Kurzfallstudie zu Sektorenübergreifende Vernetzungsaktivitäten in ausgewählten Netzwerken in Südwestfalen im Projekt StrateG!N Palliativnetz Soest-Hochsauerlandkreis GbR 1. Das Netzwerk formale und rechtliche Struktur Die allgemeine ambulante palliativmedizinische Versorgung (AAPV) wird von niedergelassenen Hausärztinnen und -ärzten sowie ambulanten Pflegediensten erbracht, die über eine Basisausbildung in der Palliativversorgung verfügen. Erst seit 2005 wird die Palliativversorgung in der Gebührenordnung der GKV berücksichtigt. Dennoch bestehen weiterhin keine gesetzlichen Regelungen für die allgemeine ambulante palliativmedizinische Versorgung. Eine Erstattung der Kosten erfolgt in diesen Fällen immer durch individuelle Vereinbarungen mit den Krankenkassen (Cremer-Schaeffer & Radbruch 2012, S. 234-235). Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung wurde 2007 die spezialisierte ambulante palliativmedizinische Versorgung (SAPV) eingeführt. Seither haben Patientinnen und Patienten, die mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwändige Versorgung benötigen, Anspruch auf die SAPV ( 37b Abs. 1 SGB V). Durch den 132d SGB V können qualifizierte Ärztinnen und Ärzte wie auch Pflegekräfte und stationäre Einrichtungen mit den Krankenkassen Verträge bezüglich der Vergütung und Abrechnungen abschließen. Das Palliativnetz Soest-HSK GbR entstand im April 2009 im Rahmen eines Modellversuchs zur Stärkung der palliativmedizinischen Versorgung im ländlichen Bereich. Unter der Trägerschaft der Ärztegenossenschaft waren zu Beginn 12 Ärztinnen und Ärzte der beiden Kreise Mitglieder im Netzwerk. 2011 wurde von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und den Krankenkassen ein unbefristeter Palliativvertrag abgeschlossen, welcher das Abrechnungs- und Vergütungssystem festlegt. Dieser Vertrag unterscheidet als bundesweit einzige Vereinbarung nicht zwischen der allgemeinen und der spezialisierten ambulanten palliativmedizinischen Versorgung. Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen machten im November 2011 die Anstellung von vier Pflegefachkräften als Palliativ Care Schwestern möglich. Diese fungieren als Koordinatorinnen. Nach internen Konflikten mit der Ärztegenossenschaft wurde das Palliativnetz, welches vorher als Verein organisiert war, in eine GbR überführt. Das Lenkungsteam, bestehend aus zwei Hausärzten und einer -ärztin aus dem Kreis Soest hat seitdem die Funktion des Gesellschafters bzw. Geschäftsführers 1
inne. Insgesamt sind derzeit jeweils zehn Hausärztinnen und -ärzte aus den beiden Kreisen Mitglieder im Netzwerk. Zudem wurde eine Sachbearbeitungsfachkraft angestellt. Das Palliativnetz Soest-HSK hat seinen Sitz in Bad Sassendorf. Die Versorgung der schwerstkranken Patient/-innen wird vom palliativmedizinischen Konsiliardienst (PKD) übernommen. Letzterer ist als Hintergrunddienst 24-stündig für die Patientinnen und Patienten erreichbar (Ärzte Zeitung 2011). 2. Ziele und Handlungsfelder des Netzwerks Nach Aussage des Lenkungsteams war eine (ambulante) palliativmedizinische Versorgung in den beiden Landkreisen vor Gründung des Netzwerks faktisch nicht gegeben. Dem Wunsch und auch dem gesetzlichen Anspruch vieler schwer erkrankter Patientinnen und Patienten (in der Regel handelt es sich um schwere Tumor-, Krebs- oder Herzerkrankungen) im häuslichen Umfeld zu sterben, konnte oft nicht entsprochen werden. Das Thema Sterben und Tod sei in den letzten Jahrzehnten zu einem Tabu-Thema in unserer Gesellschaft geworden, weshalb die Versorgungsstrukturen der Palliativversorgung in den beiden Kreisen vernachlässigt wurden. Die flächendeckende ambulante Versorgung von schwerstkranken Patientinnen und Patienten hat durch den Palliativvertrag von 2011 in Westfalen-Lippe eine feste Grundlage bekommen. Ziel des Vertrages ist es, die Patienten möglichst im hausärztlichen Bereich sterben zu lassen. Zentrales Anliegen des Netzwerks ist es, den Wunsch der Patientinnen und Patienten, die letzte Lebensphase unter Bewahrung der eigenen Autonomie und Würde möglichst zuhause zu verbringen, zu gewährleisten. Dazu sollen nicht notwendige Krankenhausaufnahmen vermieden und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten sowie ihrer Angehörigen wiederhergestellt und gesteigert werden: Wir können nicht mehr heilen, aber wir können eben lindern. So werden nicht nur die Patient/-innen, sondern auch ihre Angehörigen von den Koordinatorinnen im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer begleitet und unterstützt. Des Weiteren sollen die Zusammenarbeit und Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung (Palliativnetz Soest-HSK o.j.) verbessert und berufsübergreifende Kooperationen gefördert und gefestigt werden. Gerade in ländlichen und oftmals strukturschwachen Räumen, wie der Region Südwestfalen, tragen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und einem wachsenden Fachkräftemangel, sektorenübergreifende Vernetzungsaktivitäten nach Aussage der Netzwerk-Mitglieder zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung bei: Wir müssen einfach kommunizieren, miteinander statt nebeneinander. Das Palliativnetz organisiert einen bedarfsgerechten Versorgungsprozess und die Zusammenarbeit mit Hausärztinnen und -ärzten sowie ambulanten Pflege- und Hospizdiensten. Voraussetzung zur Teilnahme an der Betreuung des 2
palliativmedizinischen Konsiliardienstes ist der Wunsch der Patientinnen und Patienten bei entsprechender Grunderkrankung sowie die Anmeldung beim PKD durch die behandelnde Hausärztin bzw. den -arzt. Darüber hinaus können auch Krankenhausärzte und -ärztinnen ihre Patient/-innen vor der Entlassung dort anmelden. Die Dauer der Betreuung durch den PKD variiert sehr stark. Zur häuslichen Umgebung zählt das Netzwerk auch die stationären Alten- und Pflegeeinrichtungen und Hospize sowohl in den Kreisen Soest und Hochsauerland als auch in den angrenzenden Landkreisen. 3. Mitglieder des Netzwerks und ihre Merkmale Die Mitglieder des Palliativnetzwerks sind niedergelassene Hausärztinnen und - ärzte mit einer Zusatz-Weiterbildung in Palliativmedizin. Die Palliativärzte und - ärztinnen betrachten Palliativmedizin als die originäre Aufgabe der behandelnden Hausärzte, bei denen die Palliativversorgung verbleibt, auch wenn sie nicht dem Netzwerk angehören. Auf diese Weise bleibt der langjährige Kontakt der Patientinnen und Patienten zum Hausarzt/zur Hausärztin bestehen und der (medizinische) Ansprechpartner ändert sich für sie nicht. Vier Palliativ Care Schwestern fungieren als Koordinatorinnen; sie stellen den pflegerischen Part dar und sind für die pflegerischen Aspekte der palliativmedizinischen Versorgung zuständig. Durch die Arbeit der Koordinatorinnen - ausgebildete Pflegefachkräften mit langjährigen Erfahrungen in der Hospizarbeit wie auch Altenpflege (ambulant und stationär) und einer Weiterbildung im Bereich Palliativ Care - wird die Betreuung sowohl zuhause als auch in der stationären Umgebung auf Palliativstationen ebenso wie in Pflegeeinrichtungen möglich. Jeweils zwei Koordinatorinnen sind für den Kreis Soest bzw. für den Hochsauerlandkreis zuständig. In Urlaubszeiten und Krankheitsfällen oder auch bei Städten, die auf der Kreisgrenze liegen, sprechen sich die Koordinatorinnen ab und vertreten sich. Die Koordinatorinnen sind verpflichtet mindestens einmal jährlich an einer Weiterbildungs- /Qualifizierungsmaßnahme teilzunehmen. 4. Die Arbeit des Netzwerks in der Praxis Die Koordinatorinnen unterstützen die Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige. Sie kümmern sich um die Rückkehr in das häusliche Umfeld nach einem stationären Aufenthalt und helfen bei der Auswahl eines geeigneten ambulanten (Palliativ-) Pflegedienstes. Außerdem helfen sie bei der Beschaffung von Hilfsmitteln, der Beantragung von Leistungen und binden wichtige weitere Dienste, wie Physiotherapeuten u.a. in die Versorgung mit ein. Darüber hinaus beraten sie Angehörige in sozialen Angelegenheiten, wie Finanzierungsmöglichkeiten im Falle von Hilfsmittelanschaffungen und unterstützen bei Antragsstellungen (Kostenübernahme durch die GKV). Eine kontinuierliche psychosoziale Begleitung der Familienmitglieder, z. T. unter Einbezug von Seelsorgern, erleichtert die Zeit des Umganges mit der Sterblichkeit als auch der Trauer nach dem Tod eines Menschen. Die Koordinatorinnen treffen 3
sich ca. einmal monatlich, um z. B. Fallbesprechungen vorzunehmen. Für alle Patientinnen und Patienten wird von den Hausärztinnen und -ärzten eine Notfallbox mit den sieben wichtigsten Medikamenten (schmerzstillende und beruhigende Medikamente) zusammengestellt, damit auch Angehörige und ambulante Pflegedienste in Krisensituationen, z. B. bei einer sich akut einstellenden Verschlechterung des Beschwerdebildes, sofort handeln können. Die Bereitstellung der Notfallbox kostet zwischen 30 und 50. Nach Aussage eines kooperierenden Hospiz-Vereins tragen diese Notfallboxen erheblich zur Beruhigung und emotionalen Entlastung der Angehörigen bei. Zur besseren Koordination und auch zur Vorbeugung von Krisensituationen, hat das Palliativnetz zwei Formblätter entwickelt. Diese liegen der Notfallbox bei und beinhalten zum einen den übersichtlichen Medikamenten- und Behandlungsplan und zum anderen Weisungen, die das weitere Vorgehen im Falle einer Krisensituation, festlegen. Letztere wurden gemeinsam von den Patientinnen und Patienten, dessen Angehörigen sowie dem behandelnden Hausarzt oder Hausärztin beschlossen. Das Palliativnetz verfügt seit Juli 2013 über eine Software, in welcher alle notwendigen Informationen über die Patienten eingepflegt werden. Zugriff haben alle Mitglieder und die Koordinatorinnen. Auf Grundlage dieser Daten erstellt das Netzwerk in regelmäßigen Abständen eine Statistik über die ambulante und stationäre Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten. So kann nach Aussage des Lenkungsteams belegt werden, dass es in ca. 70 % der Fälle ermöglicht worden ist, im häuslichen Umfeld zu sterben. Durchschnittlich werden 170 Patientinnen und Patienten im Quartal im Palliativnetz eingeschrieben. Zweimal im Jahr treffen sich das Lenkungsteam und die Koordinatorinnen. Inhalte der Treffen sind z. B. die strategische Ausrichtung des Netzwerks oder die Organisation von Fortbildungen für die Mitglieder des Netzwerks. Da alle Mediziner/-innen des Lenkungsteams aus dem Kreis Soest kommen, ist geplant, ein Treffen für Vertreterinnen der Palliativmediziner/-innen aus dem Hochsauerlandkreis einzurichten. Im Anschluss an das Treffen des Lenkungsteams kommt der Palliativzirkel zusammen. Dem Palliativzirkel gehören das Lenkungsteam, alle beteiligten Hausärztinnen und -ärzte des Netzwerks, die Koordinatorinnen sowie Vertreter/-innen der ambulanten Pflegedienste, Krankenhäuser und Hospize an. Auch dieses Gremium trifft sich zweimal jährlich. Die Treffen werden vom Lenkungsteam organisiert und finden an alternierenden Orten statt. So lernen alle beteiligten Personen die kooperierenden Krankenhäuser, Pflegestationen und Einrichtungen kennen. Diese Rotation stärkt auch das gegenseitige Vertrauen der unterschiedlichen Berufsgruppen. Inhalte der Treffen sind z. B. die palliativmedizinische und -pflegerische Versorgungsinfrastruktur der Kreise, Möglichkeiten zur Verbesserung des Schnittstellenmanagement oder die Weiterentwicklung des Netzwerks. Mittlerweile fragen ambulante Hospiz- und Pflegedienste aber auch Selbsthilfegruppen für Angehörige bei den Koordinatorinnen kleinere Schulungen für ihre (ehrenamtlichen) Mitarbeiter/-innen zur palliativmedizinischen und - pflegerischen Versorgung an. In diesen Veranstaltungen werden Begrifflichkeiten 4
der Palliativversorgung erläutert und einfache pflegerische Kenntnisse vermittelt. Diese Schulungen sollen letztlich auch die Berührungsängste mit dem Thema Sterben und Tod bei den beteiligten Akteuren verringern. 5. Management und Organisation des Netzwerks Das strategische Management des Netzwerks liegt beim Lenkungsteam. Dieses legt die Ziele und Handlungsfelder in Absprache mit den Mitgliedern des Netzwerks fest. Das operative Management wird von den vier Koordinatorinnen ausgeführt. Sie stehen als zentraler Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige zur Verfügung. Die Finanzierung des Netzwerks wird durch die Abrechnung der Leistungen mit den Krankenkassen gewährleistet. Für jede/r neue Patient/-in, die im Netzwerk aufgenommen wird, erhält das Palliativnetz zudem eine einmalige Gebühr von 500. Um die vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, kooperiert der PKD mit ambulanten Pflege- und Hospizdiensten, Apotheken, Seelsorgern und Therapeuten, Notdiensten und stationären Einrichtungen. Obwohl die Vereinbarung von KVWL und den Krankenkassen keine Trennung von AAPV und SAPV vorsieht, wird in den Stammblättern der Patientinnen und Patienten vermerkt, welche Palliativversorgung notwendig ist. Da bei vielen Patientinnen und Patienten eine Pflegestufe vorliegt, ist häufig auch schon ein ambulanter Pflegedienst eingebunden. Ist dies nicht der Fall, werden die Patientinnen und Patienten von den Koordinatorinnen beratend unterstützt, wobei diese die Wahl des ambulanten Pflegedienstes letztlich selber treffen. In beiden Kreisen wird die Zahl der vorhandenen ambulanten Pflegedienste als ausreichend angesehen. Die Koordinatorinnen suchen im Rahmen ihrer Tätigkeit immer wieder die Krankenhäuser und Klinken der beiden Kreise auf, um persönliche Kontakte zu den Sozialen Diensten und Mediziner/-innen zu knüpfen. Steht bei einer Patientin/einem Patienten die Entlassung aus dem stationären Aufenthalt an und diese/r geht palliativpflichtig in die ambulante Versorgung, so sollen die Krankenhaussozialdienste schon im Vorfeld der Entlassung die Koordinatorinnen informieren, damit letztere die notwendigen Hilfsmittel und Leistungen beantragen können. Das Palliativnetz versteht sich als Ergänzung in Zusammenarbeit mit den beteiligten ambulanten Pflegediensten, Hospizdiensten und Palliativstationen. In der Regel kommuniziert der PKD mit Kooperationspartnern via Fax und Telefon. Eine Zusammenarbeit mit dem Beratungsprojekt ambulant vor stationär im Hochsauerlandkreis fand bislang nur ein vereinzelten Fällen statt, da die beiden Versorgungsmodelle unterschiedliche Klientel betreuen. 6. Fördernde und hemmende Faktoren der Netzwerkarbeit Während der Interviews wurden immer wieder fördernde (1) und hemmende (2) 5
Faktoren für die Tätigkeiten des Palliativnetzes genannt. Die Interviewpartner/- innen sind sich der aktuellen Probleme und Hemmnisse bewusst und suchen kontinuierlich nach innovativen Lösungen. (1) Die Arbeit der Koordinatorinnen und der Hausärztinnen und -ärzte erfordert nach eigener Aussage vor allem zeitliche und mentale Ressourcen. Es fehlt bislang an einer Supervision für die Koordinatorinnen, die auch vom Lenkungsteam als notwendig erachtet wird. Diese soll eine angemessene und bedarfsgerechte Reflektion mit dem Umgang der trauernden Angehörigen und den Themen Sterben und Tod ermöglichen. Die Möglichkeit des HomeOffice und die Rufbereitschaft werden ambivalent beschrieben. Sie erhöhen zwar die Flexibilität der Koordinatorinnen, die negativen Wirkungen, allen voran eine erschwerte Trennung von beruflichem und privatem Leben, überwiegen jedoch. Die Erwartungen der Angehörigen an die Palliativversorgung sind nach Meinung der Koordinatorinnen oftmals unrealistisch oder von falschen Erwartungen und Hoffnungen getragen. Angehörige, aber auch weiterhin viele Mediziner/-innen glauben, dass eine palliativmedizinische Versorgung den Heilungsprozess fördert: Also im Grunde genommen verdrängt es wieder den Bereich des Tod und Sterbens. Die Kooperation mit einigen Akteuren der Pflege und Medizin wird noch allzu oft von Konkurrenzdenken geprägt. Zum einen wird von den Mitgliedern des Netzwerks ein Grund in der unzureichenden Vergütung der Pflegedienste gesehen. Diese müssen die Patient/-innen ihrerseits nochmal einschreiben, da der Palliativvertrag keine besondere Vergütung der ausgeführten SAPV vorsieht. Zum anderen haben einige Pflegedienste die Befürchtung, nur noch pflegerische Tätigkeiten und keine Beratungsaufgaben mehr zu übernehmen. Das Vertrauensverhältnis, welches entscheidend für deren Arbeit sei, bestehe dann in erster Linie zu den Koordinatorinnen. Die Überleitung aus dem stationären medizinischen Bereich in die ambulante Versorgung funktioniert noch nicht in allen Fällen problemlos, da zu einigen Krankenhäusern und Kliniken zu wenig Kontakt besteht. Viele Hausärztinnen und -ärzte haben zu Beginn die Notwendigkeit einer speziellen Palliativversorgung bezweifelt nicht zuletzt aus Sorge um einen möglichen Patientenverlust. Die Bedenken haben sich nach Meinung der Mitglieder durch intensive Kommunikation weitestgehend gelegt. Dennoch besteht zu einigen Hausärztinnen und Hausärzten, stationären Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern wie auch vereinzelten Mitgliedern des Netzwerks weiterhin wenig Kontakt. (2) Durch die Anstellung von Palliativ Care Schwestern als Koordinatorinnen und der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit mit den behandelnden Hausärztinnen und -ärzten, können die Bereiche der pflegerischen und der medizinischen Versorgung abdeckt werden. Außerdem hat das Netzwerk zu einem Abbau des oft zwischen Pflegekräften, Medizinerinnen und Medizinern aufgrund von Konkurrenz- oder Standesdenken bestehenden hierarchischen Gefälles geführt; man begegnet sich mittlerweile auf Augenhöhe. Die Einbindung und Zusammenarbeit ambulanter und stationärer Pflege- und 6
Hospizdienste verläuft sehr kooperativ. Diese geben Informationen über das Palliativnetzwerk und seine Arbeit an Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige aus. Regelmäßige Treffen unterstützen diese Zusammenarbeit. Als förderlich für das Palliativnetz Soest-HSK erwies sich, dass der unbefristete Palliativvertrag nicht zwischen der allgemeinen und der spezialisierten ambulanten palliativmedizinischen Versorgung (AAPV und SAPV) differenziert. Dies ermöglicht eine Zusammenarbeit mit jedem ambulanten Pflegedienst; eine spezielle Ausbildung/Qualifizierung der Pflegefachkräfte der Pflegedienste ist nicht nötig. Zur weiteren Optimierung der Palliativversorgung in den beiden Kreisen möchten die Koordinatorinnen, dass Treffen mit dem Lenkungsteam im Vierteljahresrhythmus stattfinden. Außerdem sollten diese in den beiden Kreisen getrennt stattfinden, da lokale Bedingungen, wie ambulante und stationäre Angebote überschaubarer und Fallbesprechungen besser möglich sind. Ein Dienstfahrzeug wird von den Koordinatorinnen als nicht notwendig erachtet. Dieses habe höchstens einen Reklameeffekt und könne die öffentliche Wahrnehmung des Palliativnetzwerks steigern. Des Weiteren möchten die Koordinatorinnen das Palliativnetz in weiteren Einrichtungen vorstellen, um die Arbeit des Netzwerks bekannt zu machen. Die Vertreterin des ambulanten Hospizdienstes hält die gesetzliche Erweiterung der Möglichkeiten für Beschäftigte im Falle eines pflegebedürftigen Angehörigen freigestellt zu werden, für wünschenswert. 7. Perspektive des Netzwerks Ziel des Palliativnetzes Soest-HSK ist es, dass sich die Menschen gut von der Welt verabschieden können und dass sich auch die Angehörigen zwar mit Trauer, aber mit einem guten Gedanken an diese Zeit erinnern können. Die Palliativversorgung in Soest und dem Hochsauerlandkreis hat sich in den letzten drei Jahren durch das Netzwerk zweifellos deutlich verbessert, was sich u.a. im erheblichen Patientenzuwachs und dem Ausbau der flächendeckenden ambulanten Palliativversorgung äußert. Die systematische Entwicklung einer neuen Versorgungsform für eine bestimmte Population hat über Sektorengrenzen hinweg zu erweiterten transparenten Kooperationsformen aller an der Versorgung von Sterbenden beteiligten Gruppen in peripheren und strukturschwachen Räumen geführt. Insbesondere die für die Koordination verantwortlichen Pflegekräfte haben eine zentrale Schnittstellenfunktion für das Palliativnetz. Ihr Anliegen ist es, die Möglichkeit einer ambulanten Palliativversorgung in der Region Südwestfalen weiter bekannt zu machen. Dafür werben die Koordinatorinnen vor allem bei ihren Hauptkontaktpersonen : den Hausärzten und Hausärztinnen in Soest und dem Hochsauerlandkreis. Durch den Bau eines stationären Hospizes in der Stadt Soest im Sommer 2015, besteht die Möglichkeit für das Palliativnetz, Räumlichkeiten für die 7
Koordinatorinnen anzumieten. Dies kann dazu dienen, dass Dokumente und Unterlagen nicht mehr in den Privaträumen der Koordinatorinnen aufbewahrt werden müssen und diese somit emotional entlastet werden können. Außerdem können dort Fortbildungen und Vorträge abgehalten werden und eine Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörige wird geschaffen. Nicht nur im Umgang mit den Patientinnen und Patienten, sondern auch in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen, Kollegen und anderen Berufsgruppen gilt für die Mitglieder des Palliativnetzes Soest-HSK die Losung: Es gibt drei ganz wichtige Dinge im Palliativbereich, das ist erstens die Kommunikation, zweitens die Kommunikation und drittens die Kommunikation. 8. Quellen Ärzte Zeitung (2011). Westfalen-Lippe prescht bei Behandlung Schwerstkranker voran. Vom 21.07.2011. Online verfügbar unter: http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/berufspolitik/article/663945/w estfalen-lippe-prescht-behandlung-schwerstkranker-voran.html (Stand: 02.03.2015). Palliativnetz Soest-HSK (o.j.). Aufgaben und Ziele. Online verfügbar unter: http://www.palliativnetz-soest-hsk.de/page.php?p=19156&n=19156 19156 (Stand: 26.11.2014). Cremer-Schaeffer, P. & Radbruch, L. (2012). Palliativversorgung im Blickwinkel gesetzlicher und regulatorischer Vorgaben in Deutschland. In Bundesgesundheitsblatt, Nr.55, S. 231-237. Stand: April 2015 Kirsten Kemna 8