2 Fettzufuhr in Deutschland J. Linseisen Die Zufuhr von Fett und Fettsäuren erfolgt über den Verzehr von fetthaltigen pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln sowie mit den beim Kochen oder dem unmittelbaren Verzehr zugegebenen Fetten und Ölen. Auf Grund der hohen Energiedichte und der Erfahrung aus biologischen und physiologischen Wirkungen steht die Fettzufuhr seit vielen Jahrzehnten im Blickpunkt gesundheitlichen Interesses. Empfehlungen zur Fettzufuhr für die Bevölkerung gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Vor der Darstellung der wissenschaftlichen Beweislage (Evidenz) zu Wirkungen von Fett und Fettsäuren in der Prävention ausgewählter chronischer Krankheiten soll in diesem einleitenden Beitrag die aktuelle Zufuhr von Fett, Fettsäuren und Cholesterol in Deutschland beschrieben werden. Als Datenquellen werden die verfügbaren großen epidemiologischen Studien mit deutschen Kollektiven herangezogen. Als repräsentative Studien stehen die Nationale Verzehrstudie (NVS; 1985/88, alte Bundesländer) mit der Neuauswertung von 1996 auf der Basis des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS) 2.2 (DGE 1996) und der Ernährungssurvey im Rahmen des Bundesgesundheitssurveys (BGS) 1998 zur Verfügung (Mensink 2002). Weiterhin liegen Querschnittsergebnisse aus deutschen Zentren großer internationaler Studien vor: MONICA- Augsburg (Döring et al. 1998) sowie EPIC-Heidelberg und EPIC-Potsdam (Schulze et al. 2001, Linseisen et al. 2003). Letztere sind populationsbasierte Studien, deren Ergebnisse z. T. gewichtet für die Altersstruktur der bundesdeutschen Bevölkerung dargestellt sind. Zu den Unterschieden in der Methodik der Datenerhebung und -auswertung zwischen den einzelnen Studien wird auf die Originalarbeiten verwiesen. Grundsätzliche Unterschiede bestehen hinsichtlich der Methodik der Ernährungserhebung (vgl. Tab. 1 und 2). Die einheitliche Auswertung der Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS) von 1988, 1993 und 1998 ermöglicht Trendanalysen, wenngleich diese Auswertungen auf Verbrauchsdaten und nicht auf Verzehrsdaten beruhen (DGE 2004). Die mittlere Fettzufuhr in den ausgewählten Studien ist in Tabelle 1 beschrieben. Der Anteil von Fett an der gesamten täglichen Energiezufuhr schwankt bei Frauen und Männern zwischen 36 und 40 % (Ausnahme BGS 1998). Es gibt Hinweise aus den Daten von MONICA- Augsburg (Döring 1998 et al.; s. Tab. 1) wie auch der EVS (DGE 2004; s. Tab. 3) dafür, dass sich der Fettanteil an der Energiezufuhr über den Zeitraum von 1984 bis 1998 in den alten Bundesländern geringfügig verringert hat. Die Cholesterolzufuhr in Deutschland bewegt sich im Mittel zwischen 264 bis 335 mg/d für Frauen und 371 bis 499 mg/d für Männer (s. Tab. 1). 4
In Tabelle 2 sind Angaben zur mittleren Zufuhr von Fettsäuren, unterteilt in Fettsäurengruppen, aufgeführt. Der höchste Anteil an Energie wird von den gesättigten Fettsäuren (SFA) geliefert (14 % bis 17 % der Energie), gefolgt von den einfach ungesättigten Fettsäuren (MUFA; 12 % bis 15 % der Energie). Die Zufuhr mehrfach ungesättigter Fettsäuren (PUFA), die in der NVS (DGE 1996) und der MONICA-Augsburg-Studie (Döring et al. 1998) als Summe von n-6 und n-3 PUFA ausgewiesen sind, liegt zwischen 5,2 und 5,6 % der Energiezufuhr. Die Daten aus den deutschen EPIC-Kohorten weisen auf einen Anstieg in der Zufuhr von PUFA über die Zeit hin (Linseisen et al. 2003); dies deutet sich auch in den Daten der EVS aus den Jahren 1988, 1993 und 1998 (alte Bundesländer) an, verbunden mit einem geringen Rückgang in der Zufuhr von SFA und MUFA (DGE 2004; s. Tab. 3). Der Anteil von n-3 PUFA in der Ernährung liegt zwischen 0,7 und 0,9 % der Energiezufuhr, das Verhältnis von Σ n-6 zu Σ n-3 PUFA bewegt sich zwischen 7,2 und 8,6. Die Aufnahme einzelner PUFA ist in den einzelnen Studien nicht einheitlich ausgewiesen. Die Ergebnisse aus EPIC-Heidelberg/EPIC-Potsdam zeigen eine mittlere Zufuhr von Linolsäure (LA; C18:2 n-6), Arachidonsäure (AA; C20:4 n-6), α-linolensäure (ALA; C18:3 n-3), Eicosapentaensäure (EPA; C20:5 n-3) und Docosahexaensäure (DHA; C22:6 n-3) bei Frauen in Höhe von 10,9/11,6 (LA), 0,16/0,14 (AA), 1,32/1,51 (ALA), 0,07/0,08 (EPA) und 0,14/0,14 (DHA) g/d sowie bei Männern in Höhe von 14,3/18,6 (LA), 0,23/0,23 (AA), 1,59/2,25 (ALA), 0,10/0,13 (EPA) und 0,19/0,21 (DHA) g/d (Linseisen et al. 2003). Die Ergebnisse aus EPIC-Heidelberg und EPIC-Potsdam zeigen deutliche Unterschiede in der Zufuhr von Fett und Fettsäuren, die als Unterschiede in der Nährstoffzufuhr zwischen alten und neuen Bundesländern interpretiert werden und nicht zuletzt auf die höhere Margarineaufnahme in EPIC-Potsdam zurückgeführt werden können (Linseisen et al. 2003). 5
Tabelle 1: Mittlere (SD) tägliche Zufuhr von Fett (g, % der Energiezufuhr) und Cholesterol (mg) in ausgewählten Verzehrsstudien in Deutschland Frauen Männer Studie (Erhebungsjahr) Fett Cholesterol Fett Cholesterol (Methodik, Altersgruppe, Referenz) (g) (% En.) (mg) (g) (% En.) (mg) Nationale Verzehrsstudie (1985-89) 1 81,2 40,1 335 104,4 39,1 413 (7-d diet records, 25-51 Jahre) MONICA-Augsburg (1984/85) 2 - - - 107,7 (29,9) 38,4 (5,4) 499 (170) MONICA-Augsburg (1994/95) 2 - - - 103,4 (30,2) 37,4 (5,2) 449 (152) EPIC-Heidelberg (1996/98) 3, 4 78,0 (38,0) 36,6 (9.1) 285 (185) 100,9 (48,1) 36,0 (9.4) 371 (266) EPIC-Potsdam (1994/98) 3, 4 76,1 (34,5) 37,4 (9.6) 264 (177) 116,8 (51,5) 40,3 (9.5) 377 (225) Bundes-Gesundheitssurvey (1998) 5 73,0 (23,3) [34,9]* 307 (111) 94,7 (36,7) [34,1]* 387 (166) (Diet history, 45-54 Jahre) * berechnet 1 DGE 1996, 2 Döring et al. 1998, 3 Schulze et al. 2001, 4 Linseisen et al. 2003, 5 Mensink 2002 6
Tabelle 2: Mittlere (SD) tägliche Zufuhr von gesättigten (SFA), einfach ungesättigten (MUFA) und mehrfach ungesättigten (PUFA) Fettsäuren (% der Energiezufuhr) sowie das Verhältnis von Σ n-6 zu Σ n-3 PUFA in ausgewählten Verzehrsstudien in Deutschland. Studie (Erhebungsjahr) SFA MUFA Σ PUFA n-6 PUFA n-3 PUFA n-6/n-3 PUFA (Methodik, Altersgruppe, Referenz) (% En.) (% En.) (% En.) (% En.) (% En.) Frauen Nationale Verzehrsstudie (1985-89) 1 17,0 14,8 5,6 - - - (7-d diet records, 25-51 Jahre) EPIC-Heidelberg (1996/98) 4 15,7 (5,1) 12,3 (3,8) - 5,3 (3,3) 0,74 (0,45) 8,0 (5,6) EPIC-Potsdam (1994/98) 4 15,6 (5,1) 12,6 (3,8) - 5,8 (3,1) 0,88 (0,52) 7,2 (3,7) Männer Nationale Verzehrsstudie (1985-89) 1 16,3 14,9 5,4 - - - (7-d diet records, 25-51 Jahre) MONICA-Augsburg (1984/85) 2 14,7 (2,7) 13,2 (2,1) 5,2 (1,4) - - - MONICA-Augsburg (1994/95) 2 14,3 (2,8) 12,7 (2,1) 5,6 (1,7) - - - EPIC-Heidelberg (1996/98) 4 15,1 (5,0) 12,6 (4,0) - 5,3 (3,0) 0,69 (0,45) 8,6 (5,0) EPIC-Potsdam (1994/98) 4 16,5 (5,2) 13,7 (3,7) - 6,5 (3,5) 0,91 (0,58) 7,7 (4,1) 1 DGE 1996, 2 Döring et al. 1998, 4 Linseisen et al. 2003 7
Tabelle 3: Mittlere tägliche Zufuhr von Fett, gesättigten (SFA), einfach ungesättigten (MUFA) und mehrfach ungesättigten (PUFA) Fettsäuren (% der Energiezufuhr) in Deutschland (alte und neue Bundesländer) nach der einheitlichen Auswertung von Verbrauchsdaten aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) aus den Jahren 1988, 1993 und 1998 (DGE 2004). Frauen Männer Studie, Erhebungsjahr Fett SFA MUFA PUFA Fett SFA MUFA PUFA (% En.) (% En.) (% En.) (% En.) (% En.) (% En.) (% En.) (% En.) Alte Bundesländer EVS 1988 36,4 15,7 13,6 4,8 36,2 15,1 13,8 5,0 EVS 1993 35,9 15,4 13,4 4,8 34,5 14,2 13,2 4,9 EVS 1998 35,0 14,6 12,0 5,9 35,2 13,7 12,0 6,9 Neue Bundesländer EVS 1993 36,7 15,3 13,9 5,2 36,3 14,3 14,1 5,7 EVS 1998 36,8 15,2 13,1 6,0 37,0 14,3 13,1 6,9 8
2.1 Literatur Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.v. (DGE): Ernährungsbericht 1996. [Neuauswertung der Nationalen Verzehrsstudie, S.37-53] Druckerei Henrich GmbH, Frankfurt a.m. 1996 Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.v. (DGE): Ernährungsbericht 2004. Bonn 2004 Döring A, Honig-Blum K, Winkler G, Kammerlohr R, Fischer B, Keil U: MONICA Projekt Region Augsburg. Data Book. Dietary Surveys 1984/85 and 1994/95 in middle-aged men from the city of Augsburg. GSF-Forschungszentrum, 1998 Linseisen J, Schulze M, Saadatian-Elahi M, Kroke A, Miller AB, Boeing H: Quantity and quality of dietary fat, carbohydrate, and fiber intake in the German EPIC cohorts. Ann Nutr Metab 2003; 47: 37-46 Mensink G: Was essen wir heute? Ernährungsverhalten in Deutschland. Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Robert Koch-Institut, Berlin 2002 Schulze MB, Linseisen J, Kroke A, Boeing H: Macronutrient, vitamin, and mineral intakes in the EPIC- Germany cohorts. Ann Nutr Metab 2001; 45: 181-9 9