Warum scheitern so viele Heimplatzierungen Hintergründe und Lösungswege. Tagung «Aktuelle Entwicklungen in Kindesschutz & Familienrecht»

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Transkript:

Warum scheitern so viele Heimplatzierungen Hintergründe und Lösungswege Tagung «Aktuelle Entwicklungen in Kindesschutz & Familienrecht» Marc Schmid, Biel, 15. Februar 2017 Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik 1 Psychische Belastungen der Klienten Einleitung «Die Erwachsenen beschäftigen sich zu wenig mit den Problemen, die Jugendliche haben, und zu viel mit den Problemen, die Jugendliche machen.» Ute Class, Deutsche Kriminologin 2 Gliederung Die Ausgangslage: Risikofaktoren, komplexe Traumafolgestörungen, psychische Belastung von Heimkindern und deren Auswirkungen auf den Verlauf von stationären Hilfen? Gesellschaftliche Folgen von kumulierten Abbrüchen? Ursachen für Abbrüche: Psychopathologie und psychopathische Traits Grenzverletzung gegenüber Mitarbeitenden Keine gemeinsamen Narrative für die Einleitung von stationären Hilfen Psychopathologie: Was brauchen die Kinder? Was brauchen die sozialpädagogischen Mitarbeitenden von der Kinder- und Jugendpsychiatrie/-psychotherapie? Traumapädagogische Konzepte Grenzverletzungen: Psychotherapeutische bzw. supervisorische Unterstützung - strukturierte Fallreflektion mit sozialpädagogischen Teams Narrative: Gemeinsam Eltern von Hilfen überzeugen - Bedeutung der Elternarbeit für den Erfolg in der JH Fazit und Diskussion 3 1

Gliederung Die Ausgangslage Cartoon: Renate Alf http://lev-thueringen.de/wp-content/uploads/2008/06/schule-layout_02_0001.png 4 Modellversuch Abklärung und Zielerreichung MAZ. Teilnehmende Institutionen 5 Modellversuch Abklärung und Zielerreichung MAZ. Geschlechterspezifische Altersverteilung N = 592 6 2

Psychosoziale Risikofaktoren 28% Sucht mindestens eines Elternteils 30% psychiatrische Auffälligkeiten der KM 11% KV im Gefängnis 45% mindestens ein Schulwechsel wegen disziplinarischen Schwierigkeiten. 50% der über 16jährigen waren vor der aktuellen Massnahme mindestens einmal fremdplatziert 30% weisen zwei oder mehr Platzierungen auf Traumata 7 Traumata 80% berichten traumatische Erlebnisse im ETI 49% geben 3 oder mehr traumatische Erlebnisse an 80% Kein traumatisches Erlebnis Mindestens ein traumatisches Erlebnis 20% N=420 8 Was ist ein Trauma? Traumatisches Lebensereignis Extreme physiologische Erregung Flucht Freeze Fight Traumasymptome 9 3

Bei einer Traumatisierung laufen parallel zwei unterschiedliche physiologische Prozesse ab Übererregungs-Kontinuum Ø Fight oder Flight Alarmzustand / Wachsamkeit Angst/Schrecken Adrenalin-System wird aktiviert Erregung Serotonerges System verändert sich Impulsivität, Affektivität, Aggressivität Physiologisch Blutdruck é (Pulsrate é ) Atmung é Muskeltonus é Schmerzwahrnehmung ê Dissoziatives-Kontinuum Ø Freeze ohnmächtige / passive Reaktion Gefühlslosigkeit / Nachgiebigkeit Dissoziation Opioid-System wird aktiviert Euphorie, Betäubung Veränderung der Sinnes-, Körperwahrnehmung (Ort, Zeit, etc.) Physiologisch Pulsrate ê Blutdruck ê Atmung ê Muskeltonus ê Schmerzwahrnehmung ê 10 Traumatypologie nach L. Terr (1991) Typ I - Trauma Einzelnes, unerwartetes, traumatisches Erlebnis von kurzer Dauer. z.b. Verkehrsunfälle, Opfer/Zeuge von Gewalttaten, Naturkatastrophen. Öffentlich, besprechbar Typ II - Trauma Serie miteinander verknüpfter Ereignisse oder lang andauernde, sich wiederholende traumatische Erlebnisse. Körperliche sexuelle Misshandlungen in der Kindheit, überdauernde zwischenmenschliche Gewalterfahrungen. Nicht öffentlich Symptome: Meist klare, sehr lebendige Wiedererinnerungen à Vollbild der PTSD Hauptemotion = Angst Eher gute Behandlungsprognose Symptome: Nur diffuse Wiedererinnerungen, starke Dissoziationstendenz, Bindungsstörungen à Hohe Komorbidität, komplexe PTSD Sekundäremotionen (z.b. Scham, Ekel). Schwerer zu behandeln 11 «Organisiere meine Gefühle» Wie Kinder lernen, mit ihren Emotionen umzugehen» Anfangs werden die Gefühle von der primären Bezugsperson organisiert.» Dann werden die Gefühle mit Hilfe der Bezugsperson organisiert.» Und schliesslich kann das Kind seine Gefühle selbst organisieren. (Cooper, Hoffman & Powell, 2001) 12 4

Resonanz mit einem negativen Gefühl und Einstimmung darauf (Cooper, Hoffman & Powell, 2009) Eltern Kind Leidvolle Gefühle des Kindes Eltern organisieren die innere Unruhe ihre Kindes Mit-Sein Bereitschaft der Eltern zum Mit-Sein mit den Gefühlen ihres Kindes vermittelt ihm das Gefühl sicher und verbunden zu sein, während es seine Emotionen kennenlernt. Zu wissen, dass jemand bei ihm ist, macht das unangenehme Gefühl etwas erträglicher und ermöglicht dem Kind, aus dem problematischen Gefühl wieder herauszufinden. 13 Kind wird gedrängt, sich den elterlichen Vorstellungen seiner Emotionen anzupassen (Cooper, Hoffman & Powell, 2009) Eltern Kind Leidvolle Gefühle des Kindes Eltern greifen Gefühl des Kindes an Ohne-Sein Eltern versuchen, ihr Kind abzulenken oder drängen es, etwas zu fühlen, was es nicht fühlt. Wirkt wie ein emotionaler Kampf, bei dem die Eltern etwas zu erzwingen versuchen. Das Kind wird noch unruhiger. 14 Häufigkeit von Bindungsauffälligkeiten Fremdplatzierte Kinder sind eine Hochrisikogruppe Heimkinder vs. Allgemeinbevölkerung Pflegekinder vs. Allgemeinbevölkerung Heim- kinder Pflege- kinder Allgemeinbe- völkerung χ²(df, N) OR (95% KI) χ²(df, N) OR (95% KI) CBCL T- Wert 60 n (%) n (%) n (%) 92 (82.1) 176 (63.8) 61 (18.0) 154.55*** (1, 451) 20.96 (12.0-36.6) 134.58*** (1, 615) 8.02 (5.5-11.6) RPQ 7 44 (37.9) 88 (31.9) 8 (2.4) 108.03*** (1, 455) 25.29 (11.4-56.0) 100.67*** (1, 615) 19.37 (9.19-40.8) 15 5

Bedeutung von Trauma für die Entwicklungspsychopathologie % 60 50 40 30 20 10 0 Kein Ereignis (32,3%) Ein Ereignis (30,8%) Zwei (22,4%) Drei (7,1%) Vier oder mehr (7,5%) N = 1400 Irgendeine Diagnose Angststörung Depressive Störung Verhaltensstörung Copeland et al. 2007 16 Psychische Belastung (Gesamtwert CBCL für t1) 25 20 MAZ.-Stichprobe Normpopulation (D&USA) 15 10 5 0-45 -50-55 -60-65 -70-75 -80 >=80 N=421 17 Psychische Belastung (Gesamtwert CBCL für t1) 76% der Stichprobe im klinisch auffälligen Bereich (T-Wert > 60) 32% im klinisch hoch auffälligen Bereich (T-Wert von mind. 70) 25 20 MAZ.- Stichprobe Normpopulation (D&USA) 15 10 5 0-45 - 50-55 - 60-65 - 70-75 - 80 >=80 N=421 18 6

6 Monats-Prävalenz nach ICD-10 (N=483) mind. 1 Diagnose keine Diagnose 26% 74% Allgemeinbevölkerung (Median): 18% (Ihle & Esser, 2002) 19 Verhältnis ambulante vs. stationäre Hilfen Durch den Ausbau der ambulanten Hilfen, steigt die traumatische und psychische Belastung von fremd untergebrachten Kinder! Indikationsstellung nur bei schlechter Prognose, bestehender Kindeswohlgefährdung oder bereits gescheiterten ambulanten Hilfen. Oft erfolgt der Eintritt erst in oder nach der Pubertät Bindungsentwicklung dann nicht mehr an pädagogische Bezugspersonen, sondern eher an Gleichaltrige. Defensive Position der stationären Hilfen wegen der vergleichsweise hohen Kosten. 20 Prävalenz x Dauer Massnahme (N=483) 90% 80% 70% 82.0% 77.4% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 54.9% 47.1% 0% unter 2 Jahren 2-3 Jahre 3-4Jahre mehr als 4 Jahre 21 7

Abbruchsgrund: Psychische Erkrankungen Viele Jugendlichen in Heimen nie adäquat behandelt 22 Komorbidität nach DSM-IV (N=483) 35% 30% 25% 25.7% 30.0% 22.6% 20% 15% 13.7% 10% 5% 0% 6.4% keine Diagnose 1 Diagnose 2 Diagnosen 3 Diagnosen 4 Diagnosen 5 Diagnosen 1.7% Dölitzsch et al. 2014 44% 23 Nochmal nachlesen? 24 8

Trauma-Entwicklungsheterotopie Schmid, Fegert, Petermann 2010 Kindheit & Entwicklung 19 (1) 47-63 Bipolare Störungen im Kindesalter Emotionale Störungen Angststörungen ADHS Oppositionelles Verhalten Bindungsstörungen Affektive Störungen Störung des Sozialverhaltens Dissoziative und somatoforme Störungen Substanzmissbrauch Störungen der Persönlichkeitsentwicklung Selbstverletzung Suizidalität Regulationsstörungen ë ë é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é é ç Traumafolgestörungen + biologische Faktoren Geburt Vorschulalter Schulalter Pubertät Adoleszenz 25 25 Nochmals genauer nachlesen? 26 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Störung der Emotionsregulation Schmid (2008) Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen 9

Abbrüche in der Heimerziehung Häufigkeit, individuelle und gesellschaftliche Folgen, auslösende Faktoren 28 Wo liegen die Grenzen? Wieso gibt es so viele Abbrüche? Ein Fünftel der stationären Jugendhilfemaßnahme enden im Abbruch! Oft Bereits im ersten Jahr! (Bundesamt für Statistik 2010, Schmid et al. 2014) 5% der der fremdplatzierten Jugendlichen durchläuft mehr als 4 Stationen! 29 Viele Beziehungsabbrüche I Je mehr Beziehungsabbrüche und gescheiterte Hilfen in der Vorgeschichte, desto schlechter die Wirksamkeit der aktuellen Jugendhilfemaßnahme und desto höher das Risiko für weitere Abbrüche (EVAS, 2004, Schmidt et al. 2002). Jeder Wechsel ist zudem mit Ressourcenaufwand / Kosten im Jugendhilfesystem verbunden. Die Zahl der Beziehungsabbrüche geht mit einer höheren und schweren Delinquenz (Ryan & Testa 2004) sowie einer stärkeren Teilhabebeeinträchtigung (Aarons et al. 2010) auf dem weiteren Lebensweg einher. Wesentlich höhere Folgenkosten im medizinischen Bereich (Rubin et al. 2004). 30 10

Irreguläres Ende der Massnahme 31 Viele Beziehungsabbrüche II Je mehr Beziehungsabbrüche desto schlechter die Bindungsqualität und desto wahrscheinlicher Bindungsstörungen (Schleiffer 2002, Pérez et al. 2011). Klienten mit positiven Beziehungserfahrungen haben einen besseren Verlauf bei psychosozialen Interventionen (Zersen et al. 2006, Skodol et al. 2007). Im Sinne der aus der psychoanalytischen Familientherapie stammenden Replikationshypothese können viele Beziehungsabbrüche auch als unbewusste Wiederholung von innerfamiliären Beziehungserfahrungen betrachtet werden. Beziehungsabbrüche belasten nicht nur die Heranwachsenden sondern auch die beteiligten Fachkräfte auf den Wohngruppen und die Pflegeltern, da diese ebenfalls eine emotionale Beziehung zu den Heranwachsenden aufgebaut haben. 32 Einfluss von psychischen Erkrankungen auf den Verlauf von Jugendhilfemassnahmen 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 Keine Diagnose (n = 124) Irreguläres Massnahmenende Eine Diagnose Zwei Diagnosen Mehr als drei (n = 145) (n = 109) (n = 105) Häufigkeit (%) 33 11

Einfluss von psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften Schmid et al. 2014 34 Nochmal nachlesen? 35 36 12

Eigentlich ein altbekanntes physikalisches Prinzip Reihenschaltung RGes = R1 + R2 Parallelschaltung Rges = 1/R1 + 1/R2 Bei einer Reihenschaltung von Widerständen / psychosozialen Hilfen wird der Widerstand grösser Bei einer Parallelschaltung von Widerständen / psychosozialen Hilfen wird der Widerstand kleiner als die einzelnen Widerstände (vgl. Rosen- Runge 2009) 37 Was macht Kooperation so schwierig? Unterschiedliche Professionen und Zugänge erschweren es, eine gemeinsame Haltung zu generieren. Mangelnde Ressourcen auf beiden Seiten. Die betroffenen Familiensysteme halten Kontakte oft nicht aufrecht. Kommunikation verläuft oft in Triaden und/oder Dramadreiecken (Familie, JA, KJPP, Institutionen). Die komplexe Symptomatik der Heranwachsenden selbst (schwere Bindungsstörungen, etc.) und der vergleichsweise geringe Behandlungswunsch der Jugendlichen selbst. Nur 9% der psychisch belasteten Heimjugendlichen wünschen psychotherapeutische oder kinder- und jugendpsychiatrische Unterstützung, obwohl über 80% psychisch belastet sind und die zuweisenden Sozialarbeiter eine Therapie wünschen (Mount et al. 2004). 38 Realistische Erwartungen Niemand kann zaubern Strukturen und Kontinuitäten schaffen Vertrauen Probleme antizipieren 39 13

Pädagogische Haltungen nach Jesper Juul Vier Werte, die Kinder brauchen, gelten auch für gelingende Kooperationsbeziehungen Gleichwürdigkeit Authentizität Integrität Verantwortung Man muss nicht das Licht des anderen ausblasen, um das eigene leuchten zu lassen. Aus Griechenland 40 Liaisonpsychiatrie Übersetzungsleistung für die Teams Problem Verhalten è Entwicklungsziel Kinder- und Jugendpsychiatrische Symptome Pädagogische und psychotherapeutische Bedarfe Selbstwirksamkeit der Fachkräfte Stabilität der Platzierung und guter Verlauf 41 Gemeinsame Falldefinition Sozial- Pädagogischer Bereich Unterstützung: Alltag Milieutherapie Erlebnispädagogik Elterngespräche Förderung Einzelkontakte Resilienzstunden Was muss das Kind lernen, um seine Symptome aufgeben zu können? Welche alternativen Beziehungserfahrungen sollte es machen? Übersetzungsleistung: Symptome in pädagogische Probleme - vice versa Kinderund jugendpsychiatrischer /psychotherapeutischer Bereich 42 14

Gliederung: Abbruchsgrund Verletzung von persönlichen Grenzen von MitarbeiterInnen? 43 Welchen Belastungen sind pädagogische Mitarbeitende ausgesetzt? 80% haben in den letzten drei Monaten Beschimpfungen/ Steinlin et al. 2015 Beleidigungen erlebt Schmid & Fegert, 2015 25% wurden tätlich angegriffen 9% wurden mit einer Waffe oder einem anderen gefährlichen Gegenstand bedroht 41% haben selbstverletzendes Verhalten beobachtet 29% haben Gewalt zwischen Kindern/Jugendlichen beobachtet 10% haben sexuelle Übergriffe zwischen Kindern/Jugendlichen beobachtet 9% haben einen Suizidversuch miterlebt 1% hat einen vollendeten Suizid miterlebt (n=4) 44 Anzahl Grenzverletzungen pro Person 25% 21.9% 20% 15% 16.2% 16.2% 14.8% 22% mind. 5 unterschiedliche Erlebnisse 10% 9.1% 6.4% 6.1% 5% 0% 3.4% 2.4% 2.4% 1.0% 0.3% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 91% mind. 1 Erlebnis 45 15

Additiver Effekt von verbalen & körperlichen Grenzverletzungen auf Cortisol 9 8 ** 7 # Cortisol (pg/mg) 6 5 4 3 ANOVA F(2)=4.74, p=. 010 bootstrapped 2 1 0 keine Grenzverletzungen verbale Grenzverletzungen verbale & körperliche Grenzverletzungen 46 Kumuliertes erstmaliges Burnout-Risiko Anzahl Teilnehmer, die jemals ein erhöhtes Burnout-Risiko hatten 100% 90% 80% 70% * 62.50% Bis zum 3. Jahr hatte einen grösseren Anteil der Teilnehmer in den Gruppen mit viel verbalen und körperlichen Grenzverletzungen jemals ein erhöhtes Burnout-Risiko. 60% 50% 44% 47.06% 0-1 verbale Gewalt (n=31) 2-3 verbal Gewalt (n=16) 40% 35.29% 2-3 verbal + körperliche Gewalt (n=17) 30% 20% 17.65% 15.38% 16.00% 22.50% χ 2 =7.6867, p=.021* 10% 3.23% 0% 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 47 Grenzverletzung und «innere Kündigung» Grenzverletzungen führen oft zu Beziehungsabbrüchen Grenzverletzung Innere Kündigung / Arbeitsplatzwechsel Zunehmende Unzufriedenheit - Weitere Grenzverletzungen Kind wird entlassen kurzfristige Entlastung, aber keine Aufbau von innerer Sicherheit Verunsicherung/ Verlust von innerer Sicherheit Bedürftigkeit / höhere Erwartungen an die Leitung/ äussere Sicherheit Zunehmende Problemfokussierug - Weniger Freude und pädagogische Präsenz Keine schnelle Lösung und ausreichende emotionale Validierung 48 16

Die Rolle von Kohärenz und Selbstwirksamkeit bei der Abnahme von Arbeitszufriedenheit nach Grenzverletzungen Eine zunehmende Anzahl erlebter Grenzverletzungen hängt mit einer Abnahme der Arbeitszufriedenheit zusammen. Dieser Zusammenhang wird teilweise dadurch erklärt, dass das Kohärenzgefühl und die Selbstwirksamkeit von Mitarbeitenden beeinträchtigt werden. 49 Institution Fallreflektion Fallreflektion Leitung Versorger Fachdienst Gruppenpädagogen Kind Externe Hilfen: Kinder- und jugendpsychiatrische Liaison, Supervision Einfluss von Traumapädagogik auf die körperliche Stressreaktion von Sozialpädagogen Durchschnittliche Cortisolkonzentration im Haar der Fachkräfte 2.7 2.5 CorWsol (pg/mg) 2.3 2.1 1.9 Modell (N=18) Spiegel (N=21) 1.7 1.5 0 1 2 3 4 Messzeitpunkt 51 17

Störungssensible, psychiatriebezogene Sozialpädagogik Beziehungsorientierte traumapädagogische Konzepte «Man ist dort zu Hause, wo man verstanden wird.» Indianisches Sprichwort Es braucht: - Fachwissen über das Störungsbild und Psychotraumatologie. - Wissen darüber, wie diese Erkrankung die Pädagogik und Beziehungsgestaltung beeinflusst. - Selbsterfahrung! - Zeit und Sicherheit zur Reflektion im Team. 52 Eine Traumapädagogik braucht es, weil Ein pädagogisches Dilemma Gehen kaum Beziehungen ein Dilemma: Brauchen Unterstützung bei der Selbstregulation Klienten brauchen Beziehung, um Selbstregulation erlernen zu können können aber noch keine normalen Beziehungen eingehen 53 Bindung und Selbstregulation bei traumatisierten Kindern Ein Lösungsversuch Gehen kaum Beziehungen ein Lösungsidee: Brauchen Unterstützung bei der Selbstregulation Sicherer Ort mit verlässlichen Beziehungsangeboten und korrigierende n Beziehungserfahrungen 54 18

Traumapädagogik: Korrigierende Beziehungserfahrung Traumapädagogische Haltung Traumatisierendes Umfeld Unberechenbarkeit Einsamkeit Nicht gesehen/gehört werden Geringschätzung Bedürfnisse missachtet Ausgeliefert sein andere Bestimmen absolut über mich Leid Traumapädagogisches Milieu Transparenz /Berechenbarkeit Beziehungsangebote/ Anwaltschaft Beachtet werden/wichtig sein Wertschätzung (Besonderheit) Bedürfnisorientierung Mitbestimmen können - Partizipation Freude 55 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Überspitzt das klassische Modell Erziehungsmassnahmen zur Veränderung 56 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Überspitzt das klassische Modell Kind muss sich verändern Erziehungsmassnahmen zur Veränderung 57 19

Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Interaktion pädagogische Begegnung 58 Grundidee zur Analyse von Problemverhalten Vom Du zum Wir Die Beziehungsfähigkeit des Kindes soll sich verbessern? Wie können wir gemeinsam unsere Ziele erreichen und die Entwicklungsaufgaben des Kindes erfüllen? Interaktion pädagogische Begegnung 59 Neue Beziehungserfahrungen führen zu Veränderung 60 20

Verstärkung von Anspannung in Interaktionen Anspannung Kind Anspannung Bezugsperson «Wer in sich selbst beruhigt ist, der beunruhigt auch den Anderen nicht.» Epikur 61 Mitarbeiter als Teil des pädagogischen Konzeptes Traumatisierte Kinder lösen bei professionellen Helfern intensivste Gefühle aus - Phänomen der sekundären Traumatisierung. Letztlich ist für die Frage, ob ein Kind nach einer Eskalation auf einer Wohngruppe verbleiben und gehalten werden kann, nicht das Problemverhalten, sondern die Tragfähigkeit des Teams entscheidend. Nur «stabile, sichere Mitarbeiter» können in Krisensituationen stabilisieren und deeskalieren. Mitarbeiter benötigen in Krisensituationen ähnliche innerpsychische Fertigkeiten (natürlich auf viel höherem Niveau) wie die Kinder (Emotionsregulation, Selbstwirksamkeit, Resilienzfaktoren). Sowohl die Heranwachsenden als auch die Mitarbeiter brauchen letztlich einen sicheren Ort, an dem sie sich selbstwirksam erleben. 62 Haltung Sicherer Ort Sicherer Ort = Äussere Sicherheit + Innere Sicherheit 63 21

Eine beziehungsorientierte Pädagogik ist festzumachen Zum Beispiel an Sprache und am Umgang mit Regeln Über Sprache werden oft wichtige Beziehungsaussagen transportiert. Komplex traumatisierte, psychisch misshandelte und vernachlässigte Kinder haben oft sehr negative Aussagen über sich gehört. Im Umgang mit Regeln traumatisierte Kinder haben in ihren Familien oft einen sehr belasteten, willkürlichen Umgang mit Regeln erlebt. Die Regeln waren ihrem Entwicklungsstand oft nicht angemessen und haben sie überfordert. Die Nichteinhaltung von Regeln wurde in Abhängigkeit von der Stimmung der Eltern oft drastisch sanktioniert, teils aber auch gar nicht beachtet. 64 Sprache und Beziehung in kritischen Situationen Manchmal kommt es doch sehr auf das richtige Wort an «Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen Wort ist derselbe Unterschied wie der zwischen einem Blitz und einem Glühwürmchen.» Mark Twain 65 Unsere Kommunikation stets eine Herausforderung Unachtsamkeit führt oft zu Missverständnissen Menschen mit sehr belastenden und/oder traumatisierenden Beziehungserfahrungen ergänzen und vervollständigen Aussagen auf dem Beziehungsohr mit ihren eigenen maladaptiven Sätzen und Zuschreibungen die sie schon oft gehört haben. Traumatisierte Menschen hören daher manchmal Dinge die Pädagogen so gar nicht Aussagen möchten. Es macht deshalb Sinn, Wünsche und Erwartungen auch mit expliziten Selbstaussagen und Beziehungsaussagen zu untermauern (vgl. Schulz von Thun, 2007). Bei Menschen mit belasteten Bindungs- und Beziehungserfahrungen ist es daher sehr wichtig eine Wir-Sprache zu verwenden. Das eigene Beziehungsohr sollte manchmal leiser gestellt werden. 66 22

Gruppenregeln und Selbstwirksamkeit - Selbstunwirksamkeit Mit traumatisierten Kindern eskalieren viele Situationen, bei denen die Einhaltung von Regeln eingefordert wird. Starre Gruppenregeln überfordern besonders belastete Kinder häufig. http://www.phpresource.de/forum/attachments/ out-order/2455d1181334360-na-toll-na-toll.jpg Je rigider die Anwendung von Regeln desto unsicherer sind in der Regel die Fachkräfte. Regeln werde daher individuell ausgehandelt und begründet (Selbstwirksamkeit; Regeln sichern gute Beziehungen). Regeln sollen personifiziert und internalisiert werden (familienähnliche Struktur). Regeln sind dazu da, Ausnahmen zu begründen! 67 Gliederung: Gründe für Abbrüche Loyalitätsbindungen Fehlende Narrative bei der Einleitung von Fremdplatzierungen «Wir können Kinder aus Familien nehmen, aber die Familien nicht aus den Kindern.» Ried Portengen 68 Verläufe bei Pflegefamilien (Gassmann 2009) Ersatzfamilien sehr intensive Bindung an Pflegefamilie Gute Kooperation mit Ursprungsfamilie Ergänzungsfamilie An den Scheidewege des Lebens stehen keine Wegweiser Charlie Chaplin 69 23

Teufelskreis aus Bindung und Ausstossung (Stierlin 1980, Schweitzer 2002) Ziele für die gesamte Familie definieren Familie drängt auf Entlassung nach Hause, für langfristige Platzierung nicht zu motivieren Familie ist überfordert, massive Konflikte drängen auf stationäre Aufnahme Stationäre Behandlung als Übergang definieren Starke Entlastung durch stationäre Behandlung, Konkurrenz um bessere Elternschaft Eltern müssen in der Verantwortung gehalten werden 70 Rückführungsoptionen beinhalten somit mindestens drei Prozesse Prozess des fremdplatzierten Kindes Prozess der Eltern-Kind- Interaktion Prozess der Eltern Veränderungen Veränderungen Prozess der Interaktion mit nicht platzierten Geschwistern Veränderungen 71 Beachtung der Loyalitätsbindung eines Kindes im Rahmen der Fremdplatzierung Wir sind gegen das Heim Starke Loyalitätsbindung der Kinder an die Eltern Conen 2007 Eltern Ich werte Euch auf, indem das Heim scheitert Sicher nicht - auch wenn es auf meine Kosten geht Kind Wir sind Profis, wir können Ihr Kind besser erziehen Heim Wir werden die besseren Eltern für Dich sein 72 24

Beachtung der Loyalitätsbindung eines Kindes im Rahmen der Fremdplatzierung Starke Loyalitätsbindung der Kinder an die Eltern Conen 2007 Eltern Kind Wertschätzung der Eltern Betonung der elterlichen Kompetenzen Heim Beachtung der Loyalitätsbindungen im pädagogischen Prozess 73 Biographiearbeit Elternschaft umfasst drei Aspekte Biologische Elternschaft Viele Eigenschaften; Loyalität natürliche Zuneigung Soziale Elternschaft Versorgung und Unterstützung Juristische Elternschaft Behördengänge, Entscheide, Verantwortung Ryan & Walker 1997 74 Wann ist eine Fremdplatzierung indiziert? Immer dann, wenn die pädagogischen Bedürfnisse eines Kindes nicht ausreichend abgedeckt werden können Akute Gefährdung des Kindeswohls: Wenn das Kind vor nicht zu kontrollierender Gewalt oder Vernachlässigung geschützt werden muss. Erziehungskompetenzen der Eltern wegen eigener Probleme beeinträchtigt sind (psychische Erkrankung, berufliche Neuorientierung, Paarkonflikte etc.). Das Kind aufgrund einer psychischen Erkrankung einen derart hohen pädagogischen Bedarf aufweist, dass es die Ressourcen der Familie/der Regelschule überfordert. Die Eltern-Kind-Interaktion derart festgefahren ist, dass nur noch negativ miteinander interagiert wird und dadurch zentrale Entwicklungsziele gefährdet sind. Das Kind gefährdende Peerbeziehungen hat. 75 25

Coverstory Was können Kinder erzählen? Meine Eltern haben sich scheiden lassen, was alle in der Familie sehr traurig gemacht hat. Ich habe danach viel Ärger in der Schule mit meiner Lehrerein und anderen Kindern gehabt. Meine Mutter konnte sich dann nicht mehr so um mich kümmern, wie sie es selbst gerne wollte wir haben auch viel gestritten. Weil mich meine Mutter sehr lieb hat und möchte, dass es mir gut geht, lebe ich jetzt im Kinderdorf. Dort kümmert man sich um mich, hilft mir in der Schule und ich lerne, besser mit anderen Kindern auszukommen und bin nicht mehr so traurig, auch wenn mir meine Mutter manchmal fehlt. Meine Mutter kommt mich im Kinderdorf oft besuchen. Sie sucht nun eine Arbeit. 76 Coverstory Was können Eltern erzählen? Marcel ist ein Kind, das viel Struktur, klare Grenzen und viel Förderung in der Schule braucht. Wir haben uns schon immer viel um Alltagsdinge und die Schule gestritten. Nach der Scheidung habe ich gemerkt, dass mir alles zu viel wird. Ich konnte mich nicht mehr so um Marcel kümmern, wie er es für seine gute Entwicklung braucht, ich war selbst nur noch völlig erschöpft. Unsere Beziehung wäre kaputtgegangen, wir haben nur noch gestritten. Seit er im Kinderdorf ist bin ich von mich überfordernden Erziehungsaufgaben entlastet, unsere Beziehung hat sich gebessert und ich kann versuchen, eine gute Arbeit zu finden. Wenn wir uns sehen, können wir was unternehmen was uns beiden Spass macht. 77 Eltern von Hilfen überzeugen Zementiere die anstehenden Entwicklungsaufgaben und die Zukunftswünsche der Eltern für das Kind und ihre diesbezüglichen Sorgen. Beschreibe die Teilhabebeeinträchtigung ressourcenorientiert - benutze das therapeutische Zauberwort noch nicht so oft wie möglich. Vermeide es, die Eltern nur im geringsten zu kritisieren, sondern lobe sie für ihre Bemühungen um das Wohl des Kindes. Nehme konsequent eine Mehrgenerationsperspektive ein. Beschreibe den pädagogischen Bedarf des Kindes so detailliert und verhaltensnah wie möglich. 78 26

Eltern von Hilfen überzeugen Informiere ausführlich fallbezogen über die Unterstützungsmöglichkeiten der avisierten Hilfen. Benenne aktiv, wie schwer dieser Schritt ist. Definiere die stationäre Massnahme als Übergang und Chance für maximale Unterstützung zu einer entwicklungspsychologisch wichtigen Zeit. Erfrage und interessiere dich für die Hindernisse, die die Eltern für eine Heimunterbringung sehen, nehme diese Argumente ernst und führe sie behutsam in einen Problemlöseprozess über. Wertschätze das vergangene Engagement der Eltern und analysiere besorgt, in welchen Bereichen die Entwicklungsaufgaben dennoch nicht erreicht werden können. 79 Eltern von Hilfen überzeugen Betone die Bedeutung der elterlichen Beziehung für das Kind Entlastung der Beziehung vom Erziehungsalltag führt oft zu nachhaltiger Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung. Arbeite mit Skalierungsfragen und Frage unter welchen Bedingungen die Entwicklungsziele mit höherer Wahrscheinlichkeit erreicht werden können. Die Neudefinition der Beziehung zu einem Kind mit stationärem Hilfebedarf ist die Herausforderung und Chance für alle Beteiligten. Weise auf die Gefahr des Teufelskreis von Ausstossung und Bindung hin und definiere klare Entwicklungsziele mache keine unrealistischen Versprechungen. 80 Zusammenfassung und Fazit Beziehungskontinuität in der Hilfeplanung sichern Fremdplatzierte Kinder und Jugendliche sind psychisch extrem hoch belastet Psychische Erkrankungen sind die Regel und nicht die Ausnahme. Viele Kinder und Jugendliche konnten in ihren Herkunftssystemen wichtige sozio-emotionale Fertigkeiten und Repräsentationen nicht ausreichend erlernen, haben grosse Probleme in der Selbststeuerung und sind deshalb in ihrer Teilhabe schwer beeinträchtigt. Diskontinuität in der Hilfeplanung und wiederholte Abbrüche gefährden die gesunde Entwicklung auf das Extremste. Die Gründe für Abbrüche sind vielfältig. Häufige Ursachen sind eine zu geringe Beachtung der Loyalitätsbindung des Kindes im Platzierungsprozess, psychiatrische Symptome sowie Grenzverletzungen der Mitarbeiter. Die Selbstwirksamkeit der Fachkräfte im Umgang mit psychiatrischen Symptomen, traumatischen Erlebnissen, Loyalitätsbindungen zu den Eltern und den eigenen Grenzen muss daher im Rahmen der interdisziplinären Hilfeplanung besonders adressiert werden. 81 27

Fazit Wer diesen Kinder eine professionelle, reflektierte und emotional engagierte Bindungsperson sein möchte, braucht ausreichende persönliche, soziale, institutionelle Unterstützung, und die Träger benötigen ausreichende gesellschaftliche Anerkennung, Ausstattung und personelle Ressourcen! 82 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Auf die Haltung kommt es an! «Haltung ist eine kleine Sache, die einen grossen Unterschied macht.» Sir Winston Churchill Slides unter www.equals.ch 83 Kontakt und Literatur Marc Schmid Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik der UPK Basel Schanzenstrasse 13, CH-4056 Basel 0041 (0)61 265 89 74 Marc.Schmid@upkbs.ch www.equals.ch www.traumapädagogik.ch 84 28