Wie gelingt gemeinsame Verantwortung im Kinderschutz aus unterschiedlicher Perspektive? Gila Schindler, Rechtsanwältin, Heidelberg

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Transkript:

Wie gelingt gemeinsame Verantwortung im Kinderschutz aus unterschiedlicher Perspektive? Gila Schindler, Rechtsanwältin, Heidelberg

Woher wir kommen: Kinderschutz in Zeiten der Heimerziehung Wo wir stehen: Kinderschutz nach KICK und KiWoMaG Wohin wir gehen: Kinderschutz mit dem BKiSchG

Die Frage nach der gemeinsamen Verantwortung aus unterschiedlicher Perspektive gibt Anlass, die jeweiligen Perspektiven anzusehen: Der Kinderschutz lernt laufen

Verfassungsrecht: Art. 6 Abs. 2 GG Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Dem Staat und den Gemeinden wurde die Aufgabe der Reinerhaltung, Gesundung und sozialen Förderung der Familie zugewiesen. Der staatlichen Gemeinschaft wurde aufgegeben, die Jugend gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige und körperliche Verwahrlosung zu schützen und die erforderlichen Einrichtungen zu schaffen.

Aufgabe des Jugendamts nach 5 Abs. 1 JWG war es daher, die für die Wohlfahrt der Jugend erforderlichen Einrichtungen zu schaffen. Hierzu gehörten insbesondere auch Einrichtungen für die erzieherischen Maßnahmen des Jugendschutzes und für gefährdete Minderjährige

In der Jugendhilfe der jungen Bundesrepublik galt als oberstes Ziel die gesellschaftliche Tüchtigkeit ( 1 RJWG/JWG). Kinder und Jugendliche sollten zuvorderst zu funktionierenden Gliedern der Gesellschaft erzogen werden. Ziele der Erziehung waren demnach Anpassungsbereitschaft, Gehorsam, Fleiß, Ordnung und Anspruchslosigkeit.

Das Kind bedarf des Schutzes und der Hilfe, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Der Verfassungsgeber geht davon aus, dass diejenigen, die einem Kind das Leben geben, von Natur aus bereit und berufen sind, die Verantwortung für seine Pflege und Erziehung zu übernehmen.

Der Staat als Wächter hat kein eigenes Recht der gestaltenden Erziehung des Kindes anstelle der Eltern oder gegen deren sich in den Grenzen der Pflicht haltenden Willen. Das Wächteramt des Staates beruht in erster Linie auf dem Schutzbedürfnis des Kindes, dem als Grundrechtsträger eigene Menschenwürde und ein eigenes Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit zukommt.

Die Generalklausel des 1666 Abs. 1 BGB gibt dem Leitgedanken des Wächteramtes Ausdruck: Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.

Das Gesetz ordnet die Befugnisse zur Ausübung des staatlichen Wächteramtes in erster Linie in die familienrechtliche Sorge ein. Die vorgesehenen Maßnahmen sind in die Hand des Familiengerichts gelegt; das entspricht der Tragweite des Eingriffs in die familiäre Lebensgemeinschaft und in das Elternrecht.

Die Kinder- und Jugendhilfe soll Kindeswohlgefährdungen vorbeugen, sie soll Eltern unterstützen in der Ausübung ihrer Erziehungsverantwortung Hierfür werden den Eltern Leistungen zur Verfügung gestellt, die nicht allein im stationären Bereich, sondern möglichst vorwiegend ambulant erbracht werden.

Die Jugendämter bedürfen zur Erfüllung ihres Kindesschutzauftrages der Gerichte, wenn ein Eingriff in die elterliche Sorge erforderlich ist. Die Gerichte sind ihrerseits auf die Jugendämter angewiesen, etwa als Initiator des Verfahrens sowie als sozialpädagogische Fachbehörde, welche die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe anbietet und die Geeignetheit und Notwendigkeit der Maßnahmen einschätzt und vorträgt.

Das Jugendamt ruft das Gericht (erst) an, wenn es sein Handlungspotential ausgeschöpft hat. Trifft das Gericht keine Maßnahmen, so bleibt das gefährdete Kind schutzlos. Trifft das Gericht Maßnahmen, ohne dass diese vom Jugendamt unterstützt werden, so bleibt das gefährdete Kind ebenfalls schutzlos.

Erfolgreicher Kinderschutz benötigt daher eine Verantwortungsgemeinschaft zwischen Jugendamt und Gericht

Aktuelle rechtliche Grundlagen von Jugendamt und Familiengericht: Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe KICK: Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls KiWoMaG: Änderungen im Kindschaftsrecht und im familiengerichtlichen Verfahren im Umgang mit Kindeswohlgefährdungen

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinderund Jugendhilfe hat der Gesetzgeber erstmals ausdrückliche Regelung zur Wahrnehmung des Schutzauftrags bei Kindeswohlgefährung normiert. Die gesetzliche Regelung entspricht der Entwicklung von Verfahrensstandards im Bereich des Kindesschutzes

Schwerwiegende Fälle von Kindeswohlgefährdung, Mangel an verbindlichen Kooperationsstrukturen und Qualitätsstandards im Bereich des Kinderschutzes strafrechtliche Prozesse wegen möglicher Verletzung der Garantenpflicht von Jugendamtsmitarbeiter/inne/n Entwicklung eigener Konzepte zur Wahrnehmung des Schutzauftrags durch einzelne Jugendämter Konkretisierung und Qualifizierung der Wahrnehmung des Schutzauftrags der Kinder- und Jugendhilfe auch durch gesetzliche Regelung (Entwurf 8a SGB VIII)

Teufelskreis des Negativimages der öffentlichen Jugendhilfe

Beachtung der ausdrücklich benannten Schwelle zur Wahrnehmung des Schutzauftrags Informationsgewinnung und Gefährdungseinschätzung Beteiligung des Kindes oder Jugendlichen und der Personensorgeberechtigten Verknüpfung der Schutzpflichten der Leistungserbringer (nach dem SGB VIII) mit dem Schutzauftrag des Jugendamtes Hinwirken auf gemeinsamen Ansatz mit den Eltern Kooperation mit anderen Stellen

Feststellung der Kindeswohlgefährdung: kein beobachtbarer Sachverhalt, sondern rechtliches Konstrukt Die Einschätzung der Fähigkeit bzw. Bereitschaft der Eltern zur Gefahrenabwehr Die Prognose über die weitere Entwicklung der Gefährdungsdynamik

Der Zugang zu den Eltern als Schlüssel für die Hilfe für das Kind, aber: Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken.

Vor dem Hintergrund erschütternder Fälle von Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen sowie besorgniserregender Fälle von Kinder- und Jugenddelinquenz hat das BMJ im März 2006 eine Experten-Arbeitsgruppe Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls eingesetzt.

Überprüfung der gesetzlichen Vorschriften zu gerichtlichen Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (insbesondere 1666, 1631b BGB, 34 JGG) mit dem Ziel, familiengerichtliche Maßnahmen bei Kindeswohlgefährdung zu erleichtern. Dabei geht es insbesondere auch darum, die Erziehungsberechtigten zur Inanspruchnahme von Jugendhilfeleistungen verpflichten zu können und auf die Kinder oder Jugendlichen erzieherisch einzuwirken und sie erforderlichenfalls unterbringen zu können.

Neufassung der Eingriffsvoraussetzungen Beibehaltung der objektiven Eingriffsschwelle Kindeswohlgefährdung Streichung der subjektiven Voraussetzung des elterlichen Erziehungsversagens, Konkretisierung der Rechtsfolgen Verfahrensrechtliches Beschleunigungsgebot Erörterung der Kindeswohlgefährdung Überprüfung nach Absehen von gerichtlichen Maßnahmen

Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere 1. Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, 2. Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, 3. Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, 4. Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, 5. die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, 6. die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls sind vorrangig und beschleunigt durchzuführen ( 155 Abs. 1 FamFG).

In Verfahren nach den 1666 und 1666a BGB soll das Gericht mit den Eltern und in geeigneten Fällen auch mit dem Kind erörtern, wie einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls, insbesondere durch öffentliche Hilfen, begegnet werden und welche Folgen die Nichtannahme notwendiger Hilfen haben kann. Das Gericht soll das Jugendamt zu dem Termin laden.

Funktion: Strukturieren und prozesshaft Begleiten Ziel: Rückgewinnung der Selbststeuerung Botschaft des FamG: auf der Suche nach Lösungen sind Sie hier falsch ( Lassen Sie sich helfen, mich wieder loszuwerden. frei nach M.-L. Conen) Entschleunigung auch bei Beschleunigung

Erörterung mit den Beteiligten ( 155 Abs. 2 Satz 1, 157 Abs. 1 FamFG) Kindeswohlgefährdung frühzeitig sondieren: Initiierung öffentlicher Hilfen? Angebotene Leistungen Einstweilige Anordnung prüfen ( 157 Abs. 3 FamFG) Bestellung Verfahrensbeistand Sachverständige/r

Anhörung des Jugendamts im Termin ( 155 Abs. 2 Satz 3 FamFG) Im Kontext der Kindeswohlgefährdung ist die frühe Terminierung nicht neu Anhörung des Jugendamts wie gehabt: Anrufung in der Regel durch das Jugendamt mit ausführlicher schriftlicher Stellungnahme

Ehemals: Überprüfungs- und Aufhebungspflicht angeordneter Maßnahmen ( 1696 Abs. 2 und 3 BGB) Jetzt zusätzlich: Überprüfung nach Absehen von gerichtlichen Maßnahmen ( 166 Abs. 3 FamFG) Anknüpfung an eine frühere Befassung des Gerichts ( alle verfahrensbeendenden Maßnahmen ) Erwartete Vorwirkung: Druck auf Eltern, Zusagen im Hinblick auf die Kooperation mit dem Jugendamt, auch tatsächlich einzuhalten Überprüfungsintervall: in der Regel nach drei Monaten

Regelungsgegenstand KiWoMaG (Änderungen FGG) FamFG (Nachfolge FGG) Anhörung der Eltern 50a FGG 160 FamFG Vorrang- und Beschleunigungsgebot Erörterung der Kindeswohlgefährdung Anwendbare Vorschriften bei Unterbringung von Minderjährigen 50 e FGG 155 FamFG 157 FamFG 50 f FGG 157 FamFG 70 e FGG 167 FamFG

Mit der Neuregelung kommt es zu einer stärkeren Überlappung der Aufgaben von Jugendamt und Familiengericht Bei unveränderter Eingriffsschwelle erhält das FamG die neue Pflicht ( soll ) zur Erörterung der Kindeswohlgefährdung, um eine mögliche Gefährdung abzuwenden Das Familiengericht erhält parallel zum Jugendamt die Pflicht, die weitere Entwicklung eines Hilfeprozesses im Blick zu behalten

Die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben hängt entscheidend ab von den fachlichen Kompetenzen der Akteure (Fortbildungsbedarf) der Kenntnis und Akzeptanz der unterschiedlichen Aufträge der verschiedenen Akteure der örtlichen Kooperationskultur

Ich gebe ab...

Das Bundeskinderschutzgesetz BKiSchG: Änderungen vor allem mit Blick auf die Verantwortungsgemeinschaft und Aufgaben anderer durch Pflicht zur Bildung von Netzwerken Kinderschutz Wie gelingt gemeinsame Verantwortung im Kinderschutz?

Gemäß 3 Abs. 1 KKG sollen flächendeckend verbindliche Strukturen der Zusammenarbeit der zuständigen Leistungsträger und Institutionen im Kinderschutz mit dem Ziel aufgebaut und weiterentwickelt werden, sich gegenseitig über das jeweilige Angebots- und Aufgabenspektrum zu informieren, strukturellen Fragen der Angebotsgestaltung und -entwicklung zu klären sowie Verfahren im Kinderschutz aufeinander abzustimmen.

Jugendamt freie Träger der JH und der Eingliederungshilfe nach SGB XII Gesundheitsämter Sozialämter gemeinsame Servicestellen Schulen Polizei- und Ordnungsbehörden Agenturen für Arbeit Krankenhäuser Sozialpädiatrische Zentren Frühförderstellen Beratungsstellen für soziale Problemlagen Schwangerschaftsberatungsstellen Einrichtungen/Dienste der Müttergenesung zum Schutz gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen Familienbildungsstätten Familiengerichte Angehörige der Heilberufe

Gestaltungsaufgabe Kinderschutznetzwerke Verantwortung liegt sofern Landesrecht nichts anderes bestimmt beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe, aber Chance auf Mitbestimmung durch alle.

4 KKG enthält entgegen der primären Intention zur Normierung einer Datenübermittlungsbefugnis vor allem konkrete Handlungsanweisungen. Übereinstimmung mit der Wahrnehmung des Schutzauftrags durch Träger der Jugendhilfe Bestätigung der Verfahrensvorgaben.

Aber Datenschutz bleibt Datenschutz und sollte gerade dann besondere Beachtung finden, wenn Kooperation gefordert und gefördert wird. Beachtung der informationellen Selbstbestimmung der Kinder und ihrer Familien kann als Korrektiv dienen, deren Bedürfnisse insgesamt besser wahrzunehmen.

Bietet die Erweiterung der Verantwortungsgemeinschaft im Kinderschutz Chancen? Wie kann oder will das FamG die Einbindung in das Netzwerk Kinderschutz nutzen? Wie kann das Jugendamt das Netzwerk koordinieren, ohne dass es zu Selbstzweck wird und Überforderung generiert?