DIE ARBEITSWELT GESTALTEN

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Transkript:

Hightech Forum Fachforum Innovative Arbeitswelten DIE ARBEITSWELT GESTALTEN IMPULSE FÜR EINE QUALIFIZIERUNGSSTRATEGIE 4.0 1

DAS HIGHTECH-FORUM Als innovationspolitisches Beratungsgremium begleitet das Hightech-Forum die Umsetzung und Weiterentwicklung der Hightech-Strategie der Bundesregierung seit Anfang 2015. Dem Gremium gehören 20 hochrangige Mitglieder aus Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft an. Ihr Wirken im Hightech-Forum ermöglicht eine integrierte Perspektive auf die deutsche Forschungs- und Innovationspolitik. Gemeinsam legt das Hightech-Forum zentrale Empfehlungen für eine zukünftige Innovationspolitik vor. In acht Fachforen erarbeiten die Mitglieder zudem weitergehende Empfehlungen zu innovationspolitischen Querschnittsaufgaben und prioritären Zukunftsfeldern. Die vorliegende Publikation ist ein Ergebnispapier des Fachforums Innovative Arbeitswelten. Das Papier gibt die Meinung des Fachforums wieder und stellt nicht zwangsläufig die Meinung aller Mitglieder des Hightech-Forums dar. FACHFORUM INNOVATIVE ARBEITSWELTEN Die Bundesregierung sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gewerkschaften sowie weitere gesellschaftliche Akteure beschäftigen sich in zahlreichen Programmen und Projekten mit dem Wandel der Arbeit. Wichtige Fragen wie beispielsweise die Arbeitszeit, Mitbestimmung, Arbeitsbelastung oder auch die Digitalisierung von Wissensarbeit werden in diesen Projekten thematisiert. Das Fachforum fokussierte sich deshalb auf ausgewählte Themen innovativer Arbeitswelten und entwickelte für die Themen Qualifizierung 4.0 sowie Diversity 4.0 politische Handlungsempfehlungen. Anhand eines Praxisbeispiels zur Digitalisierung personenbezogener Dienstleistungen in der stationären Pflege wurden exemplarisch die Möglichkeiten und Auswirkungen digitaler Technologien in einem ausgewählten Wirtschaftsbereich betrachtet. Die vorliegenden Empfehlungen sollen Impulse für öffentliche Fachdiskurse und politische Debatten zu Aus- und Weiterbildung vor dem Hintergrund des technologischen Wandels liefern. 2

HINTERGRUND NAHEZU JEGLICHE FORM DER ERWERBSARBEIT IN DEUTSCHLAND erfolgt unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik. Digitale Technologien erweitern die Potenziale für Wertschöpfung und Innovation und haben daher erhebliche Auswirkungen auf Arbeitsinhalte, Arbeitsprozesse und Arbeitsumgebung. Die Beschäftigten werden allerdings durch den zunehmenden Einsatz neuer und schnellerer Technologien in rascher Folge mit neuen Entfaltungsmöglichkeiten, aber auch mit neuen Anforderungen konfrontiert. Es gilt somit, die Voraussetzungen dafür zu verbessern, dass sie diese Anforderungen meistern und den digitalen Wandel bestmöglich nutzen können. Neben den wachsenden fachlichen Anforderungen wird von den Beschäftigten ein hohes Maß an selbstgesteuertem Handeln, kommunikativen Kompetenzen und Fähigkeiten zur Selbstorganisation verlangt. Das bietet die Chance auf eine positive Gestaltung der Arbeit, zum Beispiel durch eine zunehmende Eigenverantwortung und Aufgabenvielfalt. Daraus ergibt sich aber auch die Anforderung für eine permanente Weiterqualifizierung. Hier liegt die Verantwortung je nach Art und Umfang der Weiterbildung, bei den Betrieben, den Individuen bzw. beim Staat. Innovationen entstehen durch die Umsetzung von kreativen Ideen und Konzepten in die betriebliche Praxis. Neues Wissen und neue Ideen entstehen nicht nur in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen, sondern in allen Gliedern der Wertschöpfungskette vor allem im kundennahen Bereich. Ein wichtiger Baustein einer Innovationsstrategie muss daher eine Qualifizierungsstrategie sein, die sowohl die berufliche und akademische Ausbildung als auch das lebensbegleitende Lernen umfasst. Eine solche Strategie muss alle Beschäftigten von den An- und Ungelernten über die Facharbeiterinnen und Facharbeiter bis hin zu den akademisch Qualifizierten umfassen. Insbesondere ist darauf zu achten, dass Nicht-Beschäftigte in der Phase ihrer Beschäftigungslosigkeit den Anschluss an die sich verändernde Arbeitswelt nicht verlieren. Es wäre zu kurz gegriffen, den Ruf nach höher qualifizierten Beschäftigten mit der schlichten Forderung nach einer Akademisierung der Arbeitswelt zu verbinden. Wenn Hierarchien abgebaut und Entscheidungsprozesse auf den Hallenboden verlegt werden, werden auch Beschäftigte gebraucht, die im Prozess der Arbeit gelernt haben. In den Betrieben wird auch künftig sowohl eine Nachfrage nach hochschulisch Ausgebildeten als auch nach beruflich qualifizierten Menschen bestehen. Eine zielführende Qualifizierungsstrategie darf sich daher nicht darauf beschränken, den Anteil der akademisch Qualifizierten zu erhöhen. Bei einer Qualifizierungsstrategie für die Arbeitswelt 4.0 darf es ebenso nicht allein um den Ausbau von IT-Kenntnissen gehen. Mit zunehmender Automatisierung und Digitalisierung werden die Systeme komplexer, die Verantwortlichkeiten dezentraler und die Störungen in automatisierten Systemen müssen von den Beschäftigten situativ bewältigt werden. Die Fähigkeit stärker auszuprägen, für Prozesse Verantwortung zu übernehmen und in vernetzten und bereichsübergreifenden Prozessen zu denken und zu handeln, ist neben der Herstellung einer verbesserten IT-Kompetenz das wichtigste Handlungsfeld. Deshalb müssen personale Kompetenzen gestärkt werden. Zudem wird in vielen Bereichen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit an Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt, um die Fähigkeit zum interdisziplinären Austausch zu mehren, sollten Zugänge und Anschlüsse zu Fortbildung und Weiterqualifizierung für den Einzelnen gangbar gemacht und durchlässiger werden. Um darüber hinaus das Lernen im Prozess der Arbeit und damit die erforderliche Anbindung von abstrakten Lerninhalten an die berufliche Praxis zu ermöglichen, sollten Arbeitsplätze zu Lernorten ausgebaut werden. Digitale Assistenzsysteme sind dabei ein wichtiger Ansatzpunkt, wenn sie in eine moderne Didaktik integriert werden. Für eine auf diesen Einsichten aufbauende, umfassende Qualifizierungsstrategie für die Arbeitswelt 4.0 sollten die folgenden Aspekte berücksichtigt werden. 3

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN NEUGESTALTUNG VON AUSBILDUNGSBERUFEN Die Neuordnung der Ausbildungsberufe gestalten Staat, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften gemeinsam im Konsens. Durch dieses Verfahren sind die Berufe sehr nahe an den Anforderungen der Arbeitswelt. Viele Ausbildungsordnungen sind bereits heute technikoffen formuliert, so dass neue Technologien gut in die praktische betriebliche Ausbildung integriert werden können. Zudem werden Ausbildungen prozess- und kompetenzorientiert gestaltet. Hier ergibt sich Anforderungsbedarf auf ordnungspolitischer Ebene: Die Neuordnungsverfahren sind zwar grundsätzlich gut für die Arbeitswelt 4.0 gestaltet. Es ist allerdings darauf zu achten, dass Ausbildungsordnungen weiterhin technikoffen und prozess- und kompetenzorientiert gestaltet werden. Die Sozialpartner müssen zudem weiterhin die Veränderung von Ausbildungsberufen in den einzelnen Branchen systematisch prüfen. AUSBILDUNGSORDNUNGEN UMSETZEN, AUSBILDUNGSPERSONAL ALS SCHLÜSSEL Es ist zwar sinnvoll, dass Ausbildungsordnungen den Betrieben viel Gestaltungspielraum geben, aber das zwingende Gegenstück dazu ist die Befähigung der Unternehmen, diesen Spielraum auch sinnvoll auszufüllen. Ausbildungsleitende und Ausbildende nehmen eine Schlüsselposition ein und sollten für neue Aufgaben entsprechend qualifiziert sein. Sinnvoll wären daher: Auf betrieblicher Ebene: einen betrieblichen Ausbildungsplan, der systematisches Denken ermöglicht, zu entwickeln. Insbesondere wäre es angebracht, Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit (z. B. Design Thinking-Workshops, Scrums) in frühen Phasen der Ausbildung zu verankern. eine betriebliche Qualifizierung des Ausbildungspersonals für die Arbeitswelt 4.0 voranzutreiben. Auf Ebene des Bundesinstituts für Berufsbildung: eine Gründung von Netzwerken guter Praxis, in denen sich die Unternehmen über Fragen der Ausbildung 4.0 austauschen und die auch Vertreterinnen und Vertreter der Berufsschulen einbinden. Auf staatlicher Ebene: eine Weiterentwicklung des gesetzlichen Rahmens. So bietet es sich an, die Ausbildereignungsverordnung (AEVO) im Rahmen der Novelle des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) verbindlich zu machen sowie eine ständige Weiterbildung des Ausbildungspersonals zu verankern. Zudem sollte die bestehende AEVO hinsichtlich aktueller Ziele und Inhalte überprüft und ggf. mit Anforderungen an interdisziplinäre und jugendpsychologische sowie interkulturelle Kompetenzen und dem Umgang mit neuen Technologien ergänzt werden. Auf Ebene der Kammern: die Einführung einer der Arbeit 4.0 angemessenen Abschlussprüfung. Dadurch könnte sich der vorgelagerte Prozess (Ausbildung 4.0) erheblich verbessern, denn die Prüfungen beeinflussen die Ausbildung in den Betrieben. 4

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN BERUFSERFAHRUNG ANERKENNEN VALIDIERUNG NON-FORMAL UND INFORMELL ERWORBENER KOMPETENZEN REGELN Aufgrund einer zunehmend flexiblen Produktion und kurzen Innovationszyklen werden in immer höherem Tempo beruflich notwendige Kompetenzen erneuert, ergänzt und ersetzt. Beschäftigte erwerben hierbei viele Kompetenzen direkt im Prozess der Arbeit. Es ist deshalb wichtig, die Validierung von non-formal und informell erworbenen Kompetenzen sprich die Anerkennung von Berufserfahrung und persönlichen Leistungsstärken zunehmend in den Blick zu nehmen. Hierbei wird es notwendig sein, die non-formal und informell erworbenen Kompetenzen zu bilanzieren und ggf. ihre Gleichwertigkeit durch öffentliche Stellen zu bescheinigen. Hierzu gibt es vor allem Handlungsbedarf auf staatlicher Ebene: Bund, Länder, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände sollten eine nationale Validierungsstrategie entwickeln, die das bestehende Bildungs- und Qualifizierungssystem ergänzt; sie sollte ggf. gesetzlich verankert werden. Hierzu werden mit dem Projekt Valikom, das vom Bildungsministerium gemeinsam mit DIHK und ZDH durchgeführt wird, bereits Instrumente für eine Validierung entwickelt. Für im Ausland erworbene Qualifikationen sollten die Verfahren zur Anerkennung verbessert werden. Eine große Hürde sind die fehlende Einheitlichkeit und Transparenz der Anerkennungsverfahren. Nicht alle Anerkennungsregelungen insbesondere bei landesgesetzlich geregelten Berufen sind analog zum Anerkennungsgesetz umgesetzt worden. Hier gibt es eine verwirrende Vielfalt an Regelungen, welche die Anerkennung kompliziert machen. Hier könnten bundeseinheitliche, transparente Verfahren die Situation erheblich verbessern. EIN PROGRAMM FÜR DIE BERUFSSCHULE 4.0 ENTWICKELN Neben dem Lernort Betrieb müssen die Berufsschulen als zweite wichtige Säule der beruflichen Bildung in den Blick genommen werden. Hier mangelt es oftmals an der technischen Ausstattung, an einem flächendeckenden Berufsschulangebot oder an Lehrkräftenachwuchs. Mit Hilfe des Hochschulpaktes ist es in den vergangenen Jahren gelungen, in den Ausbau der Hochschulen zu investieren. Bund und Länder sollten nun in ähnlicher Weise in die Modernisierung und Qualität der Berufsschulen investieren. Hierzu gibt es vor allem Handlungsbedarf auf staatlicher Ebene: Bund und Länder sollten einen Berufsschulpakt schmieden, um die technische Ausstattung der Berufsschulen zu modernisieren und die regionale Versorgung mit Berufsschulen zu sichern. Bund und Länder sollten eine Qualitätsoffensive für die Lehre an Berufsschulen starten. Dabei ist auch die Kooperation der Berufsschulen mit innovativen Unternehmen in Netzwerken guter Praxis wichtig. Modellprojekte wie die Lernfabriken 4.0 in Baden-Württemberg können auch dazu dienen, pädagogische Modelle zu erproben, die dann in der Breite umgesetzt werden können. Das Ausbildungspersonal und auch das Lehrpersonal an Berufsschulen und überbetrieblichen Bildungsstätten (ÜBS) müssen fortlaufend weitergebildet werden und Kenntnisse über aktuelle technologische Entwicklungen haben. Hierfür spielt auch die Kooperation mit Betrieben eine wichtige Rolle, um sicherzustellen, dass das Lehr- und Ausbildungspersonal auf dem aktuellen Stand der betrieblichen Praxis ist. Auch in allgemeinbildenden Schulen ist digitale Bildung als Basiskompetenz zu stärken. Hier sollte auch an die Strategie der Kultusministerkonferenz Bildung in der digitalen Welt angeknüpft werden. 5

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN GLEICHWERTIGKEIT UND DURCHLÄSSIG- KEIT ZWISCHEN BERUFLICHER UND AKADEMISCHER BILDUNG SICHERN Zwar existiert mit dem zweiten Bildungsweg ein System, dass es ermöglicht, Bildungsabschlüsse zu erwerben. Dennoch kann die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung noch erhöht werden. Um beruflich Qualifizierten einen besseren Zugang zur Hochschule zu ermöglichen, wären folgende Maßnahmen auf staatlicher Ebene zu erwägen: Das Ziel, die Hochschulen grundsätzlich stärker für Menschen ohne Abitur zu öffnen, könnte als Leistungsindikator in Zielvereinbarungen mit den Hochschulen aufgenommen werden. Dies könnte die bereits bestehende Durchlässigkeit im Bildungssystem, die in beide Richtungen verläuft, weiter erhöhen. Für das Duale Studium sollte die Einführung bundeseinheitlicher bzw. länderübergreifender Mindeststandards geprüft werden. Sie soll das Verhältnis zwischen betrieblichem und hochschulischem Lernen definieren. Der betriebliche Teil des Dualen Studiums sollte in den Anwendungsbereich des Berufsbildungsgesetzes aufgenommen werden. Insbesondere für den betrieblichen Teil des Dualen Studiums sollten verbindliche Qualitätskriterien gelten. WEITERBILDUNG ALS ZENTRALEN BAUSTEIN EINER QUALIFIZIERUNGS- STRATEGIE 4.0 AUSBAUEN Im Zuge der Entwicklung zur Arbeitswelt 4.0 ist es im Interesse der Unternehmen, in ihren Betrieben nicht nur in IT-Technologie und neue Maschinen zu investieren, sondern auch in die Weiterqualifizierung und Ausbildung ihrer Arbeitskräfte. Weiterbildung dürfte häufig die beste Möglichkeit sein, um bei Innovationen in den Arbeitsinhalten und Arbeitsprozessen den betrieblichen Qualifikationsbedarf zu decken. Aus Sicht der Beschäftigten wird ihre umfassende Weiterbildung vor dem Hintergrund der Digitalisierung mehr denn je ein zentraler Schlüssel zur Sicherung ihrer Beschäftigung sein. Hierzu gibt es Handlungsbedarf: Auf betrieblicher Ebene: Das lebenslange berufliche Lernen muss vor dem Hintergrund der Digitalisierung noch stärker gelebte Praxis werden. Verfahren und Prozesse, die das Lernen in den Arbeitsplatz integrieren, haben sich bewährt. Solche lernförderlichen Arbeitsumgebungen zu schaffen, ist zukunftsweisend. Das setzt zum einen die Bereitschaft und Befähigung zum Lernen, zum anderen den Zugang zu Lehrangeboten voraus. Die Sicherung des Fachkräftebedarfs kann nur dann gelingen, wenn Unternehmen und (Nicht-) Beschäftigte ihre Beteiligung an beruflicher Weiterbildung deutlich steigern. Vor allem Personen ohne Berufsabschluss, Arbeitslose, ältere Beschäftigte und Beschäftigte in Kleinbetrieben müssen hierzu gewonnen werden. Auch in kleinen und mittleren Unternehmen sollte das Lernen im Prozess der Arbeit weiterentwickelt werden. Zudem kann es ein sinnvoller Ansatz sein, Weiterbildungsmaßnahmen im Verbund zu organisieren. Innovationslabore zu Arbeitswelten können dabei ein wichtiges Instrument sein, indem sie auch Mitarbeitern und Führungskräften aus kleinen und mittleren Unternehmen Zugang zu hoch innovativen Arbeitsumgebungen bieten und dort anwendungsnahe Weiterbildung bereitstellen. Derartige Demonstrationszentren und Reallabore können durch eine regionale Einbettung und Einbindung von Vertretern aus Wissenschaft und Wirtschaft insbesondere den KMUs niedrigschwellige Weiterbildungsangebote zu Qualifizierung 4.0 (wie 6

HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN z. B. der Mensch-Technik Kollaboration) bereitstellen. Dabei steht besonders die realitätsnahe Integration verschiedener betrieblicher Berufsbilder im Fokus. So sind integrierte Labs für Wissens-, Produktions- und Dienstleistungsarbeit erforderlich. Auf Ebene der Sozialpartner: Die Sozialpartner haben in einer Reihe von Tarifverträgen und betrieblichen Regelungen die Weichen für eine Verbesserung der Qualifizierungs- und Bildungsmöglichkeiten gestellt. Diese tarif- und betriebspolitischen Ansätze sollten stärker von den Akteuren in der Bildungspolitik berücksichtigt werden, nicht zuletzt, da sie häufig die spezifischen Anforderungen von Regionen, Branchen und Berufsprofilen berücksichtigen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstützt mit dem ESF-Förderprogramm Fachkräfte sichern: weiter bilden und Gleichstellung fördern (Sozialpartnerrichtlinie) die Sozialpartner im Bestreben der Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung von Beschäftigten. Unter anderem wird der Aufbau von vernetzten Weiterbildungsstrukturen in KMU und die Durchführung von betrieblichen und überbetrieblichen Weiterbildungsmaßnahmen für KMU gefördert. Unternehmen, Organisationen und Verbände sollten diese Sozialpartnerrichtlinie nutzen. Zudem sollten bereits bestehende arbeitsmarktpolitische Angebote noch stärker genutzt und abschlussorientiert gestaltet werden, wie beispielsweise die Programme der Arbeitslosenversicherung zur Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen (WeGebAU) oder die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels (IFlaS). Auf staatlicher Ebene: Beratungsansätze und Beratungsnetzwerke gilt es weiter auszubauen. Dabei sollte auch der Beitrag von regionalen Innovationslaboren und Demonstrationszentren mitgedacht werden. So engagiert sich bspw. die Bundesagentur für Arbeit zunehmend in der Qualifizierungs- und Weiterbildungsberatung für Arbeitslose, Beschäftigte und KMU. Bisher stehen einzelne Elemente der finanziellen Förderung von Weiterbildung BAföG, Meister-BAföG, Aufstiegsstipendien, Bildungsprämien etc. unverbunden nebeneinander. Die Zusammenführung der Studienfinanzierung, des Nachholens schulischer und beruflicher Abschlüsse und der beruflichen Aufstiegsfortbildung in einem Bildungsförderungsgesetz sollte mit dem Ziel geprüft werden, Transparenz zu schaffen und Förderlücken zu schließen. SCHLUSSFOLGERUNGEN FÜR DIE INITIATIVE BERUFSBILDUNG 4.0 Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) startet in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) die Initiative Berufsbildung 4.0. Dabei ist zu beachten, dass es nicht nur um die Gestaltung von Berufsbildern gehen kann, sondern auch Schnittstellen zur Hochschule identifiziert und gestaltet werden müssen. Zudem ist eine Verengung ausschließlich auf Medienkompetenzen zu vermeiden. Auch die Stärkung personaler Kompetenzen sowie eine intensivierte interdisziplinäre Zusammenarbeit sind wichtige Elemente einer Berufsbildung 4.0. Zudem muss die Qualifizierung des Ausbildungspersonals eine wichtige Säule dieser Initiative sein. Berufsbildung 4.0 wird nur gelingen, wenn an dieser Initiative frühzeitig und kontinuierlich alle Stakeholder des Berufsbildungssystems insbesondere die Sozialpartner beteiligt werden. In der Konsequenz ist es sinnvoll, begleitend mit den Expertinnen und Experten aus der Arbeitswelt und der Wissenschaft eine Road Map zu erarbeiten. Letztlich geht es darum, dass die Ausbildung 4.0 in der Arbeitswelt ankommt. Es geht nicht mehr allein um das Aufzeigen von Bedarfen, sondern um die konkrete Umsetzung. 7

AUTORINNEN UND AUTOREN DES BERICHTS Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende, DGB-Bundesvorstand (Sprecherin des Fachforums) Prof. Dr. Christoph Schmidt, Vorsitzender, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Dr. Nicola Leibinger-Kammüller, Vorsitzende der Geschäftsführung, TRUMPF Gruppe GÄSTE DES FACHFORUMS Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas, Bundesministerium für Bildung und Forschung Stefan Angermüller, Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Otto Fritz Bode, Bundesministerium für Bildung und Forschung Rudolf Leisen, Bundesministerium für Bildung und Forschung Benjamin Mikfeld, Bundesministerium für Arbeit und Soziales Roland Dummer, Bundesministerium für Arbeit und Soziales Dr. Wolfgang Scheremet, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Dr. Katharina Schauberger, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie TEILNEHMERINNEN UND TEILNEHMER DES WORKSHOPS Neben den Autorinnen und Autoren des Berichts danken wir den folgenden Expertinnen und Experten für Ihre Mitwirkung am Workshop Qualifizierung 4.0: Herausforderungen auf Aus- und Weiterbildung vom 15.03.2016 zur Erarbeitung der dargestellten Ergebnisse: Dr. Alexander Böhne, BDA Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Helmut Dittke, DGB Bundesvorstand Detlev Draheim, Volkswagen AG Prof. Dr. Uwe Elsholz, FernUniversität Hagen Ulrike Friedrich, DIHK Thomas Giessler, DGB Bundesvorstand Uta Kupfer, ver.di Prof. Dr. Rita Meyer, Leibniz Universität Hannover Wilfried Pater, Telekom Training Center Mario Patuzzi, DGB Bundesvorstand Prof. Dr. habil. Sabine Pfeiffer, Universität Hohenheim Thomas Ressel, IG-Metall Dr. Lena Schmitz, Forschungsinstitut Betriebliche Bildung Andreas Schneider, TRUMPF Gruppe (bis 2016) Dr. Michael Stahl, Gesamtmetall Heidemarie Stuhler, Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Marcus Tamm, RWI Essen Büro Berlin Jürgen Wilke, Fraunhofer IAO 8

IMPRESSUM Herausgeber Fachforum Innovative Arbeitswelten im Hightech-Forum Redaktion Matthias Anbuhl, DGB-Bundesvorstand Dr. Bodo Aretz, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Situation Angela Dahms, Geschäftsstelle Hightech- Forum Dr. Andreas Möller, TRUMPF Gruppe Martin Wegele, Geschäftsstelle Hightech-Forum Layout, Satz, Illustration Vierthaler & Braun, Visuelle Kommunikation, München Abbildungen Titelbild istock, Composing Vierthaler & Braun Kontakt Geschäftsstelle Hightech-Forum Anna-Louisa-Karsch-Str. 2 10178 Berlin, kontakt@hightech-forum.de Vorgeschlagene Zitierweise Fachforum Innovative Arbeitswelten im Hightech-Forum: Die Arbeitswelt gestalten Impulse für eine Qualifizierungsstrategie 4.0, Berlin, April, 2017 Redaktionsschluss 17. März 2017 Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die über die engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes hinausgeht, ist ohne schriftliche Zustimmung der Autoren unzulässig. Die Autoren übernehmen keine Haftung für inhaltliche oder drucktechnische Fehler. 9

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