Forderungen des VAT zur Schaffung eines nachhaltigen Wettbewerbs am österreichischen Telekommunikationsmarkt und zur Erreichung der Ziele der Digitalen Agenda
Status quo Seit Jahren arbeiten Österreichs Telekomanbieter im Spannungsfeld von politischem Wunschdenken betreffend Breitbandausbau und strikten Vorgaben hinsichtlich des Konsumenten- und Datenschutzes. Bis jetzt konnten die Alternativen negative Effekte auf die angebotenen Dienste und Preise vermeiden, ohne positive Ausgestaltung der Rahmenbedingungen wird das in kurzer Zeit nicht mehr möglich sein. Alternative Netzbetreiber stehen zusätzlich vor der Herausforderung, den Kampf mit dem durch die bisherige Regulierung begünstigten ehemaligen Monopolisten aufnehmen zu müssen. Durch die ihr zugestandene Begünstigung schaffte es A1 Telekom Austria trotz der in den Medien viel propagierten Mobilsubstitution innerhalb der letzten Jahre, zahlreiche neue feste Breitbandanschlüsse zu realisieren, während die auf Vorleistungsprodukte der A1 Telekom beruhenden Breitbandanschlüsse der Alternativen Netzbetreiber rückläufig sind. Trotz der nicht idealen Rahmenbedingungen haben die Mitglieder des Verbandes Alternativer Telekom-Netzbetreiber in den letzten Jahren sehr viel in Infrastruktur investiert und sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass der österreichische Telekommunikationsmarkt seinen Kunden qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu europaweit einzigartigen Preisen bieten kann. 02
Status quo Die Mitglieder des VAT Im Festnetzbereich ist Tele2 der einzige verbliebene große klassische Festnetzbetreiber, der mit seinen Privatkundenprodukten österreichweit den Wettbewerb mit A1 Telekom Austria aufrechterhält. Der Geschäftskundenanbieter Colt ist durch seine Internationalität insbesondere für Großkunden von enormer Bedeutung und bietet seine hoch spezialisierten Produkte an. Es hat sich allerdings gezeigt, dass es Zeit für Weichenstellungen ist, um einen gesunden Telekommunikationsmarkt auch in Zukunft aufrechtzuerhalten. Der VAT sieht die Politik am Zug und möchte mit den vorliegenden Forderungen die wichtigsten Baustellen am Weg zur bestmöglichen Entfaltung des sozialen und wirtschaftlichen Potenzials des österreichischen Telekommunikationsmarktes aufzeigen, sanieren muss die Politik. T-Mobile und Hutchison 3G sorgen am Mobilfunkmarkt seit Jahren dafür, dass sich A1 Telekom Austria den Marktpreisen anpassen muss. Insbesondere durch ihre mobilen Breitbandangebote können sie einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Ziele der Digitalen Agenda leisten. Unsere Mitgliedsunternehmen fördern durch ihre innovativen Produkte einen kompetitiven Markt und haben großen Anteil daran, dass den österreichischen Endkunden eine breite Palette an Telekommunikationsdienstleistungen zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung steht. VAT Forderungskatalog 03
Digitale Agenda 2020 Ambitionierte Ziele oder gezielter Populismus? Die Europäische Kommission hat im Sommer 2010 durch ihre Digitale Agenda den Weg für den österreichischen Telekommunikationsmarkt vorgezeichnet und ambitionierte Ziele gesetzt. So sollen bis 2020 i) alle Europäer Zugang zu Internetgeschwindigkeiten von über 30 Mbit/s und ii) mindestens 50 % aller europäischen Haushalte Internetzugänge mit über 100 Mbit/s haben. Die Breitbandstrategie 2020 stellt auf jeden Fall einen ersten Schritt zur Förderung des Telekommunikationsmarktes dar, doch erst wenn die geeigneten Rahmenbedingungen geschaffen sind, kann von einem echten Fortschritt gesprochen werden. In der Agenda selbst wird festgestellt, dass diese ehrgeizigen Zielvorstellungen nur mit einer umfassenden Politik verwirklicht werden können, die auf einem Technologiemix basiert. Frau Bundesministerin Bures hat diese europäischen Ziele für Österreich in die Breitbandstrategie 2020 einfließen lassen und das Ziel ausgegeben bis 2020 die Nutzung von Zugängen mit 100 Mbit/s und mehr in 50 % aller Haushalte erreichen zu wollen. 04
Was kann die Politik tun? Einen großen Einfluss auf den Telekommunikationsmarkt hat die unabhängige Regulierungsbehörde, die durch ihre Entscheidungen wesentlichen Anteil daran hat, wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird. Losgelöst von der sektorspezifischen Regulierung kann allerdings die Politik maßgeblich den Telekommunikationsmarkt gestalten. Durch die Schaffung der passenden Rahmenbedingungen kann sie garantieren, dass der Breitbandausbau zügig vorangetrieben wird und ein funktionierender Wettbewerb gewährleistet ist. Das zuständige Ministerium sollte sich wieder darauf besinnen, dass es Kompetenzträgerin in Sachen Telekom- Entwicklung ist. Durch einen klaren Fokus auf die Themen Infrastruktur und Wettbewerb kann es Anreize zum Ausbau der Netze schaffen und einheitliche und faire Wettbewerbsbedingungen garantieren. VAT Forderungskatalog 05
Forderungen des VAT I. Höherer Stellenwert der Telekommunikation II. Technologieneutralität III. Ausgewogener Konsumentenschutz IV. Strukturelle Änderungen der A1 Telekom Austria V. Adaption/Modernisierung des Universaldienstes 06
Höherer Stellenwert der Telekommunikation Profundes Handeln statt Aktionismus In der Politik wird die große Bedeutung der Telekommunikation für den Wirtschaftsstandort Österreich und den sozialen Wohlstand zwar immer betont, aber Taten, die diesem Stellenwert gerecht werden, sind rar. Die Politik muss die Richtung vorgeben, indem sie sich der Weiterentwicklung des Telekommunikationsmarktes als Schwerpunkt annimmt und die optimalen Rahmenbedingungen schafft. Es bedarf einfach mehr als ambitionierter Zielsetzungen und Ankündigungen. Das für die Telekommunikation zuständige Ministerium für Verkehr, Innovation und Technik (BMVIT) konzentriert sich in letzter Zeit viel zu sehr auf den (populären) Konsumentenschutz. Durch die Breitbandstrategie 2020 hat das BMVIT gezeigt, dass es sich der Probleme und Herausforderungen sehr wohl bewusst ist. Doch müssen die dort angesprochenen Ziele und Maßnahmen nun umgesetzt und dadurch Akzente gesetzt werden sofern man nicht riskieren will, dass Österreich im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten noch weiter zurückfällt. VAT Forderungskatalog 07
Technologieneutralität Gleiches Recht für alle Das Ziel der Digitalen Agenda ist es, allen Europäern den Zugang zu schnellem Internet zu ermöglichen. Da aus Sicht des Endkunden der Produktnutzen und nicht die Zugangstechnologie entscheidend ist, sollte allen Technologien ein level playing field offen stehen. Zur Erhöhung der Breitbanddurchdringung ist außerdem eine Gleichbehandlung von Mobilfunk- und Festnetzinfrastruktur bei den Leitungs- und Mitbenutzungsrechten längst geboten. Der Grundsatz der Technologieneutralität ist in allen Bereichen der Telekommunikation stärker zu verankern. Nur wenn alle Technologien gleich behandelt werden, kann ein fairer und ausgeglichener intramodaler Wettbewerb garantieren, dass die Ziele der Digitalen Agenda erreicht und Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Die Gleichbehandlung unterschiedlicher Technologien sollte bei der Vergabe von Förderungen und bei der Versteigerung/Vergabe von Frequenzen gewährleistet sein. 08
Ausgewogener Konsumentenschutz Überregulierung der Branche führt zu Nachteilen für Nutzer Der Konsumentenschutz ist den Mitgliedern des VAT ein besonderes Anliegen, da die Kundenzufriedenheit angesichts des starken Wettbewerbsdrucks und der nahezu hürdenlosen Wechselmöglichkeiten sehr wichtig ist. Trotzdem setzen sie sich für eine differenzierte Betrachtung der Materie ein. Der Gesetzgeber sollte sich wieder des Leitbildes des durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers besinnen und den Endkunden in einer vernünftigen Art und Weise schützen, ohne dabei den Telekomnetzbetreibern unverhältnismäßige Aufwände aufzuerlegen. Dem Verbraucherschutz sind bereits eine Vielzahl von wichtigen Institutionen gewidmet, darunter ein eigenes EU-Kommissariat, das BMASK sowie zahlreiche Vereine und Interessenvertretungen. Es gibt aus Sicht des VAT daher keinen Grund, dass sich in letzter Zeit vermehrt die RTR GmbH und das BMVIT mit dieser Materie beschäftigen, während Handlungsfelder von strategischer Bedeutung brach liegen. Speziell vor der rasanten Entwicklung von Over The Top Playern wie Amazon, Google und Skype kann es nicht das Ziel sein, heimische Netzbetreiber in Sachen Konsumentenschutz zu benachteiligen. Auch die in letzter Zeit beobachtete Tendenz Privat- und Geschäftskunden undifferenziert zu behandeln ist zu kritisieren, da sie das Schutzbedürfnis beider Gruppen ungerechtfertigterweise nivelliert. VAT Forderungskatalog 09
Strukturelle Änderungen der A1 Telekom Austria Eine Infrastrukturgesellschaft für alle Betrachtet man die Entwicklung des Festnetzmarktes, zeigt sich, dass der Infrastrukturwettbewerb versagt hat. A1 Telekom Austria hat eine beeindruckende marktmächtige Stellung inne und schafft es, diese Jahr für Jahr weiter auszubauen. Um den Wettbewerb am Festnetzmarkt wieder zu beleben, sieht der VAT eine strukturelle Trennung von A1 Telekom Austria in eine Infrastrukturgesellschaft und eine Dienstegesellschaft, als die erfolgversprechendste Möglichkeit. Ein weiterer Weg zur Schaffung eines level playing field für alle Betreiber wäre der Verkauf sämtlicher Anteile der Republik an A1 Telekom Austria. Vom urtypischen österreichischen Telekommunikationsunternehmen ist spätestens seit dem Einkauf von ausländischen Investoren nichts mehr übrig. Dies würde auch das Missverhältnis bereinigen, dass die Republik einen Markt reguliert und überwacht, auf dem sie am Marktbeherrscher beteiligt ist. Die Infrastrukturgesellschaft wäre für den Betrieb und die Wartung des Netzes verantwortlich und müsste allen Betreibern den Zugang zu diesem zu gleichen Konditionen gewähren. A1 Telekom Austria ist zwar aufgrund der bestehenden Regulierung dazu verpflichtet, den Alternativen Netzbetreibern den Zugang zu gleichen Konditionen zu gewähren wie ihrem eigenen Retailarm, doch bietet der Rechtsrahmen genügend Schlupflöcher, diese Regulierung zu umgehen. 10
Adaption/Modernisierung des Universaldienstes Netzausbau statt anachronistischer Sprechstellen Die Verpflichtung von A1 Telekom Austria, unrentable Telefonzellen betreiben zu müssen, wirkt sich zum Nachteil aller Telekommunikationsnetzbetreiber aus und sollte deshalb aufgehoben werden. Jahr für Jahr zahlen Alternative Netzbetreiber hohe Beträge an A1 Telekom Austria, damit diese weiterhin ein flächendeckendes Netz an unrentablen öffentlichen Sprechstellen bereitstellt. Mit der TKG-Novelle 2011 wurde die Möglichkeit geschaffen, dieser nicht mehr zeitgemäßen Verpflichtung ein Ende zu setzen. Der VAT fordert daher das BMVIT auf, A1 Telekom Austria aus ihrer Verpflichtung zu entlassen, damit Netzbetreiber diese nun gebundenen Mittel zukünftig in den Netzausbau investieren können. Durch das Recht auf einen Anschluss zum öffentlichen Telefondienst in Verbindung mit dem Fernsprechentgeltzuschussgesetz, einer Mobilpenetration von über 135 % und einer Netzabdeckung von mehr als 98 % ist sichergestellt, dass alle ÖsterreicherInnen einen leistbaren Zugang zum öffentlichen Telefondienst haben. VAT Forderungskatalog 11
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