Schlüsselwörter Venöse Rezidivthrombose

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Transkript:

Übersichtsarbeit Bewertung des Rezidivthrombose - risikos venöser Thromboembolien E. Lindhoff-Last Schwerpunkt Angiologie/Hämostaseologie, Med. Klinik III, Klinikum der J. W. Goethe-Universität Frankfurt am Main Schattauer 2011 7 Keywords Venous thromboembolism Summary Recurrent venous thromboembolism is associated with increased mortality in 5 9% of the patients. On the other hand prolonged anticoagulation can increase the bleeding risk which can also be responsible for an increased mortality. Therefore, it is necessary to validate the recurrence risk of venous thromboembolism on an individual basis. In this review the most relevant risk factors for recurrent venous thromboembolism are analyzed. Spontaneous thrombosis is associated with significantly increased recurrence rates in comparison to risk associated venous thrombosis. In addition, a positive D-dimer result after stop of anticoagulation, an increased amount of residual thrombus in proximal veins analyzed by compression sonography, a proximal localization of thrombosis, symptomatic pulmonary embolism and male sex are clinically relevant risk factors for increased recurrence rates. While mild thrombo philic defects like heterozygous factor V Leiden mutation are not associated with a clinically relevant recurrence risk, inherited inhibitor deficiencies and the antiphospholipid-syndrome are known to be responsible for an increased recurrence rate of venous thromboembolism. A new recurrence risk-score (RR-Score) for individual judgement of patients with a first spontaneous venous thrombosis is introduced. Korrespondenzadresse: Prof. Dr. E. Lindhoff-Last Leiterin des Schwerpunktes Angiologie/Hämostaseo - logie, Medizinische Klinik III, Johann-Wolfgang- Goethe-Universitätsklinik Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt Tel. 069/63 01 50 96, Fax 069/63 01 72 19 E-Mail: edelgard.lindhoff-last@kgu.de Schlüsselwörter Venöse Rezidivthrombose Zusammenfassung Venöse Rezidivthrombosen können in 5 9% der Patienten tödlich sein. Auf der anderen Seite kann eine unnötig lange Fortsetzung der Antikoagulation zu einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko für schwere Blutungen führen, das ebenfalls mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sein kann. Daher ist eine individuelle Bewertung des Rezidivthromboserisikos von größter klinischer Relevanz. In diesem Review sollen daher die wesentlichen Determinanten für ein erhöhtes Rezidivrisiko bewertet werden. Das Rezidivrisiko ist bei Auftreten spontaner venöser Thrombosen wesentlich höher als bei Risiko-assoziierten Thrombosen. Weitere klinisch relevante Determinanten sind ein positiver D-Dimertest nach Beendigung der Antikoagulation, die Restthrombuslast im Bereich proximaler Venen im Kompressionsultraschall, eine proximale Lokalisation der Thrombose, das Auftreten einer klinisch symptomatischen Lungenembolie und das männliche Geschlecht. Milde thrombophile Neigungen wie z. B. die heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation spielen keine wesentliche Rolle für das Rezidivthromboserisiko, wogegen angeborene Inhibitormängel und das Antiphospholipid-Syndrom mit einem deutlich erhöhten Rezidivrisiko assoziiert sind. Abschließend wird ein neuer Rezidiv-Risiko-Score (RR-Score) zur individuellen Bewertung des Rezidivrisikos bei Patienten mit spontaner Erstthrombose vorgestellt. Risk assessment of recurrence of venous thrombo embolism Hämostaseologie 2011; 31: 7 12 doi:10.5482/ha-1144 prepublished online: December 9, 2010 Venöse Thromboembolien stellen eine chronische Erkrankung dar, bei der Rezidivthrombosen auftreten können, die bei 5 9% der Patienten tödlich enden (1). Daher ist es für die Sekundärprävention rezidivierender Thrombosen extrem wichtig, die Wahrscheinlichkeit eines Rezidivs bei einem individuellen Patienten vorhersagen zu können, da eine Fortsetzung der antithrombotischen Therapie Rezidive effektiv verhindern kann. Neben klinischen Risikofaktoren können auch Laborergebnisse bei dieser Evaluation von Relevanz sein. Die Dauer der oralen Antikoagulation nach Diagnosestellung einer tiefen Beinvenenthrombose und/oder Lungenembolie wird seit langem kontrovers beurteilt. Das Rezidivrisiko ist in den ersten 6 12 Monaten am höchsten und nimmt danach ab (2). Basierend auf zahlreichen Studien und Metaanalysen kam die 8. ACCP-Konsensus-Konferenz 2008 zu folgenden Empfehlungen für die Dauer der oralen Antikoagulation: Diese sollte drei Monate durchgeführt werden, wenn es sich bei der Erstthrombose um eine risikoassoziierte venöse Thrombose handelt oder um eine distale spontane venöse Thrombose. Bei spontanen, proximalen venösen Thrombosen sollte mindestens drei Monate behandelt und danach individuell entschieden werden, ob eine langfristige Behandlung mit Vitamin-K-Antagonisten sinnvoll ist. Eine langfristige Antikoagulation sollte grundsätzlich bei Thromboserezidiven und bei aktiver Krebserkrankung angestrebt werden (3). In der neuen S2-Leitlinie zur Therapie der venösen Thromboembolien sind die Empfehlungen der 8. ACCP-Konsensus-Konferenz für Deutschland übernommen worden ( Abb. 1) (4). Dies soll unter individueller Nutzen/Risikoabwägung erfolgen und ist in der Leitlinie so unspezifisch für die Hämostaseologie 1/2011

8 E. Lindhoff-Last: Rezidivthrombose risiko 3 Monate > 3 Monate zeitlich unbegrenzt Erstthrombose bei transientem Risikofaktor bei distaler spontaner Thrombose Abb. 1 Dauer der Sekundärprävention nach venösen Thromboembolien; modifiziert nach (3, 4); transiente Risikofaktoren z. B. Trauma, Operation, Immobilisation, hormonale Kontrazeption; NMH: nieder molekulares Heparin; VKA: Vitamin-K-Antagonisten Alter > 75 Jahre Z. n. GI-Blutung chronische Nieren- oder Lebererkrankung gleichzeitig Thrombozytenaggregationshemmer Blutungen Erstthrombose bei proximaler spontaner Thrombose zeitlich unbegrenzt Thromboserezidive bei spontaner Genese aktive Krebserkrankung (3 6 Monate NMH, danach VKA oder NMH) Patienten mit proximaler spontaner Thrombose definiert, dass der behandelnde Arzt und der betroffene Patient weitgehend alleingelassen sind mit der individuellen Entscheidung bzgl. der Dauer. Hier werden dringend differenzierende Risikomarker, möglicherweise auch Scores benötigt, die eine bessere, individuelle Risikoabschätzung für den einzelnen Patienten mit spontaner venöser Thrombose ermöglichen. Daher soll in dieser Übersichtsarbeit dargestellt werden, welche Risikofaktoren nach neuesten Erkenntnissen für das Rezidivthromboserisiko entscheidend sind. Ergänzend soll eine Bewertung der evidenzbasierten Rezidivrisikofaktoren erfolgen, die im klinischen Alltag angewendet werden kann. Dabei muss stets das Risiko wiederholter venöser Thrombosen mit und ohne Antikoagulation gegenüber dem Risiko behandlungsbedingter Blutungen individuell abgewogen werden ( Abb. 2). Als Risikofaktoren für eine erneute venöse Thromboembolie gelten proximale Thrombosen, Thromboserezidive, distal versus proximal RR 0,5 Rezidiv RR 1,5 neg. D-Dimer 1 Monat RR 0,4 Antiphospholipid-AK RR 2,0 hereditäre Thrombophilie RR 1,5 männlich/weiblich RR 1,6 Restthrombose prox. Vene RR1,5 Thromboembolien ein positiver D-Dimer-Test einen Monat nach Absetzen der oralen Antikoagulation, der wiederholte Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern, der Nachweis einer hereditären Thrombophilie, das männliche Geschlecht sowie ein sonographischer Nachweis von Restthromben in den proximalen Venen. Als Risikofaktoren für eine vermehrte Blutungsneigung unter Antikoagulation werden u. a. die folgenden Faktoren verantwortlich gemacht: hohes Lebensalter, ein Zustand nach gastrointestinalen Blutungen, vor allem chronische Nieren- und Lebererkrankungen sowie die gleichzeitige Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern. Relatives versus absolutes Risiko für venöse Rezidivthrombosen Während das absolute Risiko für das erste Auftreten einer venösen Thrombose bei 0,1 0,2% pro Jahr liegt, ist nach Auftreten einer venösen Erstthrombose das absolute Risiko 2,0 5,0% pro Jahr und liegt damit für ein Rezidiv 20- bis 50fach höher als für das Auftreten einer Erstthrombose ( Abb. 3) (5). Dies muss unbedingt bei der Bewertung des relativen Risikos für Rezidive berücksichtigt werden. Eine nur geringe relative Risikoerhöhung für Rezidive, z. B. um das 1,5fache bedeutet daher einen Anstieg des absoluten Rezidivrisikos von 2,0 5,0% pro Jahr auf 3,0 7,5% pro Jahr. Dies kann bereits für die Entscheidung über die Fortsetzung oder Beendigung einer oralen Antikoagulation entscheidend sein und muss gegen das jährliche Risiko schwerer Blutungen unter Einnahme von Vitamin-K-Antagonisten abgewogen werden (1 3,4%/Jahr) (6). Abb. 2 Gegenüberstellung von Risikofaktoren (RR: relatives Risiko) bzgl. einer Blutungsneigung im Vergleich zu einer erhöhten Rezidivthromboseneigung bei Patienten mit spontanen Thrombosen; modifiziert nach (3) Hämostaseologie 1/2011 Schattauer 2011

E. Lindhoff-Last: Rezidivthrombose risiko 9 Relevante Rezidivthrombose marker Spontane Thrombosen Die Ursachen für ein erhöhtes Thromboserezidivrisiko sind vielfältig. Es ist seit einigen Jahren bekannt, dass das Risiko von Rezidivthrombosen nach Beendigung der oralen Antikoagulation wesentlich höher bei den Patienten ist, die eine spontane Thrombose erleiden im Vergleich zu den Patienten, die eine venöse Thrombose primär risikoassoziiert entwickeln (7, 8). In einer kürzlich durchgeführten prospektiven Langzeitstudie wurden in Italien die Risikofaktoren analysiert, die gehäuft zur Rezidivthrombosen führen. 1626 konsekutive Patienten, bei denen nach einer ersten symptomatischen, proximalen tiefen Beinvenenthrombose und/oder einer Lungenembolie die orale Antikoagulation beendet worden war, wurden in einen Langzeit- Follow- up genommen. Es wurden die klinisch symptomatischen Rezidivthrombosen nach einem medianen Follow-up von 50 Monaten erfasst (9). Nach diesem Zeitraum war bei 22,3% der Patienten eine Rezidivthrombose aufgetreten. Patienten mit einer spontanen Erstthrombose wiesen mit einer adjustierten Hazard-Ratio (HR) von 2,3 das höchste Risiko für ein Thromboserezidiv auf, gefolgt von Patienten mit einer Thrombophilie mit einer HR von 2,01. Positive D- Dimere nach Beendigung der Antikoagulation Nicht alle Patienten mit spontanen Thrombosen haben ein erhöhtes Rezidivthromboserisiko nach Absetzen der oralen Antikoagulation. Insbesondere die Patienten, die einen Monat nach Absetzen der oralen Antikoagulation positive D-Dimere entwickeln, neigen zu Thromboserezidiven (10 12). Erstmals konnte jetzt in einer prospektiven, randomisierten Interventionsstudie gezeigt werden, dass Patienten mit spontanen Thrombosen und einem positiven D-Dimer-Test einen Monat nach Absetzen der Antikoagulation von einem Neustart der oralen Antikoagulation profitieren können. asymptomatische Bevölkerung relatives Risiko für eine erste venöse Thrombose absolutes Risiko 0,1 0,2%/Jahr Abb. 3 Bewertung von relativem und absolutem Risiko für Thromboserezidive im Vergleich zum Erstthromboserisiko (5) 608 Patienten wurden nach Beendigung der oralen Antikoagulation in der PRO- LONG-Studie erfasst. Alle Patienten mit einem negativen D-Dimertest nach Absetzen der Antikoagulation erhielten keine erneute Antikoagulation, während die Patienten mit positivem D-Dimer-Ergebnis randomisiert wurden und entweder eine erneute orale Antikoagulation erhielten oder Placebo (13). Während nach einem medianen Follow up von 17 Monaten 6,2% der Patienten mit negativem D-Dimertest nach dem Absetzen eine Rezidivthrombose erlitten, waren es nur 2,9% in der antikoagulierten Patientengruppe mit positivem D-Dimertest, wogegen die nicht-antikoagulierten Patienten mit positivem D-Dimer-Test in 15% der Fälle eine Rezidivthrombose erlitten. Bei Patienten, die einen positiven D-Dimertest entwickelt hatten und nicht antikoaguliert worden waren, war das Risiko für eine Rezidivthrombose zweifach höher als bei den Patienten, die einen negativen D-Dimertest nach dem Absetzen der Antikoagulation aufwiesen. Es muss hierbei unbedingt beachtet werden, dass die D-Dimer-Kontrolle nur bei Patienten mit idiopathischen (spontanen) venösen Thrombosen einen Stellenwert bei der Einschätzung des Rezidivthromboserisikos hat. relatives Risiko für ein Rezidiv absolutes Risiko 2,0 5,0%/Jahr Das absolute Risiko für ein Rezidiv ist die relevante Information, die zur Entscheidungsfindung für die Therapiedauer benötigt wird. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse wurden bzgl. der D-Dimer-Kontrolle nach dem Absetzen der Antikoagulation die Ergebnisse von vier Studien mit einer Gesamtzahl von 1539 Patienten zusammengefasst (14). 16,6% der Patienten mit erhöhten D-Dimeren nach Beendigung der oralen Antikoagulation erlitten im prospektiven Follow-up eine Rezidivthrombose im Vergleich zu 7,3% der Patienten mit normalen D-Dimer-Werten. Der Nachweis erhöhter D-Dimere war mit einem 2,36fachen Rezidivrisiko (95%-CI: 1,65 3,36) für venöse Thrombosen assoziiert. Die Autoren schlossen daraus, dass D-Dimere ein vielversprechender Marker sein könnten, um Patienten mit einem erhöhten Rezidivrisiko zu identifizieren. In einer weiteren aktuellen Studie wurde untersucht, ob wiederholte D-Dimer-Kontrollen nach dem Absetzen einen zusätzlichen Informationsgehalt bezüglich des Rezidivthromboserisikos besitzen (15). Bei Patienten mit spontanen Thrombosen, bei denen der D-Dimer-Test einen Monat nach Beendigung der oralen Antikoagulation negativ gewesen war, wurden wiederholte D-Dimer-Testungen alle zwei Monate für die Dauer eines Jahres durchgeführt. Bei 68% der Patienten (n = 234) war der D-Dimer-Test einen Monat nach Ende der Antikoagulation negativ. Bei Patienten, bei denen der D-Dimer-Test ab dem dritten Monat positiv wurde und danach auch positiv blieb, lag das Rezidivthromboserisiko bei 27% Patientenjahre (95%-CI: 12 48%) im Vergleich zu 2,9% Patientenjahre bei den Patienten, bei denen der D-Dimer-Test über den gesamten Zeitraum negativ blieb. Damit lag bei den Patienten, die bei wiederholtem D-Dimer-Testen im Verlauf positiv wurden, die HR für venöse Rezidivthrombosen bei 7,9 (95%-CI: 2,1 30). Schattauer 2011 Hämostaseologie 1/2011

10 E. Lindhoff-Last: Rezidivthrombose risiko D-Dimer-Bestimmungen nach Beendigung der oralen Antikoagulation können daher einen wichtigen Baustein in der Einschätzung des Rezidivthromboserisikos darstellen. Als alleiniger Parameter können sie jedoch auf Grund der geringen Spezifität nicht dienen. Es muss berücksichtigt werden, dass der D-Dimertest zwar einen hohen negativen prädiktiven Wert aufweist, jedoch positive Testergebnisse unspezifisch für eine Rezidivthrombose sind und z. B. durch rezidivierende Infekte oder chronisch entzündliche Erkrankungen ebenfalls verursacht werden können. Daher kann eine generelle Empfehlung zum D-Dimer-Testen nach Absetzen der oralen Antikoagulation derzeit nicht gegeben werden. Hier ist zu hoffen, dass bald spezifischere Testsysteme zur besseren Einschätzung des Thromboserezidivrisikos zur Verfügung stehen werden. Restthrombuslast Während spontane venöse Thrombosen und erhöhte D-Dimer-Werte nach Absetzen der Antikoagulation ein erhöhtes Rezidivrisiko anzeigen, war lange unklar, in wie weit eine im Ultraschall nachgewiesene Resthrombuslast ebenfalls einen Marker für ein erhöhtes Rezidivrisiko darstellt. Nach einer tiefen Venenthrombose dauert es einige Zeit, bis es zur Rekanalisation der zuvor thrombosierten Venenabschnitte kommt. Der Nachweis eines Restthrombus, z. B. definiert als 40% des Venenquerschnitts im proximalen Venenbereich, ist mit einer bis etwa 1,5fachen Erhöhung des Rezidivrisikos assoziiert (3). In einer prospektiven Kohortenstudie konnte an 316 Patienten mit venösen Thrombosen gezeigt werden, dass die mit Hilfe eines Kompressionsultraschalls nach Beendigung der Antikoagulation nachgewiesene Restthrombuslast sowohl mit einer erhöhten Rezidivrate als auch mit einer erhöhten Mortalität bei hoher Restthrombuslast assoziiert war (16). Wegen des bekannten erhöhten Rezidivrisikos wurden Therapiestudien durchgeführt, bei denen die Dauer der Antikoagulation von der Restthrombuslast abhängig gemacht wurde. In der DACUS- Studie konnte nach dreimonatiger oraler Antikoagulation bei fast 70% der Patienten ein Restthrombus von > 40% des Venendurchmessers nachgewiesen werden. Die Patienten mit erhöhter Restthrombuslast wurden entweder randomisiert zu einer Fortsetzung der Antikoagulation für weitere neun Monate oder die Antikoagulation wurde beendet. Patienten ohne Restthrombus nach drei Monaten hatten nach zwei Jahren nur in etwa 1,3% der Fälle ein Rezidiv. Patienten mit erhöhter Restthrombuslast ohne Fortsetzung der Antikoagulation wiesen in 27% der Fälle nach zwei Jahren ein Rezidiv auf im Gegensatz zur der Gruppe von Patienten mit Restthromben und Fortsetzung der Antikoagulation, bei denen es in 19% der Fälle nach zwei Jahren zu einem Rezidiv kam (17). In einer weiteren prospektiven, randomisierten Studie, der AESOPUS-Studie, wurde die Relevanz der Restthrombuslast als relevanter Faktor für die Antikoagulationsdauer ebenfalls analysiert. 538 konsekutive ambulante Patienten mit einer ersten venösen Thrombose wurden am Ende ihrer dreimonatigen Behandlungsphase randomisiert. Sie wurden entweder mit einer fixen Dauer einer oralen Antikoagulation oder flexibel in Abhängigkeit von der im Ultraschallbefund nachweisbaren Restthrombuslast behandelt (18). 17,2% der Patienten mit fixer Antikoagulation und 11,9% der Patienten mit flexibler Antikoagulation in Abhängigkeit vom Ultraschallbefund erlitten eine Rezidivvenenthrombose. Die Rezidivthromboserate konnte mit Hilfe des Ultraschallbefundes um fast 40% gesenkt werden. Es ist jedoch anzumerken, dass die Patientenanzahl nicht groß genug war, um Unterschiede in den Blutungsraten zwischen beiden Gruppen zu erfassen. Malignome Patienten mit Malignomen haben ein etwa vierfach erhöhtes Risiko für venöse Thrombosen (19), aber gleichzeitig auch ein etwa dreifach erhöhtes Risiko für eine vermehrte Blutungsneigung, so dass das Management dieser Patienten bei Auftreten von venösen Thrombosen besonders schwierig ist. Es konnte gezeigt werden, dass das Rezidivrisiko für eine venöse Thromboembolie sogar trotz Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten bei über 27% pro Jahr liegen kann. Hieraus wird die Empfehlung abgeleitet, dass bei aktiver Tumorerkrankung und venöser Thromboembolie von vorneherein eine langfristige Antikoagulation erforderlich ist (3, 20). Thrombophilie In der aktuellen nationalen S2-Leitlinie spielt das Vorliegen einer Thrombophilie keine wesentliche Rolle mehr für die Festlegung der Dauer der Sekundärprävention (4). Dies ist für die häufigen milden Formen der Thrombophilie nachvollziehbar, da u. a. in einer Metaanalyse kürzlich gezeigt werden konnte, dass sich für die heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation nur ein relatives Rezidivrisiko von 1,45 (95%-CI: 1,13 1,85) und für die heterozygote Prothrombinmutation ein relatives Risiko von 1,36 (95%.CI: 1,02 1,82) besteht (21). Die Autoren zogen hieraus die Schlussfolgerung, dass ein nur gering erhöhtes Rezidivrisiko keine prolongierte Antikoagulation per se rechtfertigt. In einer aktuellen Fall-Kontroll-Studie wurde untersucht, in wie weit homozygote oder doppelt heterozygote Merkmalsträger für eine Faktor-V-Leiden-Mutation oder eine G20210A-Prothrombinmutation ein erhöhtes Rezidivthromboserisiko aufweisen. Es konnte an 325 Fällen mit Rezidivthrombosen im Vergleich zu 463 Kontrollen mit nur einer venösen Thrombose gezeigt werden, dass weder bei homozygoten noch doppelt heterozygoten Merkmalsträgern ein signifikant erhöhtes Rezidivrisiko in diesem Patientenkollektiv nachweisbar war (22). Allerdings wiesen nur etwa 27 Patienten eine Homozygotie in dem Gesamtkollektiv auf, nur 49 Patienten waren doppelt heterozygot gewesen. Demgegenüber konnte jedoch in einer Subgruppenanalyse der WODIT-Studie gezeigt werden, dass der Nachweis einer Thrombophilie ein signifikanter Risikofaktor für Rezidive bei denjenigen Patienten war, die eine orale Antikoagulation für nur drei Monate erhalten hatten, während nach einer oralen Antikoagulation von zwölf Monaten Dauer die Thrombophilie keinen Hämostaseologie 1/2011 Schattauer 2011

E. Lindhoff-Last: Rezidivthrombose risiko 11 signifikanten Risikofaktor mehr darstellte (23). Patienten mit einer Thrombophilie scheinen daher eine prolongierte Antikoagulation über die Zeitdauer von drei Monaten hinaus zu benötigen. In einem aktuell zu diesem Thema erschienenen Cochrane-Review wird mitgeteilt, dass keine randomisierten, kontrollierten Studien vorliegen, die den Nutzen eines Thrombophilie-Screenings nach Auftreten einer venösen Thromboembolie zur Einschätzung des Rezidivthromboserisikos bewerten, so dass diesbezüglich derzeit keine eindeutige Aussage möglich ist (24). Die in der Literatur zum Teil sehr unterschiedlich angegebenen, nur gering vorhandenen Daten für eine Beurteilung des Rezidivrisiko bei Thrombophilie lassen eine eindeutige Beurteilung über einen Nutzen des Thrombophilie-Screenings derzeit mangels Datenlage nicht zu. Allerdings ist das Rezidivrisiko bzgl. unterschiedlicher thrombophiler Neigungen wahrscheinlich sehr unterschiedlich. So konnte kürzlich gezeigt werden, dass Patienten mit seltenen angeborenen Thrombophilien wie den angeborenen Gerinnungsinhibitormängeln (Protein-C-, Protein-S- oder Antithrombin-Mangel) ein wesentlich höheres Rezidivrisiko aufweisen als bisher angenommen (25). Die kumulativen Rezidivraten betrugen im Schnitt 15% nach einem Jahr, 38% nach fünf Jahren und 53% nach zehn Jahren. Darüber hinaus ist bekannt, dass Patienten mit einem gesicherten Antiphospholipid- Syndrom ein deutlich erhöhtes Rezidivthromboserisiko aufweisen, das etwa zweifach erhöht ist (3, 26, 27). Pengo et al. konnten aktuell in einer großen retrospektiven Auswertung zeigen, dass das Rezidivrisiko für Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom und einem dreifach positiven Testergebnis für Lupusantikoagulanzien, Anticardiolipin-Antikörper und Anti-β2-Glykoprotein-I-Antikörper bei 12% nach einem Jahr, 26% nach fünf Jahren und 44% nach zehn Jahren lag. Es war insbesondere signifikant erhöht bei den Patienten, bei denen die orale Antikoagulation beendet worden war im Vergleich zu den Patienten, die langfristig antikoaguliert worden waren (HR 2,4, 95%-CI: 1,3 4,1, p < 0,003) (28). Symptomatik und Ausdehnung der Erstthrombose Bezüglich des Rezidivrisikos ist es denkbar, dass die Art der klinischen Symptomatik (z. B. distale versus proximale Beinvenenthrombose, Auftreten einer Lungenembolie) ebenfalls per se als Prädiktor für ein erhöhtes Rezidivrisiko Verwendung finden kann. So konnte kürzlich gezeigt werden, dass trotz Antikoagulation 9,6% (48/497) der Patienten mit einer Lungenembolie ein Rezidivereignis erleiden, bei 75% dieser Patienten kam es sogar zu einem tödlichen Ereignis trotz Antikoagulation (29). Die meisten dieser Patienten (39/48) entwickelten das Rezidiv in den ersten zehn Tagen der Behandlung. Nur zwei Patienten entwickelten ein Rezidiv trotz Behandlung nach dem sechsten Monat der Behandlung. Prädiktoren für ein Lungenembolierezidiv waren schwere Dyspnoe, ein hoher Perfusionsdefekt-Score und kardiopulmonale Komorbiditäten. In einer großen Metaanalyse wurde ebenfalls analysiert, ob die Art der Präsentation der venösen Thromboembolie etwas über die Wahrscheinlichkeit und die Art des Rezidivereignisses vorhersagen kann (30). Es wurden sieben prospektive Studien mit Patienten mit einem ersten venösen Thromboseereignis analysiert, die nachverfolgt worden waren, nachdem die Antikoagulation beendet worden war. Die kumulative 5-Jahresrate von Rezidivthrombosen lag insgesamt bei 22,6%, jeder fünfte Patient hatte ein Rezidiv erlitten. Patienten mit einer primären klinisch symptomatischen Lungenembolie erlitten in 10,6% der Fälle im Verlauf von 5 Jahren eine erneute Lungenembolie, während die Lungenembolierate bei den Patienten, die eine isolierte proximale tiefe Beinvenenthrombose erlitten hatten, nur bei 3,6% lag. Patienten mit symptomatischer Lungenembolie bei Erstpräsentation hatten ein 3,1fach höheres Risiko für eine erneute Lungenembolie im weiteren Verlauf. Patienten mit einer proximalen Thrombose hatten ein 4,8fach höheres Rezidivrisiko als Patienten mit einer distalen Beinenvenenthrombose (95%-CI: 2,1 11). Die Art und Ausdehnung der Erstthrombose hat daher Einfluss auf das Rezidivthromboserisiko. Dies sollte bei der Risiko/Nutzenabwägung bzgl. der Dauer Sekundärprävention unbedingt berücksichtigt werden. Männliches Geschlecht Seit einigen Jahren ist bekannt, dass das Rezidivrisiko venöser Thromboembolien bei Männern deutlich höher als bei Frauen ist (31, 32, 33, 34). In einer aktuellen prospektiven Studie an 474 Patienten mit einer ersten venösen Thromboembolie wurde dies jetzt differenzierter analysiert (35). Während eines Follow-up von 3477 Personenjahren war das Risiko für ein Rezidiv 40,9/1000 Personenjahre bei Männern, 15,8/1000 Personenjahre bei Frauen. Männer mit spontanen venösen Thrombosen hatten das höchste Rezidivrisiko. Bei Frauen war das Risiko 2,8fach niedriger als bei den Männern (95%-CI: 1,4 5,7). Im Gegensatz zu den Männern ergab sich kein Unterschied bezüglich des Rezidivthromboserisikos bei spontanen im Vergleich zu risikoassoziierten venösen Thrombosen. Zahlreiche Studien belegen inzwischen das deutlich erhöhte Rezidivthromboserisiko für Männer im Vergleich zu Frauen. Es sollte daher insbesondere bei Auftreten eines spontanen Thromboseereignisses bei einem Mann über eine im Vergleich zu einer Frau längere Antikoagulationsdauer bei ansonsten ähnlichem Risikoprofil nachgedacht werden, auch wenn eine solche Empfehlung bisher noch keinen Eingang in die nationalen oder internationalen Leitlinien gefunden hat. Neuer Risikoscore Individuelle Kalkulation des Rezidiv thromboserisikos Da viele Parameter wie D-Dimer-Ergebnis nach Ende der Antikoagulation, Geschlecht, Ausdehnung der Thrombose etc. Schattauer 2011 Hämostaseologie 1/2011

12 E. Lindhoff-Last: Rezidivthrombose risiko Symptom Punkte symptomatische Lungenembolie ± Beinvenenthrombose + 1 isolierte proximale Beinvenenthrombose + 1 (ohne sympt. Lungenembolie) Restthrombuslast in proximaler Vene > 40% des Lumens + 1 männliches Geschlecht + 1 angeborener Inhibitormangel + 1 Antiphospholipid-Syndrom + 1 negativer D-Dimertest nach Beendigung der Antikoagulation 1 Tab. 1 Vorschlag für einen neuen möglichen Rezidivrisiko-Score (RR-Score) für Patienten mit einer spontanen, venösen Erstthrombose In Tabelle 2 ist in Abhängigkeit von der Gesamtpunktzahl des neuen Rezidiv- Risiko-Scores (RR-Score) ein geschätztes Rezidivrisiko pro Jahr angegeben, von dem auf eine mögliche individuelle Dauer der Antikoagulation nach spontanem Erstereignis geschlossen werden könnte. Hierbei ist selbstverständlich auch das individuelle Blutungsrisiko in die Bewertung mit einzubeziehen. in die individuelle Einschätzung des Rezidivrisikos eingehen, wäre es wünschenswert, einen Risiko-Score zur Verfügung zu haben, der eine individuelle Abschätzung des Rezidivthromboserisikos für den einzelnen Patienten ermöglicht. In einer kürzlich publizierten Studie wurde erstmals ein solcher Risikoanalyse-Score mit Hilfe eines Normogramms vorgestellt (36). 929 Patienten mit einer spontanen ersten venösen Thromboembolie wurden prospektiv nachverfolgt, nachdem die Antikoagulation beendet worden war. Patienten mit schwerwiegenden thrombophilen Defekten wurden ausgeschlossen. Bei 176 Patienten trat im Verlauf von im Schnitt 43 Monaten ein Rezidivereignis auf. Männliches Geschlecht (HR: 1,9), proximale tiefe Beinvenenthrombose (HR: 2,08), Lungenembolie (HR: 2,6) und erhöhte D-Dimere (HR: 1,27 pro Verdoppelung der Ausgangswerte) waren mit einem erhöhten Rezidivrisiko assoziiert. Unter Verwendung dieser Parameter wurde ein Normogramm entwickelt, das zur Berechnung eines Risiko-Scores und damit zur Einschätzung der kumulativen Wahrscheinlichkeit eines Rezidivereignisses bei einem individuellen Patienten angewendet werden kann. Der hier erstmals vorgestellte Score kann im Internet abgerufen werden ( http://cme.ahajournals.org) und ermöglicht eine Kalkulation des individuellen Risikos des Patienten. Es ist allerdings kritisch anzumerken, dass weitere für das Rezidivthromboserisiko wesentliche Parameter wie z. B. die Restthrombuslast im Ultraschall in der Kalkulation keine Berücksichtigung finden. Darüber hinaus wurden Patienten mit schwerwiegenden Thrombophilien wie z. B. angeborener Inhibitor mangel oder Antiphospholipid- Syndrom aus der Analyse ausgeschlossen, so dass der Score bei diesen Patienten nicht verwendet werden kann. Bewertung mit Vorschlag für neuen Rezidiv risiko-score An Hand der aufgeführten Bewertung bezüglich des Rezidivthromboserisikos bei Patienten mit einer ersten idiopathischen venösen Thromboembolie könnte der folgende Risiko-Score zur Einschätzung des individuellen Rezidivrisikos Verwendung finden, wobei dieser bisher nicht in prospektiven Studien validiert wurde ( Tab. 1). Tab. 2 Vorschlag für die Anwendung des Rezidivrisiko-Scores (RR-Score) bei spontaner, venöser Erstthrombose im klinischen Alltag (bisher nicht in prospektiven Studien klinisch validiert) Gesamtpunktzahl Rezidiv - risiko geschätztes Rezidiv - risiko pro Jahr mögliche Dauer der Antikoagulation nach spontanem Erstereignis 1 Punkt niedrig 2 4% 6 12 Monate 2 Punkte mittel 5 10% prolongiert 12 24 Monate 3 Punkte hoch > 10% langfristig > 24 Monate Literatur 1. Douketis JD, Gu CS, Schuman S et al. The risk of fatal pulmonary embolism after discontinuing anticoagulant therapy for venous thromboembolism. 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