Die Neuordnung des Lebensmittelund

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Die Neuordnung des Lebensmittelund Futtermittelrechts Andreas Hahn und Jan Winters, Abteilung Ernährungsphysiologie und Humanernährung, Institut für Lebensmittelwissenschaft, Zentrum Angewandte Chemie der Universität Hannover 1 Seit dem 07.09.2005 gilt in Deutschland ein neues Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), das erstmalig Lebensmittel und Futtermittel in einem Gesetz regelt. Es löst das seit 1974 geltende Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) ab und hebt eine Vielzahl von Gesetzen auf. Praktisch zeitgleich wurde auch das Arzneimittelgesetz geändert. Mit dem Vierzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (14. AMG-Novelle) vom 29.08.2005 [1] ergeben sich auch im Arzneimittelrecht einschneidende Veränderungen. Infolgedessen stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich daraus für Lebensmittel ergeben. Von besonderem Interesse ist dies im Hinblick auf bestimmte Grenzprodukte, wie Nahrungsergänzungsmittel, diätetische Lebensmittel und Functional Food. Seit vielen Jahren beschäftigen sich die Gerichte mit der Abgrenzung dieser Produkte von den Arzneimitteln. Diese Abgrenzungsfrage hat sich mittlerweile zu einem Klassiker in der Rechtsprechung entwickelt. Auch die Frage der zulässigen Verwendung bestimmter Stoffe kann nicht immer eindeutig beantwortet werden. Vielfach wird in der Praxis noch immer verkannt, welche Konsequenzen sich durch das Inverkehrbringen nicht rechtskonformer Lebensmittel ergeben können. Verstöße können grundsätzlich als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet werden. Hinzu kommen möglicherweise behördliche Untersagungsverfügungen und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsund Schadensersatzansprüche. Solche Maßnahmen kommen beispielsweise dann in Frage, wenn gesundheitsgefährdende Produkte vermarktet, Lebensmittel mit nicht zugelassenen Zusatzstoffen verkauft werden oder ein als Lebensmittel angebotenes Produkt als (nicht zugelassenes) Arzneimittel eingestuft wird. Hintergründe des LFGB Bisher waren die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen für Lebensmittel im Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) fest- 1 Die Autoren danken Rechtsanwalt Dr. Moritz Hagenmeyer, Hamburg, für seine fachliche Unterstützung. geschrieben, Detailtatbestände überwiegend in einer Vielzahl von Verordnungen. So waren und sind beispielsweise weiterhin die gesonderten Vorschriften für Nahrungsergänzungsmittel (Nahrungsergänzungsmittelverordnung, NemV [2]), diätetische Lebensmittel (Diätverordnung, DiätV [3]) sowie die Novel Food-Verordnung (NFV) [4] zu beachten. Für angereicherte Lebensmittel und Functional Food existieren demgegenüber keine gesonderten Regelungen, mit Ausnahme der Verordnung über vitaminisierte Lebensmittel (VitaminV) von 1942 [5] und der alten, insoweit jedoch eingeschränkt fortgeltenden Zusatzstoff- Zulassungsverordnung von 1981 [6]. Daher gelten für diese Erzeugnisse die Vorschriften für allgemeine Lebensmittel. Eine Gesetzgebung der Europäischen Union (EU) zur Anreicherung von Lebensmitteln [7] ist zwar in der Entwicklung, ein Erlass dieser Verordnung jedoch bisher nicht in Sicht. Durch die Neuordnung der allgemeinen, für alle Lebensmittel geltenden Grundsätze ergeben sich gewisse Veränderungen, die gerade bei strittigen Produkten von Bedeutung sein könnten. Das bisher geltende LMBG konnte wegen europarechtlicher Vorgaben nicht länger bestehen bleiben. In wesentlichen Teilen gilt innerhalb der EU bereits seit dem 21.02.2002 die Lebensmittel-Basisverordnung (BasisV) [8], die die allgemeinen Grundsätze des Lebensmittel- und Futtermittelrechts für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich regelt. Der allgemeinen Geltung einer europäischen Verordnung entsprechend (Art. 249 EGV [9]), ist die BasisV seit dem 21.02.2001 unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat anzuwenden [10]. Ein Transformationsakt in nationales Recht wie bei europäischen Richtlinien war grundsätzlich nicht erforderlich. Damit war auch die bisherige Rechtslage in Deutschland nicht mehr haltbar. Doch wie in vielen anderen Mitgliedstaaten bereitete die unmittelbare Anwendung der BasisV auch in Deutschland Schwierigkeiten. Der deutsche Gesetzgeber war deshalb dazu gezwungen, die komplexen Zusammenhänge des Lebensmittel- und Futtermittelrechtes vollständig neu zu ordnen und das deutsche Recht anzupassen. Dies geschah wie auch in vielen vergleichbaren Fällen erst mit erheblicher Verspätung. Ziele und Aufbau des LFGB Das wesentliche Ziel der Neuordnung des Lebens- und Futtermittelrechts ist die Anpassung des nationalen Rechts an das geltende europäische Recht sowie die Zusammenführung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts. Im Vordergrund stehen die Aufrechterhaltung eines hohen Gesundheitsund Täuschungsschutzniveaus sowie Maßnahmen zur Unterrichtung der Verbraucher und der Wirtschaft. 398 Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 10

Das LFGB bündelt nun Vorgaben, die bislang in einer Vielzahl von Gesetzen enthalten waren (Abb. 1). Durch diese Vereinheitlichung soll auch mehr Transparenz geschaffen werden. Für Verbraucher, Wirtschaft und Verwaltung soll es einfacher werden, die geltenden Vorschriften im Lebensmittelbereich zu ermitteln, um ihnen so die Rechtsanwendung zu erleichtern. Zusätzlich gehen die Gesetzesregulatoren davon aus, dass damit ein Beitrag zur Entbürokratisierung geleistet ist. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein Torso der aufgehobenen Vorschriften (Abb. 1) zur Anwendung kommt, wodurch die vorab aufgeführten Ziele nur eingeschränkt realisierbar sein dürften [11]. Gleichzeitig sollte die Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts die Lücke zwischen Futtermitteln und Lebensmitteln schließen [12], so dass letztlich auch dem Grundsatz from farm to fork Rechnung getragen wird. Dieses Motto wird aber nicht systematisch umgesetzt: So werden im LFGB zwar Futtermittel für Tiere geregelt, die zum Verzehr bestimmt sind, Pflanzenschutz- und Düngemittel für zum Verzehr bestimmte Pflanzen sind jedoch weiterhin außerhalb des LFGB in gesonderten Gesetzen geregelt. Insgesamt ist das LFGB in 11 Abschnitte gegliedert, mit fortlaufend nummerierten Paragraphen ( 1 bis 73). Was hat sich geändert? Eine bedeutende Veränderung durch das LFGB ergibt sich durch die neue Definition des Lebensmittelbegriffes. Bislang waren Lebensmittel gesetzlich im Wesentlichen als Stoffe definiert, die überwiegend der Ernährung und/ oder dem Genuss dienen ( 1 LMBG). Stoffe, die überwiegend zu anderen Zwecken bestimmt waren, konnten rechtlich keine Lebensmittel sein. Das LFGB übernimmt die viel allgemeiner gefasste Lebensmitteldefinition der europäischen BasisV. Nach 2 Abs. 2 LFGB (entsprechend Art. 2 BasisV) sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie ( ) von Menschen aufgenommen werden. Eine überwiegende Zweckbestimmung zur Ernährung und/ oder zum Genuss ist daher von Gesetzes wegen nicht mehr ausschlaggebend. Der europäische Gesetzgeber wollte mit der allgemeinen und sehr Einige abgelöste Vorschriften: das Säuglingsnahrungswerbegesetz das vorläufige Biergesetz das Gesetz über das Zulassungsverfahren bei natürlichen Mineralwässern das Fleischhygiene- und das Geflügelfleischhygienegesetz das Futtermittelgesetz das Verfütterungsverbotsgesetz und die Verfütterungsverbots-Verordnung sowie sehr alte und nicht mehr zeitgemäße Gesetze: das Blei-Zink-Gesetz vom 25. Juni 1887, das Farbengesetz vom 5. Juli 1887 Phosphorzündwarengesetz vom 10. Mai 1903 Abb. 1: Durch das LFGB aufgehobene Rechtsvorschriften umfassenden Definition möglichst viele Stoffe durch den Lebensmittelbegriff erfassen, um so die Geltung und die Anwendung der BasisV umfassend sicherzustellen, da dies z. B. für die Durchführung von Risikoanalysen oder dem Grundsatz der Rückverfolgbarkeit von großer Bedeutung ist. Die weite Fassung des Lebensmittelbegriffes erfordert aber, bestimmte Stoffe explizit auszuschließen. Daher folgt der Lebensmitteldefinition eine Auflistung von Stoffen, die keine Lebensmittel sind (Art. 2 lit. a h BasisV). Ausgeschlossen sind u. a. Arzneimittel, Futtermittel, kosmetische Mittel, Betäubungsmittel und psychotrope Stoffe. Auch die inhaltliche Unschärfe des Wortlautes der Lebensmitteldefinition erfordert eine Einschränkung. So ist z. B. der Begriff Aufnehmen insbesondere für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel von großer Bedeutung, da eine Aufnahme von beispielsweise Vitaminen in den Organismus auf verschiedene Weise erfolgen kann (z. B. oral, über die Haut, per Injektion). Die BasisV enthält jedoch keine Erläuterung zu dem Begriff. Das LFGB hingegen schränkt aufnehmen auf verzehren ein. So definiert 3 Nr. 5 LFGB das Verzehren als das Aufnehmen von Lebensmitteln durch Kauen, Essen, Trinken sowie jede sonstige Zufuhr in den Magen. Damit sind solche Stoffe vom Lebensmittelmittelbegriff explizit ausgeschlossen, die in den Körper eingerieben (z. B. nährstoffhaltige Cremes), eingeatmet (z. B. nährstoffhaltige Aerosole) oder eingespritzt werden (z. B. Vitamin-B 12 -Injektionen), ohne dem Magen zugeführt zu werden. Dies entspricht auch der ernährungswissenschaftlichen Auffassung zur Aufnahme von Lebensmitteln bzw. Nährstoffen und ist wohl auch in Art. 2 BasisV nicht anders gemeint. Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln Ein in der Praxis sehr bedeutendes Thema ist die Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln. Viele Produkte, vor allem in Form von Kapseln, Tabletten und ähnlichen Darreichungen, befinden sich in einem Grenzbereich. Die Gerichte sind häufig gefordert, darüber zu entscheiden, ob ein bestimmtes Produkt als Lebensmittel anzusehen ist und frei vermarktet werden kann oder ob es sich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt. Mit dem LFGB ändert sich nun die Abgrenzungssystematik von Arzneimitteln und Lebensmitteln. Grundsätzlich muss beurteilt werden, ob ein Produkt der Lebensmitteloder der Arzneimitteldefinition entspricht. Deshalb ist bei der Abgrenzungsfrage der allgemeine Lebensmittelbegriff ( 2 Abs. 2 LFGB) heranzuziehen. Dies gilt auch für Lebensmittelgruppen, die durch spezielle Vorschriften eine explizite Begriffsdefinition besitzen. So finden sich z. B. für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel eigene rechtliche Definitionen ( 1 NemV bzw. 1 DiätV). Da es sich aber rechtlich um Lebensmittel handelt, müssen auch bei diesen Produktgruppen vorrangig die grundsätzlichen Eigenschaften eines Lebensmittels vorliegen. Der Lebensmittelbegriff der BasisV gibt explizit vor, dass Arzneimittel nicht zu den Lebensmitteln gehören (Art. 2 lit. d BasisV). Dies bedeutet auch, dass ein Erzeugnis nicht gleichzeitig Lebensmittel und Arzneimittel sein kann. Allerdings ist zwingend zu beachten, dass sich dieser Verweis auf Arzneimit- Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 10 399

1 Dies geht gleichermaßen aus dem Vorblatt zur 14. AMG-Novelle hervor. 2 So genannte Funktionsarzneimittel i. S. d. Art. 1 lit. b Richtlinie 2004/27/EG 3 Es ist allerdings anzumerken, dass der deutsche Gesetzgeber diese Zwitterregelung im Rahmen der 14. AMG-Novelle bisher nicht in deutsches Recht umgesetzt hat. Daher bleibt fraglich, welche Bedeutung dieser Regelung in der Praxis zukommt und ob sie von den deutschen Gerichten berücksichtigt wird. tel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG [13] und 92/73/EWG [14] des Rates bezieht (jetzt Richtlinie 2001/83/EG [15]). Damit ist für die Abgrenzung nicht mehr der alte Arzneimittelbegriff des 2 AMG heranzuziehen, sondern der europäische Arzneimittelbegriff 1. Dies mag auf den ersten Blick bedeutungslos erscheinen, hat aber erhebliche Auswirkungen: Früher ergab sich die Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln aus 2 Arzneimittelgesetz (AMG) in Verbindung mit 1 LMBG. Nach 2 AMG gehören Lebensmittel nicht zu den Arzneimitteln. Demnach war bisher zunächst zu prüfen, ob das Erzeugnis ein Lebensmittel ist. Nur wenn ein Lebensmittelcharakter (überwiegende Zweckbestimmung zur Ernährung/ zum Genuss) nicht festgestellt werden konnte, musste bei einem Präparat von einem (nicht zugelassenen) Arzneimittel ausgegangen werden. Vielfach ergaben und erge-ben sich allerdings Zweifelsfälle, in denen ein Präparat sowohl arzneiliche, als auch lebensmitteltypische Eigenschaften besitzt (z. B. Kamillentee). Durch die Zusammenhänge zwischen 2 AMG und 1 LMBG wurde ein Produkt bislang dann noch als Lebensmittel beurteilt, wenn es rechnerisch zumindest zur Hälfte die Eigenschaften eines Lebensmittels besaß. Im Zweifelsfall musste also angenommen werden, dass es sich um ein Lebensmittel handelt ( Regel-Ausnahmeverhältnis ). Der neue Lebensmittelbegriff des 2 Abs. 2 LFGB (entsprechend Art. 2 BasisV) bewirkt nun im Grundsatz zwei systematische Änderungen bei der Prüfung, ob ein Präparat Arzneimittel oder Lebensmittel ist. Zunächst einmal ist der Arzneimittelbegriff nun Bestandteil des Lebensmittelbegriffs. Es muss daher zunächst nicht mehr geprüft werden, ob ein Präparat Lebensmitteleigenschaften besitzt. Es gilt vielmehr vorab festzustellen, ob es sich bei einem Produkt um ein Arzneimittel handelt. Nur wenn dies verneint wird, kann es sich überhaupt um ein Lebensmittel handeln [16]. Allerdings wäre es vollkommen falsch anzunehmen, dass ein Produkt, dass kein Arzneimittel ist, automatisch als Lebensmittel verkehrsfähig wäre. Des Weiteren sind die im früheren LMBG festgeschriebenen Begriffe Ernährung und Genuss rechtssystematisch nach dem neuen LFGB zunächst ohne Bedeutung. Sie spielen aber weiterhin eine Rolle, da sie aufgrund der Verkehrsauffassung eine Indizfunktion übernehmen. Der aktuell geltende und bei der Abgrenzung anzuwendende europäische Arzneimittelbegriff definiert Arzneimittel als: a) Alle Stoffe [ ], die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, oder b) alle Stoffe [ ], die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen [ ]. (Art. 2 der Richtlinie 2001/83/EG in der Fassung der Richtlinie 2004/27/EG). Bei einem Produkt ist also im Hinblick auf die Funktion 2, d. h. die Wirkung, nunmehr prinzipiell zu prüfen, ob gezielt eine metabolische, immunologische oder pharmakologische Wirkung bezweckt wird. Nur wenn dies zu verneinen ist, kann ein Lebensmittel vorliegen. Mit anderen Worten: Alle Produkte, die metabolisch, immunologisch oder pharmakologisch wirken, können grundsätzlich keine Lebensmittel sein! Damit werden naturwissenschaftliche Begriffe verwendet, um Lebensmittel und Arzneimittel abzugrenzen. Diese Termini sind aber selbst innerhalb verschiedener Naturwissenschaftsdisziplinen nicht eindeutig definiert und werden unterschiedlich verwendet. So sind bei umfassender Auslegung der Begriffe auch viele Wirkungen von Lebensmitteln aus naturwissenschaftlicher Sicht als pharmakologisch oder metabolisch anzusehen. Die naturwissenschaftlichen Disziplinen sollen also dabei helfen, juristische Fragen zu klären, sind aber gerade an dieser Stelle nicht in der Lage, eine absolute Grenzziehung zu ermöglichen [17]. Allgemein gilt, dass eine Wirkung dann als arzneilich anzusehen ist, wenn sie über das hinausgeht, was auch durch die übliche Nahrung im Organismus hervorgerufen werden könnte. Kann nach eingehender Prüfung eines Produktes nicht eindeutig festgestellt werden, ob es sich um ein Arzneimittel oder ein Lebensmittel handelt oder bestehen Zweifel am Produktcharakter, so ist abweichend vom früher geltenden Recht nunmehr von einem Arzneimittel auszugehen ( Zwitterregelung gemäß Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 2004/27/EG). Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen sich hieraus ergeben und ob zukünftig tatsächlich mehr Produkte als Arzneimittel eingestuft werden 3. Informationen für die Öffentlichkeit Eine weitere Veränderung durch das LFGB betrifft die Befugnis der Behörden, die Öffentlichkeit zu informieren, wenn ein zum Verzehr ungeeignetes Lebensmittel in den Verkehr gelangt ist oder der hinreichende Verdacht besteht, dass ein Erzeugnis ein Risiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen kann ( 40 LFGB). Nicht durchgesetzt werden konnte die ursprüngliche geplante Auskunftspflicht der Behörden, die den Verbraucher auch auf ungesicherter Datenbasis über Gesundheitsgefahren, Herkunft und Kennzeichnung von Erzeugnissen unterrichten sollten [18]. Was bleibt bestehen? Die gesonderten Vorschriften der NemV sowie der DiätV bleiben durch die Neuordnung des Lebensmittelrechts unberührt. Gleiches gilt z. B. auch für die allgemeinen Kennzeichnungsvorschriften (Lebensmittelkennzeichnungsverordnung LMKV), Nährwertkennzeichnungsverordnung (NKV) sowie die Vorschriften der Zusatzstoffzulassungsverordnung (ZZulV) und der Zusatzstoffverkehrsverordnung (ZVerkV). Auch die grundlegenden Vorschriften zum Gesundheits- und Täuschungsschutz bleiben in wesentlichen Teilen erhalten. Die Verbote zum Schutz der Gesundheit sind verbunden mit Verweisen auf Art. 14 BasisV in 5 LFGB zusammengefasst. Der Inhalt dieser Vorschrift beruht weitgehend auf den Regelungen des alten 8 LMBG. Auch die Vorschriften zum Schutz vor Täuschung nach 11 LFGB sind weitgehend aus 17 LMBG übernommen worden. Lediglich das ehemalige Verbot von Reinheitsbezeichnungen (vormals 17 Abs. 1 Nr. 4 LMBG) wird vor 400 Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 10

Tab. 1: Synopse der Vorschriften des LFGB und des LMBG Regelungsinhalt Neu (LFGB) Alt (LMBG) Vorschriften zum Gesundheitsschutz 5 8 Vorschriften zum Täuschungsschutz 11 17 Verbot wissenschaftlich nicht hinreichend 11 Abs. 1 Nr. 2 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. a gesicherter Aussagen Verbot den Anschein eines Arzneimittels 11 Abs. 1 Nr. 4 17 Abs. 1 Nr. 5 lit. c zu erwecken Verbot der krankheitsbezogenen Werbung 12 18 Zusatzstoffbegriff 2 Abs. 3 2 Zusatzstoffverbot 6 11 Ausnahmegenehmigung 68 37 Allgemeinverfügungen 54 47a Straf- und Bußgeldgeldvorschriften 58 60 51 54 u. 56 59 dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH [19] im LFGB nicht fortgeführt. Das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung gemäß 12 LFGB entspricht ebenfalls den bekannten Krankheitswerbeverboten des 18 LMBG und gilt obligatorisch für alle Produktgruppen. Die in 3 DiätV explizit aufgeführten Ausnahmen für bestimmte diätetische Lebensmittel bleiben von diesem Verbot unberührt 4. Vorschriften zu Zusatzstoffen Der deutsche Gesetzgeber überführte außerdem den in Deutschland tradierten Zusatzstoffbegriff sowie das Zusatzstoffverbot des LMBG ins LFGB. Der nun in 2 Abs. 3 LFGB weiter bestehende Zusatzstoffbegriff des 2 LMBG sorgte für viel Kritik und Auseinandersetzungen [20]. Vielfach wird nämlich die Auffassung vertreten, dass die Haltung des deutschen Gesetzgebers zum Begriff des Zusatzstoffes nicht den Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechtes entspricht, da im europäischen Gemeinschaftsrecht nur solche Stoffe als Zusatzstoffe gelten, die zu technologischen Zwecken verwendet werden, nicht aber Stoffe, die Lebensmitteln aus ernährungsphysiologischen Gründen zugesetzt werden (Zusatzstoff-Rahmenrichtlinie 89/107/EWG [21]). Im Klartext bedeutet dies, dass das LFGB Stoffe, die zu ernährungsphysiologischen Zwecken verwendet werden, auch weiterhin vom Zusatzstoffbegriff erfassen kann. Ihr Zusatz ist dann gemäß 6 LFGB verboten. Vom Zusatz- 4 Beispielsweise: Diätetisches Lebensmittel geeignet zur Behandlung von Niereninsuffizienz, nur unter ständiger Kontrolle verwenden. ( 3 DiätV Abs. 2 Nr. 3 a) stoffbegriff ausgenommen sind lediglich Stoffe natürlicher Herkunft oder Stoffe mit einer naturidentischen Struktur, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung wegen ihres Nährwertes verwendet werden (z. B. Vitamin C, -Carotin). Das bedeutet zunächst, dass jeder Stoff, der einem Lebensmittel zur Erzielung bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen zugefügt wird, als Zusatzstoff gilt und damit prinzipiell einer Zulassungspflicht unterliegt. Ausnahme: Der Stoff wird nach allgemeinem Verständnis wegen seines Ernährungscharakters verwendet. Das trifft sicherlich unzweifelhaft z. B. auch auf Mineralstoffe und Aminosäuren zu. Allerdings stellt 2 Abs. 3 LFGB Mineralstoffe, ebenso wie die Vitamine A und D sowie Aminosäuren und deren Derivate weiterhin den Zusatzstoffen gleich. Obwohl diese Stoffe ohne Zweifel der Ernährung dienen, dürfen sie als solche laut Gesetz zunächst nicht bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet werden. Hiervon gibt es aber zahlreiche, durch andere Vorschriften vorgegebene Ausnahmen, die nun endgültig zu einer gewissen Verwirrung beitragen. So dürfen bei der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln nämlich durchaus auch die Vitamine A und D sowie bestimmte Mineralstoffe verwendet werden (Anlagen 1 und 2 NemV). Gleichermaßen zulässig sind diese Stoffe für diätetische Lebensmittel (Anlage 2 DiätV). Aminosäuren wiederum dürfen ohne entsprechende Ausnahmeregelungen in Nahrungsergänzungsmitteln nicht verwendet werden, weil hier das Zusatzstoffverbot uneingeschränkt greift. Bei der Herstellung von diätetischen Lebensmitteln sind hingegen Aminosäuren im Rahmen der Anlage 2 DiätV explizit zugelassen. Darüber hinaus wirft die Fortführung des bisherigen Zusatzstoffrechts auch zukünftig grundsätzliche Diskussionen auf. So ist die Verwendung von beispielsweise Lycopin [22] und Lutein zu ernährungsphysiologischen Zwecken weiterhin strittig und nicht eindeutig geklärt. L-Carnitin wiederum darf verwendet werden, weil es nicht als Zusatzstoff gilt. L-Carnitin-L- Tartrat hingegen ist ein Zusatzstoff, darf also nicht eingesetzt werden, wobei es wieder Ausnahmen bei diätetischen Lebensmitteln gibt (Anlage 2 DiätV). Besonders umstritten ist der Einsatz bestimmter Pflanzenextrakte bzw. -isolate. Bei diesen Stoffen ist nicht nur eine Einzelfallprüfung erforderlich; ihre Zulässigkeit wird auch höchst unterschiedlich bewertet. Der im LFGB fortgeführte Zusatzstoffbegriff stellt damit eines der komplexesten Themen im deutschen Lebensmittelrecht dar. Übersicht In Tabelle 1 sind die Fundstellen einiger Vorschriften des neuen LFGB denen des alten LMBG gegenübergestellt. Fazit Erstmals ist nun auch amtlich bestätigt, dass die europäische Lebensmitteldefinition des Art. 2 BasisV im deutschen Recht uneingeschränkt anzuwenden ist ( 2 Abs. 2 LFGB). Im Zuge der 14. AMG-Novelle wird gleichzeitig festgelegt, dass sich die Abgrenzungsfrage Lebensmittel oder Arzneimittel? an den Vorschriften des LFGB orientiert und damit anhand des Lebensmittelbegriffes vorzunehmen ist. Damit ist in der Praxis nunmehr der neue Arzneimittelbegriff des Art. 1 Richtlinie 2004/27/EG anzuwenden. Dementsprechend muss geprüft werden, ob physiologische Funktionen gezielt durch metabolische, immunologische oder pharmakologische Wirkung beeinflusst werden sollen. Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist zweifelsohne anzumerken, dass die Begriffe metabolisch, immunologisch und pharmakologisch nicht allgemeinverbindlich definierbar sind und keine klare Grenzziehung ermöglichen. Es bleibt abzuwarten, welche Praxis sich in der Rechtsprechung durchsetzt. Letztlich ist davon auszugehen, dass die Problematik der Ab- 402 Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 10

Zusammenfassung Die Neuordnung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts A. Hahn, J. Winters, Hannover Das seit 1974 geltende Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz (LMBG) wurde am 07.09.2005 durch ein Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) abgelöst. Die Vorschriften zum Gesundheits- und Verbraucherschutz sind in wesentlichen Teilen übernommen worden. Eine veränderte Situation ergibt sich u. a. durch den neuen Lebensmittelbegriff. Die vormals geltende Zweckbestimmung, wonach Lebensmittel zur Ernährung und/oder zum Genuss dienten, ist nun zunächst kein zwingendes Merkmal mehr für ein Lebensmittel. Einschneidende Änderungen ergeben sich bei der höchst umstrittenen Abgrenzungsfrage zwischen Lebensmitteln und Arzneimitteln. Erschwert wird die Situation durch einen neuen, etwa zeitgleich geänderten Arzneimittelbegriff. Von der Abgrenzungsproblematik sind in der Praxis insbesondere Grenzprodukte, wie z. B. Nahrungsergänzungsmittel betroffen. Ernährungs-Umschau 52 (2005), S. 398 403 grenzung auch in Zukunft bestehen bleibt. Die Vorschriften zum Gesundheitsund Täuschungsschutz sowie die Zusatzstoffproblematik bleiben weiterhin im Grundsatz bestehen, so dass hier in der Praxis zumindest kurzfristig keine wesentlichen Änderungen zu erwarten sind. Während für Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Lebensmittel explizite Regelungen zur Verwendung bestimmter Stoffe zu ernährungsphysiologischen bzw. diätetischen Zwecken bestehen, greifen die Regelungen zu Zusatzstoffen bei angereicherten Lebensmitteln bzw. Functional Food weiterhin uneingeschränkt. Insgesamt ist fraglich, ob das komplexe Regelungswerk des LFGB mehr Transparenz und eine Erleichterung für Praxis bringt, wie dies vom Gesetzgeber beabsichtig ist. Die teilweise getrennten und gemeinsamen Abschnitte zu Lebens- und Futtermitteln sowie die Verweise auf die BasisV dürften die Rechtsanwendung in der Praxis eher erschweren als erleichtern. Hinzu kommt, dass die aufgehobenen Gesetze zum Teil noch weiter zur Anwendung kommen. Ein Rückgriff auf juristische sowie naturwissenschaftliche Hilfe wird daher auch in Zukunft bei vielen Fragen erforderlich sein. Literatur- und Quellenverzeichnis: 1. BGBl. I vom 06.09.2005, S. 2617 2. BGBl. I vom 28.05.2004, S. 1011 3. BGBl. I vom 06.05.2005, S. 1161 (Bekanntmachung der Neufassung der DiätV) 4. Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittel (Novel Food-Verordnung) vom 15.05.1997, Abl. Nr. L 43, S. 1 5. Verordnung über vitaminisierte Lebensmittel vom 01.09.2004, RGBl. I, S. 538, zul. geändert am 24.05.2004, BGBl. I, S. 1011 6. Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln vom 22.12.1981, BGBl. I S. 1625, zuletzt geändert am 26.9.1997, BGBl. I S. 2366 7. Kommission der EG, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zusatz von Vitaminen und Mineralien sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln vom 10.11.2003, KOM(2003) 671 endg. 8. Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, ABl. EG Nr. L 31, S. 1 9. Abl. EG Nr. C 325 vom 22.09.1992, S. 33 10. Gorny, D.: Grundlagen des europäischen Lebensmittelrechts. Hamburg: Behr`s Verlag, 1. Aufl. 2003, S. 3 11. Meyer, A. H.: Lebensmittelrecht, München: DTV, 1. Aufl. 2004 S. XIII; auch: Meyer, A. H.: Das neue LFGB Gegenentwurf für Zusatzstoffe und die Anreicherung von Lebensmitteln, ZLR, 1/2004, S. 21-41 12. Pressemitteilung des BMVEL Nr. 248 vom 7. September 2005; www.verbraucherministerium.de 13. ABl. 22 vom 09.02.1965, S. 369 14. ABl. Nr. L 297 vom 13. 10. 1992, S. 8 15. ABl. Nr. L 311 vom 06.11.2001, S. 67 16. Köhler, H.: Die neuen europäischen Begriffe und Grundsätze des Lebensmittelrechts. GRUR, 10, 2002, S. 845 17. Hahn, A.; Hagenmeyer, M.: Pharmakologische Wirkung : Ein untaugliches Abgrenzungskriterium und seine irreführende Anwendung durch die Rechtsprechung. ZLR, 6/2003, S. 707-728 18. Pressemitteilung des BMVEL Nr. 248 vom 7. September 2005; www.verbraucherministerium.de 19. EuGH, Urt. v. 04.04.2000, Rs. 465/98 d arbo naturrein ZLR 3/2000, S. 317 20. Hagenmeyer, M.: Totgesagte leben länger Die ernährungsphysiologischen Zusatzstoffe trotzen den Reformbestrebungen ihrer Kritiker. StoffR 4/2004, S. 150-156; Meyer, A. H.: Das neue LFGB Gegenentwurf für Zusatzstoffe und die Anreicherung von Lebensmitteln. ZLR, 1/2004, S. 21-41 22. ABl. EG Nr. L 40 vom 11.02. 1989, S. 27 23. Büttner, T.; Hahn, A.: Das Zusatzstoffverbot des 2 LMBG im Lichte des Europäischen Gemeinschaftsrechts und des Begriffs Nährwert. GRUR 2004, Heft 10, S. 815-822 Für die Verfasser: Prof. Dr. Andreas Hahn Abteilung Ernährungsphysiologie und Humanernährung, Institut für Lebensmittelwissenschaft, Zentrum Angewandte Chemie Universität Hannover Wunstorfer Str. 14 30453 Hannover E-Mail: andreas.hahn@lw.uni-hannover.de Ernährungs-Umschau 52 (2005) Heft 10 403