dgdg Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Wirtschafts- und Finanzkrise und deren Folgen für den Arbeitsmarkt Oktober 2009 dgdg Dr. Ulrich Walwei Vizedirektor und Professor Die Lange Nacht der Wissenschaften Arbeitsmarktgespräch des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Erlangen, 24. Oktober 2009 Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 1
Wirtschaftskrise und Arbeitsmarkt Einstieg: Arbeitsmarkt im Sog der Finanzkrise! Bisherige Effekte der Krise: Ein deutsches Arbeitsmarktwunder? Die Aussichten: Kommt noch das dicke Ende? Wege aus der Krise: Was kann die Forschung empfehlen? Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 22
Einstieg: Arbeitsmarkt im Sog der Finanzkrise! Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 33
Produktion und Auftragsvolumen im Verarbeitenden Gewerbe 2000-01 bis 2009-08 (Index 2005=100, saison- und kalenderbereinigt) 130 120 110 100 90 80 70 Jan 00 Jun 00 Nov 00 Apr 01 Sep 01 Feb 02 Jul 02 Dez 02 Mai 03 Okt 03 Mrz 04 Aug 04 Jan 05 Jun 05 Nov 05 Apr 06 Sep 06 Feb 07 Jul 07 Dez 07 Mai 08 Okt 08 Mrz 09 Aug 09 Produktionsindex Auftragsvolumen Quelle: Statistisches Bundesamt Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 44
Beschreibung der aktuellen Wirtschaftslage Massiver Absturz der Exporte aufgrund der Weltwirtschaftskrise Binnenwirtschaftliche Komponenten (v.a. Konsum) stützen die Konjunktur noch: Nominallohnsteigerungen, stagnierende Verbraucherpreise und noch stabiler Arbeitsmarkt Kreditvergabe reagiert weniger positiv auf Zinssenkungen, weil sich monetäre Rahmenbedingungen nur langsam verbessern Fiskalpolitik schwenkt auf expansiven Kurs: automatische Stabilisatoren, Konjunkturpakete, aber: drohende Steuerausfälle Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 55
Bisherige Effekte der Krise: Ein deutsches Arbeitsmarktwunder? Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 66
BIP-Entwicklung in ausgewählten OECD-Ländern - 2. Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahresquartal - 0,0-1,0-2,0-3,0-2,8-4,0-5,0-6,0-3,8-4,2-4,5-4,8-4,9-5,2-5,5-5,9-6,0-7,0-8,0-7,0-7,3 Frankreich USA Spanien Österreich Eurozone EU Niederlande Vereinigtes Königreich Deutschland Italien Dänemark Irland Quelle: OECD Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 77
Arbeitslosenquoten in ausgewählten Ländern der OECD - Juni 2008 und Juni 2009-18 17,6 16 Juni 2008 14 Juni 2009 12,5 12 10,7 10 8 6 6,1 4,5 5,5 7,9 5,7 9,7 5,8 8,7 6,8 6,8 7,4 7,2 9,0 7,6 7,5 4 2,6 3,2 3,0 3,3 2 Niederlande Dänemark Österreich Vereinigtes Königreich USA Irland EU Italien Frankreich Deutschland Spanien Quelle: OECD Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 88
Arbeitsmarkteffekte der Krise im internationalen Vergleich erste Folgerungen Schneller und spürbarer Anstieg der Arbeitslosigkeit in Ländern mit geringem Kündigungsschutz (IRL, DK, USA) oder hohem Anteil von Befristungen (E) Bisher geringer Anstieg der Arbeitslosigkeit in Ländern mit stärkerem Kündigungsschutz und Maßnahmen der Beschäftigungssicherung (F, A, NL, D) Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 99
Komponenten der BIP-Entwicklung (I) - Durchschnittswerte erstes Halbjahr 2008 bis erstes Halbjahr 2009-2,0 0,0 BIP (1) Langfristiger Trend der Stundenproduktivität (2) 1,3 Summe aus 1 + 2-519 -3.223-2,0 in Tausend Personen: - 2.704-1,3-4,0 Veränderungsrate in Prozent -6,0-6,8-6,8 Effekt auf die Zahl der Erwerbstätigen in Prozent -8,0-8,1-10,0 Quelle: Eigene Berechnungen; Datenbasis von Destatis und IAB Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 10 10
Komponenten der BIP-Entwicklung (II) - Durchschnittswerte erstes Halbjahr 2008 bis erstes Halbjahr 2009 - Summe aus 1 + 2 Zyklische Abweichung vom langfristigen Trend der Stundenproduktivität (3) Arbeitszeit (4) Saldo aus 1 + 2 + 3 + 4 6,0 4,0 3,7 4,6 2,0 0,0-2,0-3.223 +1.462 +1.845 0,2 84-4,0-6,0-3,7-4,6 Veränderungsrate in Prozent -8,0-10,0-8,1 Effekt auf die Zahl der Erwerbstätigen in Prozent Quelle: Eigene Berechnungen; Datenbasis von Destatis und IAB Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 11 11
Maßnahmen der betriebsinternen Flexibilität (Arbeitskräftehorten) Weniger Überstunden Abbau der Guthaben auf Arbeitszeitkonten Verkürzung der tariflichen Wochenarbeitszeit Nutzung der Kurzarbeit Geringere Arbeitsdichte (Wartungsarbeiten etc.) Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 12 12
Zur Situation der Betriebe in der Krise Krise hatte bis zum zweiten Quartal 2009 alle Wirtschaftsbereiche erfasst, erwartungsgemäß das verarbeitende Gewerbe am stärksten Um Entlassungen und Schließungen zu vermeiden, reagierten Betriebe mit unterschiedlichen Maßnahmen: Einstellungsstopp, Kurzarbeit, Kostensenkung durch Umstrukturierungen, Arbeitszeit- und Lohnkürzungen, Entlassungen Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 13 13
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Betroffenheit der Betriebe von der Wirtschaftskrise im II. Quartal 2009 nach Betriebsgröße - Anteile in % aller Betriebe der jeweiligen Größenklasse - Quelle: IAB-Erhebung des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots II. Quartal 2009; IAB-Kurzbericht Nr. 18/2009. Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 15 15
Zur Situation der Betriebe in der Krise Krise hatte bis zum zweiten Quartal 2009 alle Wirtschaftsbereiche erfasst, erwartungsgemäß das verarbeitende Gewerbe am stärksten Um Entlassungen und Schließungen zu vermeiden, reagierten Betriebe mit unterschiedlichen Maßnahmen: Einstellungsstopp, Kurzarbeit, Kostensenkung durch Umstrukturierungen, Arbeitszeit- und Lohnkürzungen, Entlassungen Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 16 16
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% Reaktionen der Betriebe auf die Krise nach Betriebsgrößenklassen - Anteile an allen Betrieben und Verwaltungen der jeweiligen Betriebsgröße, die sich betroffen fühlen, Mehrfachnennungen - bis 10 SV-Beschäftigte 10 bis 49 SV- Beschäftigte 50 bis 249 SV- Beschäftigte 250 und mehr SV- Beschäftigte insgesamt Kostensenkung durch Umstrukturierung Einstellungsstopp Erschließen neuer Kundengruppen oder Märkte Kurzarbeit Kürzungen von Lohn oder Zusatzleistungen, oder Arbeitszeitreduktion** Entlassung von Mitarbeitern Quelle: IAB-Erhebung des gesamtwirtschaftlichen Stellenangebots II/2009; IAB-Kurzbericht Nr. 18/2009. Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 17 17
Die Aussichten: Kommt noch das dicke Ende? Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 18 18
Annahmen der IAB-Projektion Entwicklung in 2009 - Rückgang des BIP um bis zu 5 ½ Prozent Mögliche Entwicklung in 2010 - Leichtes Wachstum des BIP von ½ Prozent (m. V.) - Stärkeres Wachstum des BIP von 2 ½ Prozent (o. V.) Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 19 19
Komponenten der BIP-Entwicklung - jeweils Jahresdurchschnitt - 5 3 1,9 0,6 1,5 1 2,6 0,4 1,8 1,5 1,2 0,4 0,6 0,2 1,4 2,9 1,7 0,7 0,1 1,4 1,2 1,4 2,3 Prozent -1-1,2-1 -0,9-0,6-0,5-0,5-0,9-0,1-0,3-0,1-2,2-2,1-1,3-3 -5 Erwerbstätigkeit Jahresarbeitszeit Stundenproduktivität -3,0-0,4-7 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 m. V. Quelle: Destatis, BA, Berechnungen des IAB * mittlere Variante mit einem Wachstum des realen BIP um 0,5% * obere Vaiante mit einem Wachstum des realen BIP um 2,5% Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 20 2010 o.v. * * 20
Entwicklung von Erwerbstätigkeit und Beschäftigung 1999 bis 2010* - Veränderung gegenüber dem Vorjahr, in Tsd. - 800 600 400 200 513 275 720 387 Erwerbstätige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung 172 154 240 129 649 577 555 568 0 19-200 -400-600 -220-272 -370-622 -446-45 -325-157 -86-460 -502-800 -785-827 -1000 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010* m.v. Quelle: Bach et al. 2009b * jeweils Projektionswerte (reales BIP 2010: m.v. 0,5% und o.v. 2,5%) 2010* o.v. Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 21 21
Entwicklung des Erwerbspersonenpotenzials 2000 bis 2010 44,6 44,54 44,52 1.000 Personen 44,5 44,4 44,3 44,2 44,1 44,18 44,30 44,33 44,40 44,44 44,45 44,35 44,22 44,08 44 43,9 43,8 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 Quelle: Statistisches Bundesamt; Bundesagentur für Arbeit; Berechnungen des IAB Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 22 22
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Zur mittelfristigen Entwicklung des Arbeitsmarktes Entscheidende Frage: Inwieweit können Betriebe mit Maßnahmen der internen Flexibilität bis zu einem durchgreifenden Aufschwung durchhalten und wie lange sind die Beschäftigten bereit, dies durch Eigenbeiträge mitzutragen? Selbst bei wirtschaftlicher Erholung ist zunächst mit jobless growth zu rechnen Der demographisch bedingte Rückgang verfügbarer Arbeitskräfte nimmt Druck vom Arbeitsmarkt, kann aber den qualitativen Ausgleich verstärken Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 24 24
Wege aus der Krise: Was kann die Forschung empfehlen? Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 25 25
Fazit: Finanzkrise und Arbeitsmarkt Aus heutiger Sicht können Folgen der Weltwirtschaftskrise nicht leicht und schnell überwunden werden Globale Finanzkrise schadet dem Arbeitsmarkt und macht einen großen Teil der zuletzt erzielten Fortschritte zunichte Entscheidend für nachhaltige Verbesserung: Erholung der Weltwirtschaft Funktionierende Finanzmärkte Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wirtschaftswachstum Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 26 26
Arbeitsmarktpolitische Handlungsoptionen (1) Worauf kommt es an? Arbeitsmarktpolitik kann Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik nicht ersetzen Arbeitsmarktpolitik sollte Kurs halten, sich aber flexibel zeigen Strukturwandel der Wirtschaft unterstützen (effektive Qualifizierung, Mobilität fordern und fördern) Balance zwischen Insidern und Outsidern wahren, indem auch Schwervermittelbare beim Maßnahmeeinsatz zum Zuge kommen Nachhaltigkeit mit Blick auf Demographie sicher stellen Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 27 27
Arbeitsmarktpolitische Handlungsoptionen (2) Was nicht zu empfehlen ist! Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes (Risiko: Beitrag zur Verfestigung der Arbeitslosigkeit) Vorruhestand und Verlängerung der geförderten Altersteilzeit (Risiko: falsches Signal für Erwerbspersonen) Massive Ausweitung öffentlicher Beschäftigungsprogramme (Risiko: Erholung des ersten Arbeitsmarktes könnte gebremst werden) Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 28 28
dgdg Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung Oktober 2009 Für weitere Informationen: www.iab.de dgdg Erlangen Lauf 24.10.2009 18.11.2008 29
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