EU Austeritätspolitik und Europäische Gewerkschaften Roland Erne Dozent für Internationale & Vergleichende Arbeitsbeziehungen, University College Dublin, Irland Web: www.ucd.ie/indrel/re.htm Email: Roland.Erne@ucd.ie 1
Einleitung Was kommt nach der Wirtschaftskrise? Eine neue Form des koordinierten Kapitalismus? EU Austeritätspolitik & Europäische Wirtschaftsregierung Gewerkschaftliche (Gegen-)Bewegungen 2
Wirtschaft & Gesellschaft nach der Krise Eine keynesianische Prognose 2008 Die Finanzmärkte haben nicht das getan was sie tun sollten Deshalb befürworten Rechte und Linke Regierungsinterventionen um die Wirtschaft zu stabilisieren. (Joseph Stiglitz) Wirtschaftskrise -> Krise des Neoliberalismus Ja, aber 3
Wirtschaft & Gesellschaft nach der Krise Eine linke Prognose (2008) In Boomzeiten wird laissez faire propagiert. Diese Ideologie ein Hindernis wenn die Spekulationsblasen platzen und der Staat wird zur Hilfe gerufen wird. Sobald die Banken gerettet sind werden die erhöhten Staatschulden zum Vorwand für einen weiteren Sozialabbau. Noemi Klein (2008) 4
Wirtschaft & Gesellschaft nach der Krise Diagnose 2012 Eine neue Form des koordinierten Kapitalismus : Autoritärer Korporatismus statt soziale Demokratie Der EU Binnenmarkt führe nicht zu wirtschaftlicher Konvergenz sonder zu wirtschaftlichen Polarisierung Meinungswandel der europäischen Wirtschaftseliten: Für eine europäische Wirtschaftsregierung! 5
Eine europäische Wirtschaftsregierung Die 6er Packung der EU Amtsblatt der EU, L 306 vom 23.11.2011 Verordnungen (EU) Nr. 1173/2011 bis 1176/2011 über die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit Richtlinie 2011/85/EU vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten 6
6er Packung - Wichtigste Punkte Das Europäische Parlament und der Rat können durch Verordnungen die Einzelheiten des Verfahrens der multilateralen Überwachung festlegen (Art. 121.6 AEUV) Schuldenobergrenzen (3% & 60%) Neues Strafverfahren bei einem übermässigen makroökonomischen Ungleichgewicht Strafzahlungen (0.2 bzw. 0.1 % des BIP pro Jahr) 7
Verordnung über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte Was sind Ungleichgewichte? -- alle Trends, die zu makroökonomischen Entwicklungen führen, die sich nachteilig auf das ordnungsgemäße Funktionieren der Wirtschaft eines Mitgliedstaats oder der Wirtschafts- und Währungsunion oder der Union insgesamt auswirken oder potenziell auswirken könnten Artikel 2 Verordnung über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (z.b. Veränderungen bei der Preis- und Kostenentwicklung, inkl. Lohnpolitik) 8
Verordnung über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte Erkennung und Bekämpfung von Ungleichgewichten Scoreboard makroökonomischer Indikatoren Siehe: http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/documents/alert_mechanism_report_2012_en.pdf Eingehende Überprüfung Präventionsmassnahmen Korrekturmassnahmenplan Überwachung von Korrekturmassnahmen Strafmassnahmen 9
Verstößt die EU Verordnung gegen die Tarifautonomie? Formal nicht: Diese Verordnung berücksichtigt Artikel 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und beeinträchtigt dementsprechend nicht das Recht, gemäß den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten Tarifverträge auszuhandeln, abzuschließen oder durchzusetzen oder kollektive Maßnahmen zu ergreifen. (Artikel 1) 10
Verstößt die EU Verordnung gegen die Tarifautonomie? Die EU und ihre Mitgliedsstaaten können jedoch die Lohnentwicklung entscheidend beeinflussen: Lohnleitlinien festlegen Signalfunktion der Löhne im öffentlichen Dienst Das Arbeits- und Sozialrecht flexibilisieren (European Commission 2010, 15). 11
Resultate in den EU Mitgliedsstaaten Ende der Sozialpakte (z.b Spanien) Ende des Flächentarifvertrags (z.b. Confindustria/Fiat) Aushöhlung des Arbeitsrechts (z.b. Rumänien) Senkung der Löhne (im öffentlichen Dienst (z.b. Irland) Senkung der Arbeitslosengelder und anderer Sozialleistungen (z.b: Griechenland) 12
Gewerkschaftliche Reaktionen und Gegenbewegungen Lokaler Wettbewerbskorperatismus Italien - FIAT (FIM-CISL vs. FIOM-CGIL) Irland - (Sozialpartnerschaft ohne Sozialpartner) Nationaler Widerstand Generalstreikwelle in Südeuropa Frankreich soziale Bewegung gegen die Rentenreform 13
Gewerkschaftliche Reaktionen und Gegenbewegungen Ansatzpunkte für einen transnationalen Widerstand Technokratische EU Wirtschaftsregierung Wer bestimmt die Höhe der EU Lohnentwicklungsschwellenwerte? Siehe : Erster Warnmechanismus-Bericht der Kommission: Bekämpfung makroökonomischer Ungleichgewichte in der EU http://ec.europa.eu/economy_finance/economic_governance/documents/alert_mechanism_report_2012_en.pdf EuGH Laval-Quartett: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit SGB Vorschlag für eine Europäische Bürgerinitiative am 2011 EGB Kongress Siehe : http://www.sgb.ch/themen/gewerkschaftspolitik/artikel/details/europaeische-buergerinitiative-fuer-ein-soziales-europa-wird-geprueft/ Es ist einfacher technokratische Institutionen zu politisieren als abstrakte Marktkräfte 14
Gewerkschaftliche Reaktionen und Gegenbewegungen Demokratisierung der EU durch transnationale Mobilisierung Transnationalen Kommunikationsund Aktionskanäle schaffen Roland Erne (2010) European Unions Cornell University Press Sogar die EU Wettbewerbspolitik lässt sich politisieren ABB Alstom Power Migration EFBH Multiprojekt NEAT 15
Schluss Defensive der Gewerkschaften kann nicht durch Fehler einzelner erklärt werden Europäisierung und Globalisierung erleichtert das Aufspielen von Beschäftigen gegeneinander Transnationale Aktionen der Gewerkschaften sind jedoch nicht nur notwendig sondern auch möglich. Technokratische EU Entscheide lassen sich einfacher politisieren als abstrakte Markt- Entscheidungen 16