Ermittlung der Messunsicherheit nach DEV A0-4 Laborleitertreffen 008 Fachgruppe Freiberufliche Chemiker und Inhaber freier unabhängiger Laboratorien in der GDCh Frankfurt, 6..08 Dr.-Ing. Michael Koch Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft der Universität Stuttgart Abteilung Hydrochemie Bandtäle D-70569 Stuttgart Tel.: 0711 685 65444 / Fax: 0711 685 67809 E-Mail: Michael.Koch@iswa.uni-stuttgart.de Messunsicherheit Aufgrund der Komplexität und des hohen Aufwands für das im GUM und im EURACHEM/CITAC-Guide beschriebene Verfahren hat der Normenauschuss Wasseranalytik beschlossen, einen Leitfaden zu erarbeiten, mit dessen Hilfe man aus Validierungsdaten Messunsicherheiten abschätzen kann Koch, M. - Messunsicherheit 1
DEV A0-4: Leitfaden zur Abschätzung der Messunsicherheit aus Validierungsdaten Publiziert im Januar 006 Beruht hauptsächlich auf dem NORDTEST- Handbook for calculation of measurement uncertainty in environmental laboratories 3 Koch, M. - Messunsicherheit http://www.nordicinnovation.net/nordtest.cfm Messunsicherheit und Kundenanforderungen Die Qualität eines Analysenergebnisses kann nur vor dem Hintergrund der Anforderungen des Kunden an die Qualität der Analytik beurteilt werden. In vielen Fällen können die Kunden des Labors aber solche Anforderungen nicht spezifizieren. Dann ist das Labor gefordert, selbst sinnvolle Qualitätsanforderungen ggf. gemeinsam mit dem Kunden festzulegen. 4 Koch, M. - Messunsicherheit
Messunsicherheiten als Qualitätsindikator Man könnte versucht sein zu meinen, dass das Labor mit der kleinsten Messunsicherheit das beste Labor ist. Dies ist nicht nur unsinnig (die Messunsicherheit muss nur die Anforderungen erfüllen, sondern gefährlich Dies führt früher oder später zu unsinnigen Angaben (und der ganze Aufwand war umsonst Tun Sie alles in Ihrer Macht stehende, um die Nutzung der Messunsicherheit als Wettbewerbsinstrument zu verhindern! 5 Koch, M. - Messunsicherheit Wie werden Messunsicherheiten angegeben? Als Bereich, innerhalb dessen der wahre Wert mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (Vertrauensniveau erwartet wird. Die Angabe des Vertrauensniveaus ist unverzichtbar Standardunsicherheit u: Vertrauensniveau der Standardabweichung (also 68,3% Erweiterte Unsicherheit U: Multiplikation von u mit einem Faktor k. k ergibt ein Vertrauensniveau von ca. 95%. Aus Gründen der Vergleichbarkeit wird eine Angabe mit k empfohlen 6 Koch, M. - Messunsicherheit 3
Ansatz zur Abschätzung Zufällige Abweichungen Systematische Abweichungen Abschätzungsverfahren Messunsicherheit 7 Koch, M. - Messunsicherheit Ablauf Ermittlung der zufälligen Abweichungen Reproduzierbarkeit innerhalb des Labors u Rw Ermittlung der systematischen Abweichungen Systematische Methoden- und Laborabweichungen u deckt Kontrollprobe gesamten analytischen Prozess ab? Schätzung der Unsicherheitskomponente u Rw aus der Standardabweichung z.b. s Rw aus Kontrollkarte Bias, Standardabweichung des Bias s und Unsicherheit des Referenzwertes u Cref werden kombiniert geeignetes Referenzmaterial vorhanden? stabile synthetische Kontrollprobe vorhanden? u Rw,Standard aus Kontrollkarte und zusätzlich Schätzung der Unsicherheit aus der Matrixvariation, z.b. u Rw,Spannweite aus Spannweitenkarte u setzt sich zusammen aus dem Mittel der systemat. Abweichungen RMS und der Unsicherheit der Vorgabewerte u Cref mindestens 5 Ringversuchsproben analysiert? instabile Kontrollprobe? Wiederholbarkeit u Rw,Spannweite aus der Spannweitenkarte, zusätzlich Schätzung der Unsicherheit zwischen den Serien u Rw,Serie u setzt sich zusammen aus Abweichung von der vollständ. Wiederfindung RMS und der Unsicherheit der Aufstockung u Aufst Wiederfindung von mindestens 5 Proben ermittelt? Grobe Schätzung der kombinierten Unsicherheit aus der Vergleichsstandardabweichung eines Ringversuchs u s R 8 Koch, M. - Messunsicherheit Kombinierte Standardunsicherheit u + u Rw u Erweiterte Unsicherheit U k u Grobe Schätzung der kombinierten Unsicherheit aus der Vergleichsstandardabweichung eines Ringversuchs u s R 4
Ermittlung der zufälligen Abweichungen Reproduzierbarkeit innerhalb des Labors u Rw Ermittlung unter den Bedingungen, die auch bei der Routineanalytik gelten Keine Wiederholbedingungen Keine Vergleichsbedingungen Sondern Zwischenbedingungen Diese Bedingungen gelten z.b. für Regelkarten 9 Koch, M. - Messunsicherheit u Rw Fall 1: Kontrollproben, die die gesamte Analytik abdecken wenn die Kontrollprobe den gesamten analytischen Bereich abdeckt und die Matrices der Kontrollprobe und der Routineproben ähnlich sind dann kann R w direkt aus der Analytik der Kontrollproben (Regelkarte abgeschätzt werden. Bei großen Konzentrationsbereichen sollten mehrere Kontrollproben unterschiedlicher Konzentration verwendet werden Wert rel. Unsicherheit Kommentar Reproduzierbarkeit innerhalb des Labors R w Kontrollprobe 1 X 0,01 µg/l s Rw Standardabweichung 0,5 µg/l,5 % aus 75 Messungen im Jahr 005 Kontrollprobe X 50,3 µg/l s Rw Standardabweichung 3,7 µg/l 1,5 % aus 50 Messungen im Jahr 005 Andere Komponenten --- 10 Koch, M. - Messunsicherheit 5
u Rw Fall : Kontrollproben, für verschiedene Matrices und Konzentrationen wenn eine synthetische Kontrollprobe verwendet wird und die Matrices der Kontrollprobe und der Routineproben nicht ähnlich sind dann müssen die Unsicherheitsbeiträge, die aus den verschiedenen Matrices resultieren, zusätzlich einbezogen werden Diese können aus der Wiederholbarkeit bei verschiedenen Matrices (Spannweitenregelkarte abgeschätzt werden Wert u(x Kommentar Reproduzierbarkeit innerhalb des Labors R w low level (-15 µg/l high level (>15 µg/l s Rw s Rw 0,5 µg/l aus der Mittelwert-Regelkarte 0,37 µg/l aus der Spannweiten-Regelk. 1,5 % aus der Mittelwert-Regelkarte 3,6 % aus der Spannweiten-Regelk. 0,6 µg/l 3,9 % Absolut: u x ( 0,5 + 0,37 Relativ: u( x 1,5% + 3,6% Die Wiederholbarkeit (der Kontrollprobe geht hier doppelt mit ein!! 11 Koch, M. - Messunsicherheit u Rw Fall 3: Instabile Kontrollproben wenn eine es keine stabilen Kontrollproben gibt (z.b. Sauerstoffmessung dann können zunächst nur Unsicherheitsbeiträge aus der Wiederholbarkeit (Spannweitenregelkarte abgeschätzt werden die Langzeit-Komponenten (von Serie zu Serie müssen beispielsweise über eine Expertenschätzung aus der Erfahrung hinzugefügt werden Wert Reproduzierbarkeit innerhalb des Labors R w u(x Kommentar Doppelmessungen an realen Proben s r s 0,04 mg/l Mittelwert: 7,53 mg/l 0,3 % aus 50 Messungen Abgeschätzte Variation durch Differenzen in der Kalibrierung s 0,5 % 0,5 % basierend auf Erfahrung Kombinierte Unsicherheit für R w Wiederholbarkeit + Reproduzierbarkeit der Kalibrierung 0,3% + 0,5% 0,59% 1 Koch, M. - Messunsicherheit 6
Ermittlung der systematischen Methoden- und Laborabweichung kann abgeschätzt werden aus der Analytik von zertifizierten Referenzmaterialien der Teilnahme an Ringversuchen aus Wiederfindungsexperimenten Quellen für systematische Abweichungen sollten, wenn möglich, immer eliminiert werden Wenn die systematische Abweichung signifikant ist und auf zuverlässigen Daten (z.b. ZRM basiert, sollte das Messergebnis entsprechend korrigiert werden Systematische Abweichungen können von der Matrix abhängen. Dies kann durch die Verwendung von in der Matrix unterschiedlichen Referenzmaterialien geprüft werden. 13 Koch, M. - Messunsicherheit u - Komponenten der Unsicherheit Die Abweichung selbst (in % Differenz vom Vorgabewert bzw. zertifizierten Wert Die Unsicherheit des Vorgabewerts bzw. zertifizierten Werts u(c ref u kann abgeschätzt werden aus: u RMS ( i + u( Cref mit RMS nr bzw. wenn nur ein ZRM verwendet wird: s ( + u( Cref n M u + 14 Koch, M. - Messunsicherheit 7
u Fall 1: Verwendung eines zertifizierten Referenzmaterials Das Referenzmaterial sollte in mindestens 5 Serien mitanalysiert worden sein. Beispiel: Zertifizierter Wert: 11,5 ± 0,5 (95% Vertrauensintervall Unsicherheitskomponente aus der Unsicherheit des zertifizierten Werts Umrechnung des Vertrauensintervalls in Standardunsicherheit Umrechnung in relative Unsicherheit u(c ref Das Vertrauensintervall ist ± 0,5. Division durch 1,96 ergibt die Standardunsicherheit: 0,5/1,960,6 100 (0,6/11,5,1% 15 Koch, M. - Messunsicherheit u Fall 1: Verwendung eines zertifizierten Referenzmaterials Quantifizierung der Abweichung das ZRM wurde 1 mal analysiert. Die Mittelwert liegt bei 11,9 mit einer Standardabweichung von,% damit ergibt sich: 100 (11,9 11,5/11,5 3,48% s M,% mit n 1 Die Standardunsicherheit ist damit: u s ( + + u( Cref nm,% (3,48% + 1 +,1% 4,% und 16 Koch, M. - Messunsicherheit 8
u Fall : Verwendung mehrerer zertifizierter Referenzmaterialien Quantifizierung der Abweichung Abweichung ZRM1 ist 3,48%, s,% (n M 1, u(c ref,1% Abweichung ZRM ist -0,9%, s,0% (n M 7, u(c ref 1,8% Abweichung ZRM3 ist,4%, s,8% (n M 10, u(c ref 1,8% RMS ist dann: ( i 3,48% + ( 0,9% +,4% RMS,5% nr 3 und die mittlere Unsicherheit des zertifizierten Wertes u(c ref : 1,9% Damit ist die gesamte Standardunsicherheit der Abweichung: u RMS + u( Cref,5% + 1,9% 3,1% 17 Koch, M. - Messunsicherheit u Fall 3: Verwendung von Ringversuchsergebnissen Um ein einigermaßen klares Bild der Abweichungen eines Labor zu bekommen, sollte das Labor an mindestens sechs Ringversuchsproben innerhalb eines angemessenen Zeitraums analysiert haben Unsicherheitskomponente aus der Unsicherheit des Vorgabewerts Daten der Ringversuche s u( Cref i 1,5 n u( C ref i n R, i u( C R T, i ref i s R,1 3,1%, n T,1 8 s R, 4,8%, n T, 8 s R,3 7,6%, n T,3 8 s R,4 5,3%, n T,4 35 s R,5 6,9%, n T,5 35 s R,6 8,4%, n T,6 35 u(c ref 1 0,7% u(c ref 1,1% u(c ref 3 1,77% u(c ref 4 1,10% u(c ref 5 1,43% u(c ref 6 1,75% u(c ref 1,31% 18 Koch, M. - Messunsicherheit 9
u Fall 3: Verwendung von Ringversuchsergebnissen Quantifizierung der Abweichung Die Abweichung betrug in den 6 Proben: %, 7%, -%, 3%, 6% und 5% Damit ergibt sich RMS zu: RMS ( i % + 7% + ( % + 3% + 6% + 5% nr 6 4,6% Damit ist die gesamte Standardunsicherheit der Abweichung: u RMS + u( Cref 4,6% +,6% 5,3% 19 Koch, M. - Messunsicherheit u Fall 4: Aus Wiederfindungsversuchen Die Wiederfindung von Aufstockungen von Proben während der Validierung kann wertvolle Informationen für die Abschätzung systematischer Abweichungen liefern. Beispiel: Aufstockungen in 6 verschiedenen Matrices ergaben Wiederfindungen von 95%, 98%, 97%, 96%, 99% und 96%. Die Aufstockung wurde mit einer Mikropipette zugegeben. Unsicherheitskomponente aus der Aufstockung Unsicherheit der Konzentration der Zugabe u(conc Unsicherheit des zugegebenen Volumens u(vol Unsicherheit der Aufstockung u(c recovery aus dem Zertifikat: 95% Vertauensintervall ± 1, % u(conc 0,6 % vom Hersteller der Mikropipette: max. Abweichung: 1% (Rechteckverteilung, Wiederholbarkeit: max. 0,5% (Standardabw. 1% u( vol + 0,5% 0,76% 3 u( conc + u( vol 0,6% + 0,76% 1,0% 0 Koch, M. - Messunsicherheit 10
u Fall 4: Aus Wiederfindungsversuchen Quantifizierung der Abweichung Für RMS ergibt sich: RMS 5% + % + 3% + 4% 6 + 1% + 4% 3,44% Damit ist die gesamte Standardunsicherheit der Abweichung: u RMS + u( Cre cov ery 3,44% + 1,0% 3,6% 1 Koch, M. - Messunsicherheit Kombination der Unsicherheiten (Reproduzierbarkeit im Labor und systematische Abweichungen Reproduzierbarkeit u(r w (aus Kontrollproben und ggf. zusätzlichen Abschätzungen systematische Abweichungen u( (aus ZRM, Ringversuchen oder Wiederfindungsexperimenten Kombination: u c u( Rw + u( Koch, M. - Messunsicherheit 11
Berechnung der erweiterten Unsicherheit zur Umrechnung auf (ca. 95%- Signifikanzniveau U u c 3 Koch, M. - Messunsicherheit Alternativmethode - direkte Nutzung von Vergleichsstandardabweichungen Wenn die Daten für die gezeigten Berechnungen nicht vorliegen und Wenn die Anforderungen an die Messunsicherheit gering sind Grobe Schätzung: u c s R Damit wird dann U S R Diese Schätzung könnte - abhängig von der Qualität des Labors - zu hoch sein ("worst case" Sie könnte aber wegen Probeninhomogenitäten oder anderer Matrices auch zu niedrig sein 4 Koch, M. - Messunsicherheit 1
Vergleichsstandardabweichung aus der Norm Das Labor muss zunächst zeigen, dass es das Verfahren beherrscht keine systematischen Abweichungen Wiederholstandardabweichung s r aus Norm wird erreicht Die erweiterte Messunsicherheit ist dann: U s R 5 Koch, M. - Messunsicherheit Vergleichsstandardabweichung aus der Norm Beispiel - Quecksilber nach DIN EN 1483 (E1 Vergleichsvariationskoeffizient Trinkwasser Oberflächenwasser Abwasser Erweiterte Messunsicherheit in Trinkwasser bei 0,8 µg/l: U VC R 60 % 6 Koch, M. - Messunsicherheit 13
Vergleichsstandardabweichung aus Ringversuchen Das Labor muss den Ringversuch erfolgreich absolviert haben Wenn der Ringversuch alle relevanten Unsicherheitskomponenten abdeckt (Matrix? Die erweiterte Messunsicherheit ist dann ebenfalls: U s R 7 Koch, M. - Messunsicherheit Vergleichsstandardabweichung aus Ringversuchen Quecksilber in verschiedenen TW-Ringversuchen u c s R % U 44% Graphik aus www.aqsbw.de 8 Koch, M. - Messunsicherheit 14
Angabe der Messunsicherheit Zur Angabe gehört immer das Vertrauensniveau Nach Möglichkeit sollte auch die Art der Abschätzung angegeben werden Beispiel aus DEV A0-4: SO - 4 in Abwasser (ISO 10304-: 100 ± 8 mg/l* * die Messunsicherheit wurde aus Ringversuchsergebnissen abgeleitet. Sie stellt eine erweiterte Unsicherheit dar und wurde durch die Multiplikation mit dem Erweiterungsfaktor k erhalten; dies entspricht einem Vertrauensniveau von ca. 95%. 9 Koch, M. - Messunsicherheit Excel-File zur DEV A0-4 Zur DEV A0-4 wurde von uns ein Excel-File erarbeitet. Er ist auf den Internetseiten der GDCh und auf unserer Internetseite verfügbar 30 Koch, M. - Messunsicherheit 15