Radlbrunn. Ein herrlicher Spätsommertag.

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Transkript:

SOMMER-TOUR TEIL 9 NIEDERÖSTERREICHEICH In der großer Interviewserie trifft NEWS diesmal den obersten Niederösterreicher. LANDESHAUPTMANN ERWIN PRÖLL über Reinhold Mitterlehner, Michael Spindelegger und den Bundeskanzler: Faymann ist nicht Kreisky, nicht Vranitzky, nicht Schüssel Radlbrunn. Ein herrlicher Spätsommertag. Im Garten seines gepflegten Anwesens zieht Erwin Pröll Bilanz über den Regierungswechsel und die Performance des Kabinetts Faymann. Der einflussreichste ÖVP-Politiker hofft, dass die nunmehr runderneuerte Koalition den substantiellen Neustart wirklich schafft. Denn ein solcher ist die letzte Chance dieser Bundesregierung, sagt Niederösterreichs Landeshauptmann im NEWS-Sommergespräch. NEWS: Herr Landeshauptmann, niemand hätte gedacht, dass der Herbstbeginn für die ÖVP so turbulent wird. Wie lange wird Reinhold Mitterlehner ÖVP-Parteichef bleiben bis 2018 oder länger? Erwin Pröll: Also, ich wünsche es ihm wesentlich länger, und ich werde ihn dabei auch unterstützen. Weil ich glaube, dass Kontinuität in der Politik einen ganz besonderen Wert hat. Gerade in der Situation, in der die Republik jetzt ist, ist es gut, wenn man einen Regierungsverantwortlichen hat, der vor allem in der Kompetenz sehr hochgradig angesiedelt ist und der vor allem auch die Chance und die Möglichkeit hat, die staatspolitischen Aufgaben über längere Frist wahrzunehmen. NEWS: Also muss Sebastian Kurz warten, bis er 38 Jahre alt geworden ist... Pröll (lacht): Sebastian Kurz hat keine Eile, das weiß er selber. Sebastian ist ein unglaubliches Talent, das kommt in der Politik vielleicht alle 40 oder 50 Jahre einmal vor. Ich denke, auch Talente müssen entsprechende Erfahrungen machen. Ich glaube, dass Sebastian einen sehr sehr guten Job macht, und dass er, mit entsprechender Erfahrung ausgestattet, noch ganz ganz viel erreichen kann. NEWS: Zur ÖVP. Von außen betrachtet wird dort am meisten gestritten. Gibt es da keine Disziplinierungsmaßnahmen? Pröll: Ich bin vollkommen auf der Seite jener, die alle Anstrengungen unternehmen, um Disziplin in der Partei zu schaffen. Das heißt nicht, inhaltliche Diskussionen abzuwürgen, sondern diszipliniert zu sein, bevor nach außen der Dialog gesucht wird. NEWS: War Michael Spindelegger vielleicht zu zart besaitet für den brutalen Job des Parteichefs? Pröll: Ich glaube nicht. Michael Spindelegger hatte unglaublich lange Erfahrung. Es ist zweifellos so, dass die Dreifachfunktion, Ich halte das für die letzte Chance dieser Regierung. Pröll über den Neuanfang der Regierung nämlich Parteiobmann, Vizekanzler und Finanzminister, eine enorme Anstrengung bedeutet. Ich bin sehr froh, dass Mitterlehner jetzt einen anderen Weg eingeschlagen und die drei Funktionen entflochten hat. NEWS: Wäre Spindelegger noch ÖVP-Chef, wenn er sich den Finanzminister nicht angetan hätte? Pröll: Faktum ist, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Spindelegger ist mit Sicherheit an den Rand seiner Möglichkeiten gegangen. Er hat sich seine Aufgabe nie leicht gemacht, er ist im wahrsten Sinne des Wortes ein g rader Michl, der alles sehr ernst genommen hat. Der voll und ganz für die politische Arbeit lebt. NEWS: Aber hat er nicht aus staatspolitischer Sicht betrachtet zum Schluss fahrlässig gehandelt, indem das Land eine Woche ohne Vizekanzler und Finanzminister da gestanden ist? Pröll: Das stimmt nicht, denn eine Sedisvakanz hat es de facto nicht gegeben. Weil Spindelegger sein Ministerium ordnungsgemäß übergeben hat und weil die ÖVP sehr rasch und konsequent handelte. Außerdem ist Mitterlehner jemand, der im Regierungsgeschäft routiniert ist. Das ging in Wahrheit von einen Tag auf den anderen. Ich würde mir wünschen, dass der Koalitionspartner, die SPÖ, in ähnlich staatspolitisch herausfordernden Situa- FOTOS IAN EHM 26

Landeshauptmann Erwin Pröll ist der einflussreichste ÖVP- Politiker. Er hofft, dass auch die SPÖ genug Mumm hat, den Koalitions-Neustart umzusetzen. 27

POLITIK tionen genau so stabil und sattelfest ist, wie das die ÖVP gezeigt hat. NEWS: Sind Sie optimistisch, dass die nunmehr runderneuerte Koalition wieder Tritt fassen wird? Pröll: Ja, aber jemand, der Regierungsverantwortung trägt, muss auch wissen, dass er auf die Verfassung der Republik vereidigt ist und nicht auf sein eigenes Parteistatut. Das erfordert Sensibilität und Führungsgeschick. Das erwarte ich mir vom Bundeskanzler! NEWS: Man könnte den Eindruck haben, dass Bundeskanzler Werner Faymann nur durch Zaudern an der Macht bleibt. Wie sehen Sie Faymanns Stellenwert im Vergleich zu den großen Kanzlern der Republik? Pröll: Erstens möchte ich voranstellen, dass das der Wähler zu beurteilen hat. Es ist immer schwierig, Personen an großen Persönlichkeiten der Vergangenheit zu messen. Gemessen an den Persönlichkeiten Kreisky, Vranitzky oder auch Schüssel ist da noch einige Anstrengung notwendig. Denn man darf ja nicht übersehen, in all diesen Kanzlerschaften sind weitreichende Reformen getätigt worden, die zum Teil heute noch spürbar sind. Wir leben jetzt in Da kann man sich nicht ducken oder vorbei schwindeln! Pröll über Aufgaben der Regierung einer Gesellschaft und in einer Zeit, wo auch Reformieren angesagt ist. Da kann man sich nicht ducken, da kann man sich nicht vorbei schwindeln, da ist kein vordergründiger Populismus angebracht! NEWS: Apropos Reformen, Beispiel Bil- 28

Power-Couple: Elisabeth und Erwin Pröll in ihrem Refugium im beschaulichen Weinviertler Dorf Radlbrunn. Während er als Politprofi oft die Republik in Atem hält, ist sie in der Sozialhilfe tätig. dung. Sind Sie nach wie vor dafür, dass die Lehrer verländert werden, und bleiben Sie dabei, dass die Volksschule bis zum 12. Lebensjahr ausgedehnt werden sollte? Pröll: Ja, das alles sollte in der Bildungsdiskussion ernsthaft Eingang finden. Ich verstehe bis heute nicht, warum die Entlastung der Schulverwaltung nicht schon lange über die Bühne gegangen ist. Das hätte den Lehrern schon längst mehr Zeit für ihre pädagogische Arbeit mit den Kindern gegeben und hätte überdies pro Jahr schon bis zu 35 Millionen Euro an Rationalisierungseffekten gebracht. Schade, dass seinerzeit in der Frage Bundeskanzler Faymann vor Ministerin Schmied in die Knie gegangen ist. Ich hoffe sehr, dass die ewige Streiterei und Bremserei jetzt aufhört. NEWS: Glauben Sie wirklich dran? Pröll: In den letzten Tagen ist wieder von einem Neustart, einem Neuanfang der Koalition gesprochen worden. Ich halte das wirklich für die letzte Chance dieser Regierungs-Konstellation. Sie muss den Neuanfang schaffen. Ich hoffe, dass auch in der SPÖ-Mannschaft Mumm genug vorhanden ist, um diesen auch umzusetzen. NEWS: Bleiben wir bei der Bildung. Spüren Sie eine Verbesserung durch den Ministerwechsel von Claudia Schmied zu Gabriele Heinisch-Hosek? Pröll: Das ist schwer zu beurteilen, weil Heinisch-Hosek noch zu kurz im Amt ist. Allerdings, und das tut mir sehr leid: Ich habe mit ihr nach dem Abgang von Schmied eine halbe Nacht lang diskutiert, welche Vorteile die Verländerung der Bildungsverwaltung bringt, weil dadurch die Verwaltungsstrukturen vor Ort in den Ländern wesentlich effizienter gestaltet werden könnten. Sie hat sich leider nicht überzeugen lassen. Das hat ihr bis jetzt 29

POLITIK nicht sehr gut getan. Ich wünsche ihr wirklich, dass sie Erfolg hat. NEWS: Ein Reformthema ist auch der Föderalismus, Steuerhoheit für die Länder. Zentralisten beschuldigen die Landeshauptleute, die Milliarden, die die Länder vom Bund bekommen, zum Fenster hinaus zu werfen. Pröll: Ich wäre sehr dankbar, bekämen die Länder Steuerhoheit. NEWS: Sie treten für ein neues Wahlrecht, das Mehrheitswahlrecht ein. Damit würde der Wahlsieger, egal mit welcher Stimmenzahl, den Bundeskanzler stellen. Ist das angesichts des Eintritts neuer politischer Kräfte, etwa der Neos, der einzige Weg, Österreich künftig regierbar zu halten? Pröll: Es stimmt, ich bin wirklich dafür, dass man zumindest eine intensive Diskussion und Überlegungen zum Mehrheitswahlrecht anstellt, mit dem Persönlichkeitswahlrecht als wesentliches Element dabei. Je breiter sich das Wählerpotential aufsplittert, umso notwendiger ist es, einen Weg zu finden, der zu vernünftigen Regierungs-Konstellationen am Tag nach Wahlen führt. Oft werde ich gefragt, warum in Niederösterreich zuletzt soviel weitergegangen ist: Weil wir mit klaren Mehrheiten ausgestattet wurden und diese klare Entscheidungen ermöglichen. Und als Entscheidungsträger muss man das Sensorium dafür haben, welche Schritte der Bevölkerung zumutbar sind. Hingegen, die Dinge treiben lassen, noch dazu um den Preis des gegenseitigen Blockierens und Taktierens, ist mit Sicherheit keine Form, die in die Zukunft führt. NEWS: Haben Sie keine Angst, dass bei einem Mehrheitswahlrecht die FPÖ mit Heinz-Christian Strache gewinnt? Pröll: Angst habe ich überhaupt nicht in der Politik. Außerdem glaube ich nicht, dass die freiheitlichen Bäume in den Himmel wachsen. Aber, das ist in erster Linie Leadership fordert Landeshauptmann Erwin Pröll von der Bundesregierung im NEWS-Sommergespräch ein, besonders von Bundeskanzler Werner Faymann. auch eine Frage, wie sich die beiden Regierungsparteien selbst zeigen. Denn Strache und all die neu herauf dämmernden Parteien wie Neos und so, die haben nur soviel Platz, wie ihnen von den Regierenden gelassen wird. Das Protestpotential wird dann von den anderen ausgeschöpft, wenn nicht punktgenau für den Wähler regiert wird. FPÖ und andere haben nur soviel Platz, wie man ihnen lässt. Pröll über das Erstarken von Protestparteien NEWS: Ein Jahr nach der Bundesheer-Volksbefragung steht das Heer vor einem finanziellen Super-GAU. Damit scheint sogar der Katastrophendienst ernsthaft gefährdet. Pröll: Wenn ich hochrangigen Offizieren vertraue, und das tue ich natürlich, weil sie Experten sind, dann ist Alarmstufe Rot angesagt, gar keine Frage. Ich verstehe nicht, dass der Verteidigungsminister versucht hat, sich am Finanzminister abzuputzen. Er stimmte doch dem Budget zu, ich hörte kein Veto von ihm, und dann hieß es, deswegen, weil er vom Finanzminister zuwenig Geld bekommen habe, müsse er das Heer kaputtsparen. Ich hoffe sehr, das damit nicht der Versuch unternommen wird, auf diese Weise das Berufsheer einzuführen. NEWS: Nochmals zurück zur Bundes-ÖVP. Was ist eigentlich der Unterschied zu Ihrer Landespartei? Sie erreichen über 50 Prozent der Stimmen, aber die Bundes-ÖVP bekommt in Niederösterreich bei Bundeswahlen, wenn es hoch kommt, knapp 30 Prozent. Pröll: Die ÖVP-Niederösterreich ist der beste Beweis dafür, dass die christlichsoziale Partei kein Auslaufmodell ist. Das zeigt auch Angela Merkel in Berlin oder die CSU in Bayern. Und unsere Landespartei ist auch ein Beweis, dass die Wähler klare Entscheidungen honorieren. Ein Ja muss ein Ja und ein Nein muss ein Nein sein. Von Politikern wird nämlich erwartet, dass sie klar sagen, wohin sie mit dem Land, mit der Republik wollen und dabei auch selber voran gehen. Das geht mit klaren Mehrheiten viel besser als mit verwaschenen Verhältnissen, wo man zwar was wollen kann, aber wenn der Regierungspartner Nein dazu sagt, wird es schwierig und führt zu Irritationen bei den Wählern. NEWS: Der Pröll-Haushalt hier in Radlbrunn ist ein eminent politischer. Daher noch zwei Fragen an Ihre Frau Sissy, die sich österreichweit in der Sozialhilfe engagiert. Frau Pröll, ist die Armut in Österreich größer geworden? Und sind die sozialen Netze überhaupt dicht genug, um Arme auffangen zu können? Elisabeth Pröll: Mit meiner Organisation Hilfe im eigenen Land helfe ich vor allem jenen, die individuelle Schicksalsschläge erlitten haben, also bei schweren Krankheiten oder Todesfällen in Familien. Die anderen, die sozusagen großen Hilfen erledigen Bund und Länder. Wir helfen direkter und rascher als die großen Organisationen, auch oft als erste Überbrückung. Wirklich dichte Netze sind aus finanziellen Gründen gar nicht möglich. Daher ist meine Gruppe mehr als wichtig. Eben für indviduelle Notfälle, die sich oft aus Scham gar nicht an die öffentliche Hand wenden. NEWS: Sie sind schon seit 43 Jahren mit Erwin Pröll verheiratet, der seinerseits seit 34 Jahren rund um die Uhr und mit 150-prozentigem Einsatz als Spitzenpolitiker unterwegs ist. Wie geht es Ihnen dabei? Elisabeth Pröll: Wenn man als 19-Jährige jemanden kennenlernt, dann wächst man in so eine stufenweise steigende Herausforderung mit dem Partner hinein. Mich interessiert Politik sehr, sonst ginge das gar nicht, wenn man sich nicht für die Themen des Partners interessierte. Wenn man nicht mitgehen und auch die Personen kennenlernen würde, mit denen es mein Mann zu tun hat. Was nicht immer, aber sehr oft interessant ist. Interview: Wolfgang Ainetter, Hubert Wachter 30