Sichere Verwendung von Aufzugsanlagen nach dem Stand der Technik = Nachrüstung? Axel Stohlmann GmbH & Co. KG
Was ist der Stand der Technik? Unterscheidung zwischen Stand der Technik hinsichtlich der Beschaffenheit und der Verwendung 2
Stand der Technik bei der Verwendung Der Stand der Technik in Bezug auf die Verwendung von Arbeitsmitteln wird in Deutschland über die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) geregelt. Konkretisiert werden die Anforderungen in den vom Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) erarbeiteten Technischen Regeln zur Betriebssicherheit (TRBS), die den Stand der Technik in Bezug auf die Verwendung von Arbeitsmitteln beschreiben. 3
Organigramm des Ausschusses für Betriebssicherheit 2015-2018 Quelle: BAUA GmbH & Co. KG Stand: Januar 2017 Verwendung nach Stand der Technik 4
Ausschusses für Betriebssicherheit Der ABS wurde im Juni 2015 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) für den Zeitraum 2015 bis 2018 neu berufen. Derzeit setzt sich der ABS aus 21 Mitgliedern aus den gesellschaftlichen Gruppen der öffentlichen und privaten Arbeitgeber der Gewerkschaften der Länderbehörden der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung der zugelassenen Überwachungsstellen der Hochschulen und der Wissenschaft zusammen. GmbH & Co. KG Stand: Januar 2017 Verwendung nach Stand der Technik 5
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin GmbH & Co. KG Stand: Januar 2017 Verwendung nach Stand der Technik 6
Stand der Technik bei der Verwendung Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme oder Vorgehensweise zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten oder anderer Personen gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Stands der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. ( 2 (10) BetrSichV) Alles klar, oder? 7
Stand der Technik beim Inverkehrbringen Inverkehrbringen (Beschaffenheitsanforderungen) Geregelt in EU-Richtlinien bzw. dem Produktsicherheitsgesetz und den zugehörigen Verordnungen Arbeitsmittel müssen zum Zeitpunkt des erstmaligen Bereitstellens auf dem Markt (Inverkehrbringen) dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Stand der Technik entsprechen. Die harmonisierten Normen stellen den Stand der Technik im Hinblick auf die Beschaffenheit neuer Arbeitsmittel dar. Der Adressat ist der Hersteller. 8
Das bedeutet nicht, dass neue Normen für ein Produkt zwangsläufig auch eine Nachrüstverpflichtung für bereits im Betrieb befindliche Arbeitsmittel nach sich ziehen! 9
Stand der Technik bei der Verwendung Die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung beschreiben die sichere Verwendung bzw. den Betrieb von bestehenden Arbeitsmitteln und Anlagen. Der Adressat der BetrSichV ist der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat zu prüfen und festzulegen, ob Anpassungen an den Stand der Technik in Bezug auf die Verwendung von Arbeitsmitteln notwendig sind. Zur Erreichung des Standes der Technik bei der Verwendung können sowohl Technische, als auch Organisatorische und / oder Personenbezogene Maßnahmen zum Einsatz kommen T O P- Prinzip 10
TOP-Prinzip TOP-Prinzip Technische Schutzmaßnahmen sind unter der Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit gegenüber organisatorischen oder personenbezogenen Schutzmaßnahmen zu bevorzugen. Beispiel: Fahrkorb ohne Fahrkorbabschlusstür, bei der die Nachrüstung einer Fahrkorbabschlusstür technisch nicht möglich ist. Einbau eines Lichtgitter in Verbindung mit weiteren Maßnahmen wie Verringerung der Geschwindigkeit und Zugang durch begrenzten und unterwiesenen Personenkreis als mögliche zusätzliche Schutzmaßnahmen. 11
Nachrüstung Es gibt in der BetrSichV zu Aufzugsanlagen keine konkreten Beschaffenheitsanforderungen und keine Nachrüstpflicht (mit Ausnahme des 2-Wege-Kommunikationssystems für Aufzugsanlagen im Sinne der Aufzugsrichtlinie) aber die Forderung zur sicheren Verwendung nach dem Stand der Technik. Keine Veränderung zur alten BetrSichV! Es hieß in 12 Absatz 1: Überwachungsbedürftige Anlagen müssen nach dem Stand der Technik ( ) betrieben werden. Aber was ist mit dem Bestandsschutz? 27 alte BetrSichV? TÜV NORD Informationsveranstaltung Novelle der BetrSichV - Aufzugsanlagen 12
Verwendung nach dem Stand der Technik Die Lösung der Bestandsschutzfrage Das Schutzniveau bei der Verwendung der Anlage ist eine Kombination aus mitgelieferter Produktsicherheit (Beschaffenheit) und zusätzlicher betrieblicher Schutzmaßnahmen. Quelle: BMAS Novelle der BetrSichV - Aufzugsanlagen 13
Verwendung nach dem Stand der Technik Auf diese Weise kann der Bestandsschutz auch älterer Arbeitsmittel und Anlagen gewährleistet werden, wenn der Arbeitgeber deren sichere Verwendung durch geeignete zusätzliche Schutzmaßnahmen sicherstellen kann. Die zusätzlichen Schutzmaßnahmen müssen dem Stand der Technik entsprechen und es gilt das TOP-Prinzip. Novelle der BetrSichV - Aufzugsanlagen 14
Verwendung nach dem Stand der Technik Gilt das für alle Aufzugsanlagen, auch wenn ich kein richtiger Arbeitgeber (im Sinne des ArbSchG) bin? Ja! Die Maßnahmen sind für alle Verwender, ob mit oder ohne Beschäftigte, identisch. (Anlagen-) Sicherheit ist unteilbar. aus der amtlichen Begründung zur BetrSichV Novelle der BetrSichV - Aufzugsanlagen 15
Verwendung nach dem Stand der Technik Umgang bei der wiederkehrenden Prüfung durch die ZÜS entsprechend dem Beschluss des LASI Novelle der BetrSichV - Aufzugsanlagen 16
Verwendung nach dem Stand der Technik Beispiele für Gefährdungen die im Rahmen der wiederkehrenden Prüfung betrachtet werden Fehlende Fahrkorbabschlusstüren Fehlende oder unzulängliche Abtrennung bei mehreren Aufzügen im Schacht Unzureichende Länge der Schürze am Fahrkorb Unzulänglicher Schutz gegen elektrischen Schlag Fehlende oder unzulängliche Schachtbeleuchtung Unzureichende Anhaltegenauigkeit in der Etage Fehlende oder unzureichende Schutzeinrichtungen an kraftbetätigten Türen Novelle der BetrSichV - Aufzugsanlagen 17
Beispiele Prüfung und Bewertung der Anhaltegenauigkeit in der Etage und der Schließkraft und der Schutzeinrichtungen an kraftbetätigten Türen bei unterschiedlicher Verwendung z.b. in einer Industrieumgebung oder bei Nutzung durch gehbehinderte Personen. Die Bewertung erfolgt in der Regel in Anlehnung an die Beschaffenheitsanforderungen. Konkrete Anforderungen, Maße oder Grenzwerte existieren für die Verwendung/den Betrieb nicht und machen Einzelfallbetrachtungen erforderlich. 18
Beispiele Lastenaufzug nach DIN EN 81-20 in einer Gießerei mit einer Anhaltegenauigkeit von +40 mm und Schließkraft der Tür von ca. 180 N Anforderung an die Beschaffenheit Anforderung an die sichere Verwendung Personenaufzug nach TRA 200 in einer Seniorenresidenz mit einer Anhaltegenauigkeit von ±40 mm und einer Schließkraft von ca. 150 N und einer Lichtschranke im unteren Bereich Anforderung an die Beschaffenheit Anforderung an die sichere Verwendung 19
Beispiele Aktuell geben die Betriebssicherheitsverordnung und die technischen Regeln zur Betriebssicherheit keine konkreten Anforderungen vor oder nennen Beispiele zu geeigneten zusätzlichen Schutzmaßnahmen nach Stand der Technik bei der Verwendung von Aufzugsanlagen. In den Gremien des Ausschuss für Betriebssicherheit (ABS) werden zurzeit konkretisierende Regelwerke erarbeitet bzw. die bestehenden technischen Regeln zur Betriebssicherheit überarbeitet; diese werden Ende 2017 erwartet. 20
Erkenntnisquellen Wenn in den Regelwerken keine konkreten Anforderungen oder keine geeigneten Schutzmaßnahmen enthalten sind, muss der Arbeitgeber andere Erkenntnisquellen heranziehen, die Hinweise auf geeignete Schutzmaßnahmen zur sicheren Verwendung der Anlage nach dem Stand der Technik enthalten. 21
Erkenntnisquellen Vergleich mit dem Stand der Technik aus harmonisierten Normen, d.h. aktuelle Beschaffenheitsanforderungen aus der DIN EN 81-20 oder Anforderungen aus EN 81-80 Regeln für die Erhöhung der Sicherheit bestehender Personen und Lastenaufzüge oder Veröffentlichungen von Industrieverbänden und andere Branchenstandards 22
Leitfaden zur sicheren Verwendung von Personen- und Lastenaufzügen nach dem Stand der Technik Achtung: verschiedene Revisionsstände! 23
Leitfaden VdTÜV GmbH & Co. KG Stand: Januar 2017 Verwendung nach Stand der Technik 24
Leitfaden des VdTÜV 25
Leitfaden des VdTÜV Der Leitfaden des VdTÜV, insbesondere die genannten möglichen technischen und organisatorischen Schutzmaßnahmen zu den einzelnen Gefährdungen sind als eine Empfehlung anzusehen. Wenn bei einer Anlage, die 22 Gefährdungen nicht zutreffen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Anlage sicher nach dem Stand der Technik verwendet werden kann. 26
Rechtssicherheit vs. Deregulierung Was wollen Sie? 27