Geldpolitik: Mario Draghis schwierige Wahl 1. Kompetenzen Die Schülerinnen und Schüler sollen... 1. sich die Aufgaben der Europäischen Zentralbank hinsichtlich der Bekämpfung von Inflation und Deflation erschließen. 2. Zielsetzungen und Umfang der Anleihekäufe der EZB in der jüngeren Vergangenheit ermitteln. 3. die aktuelle Diskussion um die zukünftige geldpolitische Strategie der EZB analysieren. 2. Aufgaben 1. Erklären Sie, was generell unter einer Inflation bzw. Deflation verstanden wird. Beschreiben Sie deren jeweiligen volkswirtschaftlichen Wirkungen. 2. Erläutern Sie vor diesem Hintergrund die zentralen Aufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB). 3. Erschließen Sie sich daran anknüpfend die Zielsetzungen des derzeitigen Anleihe- Aufkauf-Programms der EZB. 4. Arbeiten Sie die hiermit konkret verfolgten Zielsetzungen heraus. Überprüfen Sie, inwieweit diese (ggf. in Teilen) in den vergangenen Monaten bereits erreicht wurden. 5. Analysieren Sie die aktuelle Diskussion um die zukünftige EZB-Strategie. Erörtern Sie die zur Diskussion stehenden (Ausstiegs-)Varianten sowie die Argumente für und wider einen kompletten bzw. zügigen Stopp der Anleihekäufe. Jetzt wöchentlich die aktuellsten, aufbereiteten Artikel und Infografiken im Wirtschaft Aktuell -Newsletter erhalten. Anmeldung unter: www.handelsblattmachtschule.de/wirtschaftaktuell
Geldpolitik: Mario Draghis schwierige Wahl Die Europäische Zentralbank muss die Wende zu einer weniger lockeren Geldpolitik einleiten, ohne die Märkte zu verschrecken.am Donnerstag ringen die Ratsmitglieder über die nächsten Schritte. 5 10 15 20 25 30 35 40 [ ] Seit Jahren kämpft die EZB mit historischen Niedrigzinsen und billionenschweren Anleihekäufen gegen die Gefahr einer Deflation, also einer Spirale aus sinkenden Preisen und wirtschaftlichem Niedergang. Dabei hat sie die Märkte massiv befeuert. Nun aber könnte sie ihre Käufe bald zurückfahren - mit unabsehbaren Folgen für die Finanzmärkte und die sich gerade erholende Wirtschaft der Euro-Zone. Daher steht dem EZB-Rat am Donnerstag eine kontroverse Debatte bevor. Im Herbst will die Notenbank entscheiden, wie es 2018 mit den Anleihekäufen weitergeht. Für den Ausstieg sind mehrere Optionen denkbar. Wenn es nach Willem Buiter ginge, sollte die EZB ihre Käufe schleunigst beenden. Ich bin für einen sofortigen Stopp, sagt der Chefvolkswirt der US-Bank Citigroup. Buiter vertritt eine Extremposition. Viele Ökonomen plädieren für ein schrittweises Auslaufen der Käufe 2018. Sie wollen so starke Ausschläge an den Märkten verhindern. Derzeit kauft die EZB für monatlich 60 Milliarden Euro Anleihen der Euro-Länder. Damit will sie das Wachstum stützen, um ihr Inflationsziel von knapp zwei Prozent zu erreichen. Im August stiegen die Verbraucherpreise im Euro-Raum mit 1,5 Prozent etwas stärker als im Juli. Für einen baldigen Ausstieg sprechen die gute Wirtschaftslage und geringere politische Risiken im Euro-Raum. Ökonomen erwarten 2017 ein Wachstum von rund zwei Prozent. Die Euro-Zone würde damit deutlich über ihrem Potenzial wachsen, sagt Marco Annunziata, Chefökonom des US-Konzerns General Electric. Dies spreche für eine weniger expansive Geldpolitik. Dagegen fürchten einige EZB-Ratsmitglieder, dass ein schnelles Ende der Bondskäufe den Euro noch stärker aufwerten lässt. Seit Januar hat der Euro zum Dollar etwa 13 Prozent zugelegt. Dies wirkt ähnlich wie eine geldpolitische Straffung: Der starke Euro macht Waren hiesiger Firmen auf dem Weltmarkt teurer und verschlechtert ihre Wettbewerbsfähigkeit - zugleich macht er Importe billiger und drückt so die Inflation. Ratsmitgliedern wie etwa Vize-Chef Vitor Constâncio wird nachgesagt, dass sie länger an den Käufen festhalten wollen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann dagegen drängt auf den Ausstieg. Er sehe keinen akuten weiteren Handlungsbedarf für nächstes Jahr, insbesondere nicht, das Kaufprogramm abermals fortzuschreiben, sagte Weidmann der Börsen-Zeitung. Ein sofortiges Ende lehnt aber auch er ab: Wir sind uns alle einig: Das Kaufprogramm sollte nicht von heute auf morgen beendet werden. [ ] Mario Draghi hat drei Optionen für ein schrittweises Herunterfahren der Anleihekäufe. Die erste Option ist ein klarer Plan: Die EZB könnte genau festlegen, wann und in welchen Schritten sie die Käufe auf null herunterfährt. Sie könnte diese etwa im Januar auf 30 Milliarden senken und ab März oder Juni ganz auslaufen lassen. Der Vorteil 1
45 50 55 60 wäre, dass Investoren genau wüssten, was auf sie zukommt, und es weniger Unsicherheit gäbe. Es könnte aber auch dazu führen, dass die Märkte die kommenden Schritte auf einen Schlag einpreisen und es in kurzer Zeit einen starken Effekt bei Zinsen und Euro-Kurs gibt. Außerdem kann der Plan eigentlich nur aufgehen, wenn es nicht zu größeren Überraschungen kommt. Sonst müsste die EZB wohl von ihrem Plan abweichen, was ihrer Glaubwürdigkeit schaden würde. Die zweite Option wäre das Gegenteil: ein völlig flexibler Ansatz, bei dem die EZB die Käufe reduziert, sich aber zeitlich nicht festlegt. So könnte sie diese ab Januar auf 30 oder 40 Milliarden Euro senken und alles andere offenlassen. Das würde wohl den Effekt auf die Zinsen und den Euro-Kurs dämpfen, es gäbe aber größere Unsicherheit über den weiteren Kurs. Die Gefahr wäre, dass die Märkte weitere Signale falsch interpretieren und stärker schwanken. Außerdem ist die EZB ohnehin nicht völlig flexibel, weil sie mit ihren Käufen bald an rechtliche Grenzen stößt. Sie darf maximal 33 Prozent der ausstehenden Bonds eines Landes halten. Diese Schwelle ist für einige Länder wie Deutschland bald erreicht. Geht sie zu flexibel vor, gerät sie in Konflikt mit diesen Limits. Die dritte Option wäre ein Mittelweg: Die EZB könnte die Käufe reduzieren und einen Zeitpunkt nennen, wann sie über weitere Schritte entscheidet. Sie könnte etwa die Käufe ab Januar auf 30 Milliarden Euro senken und sagen, dass sie das Volumen im März oder Juni, je nach Wirtschaftslage, erneut anpasst. Quelle: Mallien, J., Handelsblatt, Nr. 170, 04.09.2017, 28 2
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