HANDBUCH GELENK MESSUNG

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Transkript:

Roland Kreutzer HANDBUCH GELENK MESSUNG MIT LÄNGEN- UND UMFANG- MESSUNG

INHALTSVERZEICHNIS GRUNDLAGEN DER GELENKMESSUNG Warum Gelenkmessung wichtig ist Winkelmesser/Goniometer Anlage des Winkelmessers Dokumentation der Beweglichkeit und Pathologische Fälle 4 6 9 10 Fingergelenke Extension/Flexion im Grundgelenk Extension/Flexion im Mittelgelenk Extension/Flexion im Grundgelenk D I Extension/Flexion im Endgelenk D I Extension/Flexion im Endgelenk 28 28 29 29 29 PRAXIS DER GELENKMESSUNG WIRBELSÄULE UND OBERE EXTREMITÄT PRAXIS DER GELENKMESSUNG UNTERE EXTREMITÄT Halswirbelsäule/Kopf HWS-Flexion/Extension, HWS-Lateralflexion HWS-Rotation Brust- und Lendenwirbelsäule Ott- und Schober-Zeichen, BWS-/LWS-Flexion WS-Extension BWS-/LWS-Lateralflexion, BWS-/LWS-Rotation Schultergelenk/Schultergürtel Flexion/Extension, Abduktion/Adduktion Außenrotation/Innenrotation Schultergelenk/Ellenbogengelenk Außen-/Innenrotation, Extension/Flexion Unterarmsupination/-pronation Handgelenk Dorsalextension/Palmarflexion, Radial-/Ulnarduktion Fingerbeweglichkeit Daumensattelgelenk Abduktion/Adduktion, Flexion/Extension Opposition 14 15 16 17 18 20 21 22 23 24 25 26 27 Becken/Hüftgelenk Flexion/Extension Thomas-Handgriff Abduktion/Adduktion Außenrotation/Innenrotation bei Hüftflexion Außenrotation/Innenrotation bei Hüftextension Kniegelenk Extension/Flexion Außenrotation/Innenrotation Sprunggelenke Plantarflexion/Dorsalextension Pronation/Supination mit Eversion/Inversion Pronation/Supination des Vorfußes Zehengelenke Extension/Flexion im Hallux-Grundgelenk Extension/Flexion im Hallux-Endgelenk Extension/Flexion der Grundgelenke II V Extension/Flexion der Mittelgelenke II V Extension/Flexion der Endgelenke II V Übersicht zu Umfang- und Längenmessung 32 33 34 34 35 36 36 38 38 39 40 40 41 41 41 42

GRUNDLAGEN DER GELENKMESSUNG Warum Gelenkmessung wichtig ist Winkelmesser/Goniometer Anlage des Winkelmessers Dokumentation der Beweglichkeit und pathologische Fälle 4 6 9 10 0 50

GRUNDLAGEN DER GELENKMESSUNG GRUNDLAGEN DER GELENKMESSUNG WARUM GELENKMESSUNG WICHTIG IST Ein Patient soll nach einer Kreuzband-Operation entlassen werden, wenn er das operierte Knie bis 0 strecken und mindestens 90 beugen kann. Nach Entlassung messe ich in der ersten ambulanten Behandlung die Beugung und stelle fest, dass der Sportler das Bein nur 75 beugen kann. Was ist passiert? Hat er sich verschlechtert oder hat sich ein Therapeut vermessen? Der Patient freut sich, dass er früh die Klinik verlassen durfte, und ist traurig über das eingeschränkte Ausmaß seiner Beweglichkeit. Eine fortlaufende, intensive physiotherapeutische Therapie im stationären Bereich wurde ihm als Folge eines Messfehlers vorenthalten. Die Behandlungsfrequenz sinkt nun von täglich (stationär) auf zweimal wöchentlich (ambulant). Dies kann bedeutende Folgen für die Dauer der weiteren Rehabilitation haben! Hätte der Kollege in der Klinik einen Messfehler nach unten begangen, d. h. der Patient zeigt eine gute Beweglichkeit, aber der Therapeut misst und dokumentiert eine zu geringe Beweglichkeit, so wäre der Patient möglicherweise einige Tage zu lange in der Klinik geblieben. Messfehler werden immer wieder begangen. Sie sind so selbstverständlich wie das vergessene Blinken beim Abbiegen oder das falsche Porto auf dem Brief. Messfehler können und sollten jedoch minimiert werden, um eine möglichst sichere Aussage über einen Therapieverlauf oder Befund zu tätigen. Messfehler können dazu führen, dass Therapien zu lange durchgeführt werden oder noch schlimmer zu früh beendet werden oder erst gar nicht beginnen, da der Patient zu gut eingeschätzt wird. Eine gängige These sagt aus, dass immer derselbe Therapeut die Gelenkbeweglichkeit eines Patienten messen soll, damit eine Verbesserung oder Verschlechterung der Beweglichkeit möglichst realistisch festgestellt wird. Eine verbreitete Ansicht ist Jeder misst ein bisschen anders. Das kann man so sehen, da ein Therapeut i. d. R. immer denselben Messfehler macht und somit seine Messungen vergleichbar sind. Aber wie weit bewegt der Patient nun wirklich? Führen verschiedene Therapeuten eine Gelenkmessung durch, so sollte dies trotzdem immer zu einem identischen Ergebnis führen! Um dieses Ziel zu erreichen, soll eine Gelenkmessung von allen Beteiligten grundsätzlich so exakt wie möglich vorgenommen werden. In den folgenden Kapiteln möchten wir eine einfache Anleitung zur exakten Gelenkmessung geben, sodass Messfehler minimiert und die tatsächliche Beweglichkeit objektiviert werden. Hierzu ist es wichtig, dass die Drehachse bzw. der Drehpunkt und die Distanzpunkte und -linien bei allen Gelenken und Bewegungsrichtungen bekannt sind und der Winkelmesser (WM) entsprechend angelegt und verwendet wird. Daher werden im Praxisteil diese Parameter bei jeder Messung extra benannt. 4

WARUM GELENKMESSUNG WICHTIG IST DREHACHSE/DREHPUNKT Jedes Gelenk besitzt eine oder mehrere Bewegungsachsen, je nach Anzahl der Freiheitsgrade. Unser Kniepatient hat 2 Freiheitsgrade, das Knie kann gestreckt/gebeugt und nach innen bzw. außen rotiert werden. Die Drehachse für die Flexion/Extension verläuft horizontal durch die Femurkondylen. Die Drehachse für die Rotation des Unterschenkels ist mit der Längsachse des Unterschenkels identisch. Wird eine Drehachse in ihrer Längsrichtung betrachtet, so reduziert sie sich auf einen Punkt. Daher wird in der Gelenkmessung gerne nur von Drehpunkten gesprochen. Das Gelenk der beiden Schenkel des Winkelmessers sollte exakt auf dem Drehpunkt platziert sein. Drehachse des Kniegelenks DISTANZLINIEN/DISTANZPUNKTE Nachdem das Gelenk des Winkelmessers auf dem Drehpunkt des Gelenks platziert wurde, sollen nun die beiden Schenkel des Winkelmessers richtig positioniert werden. Hierzu kann man sich unterschiedlicher Hilfen bedienen. Als Distanzlinien können die Längsachsen der Knochen verwendet werden, die das Gelenk bilden. Aufgrund der Weichteilsituation ist das exakte Erkennen dieser Linien oft erschwert. Daher ist es häufig angebracht, Distanzpunkte zu wählen. Dies sind i. d. R. leicht zu palpierende Punkte, die sich distal oder proximal an den entsprechenden Knochen befinden. So kann man sich bei der Messung der Flexion/ Extension des Knies an den Längsachsen des Ober- und Unterschenkels orientieren (Distanzlinie) oder den Trochanter major (Oberschenkel) und den Außenknöchel (Fibula/Unterschenkel) als Distanzpunkte wählen. Drehpunkt des Kniegelenks Distanzlinien am Ober- und Unterschenkel Distanzpunkte am Ober- und Unterschenkel 5

PRAXIS DER GELENKMESSUNG WIRBELSÄULE UND OBERE EXTREMITÄT FLEXION/EXTENSION 17 9 4 Normwert: 170 / 0 / 40 WM-Anlage: Humeruskopf / Distanzlinie: Körperlängsachse zur Humeruslängsachse ABDUKTION/ADDUKTION 18 9 4 Normwert: 180 / 0 / 40 WM-Anlage: Humeruskopf / Distanzlinie: Körperlängsachse zur Humeruslängsachse 20

SCHULTERGELENK / SCHULTERGÜRTEL BEACHTE! Die Beweglichkeit des Arms resultiert aus der Mobilität des Schultergelenks und des Schultergürtels. Im Schultergelenk ist eine Flexion oder Abduktion bis ca. 95 möglich. Die weitere Beweglichkeit des Arms erfolgt, indem das Schulterblatt über den Brustkorb rotiert und sich somit die Stellung der Gelenkpfanne ändert. Die isolierte Mobilität des Schultergelenks kann getestet werden, indem der Therapeut das Schulterblatt fixiert. Unspezifisch kann die Beweglichkeit der Schultergelenke über den Nacken-Schürzen-Griff getestet werden. AUßENROTATION/INNENROTATION 6 95 Normwert: 60 / 0 / 95 WM-Anlage: Humeruskopf / Distanzlinie: Sagittale zur Unterarmlängsachse bei 90 flektiertem Ellenbogen 21

PRAXIS DER GELENKMESSUNG UNTERE EXTREMITÄT FLEXION 130 14 Normwert: 0 / 130 140 WM-Anlage: Hüftgelenk, kranial des Trochanter major / Distanzlinie: Oberschenkellängsachse zur Horizontalen EXTENSION 10 2 Normwert: 0 / 10 20 WM-Anlage: Hüftgelenk, kranial des Trochanter major / Distanzlinie: Oberschenkellängsachse zur Horizontalen 32

BECKEN / HÜFTGELENK BEACHTE! In Rückenlage befindet sich die Lendenwirbelsäule in einer physiologischen Lordose und das Becken ist leicht nach ventral gekippt (Neutralstellung). Durch den Thomas-Handgriff wird das Bein weit angebeugt und das Becken um ca. 10 nach dorsal gedreht, die LWS-Lordose hebt sich auf. Bleibt das andere Bein auf der Bank liegen, so ist diese Hüfte ca. 10 gestreckt. Bleibt das Bein nicht liegen, so liegt eine mangelnde Extension oder sogar eine Beugekontraktur vor. THOMAS-HANDGRIFF EXTENSION DER HÜFTE THOMAS-HANDGRIFF BEUGEKONTRAKTUR 33