z.b. Alterserkrankungen Während des Lebenslaufes sind sie unterschiedlichen Umweltbedingungen ausgesetzt 10

Momentaner Wissensstand der Epigenetik Stammzellforscher Rudolf Jänisch: Was Sie heute Mittag gegessen haben, hat irgendwie den Weg zu Ihrem Erbgut gefunden. Wir wissen nur noch nicht wie Langfristig wird sich vor allem im medizinischen Bereich für Mensch und Hund durch vermehrte epigenetische Kenntnisse viel ändern Hat die Epigenetik Einfluss auf unsere Zuchtstrategie? Gewiss hat sie Einfluss, wir wissen nur noch nicht wie Der jetzige Kenntnisstand gibt keinen Anlass zu grundlegenden Veränderungen in der Hundezucht Experimenteller Nachweis: Zugabe von Folsäure während der frühen Trächtigkeit vermindert das Auftreten von Lippen/Gaumenspalten und Spina bifida Optimale und bedarfsgerechte Haltungsbedingungen werden auch weiterhin genügen, um gesunde und lebensfrohe Hunde zu züchten und zu besitzen 11

Warum braucht Zucht unbedingt Strategien? Sie müssen die große Strategie der Natur ersetzen die natürliche Selektion Genetische Verarmung Prophylaxe: Erhaltung der genetischen Vielfalt Rassespezifische / gruppenspezifische Defekte Bekämpfung: Selektion Modische Einflüsse, die häufig zu Standardübertreibungen führen Genetischer Flaschenhals Ausgangspopulation Gründertiere Folgegenerationen 12

Genverlust Entstehung von Rassen Rassen entstehen durch sexuelle Isolation Das Prinzip der Rasseentstehung besteht darin, rasseerwünschte Eigenschaften möglichst homozygot zu machen. Methode: Inzucht A a A A B b B B c C c c D d D D e E e e 10 verschiedene Gene 5 verschiedene Gene Wie kann einer genetischen Verarmung entgegengewirkt werden? Intensive Linienzucht vermeiden Deckbeschränkung für Rüden Mut zum Zuchteinsatz linienfremder Rüden Gleichverteilung der Paarungspartner 13

Inzucht - Linienzucht Vorteil: - Gewünschte Merkmale werden homozygot Nachteil:- Zu starke Homozygotie - Genverlust - Häufung von Defekten Inzuchtdepression: Vitalitäts- und Fitnessverlust Wie kann einer genetischen Verarmung entgegengewirkt werden? Intensive Linienzucht vermeiden Deckbeschränkung für Rüden Mut zum Zuchteinsatz linienfremder Rüden Gleichverteilung der Paarungspartner 14

Populationsgrößen Numerische Populationsgr. effektive Populationsgröße Anzahl der Individuen die vorhanden sind Anzahl der Individuen die zur Zucht eingesetzt wurden Ne = ( 4 Nf Nm ) / ( Nf + Nm) Beispiel: 1000 Individuen 100 Hündinnen, 100 Rüden Ne=(4x100x100)/(100+100)=200 20% der num. Population Effektive Populationsgröße Ne ist umso günstiger, je idealer die Geschlechterverteilung ist: Ne = ( 4x100 x 100 ) / ( 100 +100 ) = 200 Verschiebung zu Gunsten der Hündinnen: Ne = ( 4 x 180 x 20 ) / ( 180 + 20 ) = 72 Tolerierbarer Schwellenwert: Bei Ne = 50 steigt der Inzuchtkoeffizient pro Generation um 1% 15

Weitere prophylaktische Zuchtmaßnahmen Doppelbelegung der Zuchthündin Populationsgenetisch sinnvoll, Welpen müssen den Vätern zugeordnet werden. Sollte noch als Probephase angesehen werden Künstliche Besamung Nur für Hunde geeignet, die sich bereits natürlich erfolgreich fortgepflanzt haben Einkreuzung einer anderen Rasse Langzeitlich. Erfolg nicht voraussagbar Unterbringung der Mischlingswelpen! Einkreuzungsschema Ausgangsrasse Trennung von Kreuzungstiere 5 Hündinnen 5 Rüden der Fremdrasse F 1 5 Hündinnen 5 Rüden der Ausgangsrasse R 1 Weiteres Verfahren hängt von dem Ergebnis der R 1-Tiere ab 16

Zuchteinsatz älterer Hunde Hunde, die alt geworden und fit geblieben sind, sind ein großes Kapital für die Zucht Ihre genetischen Voraussetzungen sind optimal Auch ev. kleinere Würfe älterer Hündinnen sollten in Kauf genommen werden Weshalb bringen Zuchtstrategien der Nutztierzucht in der Hundezucht nicht den gewünschten Erfolg? Bei allen Maßnahmen handelt es sich um Schätzwerte Alle Hundepopulationen sind zu klein, um gesicherte statistische Werte zu liefern Es fehlt ein Zuchtmanagement 17

Visionen sind erlaubt!! Die Begrenzung des Zuchtalters aufheben Hündinnen werden lebenslang 5 Würfe zugestanden Rüden werden lebenslang 10 Deckakte zugestanden Und was braucht man noch zur erfolgreichen Zucht? Ein Quäntchen Glück! 18