14. Wahlperiode 16. 04. 2008 Antrag der Abg. Dieter Ehret u. a. FDP/DVP und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales Gesundheitliche Folgen des Klimawandels Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. ob es zutrifft, dass entlang des Rheins bereits Populationen von Stechmükken (z. B. Aedes albopictus) nachgewiesen wurden, die Tropenkrankheiten verbreiten können, die in der jüngsten Vergangenheit bereits in Norditalien aufgetreten sind und dort zu einem Todesfall geführt haben; 2. seit wann und wo solche Populationen festgestellt werden und wie deren Entwicklung einzuschätzen ist; 3. inwieweit hiervon gesundheitliche Gefahren ausgehen (etwa durch das Dengue- oder Chikungunya-Fieber) und wie diesen gegebenenfalls vonseiten der Landesregierung begegnet wird; 4. wie sich dies bei der Übertragung von Malaria durch Anophelesarten darstellt; 5. wie sichergestellt ist, dass durch die Bekämpfungsmaßnahmen kein Schaden für Menschen und Natur entsteht; 6. ob es zutrifft, dass noch in diesem Monat zu diesem Thema ein Monitoring stattfindet und wie die Landesregierung sich ggf. hieran beteiligt; Eingegangen: 16. 04. 2008 / Ausgegeben: 14. 05. 2008 1 Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/dokumente
7. welche Überlegungen bei der Landesregierung bestehen, die Folgen des Klimawandels bei der künftigen Realisierung von Wasserbaumaßnahmen, wie z. B. dem Integrierten Rheinprogramm zu berücksichtigen. 15. 04. 2008 Ehret, Dr. Noll, Chef, Dr. Arnold, Dr. Bullinger FDP/DVP Begründung Die Sorge um eventuell auftretende Gesundheitsgefahren durch spezielle Stechmückenarten, die aufgrund des Klimawandels auch in Mitteleuropa heimisch werden können, ist bereits von verschiedenen Bürgerinitiativen und Kommunen thematisiert worden. So haben entlang des Oberrheins auf Drängen der Bürgerinnen und Bürger bereits Veranstaltungen stattgefunden, bei denen auch namhafte Experten zu diesem Thema anwesend waren. So z. B. Professor Dr. Dr. Kimmig, dem ehemaligen Leiter der Infektiologie beim Landesgesundheitsamt, Vertretern verschiedener Tropeninstitute und Dr. Norbert Bekker, wissenschaftlicher Direktor der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e. V. (KABS), der erklärte, das Oberrheingebiet sei ein Hochrisikogebiet und man müsse diese Risiken ernst nehmen. Es stellt sich die Frage, wie die Landesregierung diese Sorgen aufgenommen hat und wie sie ihnen begegnet. Stellungnahme Mit Schreiben vom 7. Mai 2008 Nr. 52 0141.5/14/2628 nimmt das Ministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Umweltministerium zu dem Antrag wie folgt Stellung. Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. ob es zutrifft, dass entlang des Rheins bereits Populationen von Stechmükken (z. B. Aedes albopictus) nachgewiesen wurden, die Tropenkrankheiten verbreiten können, die in der jüngsten Vergangenheit bereits in Norditalien aufgetreten sind und dort zu einem Todesfall geführt haben; Entlang des Rheins wurden keine Populationen des für die Chikungunya- Epidemie in Norditalien verantwortlichen Tigermoskitos (Aedes albopictus) nachgewiesen. Nach Angaben der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e. V. (KABS) wurden an der Bundesautobahn A 5 bei Weil am Rhein fünf Eier des Tigermoskitos gefunden, es handelt sich allerdings um einen Einzelfund. Im an den Hochrhein angrenzenden Aargau (Schweiz) wurden vor kurzem Aedes albopictus-weibchen festgestellt. 2
2. seit wann und wo solche Populationen festgestellt werden und wie deren Entwicklung einzuschätzen ist; Der sogenannte asiatische Tigermoskito (Aedes albopictus) stammt ur - sprünglich aus Südostasien, wo die Entwicklungsstadien (Eier, Larven und Puppen), z. B. in mit Wasser gefüllten Kokosschalen oder Bambusstümpfen, später in künstlichen Behältern wie Wasserfässern, Autoreifen oder anderen kleinen Wasseransammlungen zu finden sind. Diese exotische Stechmücke verzeichnet innerhalb der letzten Jahrzehnte eine erstaunliche Erweiterung ihres Verbreitungsgebietes. Der zunehmende internationale Warenverkehr und die große Mobilität der Menschen erleichtern die Ausbreitung dieser Stechmücke. In Europa erschien die Art das erste Mal 1979 in Albanien, bevor sie 1990 über Altreifentransporte aus den USA nach Italien (Genua) eingeschleppt wurde. Innerhalb weniger Jahre verbreitete sie sich dann rapide in weiteren Regionen Italiens und wurde mittlerweile auch in Frankreich, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Belgien, der Schweiz, Niederlande, Griechenland, Slowenien, Kroatien und Spanien nachgewiesen. Nach dem erstmaligen Fund von fünf Eiern der Stechmücke Aedes albopictus an einem Parkplatz an der A 5 bei Weil am Rhein in Süddeutschland im September 2007 tritt diese Mücke somit nun in 13 europäischen Staaten auf. Da Aedes albopictus durch regelmäßige Überwachung und eingeleitete Bekämpfungsmaßnahmen auch in der Schweiz bisher nur sporadisch in sehr geringer Individuenzahl gefunden wurde, ist davon auszugehen, dass das durch den Fund weniger Eier in Süddeutschland indirekt nachgewiesene Weibchen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aus den weiter entfernten Verbreitungsgebieten in Norditalien stammt. Der Umstand, dass nur einmalig wenige Eier und keine anfliegenden Imagines nachgewiesen werden konnten, deutet darauf hin, dass es sich hier sehr wahrscheinlich nur um ein einzelnes verschlepptes und vermutlich schon vorher in Italien befruchtetes Weibchen gehandelt hat. Da die Aedes albopictus-weibchen aber im Durchschnitt ca. 60 Eier legen und diese meist auf mehrere Brutstätten verteilen, sind vermutlich weitere Eier dieses Weibchens in anderen natürlichen oder künstlichen Brutstätten am Fallenstandort nicht auszuschließen. Grundsätzlich ist in klimatisch geeigneten Gebieten wie dem Oberrheingebiet die Gefahr der Ausbreitung und einer dauerhaften Etablierung von Aedes albopictus nicht zu unterschätzen, wenn Kontroll- und Bekämpfungsmaßnahmen fehlen oder zu spät eingeleitet werden. Allerdings ist in Baden-Württemberg mit solch einer geringen Menge an Eiern als Startpotenzial ein Aufbau einer stabilen Population eher unwahrscheinlich. 3. inwieweit hiervon gesundheitliche Gefahren ausgehen (etwa durch das Dengue- oder Chikungunya-Fieber) und wie diesen gegebenenfalls vonseiten der Landesregierung begegnet wird; Chikungunya-Virus und Dengue-Virus werden vornehmlich durch die Stechmücken der Gattung Aedes übertragen. Hauptverbreitungsgebiete des Chikungunya-Virus befinden sich in Afrika, auf dem indischen Subkontinent und in Südostasien. In den Jahren 2005 und 2006 wurden auf Inseln des Indischen Ozeans (z. B. Réunion, Mauritius, Seychellen, Madagaskar) aber auch in Indien, Sri Lanka und Gebieten Südostasiens größere Ausbrüche bzw. eine Zunahme der Inzidenz verzeichnet. Das Dengue-Fieber ist die häufigste durch Mücken übertragene Virusinfektion. Das Virus ist in mehr als 100 tropischen und subtropischen Ländern endemisch. Die Verbreitungsgebiete beider Erkrankungen betreffen auch Touristengebiete, sodass in vielen europäischen Ländern darunter auch in Deutschland importierte Infektionen festgestellt wurden. Im Jahr 2007 wurden dem Robert- 3
Koch-Institut 32 Erkrankungsfälle von Chikungunya-Fieber und 277 Erkrankungsfälle von Dengue-Fieber übermittelt. Die entsprechenden Fallzahlen für Baden-Württemberg betrugen zwei bzw. 36 Erkrankungen. Alle in Deutschland diagnostizierten Erkrankungen wurden durch Infektionen in Endemiegebieten verursacht. Als Folge des Klimawandels verändern sich auch die Lebensbedingungen für Tiere und für Pflanzen. Dies gilt auch für Vektoren (Insekten, Zecken und Nager), die für den Menschen relevante Krankheitserreger übertragen können. Allerdings ist anzumerken, dass das Auftreten von einem neuen Vektor, z. B. der Tigermücke nicht automatisch bedeutet, dass dieser Vektor unter unseren klimatischen Bedingungen überlebensfähig ist oder gar die genannten Krankheiten bei uns endemisch werden können. Daher ist das Auftreten einzelner importierter Krankheitsfälle hier nicht ohne weiteres mit der Gefahr einer Weiterverbreitung gleichzusetzen. Nach Auffassung des Robert-Koch-Instituts ist ein Import derartiger Viruserkrankungen aus endemischen Gebieten nach Deutschland mit nachfolgender Übertragung durch Mücken in Deutschland derzeit sehr unwahrscheinlich, da die klimatischen Bedingungen für die Etablierung und Vermehrung der Vektormücken, vor allem aber für die Vermehrung des Erregers in der Mücke noch ungünstig sind. Vorkehrungen der Landesregierung Zuerst ist zu betonen, dass die globale Erwärmung nur durch weltweite Anstrengung aufgehalten werden kann. Die Dimension der erforderlichen Maßnahmen übersteigt die Möglichkeiten einer Landesregierung. Baden- Württemberg hat aber im Rahmen seiner Möglichkeiten bereits gehandelt und folgende Vorkehrungen zum Infektionsschutz getroffen: Baden-Württemberg verfügt mit dem Kompetenzzentrum Gesundheitsschutz am Landesgesundheitsamt (LGA) über eine effektive Möglichkeit zur Beratung der Gesundheitsämter und anderer Behörden über die notwendigen Maßnahmen beim Auftreten von Krankheitserregern. Im Seuchenalarmplan für Baden-Württemberg wurden die Aufgaben und das Zusammenspiel aller Akteure im Seuchenfall festgelegt. Damit können erforderliche Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung aber auch des medizinischen Personals getroffen werden. Zur Evaluierung des Seuchenalarmplans wurde im Juli 2007 eine Alarmübung durchgeführt. Durch gezielte Studien des LGA soll die Datenbasis über die Häufigkeit von für Baden-Württemberg relevanten Infektionskrankheiten (Q-Fieber, Hantavirus-Infektion und FSME) erweitert werden, um mögliche Ursachen für ihre Häufung besser erkennen und bekämpfen zu können. Hierzu wurde im LGA ein sog. L 3-Labor zum Nachweis gefährlicher Krankheitserreger eingerichtet. Außerdem ist das Meldesystem in Deutschland für übertragbare Krankheiten eingebunden in das EU- bzw. WHO-Meldenetz, sodass ein weltweiter Austausch über eine mögliche Verbreitung von bislang bei uns nicht bekannten Erkrankungen bzw. ihren Erregern besteht. Das ermöglicht eine frühe Reaktion auf derartige Epidemien. 4
4. wie sich dies bei der Übertragung von Malaria durch Anophelesarten darstellt; Malaria ist eine der meist verbreiteten Infektionskrankheiten des Menschen. Aufgrund des Krankheitsbildes lassen sich Malaria tertiana, Malaria quartana und Malaria tropica unterscheiden. Jährlich treten weltweit schätzungsweise 200 Mio. Neuinfektionen auf. Nach Deutschland werden pro Jahr etwa 1.000 Fälle, insbesondere von Malaria tropica eingeschleppt. Die meisten Erkrankungen werden im tropischen Afrika erworben. Zumeist handelt es sich um Erkrankte, die keinerlei Medikamente zur Prophylaxe verwendet hatten. Das Übertragen der Malaria von Mensch zu Mensch erfolgt durch Anopheles- Mücken, die sich zuvor an einem Träger von Plasmodien (Erreger der Krankheit) infiziert haben. Die Malaria tertiana war im 19. Jahrhundert bis nach Schweden verbreitet. Durch verschiedene Bekämpfungsmaßnahmen, insbesondere Entwässerungsmaßnahmen, konnte sie eliminiert werden. Theoretisch könnte sich die Malaria auch ohne Temperaturerhöhung in Mitteleuropa etablieren, da die erforderlichen Vektoren vorhanden sind. Dies ist jedoch sehr unwahrscheinlich, da die Malaria keine Zoonose ist, und demnach nur über den Menschen als Erreger-Reservoir verfügt. Zu einer Wiederverbreitung könnte es daher nur kommen, wenn sich eine große Zahl sogenannter semiimmuner Menschen aus Entwicklungsländern, bei denen die Parasiten im Blut zirkulieren, ohne Krankheitssymptome zu verursachen, für längere Zeit in einem geeigneten Anopheles-Brutgebiet einfinden würden. Derartige semiimmune Menschen sind jedoch nur in den tropischen Malariagebieten zu finden. Es ist damit kaum zu rechnen, dass sie in Mitteleuropa etwa als Asylbewerber auftreten. 5. wie sichergestellt ist, dass durch die Bekämpfungsmaßnahmen kein Schaden für Menschen und Natur entsteht; Die Brutstätten werden mit der BTI-Methode (Bacillus thuringiensis israelensis) biologisch bekämpft. Eine Anreicherung schädlicher Inhaltsstoffe in der Nahrungskette findet nicht statt. Da BTI außerdem hoch selektiv wirkt, findet keine Schädigung des Naturhaushalts statt. Die Methode wird im KABS-Gebiet seit etwa 20 Jahren erfolgreich gegen Stechmückenlarven eingesetzt. Nur beim Auftreten von Fluginsekten müssten Pyrethroide vernebelt werden. Pyrethroide sind Insektizide, die dem natürlichen Chrysanthemengift Pyrethrum nachgebaut sind, dem natürlichen Vorbild durch zahlreiche Veränderungen der chemischen Struktur inzwischen aber nur noch entfernt verwandt sind. Sie besitzen eine schnell einsetzende Kontakt- und Fraßwirkung gegen fast alle Insekten. Alle Pyrethroide werden als stark wassergefährdend eingestuft. Nach Angaben der KABS würden in diesem Fall aber nur lokal begrenzte Einsätze vorgesehen. Diese sind genehmigungspflichtig und nur kontrolliert und unter Auflagen durchzuführen. 6. ob es zutrifft, dass noch in diesem Monat zu diesem Thema ein Monitoring stattfindet und wie die Landesregierung sich ggf. hieran beteiligt; Die KABS führt seit 30 Jahren ein Routinemonitoring der Stechmückenfauna im Oberrheingebiet mit Kohlendioxidfallen durch. Darüber hinaus hat die KABS in Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg umfangreiche Untersuchungen zum möglichen Verbreitungspotenzial in Deutschland an - hand von Modellrechnungen vorgenommen. 5
Im Jahr 2005 initiierte die KABS ein Monitoringprojekt, um der wachsenden Gefahr einer Einschleppung und Einbürgerung von Aedes albopictus in Deutschland entgegenzuwirken. Vorrangiges Ziel ist es, durch Analyse der möglichen Einschleppungswege nach Deutschland alle potenziellen Etablierungsorte zu identifizieren und im regelmäßigen Abstand zu überwachen, um beim Auftreten der Mücke sofort geeignete Bekämpfungsmaßnahmen vornehmen zu können. 7. welche Überlegungen bei der Landesregierung bestehen, die Folgen des Klimawandels bei der künftigen Realisierung von Wasserbaumaßnahmen, wie z. B. dem Integrierten Rheinprogramm zu berücksichtigen. Im Rahmen des Kooperationsvorhabens KLIWA (Klimaveränderung und Konsequenzen für die Wasserwirtschaft) wurden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Hochwasserabflüsse der Gewässer in Baden-Württemberg untersucht und Klimaänderungsfaktoren für eine Bemessungslastfallbetrachtung bei Hochwasserschutzmaßnahmen abgeleitet. Wegen der besonderen Problematik des Rheineinzugsgebiets werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die Hochwasserabflussverhältnisse am Hoch- und Oberrhein gesondert untersucht. Der Nachweis, ob der Klimawandel in der Zukunft zu einer Erhöhung der Hochwassergefahr der Abflüsse im Hoch- und Oberrhein führt, konnte bislang nicht erbracht werden. Aus diesem Grund besteht für die Landesregierung derzeit kein Anlass für eine Änderung der im Rahmenprogramm I des Integrierten Rheinprogramms festgelegten Hochwasserschutzmaßnahmen. Dr. Stolz Ministerin für Arbeit und Soziales 6