Methoden zur Untersuchung von Arzneimittelwirkungen in der Schwangerschaft

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Transkript:

Methoden zur Untersuchung von Arzneimittelwirkungen in der Schwangerschaft Reinhard Meister Beuth Hochschule für Technik Berlin, FB II Mathematik, Physik, Chemie Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 1 / 15

Arzneimittelrisiken Wie kann man Arzneimittelrisiken in der Schwangerschaft untersuchen? experimentell beobachtend persönliche Erfahrungen: Biometriker Risikoabschätzung vorgeburtlicher Schädigungen Tierversuche, experimentell seit zehn Jahren: Kooperation mit Dr. Schaefer, Embryotox Berlin prospektive Kohortenstudien Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 2 / 15

Tierversuche Weshalb liefern Tierversuche in der Teratologie nur begrenzte Information? dienen als Sicherheitscheck in der Arzneimittelentwicklung wegen geringer Tierzahlen sind nur starke Effekte erkennbar Verstärkung von Effekten durch hohe Dosen Tierversuche erzeugen Probleme, die es beim Menschen nicht gibt (Wurfeffekte, spez. Reaktionen, unterschiedlicher Metabolismus) lassen sich ohne zuverlässige Humandaten nicht validieren. dennoch wichtig, wegen der präventiven Information. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 3 / 15

Datenquellen Mensch Wie kann man Effekte von Arzneimitteln auf Verlauf und Ergebnis einer Schwangerschaft erfassen? Fallberichte (meist retrospektiv) Es ist eine Fehlbildung aufgetreten, die muss eine Ursache haben. Fall Kontrollstudien Exposition (ja/nein) = Fall Exposition (ja/nein) = Kontrolle Probleme: retrospektive Expositionserfassung, Auswahl geeigneter Kontrollen prospektive Kohortenstudien: Exposition (ja) = Ergebnis Exposition (nein) = Ergebnis Probleme: Auswahl von Kohorten Exponierter und Kontrollen. Randomisierte kontrollierte Studien mit Schwangeren gibt es nicht. Das ist gut so. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 4 / 15

Kohortenstudien Was sind geeignete Kohortenstudien für die Embryotoxikologie? prospektive Studien ohne spezielle Exposition (Screening) sind nicht geeignet. (n zu klein) Teratology Information Services (TIS) Konzept: Beratungsangebot sorgt für Selbstselektion interessanter Schwangerschaften Studien bei gezielten Interventionen (z.b. Impfung von Schwangeren) ausreichende Fallzahlen. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 5 / 15

Beobachtungsstudien in der Embryotoxikologie TIS Teratology Information Services erarbeiten Risikobewertungen und Therapieempfehlungen für Ärzte und Schwangere. Datensammlung als nützlicher Nebeneffekt Daten werden data prospektiv erhoben Exposition: Krankheiten und Medikamente Kovariablen: Anamnese, vorherige Schwangerschaften, soziale Drogen, Kontrazeptiva etc. Dokumentation von Verlauf und Ergebnis der Schwangerschaft Ergebnisse: Aborte, Geburt, Fehlbildungen bei Lebendgeborenen Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 6 / 15

Studientypen und Erkenntnis mit/ohne Randomisierung Welche Unterschiede müssen bei der Interpretation beachtet werden? Randomisierte Studien: Die zufällige Verteilung der Patienten auf die Therapiegruppen erlaubt Kausalschluss falls Therapieeffekt statistisch signifikant ist. Beobachtungsstudien: Therapieeffekte können teilweise auch durch systematische Unterschiede in Eigenschaften der Patienten entstehen. Adjustierung bei Beobachtungsstudien kann nur bekannte Einflussfaktoren berücksichtigen. Randomisierung kontrolliert auch unbekannte Einflüsse. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 7 / 15

Vergleich von Risiken bei Kohortenstudien Wie kann man die Häufigkeit von Fehlbildungen analysieren? relative Häufigkeiten unadjustiert: naiv, reine Assoziation Stratifizierte Analyse (Cochran Mantel Haenszel Test): grob, willkürlich bei stetigen Kovariablen Logistische Regression mit Adjustierung auf bekannte Kovariable: eventuell zu komplex, nicht robust Propensity Score: Ersatz der komplexen Kovariablenstruktur durch eine Variable. Analyse entweder stratifiziert oder mit logistischer Regression. Analysen mit Adjustierung sind näher am Kausalschluss. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 8 / 15

Ein spezielles statistisches Problem bei Embryotox Studien Aborte und Geburten Erster Kontakt im Verlauf der Schwangerschaft, ab Woche 5. Ende der Schwangerschaft: Abbruch, spontaner Abort, Geburt variable Anzahl unter Beobachtung konkurrierende Risiken. Methoden der Ereigniszeitanalyse Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 9 / 15

Aborte und Geburten: Coumarin Studie Naiver Ansatz: Aborte Exponierte: 43/173 = 25% Kontrollen: 69/1013 = 7% Anzahl Exponierte Anzahl Kontrollen 0 40 80 unter Risiko spontane Aborte 0 4 8 0 400 800 unter Risiko spontane Aborte 0 20 0 5 10 15 20 25 30 0 5 10 15 20 25 30 t=schwangerschaftswoche t=schwangerschaftswoche Kollektivgröße ändert sich mit der Zeit! Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 10 / 15

Aborte und Geburten: Coumarin Studie Mit Hilfe von Ereigniszeitanalysen für linksgestutzte Daten können Abortraten unverzerrt geschätzt werden. cumulative incidence 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 exposed: 0.36 control: 0.16 week 27 0 5 10 15 20 25 30 t = week of pregnancy Unter Coumarin wird eine deutlich erhöhte Rate an Spontanaborten beobachtet. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 11 / 15

Aborte und Geburten Technetium Studie Geringe Unterschiede zwischen Kontrollen (n=366) und Exponierten (n = 122). Exponierte zeigen lediglich eine erhöhte Rate induzierter Aborte. Kein erhöhtes Risiko für spontane Aborte erkennbar. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 12 / 15

Mehr spezielle statistische Probleme bei Embryotox Studien Verfeinerte Analysen Vergleich von Geburtstermin und Geburtsgewicht (simultan) Bestimmung von Perzentilkurven für Geburtsgewichte. Analyse des Einflusses von Dosis und Therapie-Intervall Berücksichtigung von Mehrfach-Expositionen und noch vieles, was zu tun bleibt Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 13 / 15

Zusammenfassung Es gibt geeignete Studien für die Erforschung von Embryotoxizität Bei der Beurteilung des Schwangerschaftsverlaufs muss die Anzahl unter Risiko berücksichtigt werden. Bei Beobachtungsstudien dient der Versuch, auf Kovariable zu adjustieren dazu, dem Kausalschluss näher zu kommen. Es gibt geeignete statistische Methoden zur Adjustierung. Da Fehlbildungen selten auftreten, kann keine Prognose für den Einzelfall erwartet werden. Die geringen Anzahlen Betroffener erschwert die Adjustierung; Propensity Score Ansatz eine mögliche Verbesserung. Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 14 / 15

Frohe Weihnachtszeit Meister (Beuth Hochschule) Methoden Moskau 18.12.09 15 / 15