Andreas Müller-Belecke Institut für Binnenfischerei e.v. Potsdam-Sacrow 15 Jahre Forschung zur Aufzucht von Zandern in der Aquakultur Erfolge und Grenzen Deutscher Fischereitag Potsdam, 23. 25.08.2016 Vortragsveranstaltung des VDFF
Angebot und Nachfrage Speisezander Speisezanderkonsum in Deutschland: ca. 7.700 t in 2011 (Fischmagazin 10/2012)
Schaffung von Grundlagen: Forschung zur Zandervermehrung 1950-70er Jahre: Gewinnung von Kontrolle bei Reproduktion/Erbrütung (Woynárovich, Steffens, Tesch) 1980/90er Jahre: Z V /Z 1 Erzeugung in der Teichwirtschaft (Hilge, Steffens, Schlumberger, Geldhauser, Horváth, Tölg) (Sander vitreus, Nordamerika: R. Summerfelt et al.) Weiterentwicklungen bei: (Brut-)Alleinfuttermitteln Bruterzeugung, Aquakultur von Doraden und Wolfsbarschen Kreislaufsystemen
Anfänge der Zanderforschung am IfB Mitte 1990er Jahre: Vision R. Knösche: Entwicklung des Zanders zu einem Kandidaten für die intensive Aquakultur Einstellung von S. Zienert, Fachschulabschlussarbeit Ing.-Schule für Binnenfischerei zur künstlichen Zandervermehrung in der Fischzucht Gerstner, FZM Steinl, Obervolkach (1992) 1997 1999: Aufbau eines Laichfischbestandes, erste Versuche zur kontrollierten Zandervermehrung und Larvenaufzucht 2000: Einwerbung von Fördermitteln für Perciden-Aquakultur Forschung durch R. Knösche / H. Wedekind
Ansprüche an Aquakulturkandidaten Gestehungskosten unterhalb von Vermarktungspreisen Aufzuchteignung kontrollierbare Reproduktion für stetige Setzlingsverfügbarkeit Trockenfutterakzeptanz hohe Wachstumsleistung geringe/moderate Umweltansprüche Wasserqualität Besatzdichte
1) Methoden der Eigewinnung Natürliches Ablaichen auf Substrat Bürstenmethode in Anlehnung an Proske in Becken, Netzgehegen Laicherpaare, Laichfischgruppen täglicher Check auf Laichspiel und Ablaichgeschehen Entnahme der Laichnester kontrollierte Erbrütung auf Laichsubstrat
Methoden der Eigewinnung Ablaichen auf Laichbürsten Abbürsten der Eier nach ca. 24h Restentklebung mit Lehm Erbrütung im Zugerglas
Methoden der Eigewinnung Abstreifen, künstliche Befruchtung exaktes Abpassen des Ablaichzeitpunktes nötig ansonsten gewaltsames Abstreifen / Töten der Rogner Hormonelle Synchronisierung des Ablaichzeitpunktes: untersucht: Hypophysenextrakt, GnHRH(a), HCG häufig Laicherverluste und ungleichmäßige Eientwicklung kein so deutlicher Effekt wie bei anderen Wirtschaftsfischarten dafür zu aufwendig (AMG)
2) Trockenfutteradaptation von Vorgestreckten aus Teichen Abfischung Vorgestreckter (ca. 0,5 g) aus Teichen Ende Mai / Anfang Juni 4000 6000 Stck. / m³ Konditionierung mit roten Zuckmückenlarven (Frostware) für ca. 3 Tage Schrittweise Substitution durch Trockenfutter in ca. 7 Tagen Erfolgsquote: durchschnittlich ca. 60% Foto: Zienert Foto: Zienert
3) Mastleistung trockenfutteradaptierter Zander a) bei konstant 22-24 C im Kreislaufsystem Stückmasse (g) Zeitraum (d) FQ (kg/kg) 5 40 40-150 150 300 300-900 60 65 60 130 0,7 0,8 0,9 1,0 1,1 Rund 13 Monate Mastdauer von 0,5 mg bis 900 g im Idealfall machbar Foto: Zienert moderate Besatzdichten (bis ca. 70 kg /m³) ohne Leistungseinbußen realisierbar anspruchsvolle Futterverabreichung und verteilung, insbesondere ab ca. 500 g
3) Mastleistung trockenfutteradaptierter Zander b) bei natürlichem Temperaturverlauf in Netzgehegen Normalbrut Frühbrut 1. Sommer 40 g 150 g 2. Sommer 200 g 500 g 3. Sommer 600 g 800 g 4. Sommer 1000 g
4) Produktqualität Speisezander Trockenfutterbasierte Intensivhaltung versus Wildfisch Naturnahrung Kreislaufanlage Schlachtkörpermerkmale Havelzander Teichzander Futter A (Standard) Futter B (58 % RP) Geschlachtete Tiere pro Gruppe (n) 18 6 40 40 Schlachtkörperanteil (%) 88,8 88,7 90,5 88,8 Gonadenanteil (%) 4,3 3,0 0,7 1,0 Innereienfettanteil (%) 1,7 2,3 4,3 5,2 Leberanteil (%) 1,2 1,3 1,2 1,3 Filetanteil (ohne Haut) (%) 47,5 45,4 45,0 45,9 Leberfärbung L-Wert 39,2 42,0 49,3 46,8 a-wert 21,4 20,6 11,4 12,0 b-wert 8,7 8,5 11,9 9,6 Schlachtkörpermerkmale Sensorische Vergleiche
5) Brutaufzucht und Trockenfutteradaptation unter Intensivhaltungsbedingungen im Warmwasserbruthaus Herausforderungen: sehr geringe Startstückmassen hohe Haltungsdichten ökonomisch unabdingbar Bereitstellung von Lebendnahrung in ausreichender Menge und Qualität Gewährleistung einer sicheren initialen Schwimmblasenfüllung Umstellung auf geeignete Trockenfuttermittel Handling und Sortierung zur Reduzierung von massiv ausgeprägtem Kannibalismus effiziente Beckenhygiene
Einschränkung von Kannibalismus Kann zwischen 15 und 40 mm (ca. d20 bis d50) drastisch ausfallen optimale Haltungsumwelt Sortieren bei ersten Anzeichen von Kannibalismus zeitweise 2x wöchentlich Foto: Zienert 2 cm
Hypersensibilität gegenüber Licht und Berührung Verlustgeschehen nach einmaligem Keschern und Lichtwechsel (10 lx auf 130 lx) Larvenalter (d) Phototaxis Mögliche Verluste durch Keschern und Lichtwirkung (3 min 130 lx) 9 Bewegung ins Licht 12 Bewegung ins Licht 15 neutral 0 % 17 neutral 0 % 20 neutral 0 % 24 neutral 10 % 26 neutral 10 % 28 neutral 20 % 31 neutral 60 % 34 neutral 85 % 36 neutral 40 % 38 neutral 50 % 40 neutral 10 % 42 neutral 10 % 45 neutral 5 % 48 neutral 0 % 52 Meidung von Licht 55 Meidung von Licht
Hygiene während der Larvenaufzucht: Räumertank 1,5 m³-jungfischbecken umlaufender Motor mit Räumerarm für Boden und Beckenwände 1 2 Umläufe a 20 min pro Tag Absaugen vor der Räumerleiste innerhalb einer Minute => tägliche Beckenhygiene in Minuten statt Stunden
6) Laichzeitsteuerung Temperaturadaptation: ca. 1 C alle 2 Tage 6-8 Wochen Winterung bei unter 10 C und 8 h Licht pro Tag (ca. 20 lx) Frühjahr -Simulation: -15 C (± 1 C) -16 h Licht pro Tag (ca. 20 lx) ca. 8 Wochen Reifephase bis zur natürlichen Eiablage Verzicht auf den Einsatz von Hormonen oder hormonähnlichen Substanzen erträgliche Einbußen bei Fekundität und Eiqualität
Mitte Mai: Normalbrut - Frühbrut
7) Überprüfung der Besatzeigung von mit Trockenfutter aufgezogenen Zandern Besatz- und Wiederfangversuche mit 600 individuell markierten, trockenfutteraufgezogenen Zandern Besatz 2 natürlicher Flachseen (16 und 20 ha) im Juni 2011 2011 mit 280 g besetzt 2011 mit 560 g besetzt Bauersee Wiederfang Herbst 2012 1,50 % 2,00 % Mittl. Stückmasse bei Fang 1.081 g 1.587 g Tägl. Wachstumsrate d0 - d487 0,25 % 0,24 % Zuwachs d0 - d487 759 g 897 g Herrensee Wiederfang Herbst 2012 3,80 % 5,00 % Mittl. Stückmasse bei Fang 1.127 g 1.397 g Tägl. Wachstumsrate d0 - d492 0,26 % 0,26 % Zuwachs d0 - d492 815 g 880 g
8) Zanderhaltung auf Trockenfutterbasis in der Teichwirtschaft in Hälterteichen nach dem Teich-in-Teich -Prinzip
Zanderhaltung auf Trockenfutterbasis in der Teichwirtschaft Ergebnisse ausgewählter Haltungsansätze Jahr Haltungseinrichtung Haltungsdichte Mastabschn. ÜL (%) Endstckm. (g) SGR (%/d) FQ (kg/kg) Beob. 2008 Hälter unbeschattet 5 t pro ha Z1 zu Z2 86 323 0,52 1,5 1) Hälter teilbeschattet 5 t pro ha Z1 zu Z2 84 358 0,63 1,2 1) 2009 Hälter unbeschattet 16 t pro ha Z1 zu Z2 94 390 0,51 1,9 2) Teich-am-Teich 25 kg pro m³ Z2 zu Z3 100 565 0,53 1,8 Teich-am-Teich 50 kg pro m³ Z2 zu Z3 100 506 0,55 1,6 2010 Hälter unbeschattet 9 t pro ha Z2 zu Z3 45 500 0,13 6,9 3) Netzgehege in Hälter 6 kg pro m³ Z0 zu Z1 89 56 1,23 1,6 Hälter unbeschattet 9 t pro ha Z1 zu Z2 66 154 0,43 2,3 4) Teich-am-Teich 25 kg pro m³ Z0 zu Z1 80 60 0,57 3,8 4), 5) Teich-am-Teich 50 kg pro m³ Z2 zu Z3 85 789 0,42 1,4 3), 4) 1) Fadenalgenbildung 4) Lichtscheue 2) grenzwertige Ammoniumwerte 5) Prädatoreneinfluss 3) Verluste durch Territorialverhalten, frühe Geschlechtsreife Generell: geringere Wachstumsraten und schlechtere Futterverwertung im Vergleich zu Netzgehegehaltung im See a) durch Lichtstörungen in flachen Haltungseinheiten? b) durch Tag/Nacht-Temperaturschwankungen?
Zanderhaltung in der Teichwirtschaft: Temperatur(schwankungen) (Standort)voraussetzungen: Im Teich: Beherrschung hoher Haltungsintensitäten zur Unterbindung von Klarwasserstadien tiefe Teiche (gleichmäßig hohe Temperaturen, Eignung für Teich-im-Teich- Systeme) sichere Frischwasserversorgung für Notsituationen auch im Sommer Stromversorgung, Schutz vor Prädatoren, Diebstahl, Vandalismus Setzlingsverfügbarkeit Nachtfütterung (Verminderung von Störungen durch Licht / Unruhe) Fokussierung auf Satzzandererzeugung / Direktvermarktung von Speisefischen
Erfolge Bereitstellung entwicklungsfähiger Eier/Larven ist, unabhängig von der natürlichen Laichzeit, jederzeit möglich Larvenaufzucht im Warmwasserbruthaus ist beim Einsatz effizienter Artemienaufzucht, Fütterungstechnik und Räumerbecken mit überschaubarem Zeitaufwand möglich Die Ausmast in Kreislaufanlagen gelingt gut. Voraussetzungen dafür sind Expertise, adequate (Fütterungs)Technik und hochwertige Futtermittel der ökonomisch interessante Satzfischmarkt ist auch für intensiv aufgezogene Zander eine Vermarktungsalternative viele kritische Aspekte der intensiven Zanderaufzucht sind inzwischen bekannt und können berücksichtigt/gelöst werden
Grenzen Kannibalismus und Hypersensibilität im Brutfischstadium führen zu geringen Setzlingsausbeuten, unzureichender Setzlingsversorgung und hohen Setzlingspreisen Setzlingspreise, Toleranz lediglich mittlerer Besatzdichten, anspruchsvolle Fütterung und in der Endmast schnell zurückgehende Futteraufnahmen führen zu hohen Gestehungskosten für KLA-Zander die intensive Aufzucht unter natürlichem Temperaturverlauf ist beim wärmeliebenden Zander langwierig und damit ebenfalls teuer - Gestehungskosten liegen oberhalb Großhandelspreisen - Bedienung hochpreisiger Absatzwege ist ein Muss aktuell nur langsames Wachstum des Sektors
Aussichten Weitere Optimierung der Technologie Handling von Kannibalismus/Hypersensibilität züchterische Bearbeitung, Nutzung von Zuchtfortschritt kostengünstigere, dennoch effiziente Kreislaufsysteme ( Corsa statt S-Klasse ) engere Verwebung von Setzlingserzeugung und Mast Beitrag des IfB: Verbreitung bereits gewonnener Erkenntnisse Veröffentlichungen jährlicher IfB-Zanderworkshop Lehrlingsausbildung anwendungsorientierte Forschung zu noch offenen Fragestellungen Danke für Ihre Aufmerksamkeit!