Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 35 Art. 49 Abs. BV Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 36 Beispiele. Gleichlautende Bestimmungen im Grundrechtskatalog der Bundesverfassung und im Grundrechtskatalog einer Kantonsverfassung. 2. Gleichlautende Bestimmung einer kantonalen Gesetzesnorm und einer Norm aus einem Grundsatz- bzw. Rahmengesetz des Bundes. 3. Kostenpflichtiges Bewilligungsverfahren für Anwälte und Voraussetzung eines sauberen Leumunds im Kanton X. 4. Strafbarkeit fahrlässiger Unterlassung einer Hilfeleistung im Kanton Neuenburg. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 37 Beispiel 4 Art. 335 Abs. StGB Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist.
Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 38 Kompetenzkollision, Beispiel Art. 74 Abs. BV Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz des Menschen und seiner natürlichen Umwelt vor schädlichen oder lästigen Einwirkungen. 33 Abs. KV-BS* Der Staat trifft Massnahmen zur Reinhaltung von Erde, Luft und Wasser. * Verfassung des Kantons Basel-Stadt vom 23. März 2005, SG.00 (Stand vom. Juli 202) Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer Kompetenzkollision, Beispiel 2 39 Art. 5 RPG* Bauzonen umfassen Land, das sich für die Überbauung eignet und a. weitgehend überbaut ist oder b. voraussichtlich innert 5 Jahren benötigt und erschlossen wird. Art. 72 Abs. BauG** Die Bauzone umfasst Land, das weitgehend überbaut ist oder voraussichtlich innert 5 Jahren für die Überbauung benötigt und erschlossen wird. * Bundesgesetz über die Raumplanung vom 22. Juni 979 (Stand vom. Juli 20) ** Baugesetz des Kantons Bern vom 9. Juni 985, BSG 72.0 (Stand vom 0. September 202) Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 40 Kompetenzkollision, Beispiel Art. 4 BV Recht auf Ehe und Familie Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet. Art. 9 KV-SO* Recht auf Ehe und Familie Das Recht auf Ehe und Familie ist gewährleistet. * Verfassung des Kantons Solothurn (KV) vom 8. Juni 986 (Stand. August 202) 2
Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 4 Normkollision, Beispiel 3 Art. 3 BGBM* Ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern darf der freie Zugang zum Markt nicht verweigert werden. Beschränkungen sind in Form von Auflagen oder Bedingungen auszugestalten und nur zulässig, wenn sie: a. gleichermassen auch für ortsansässige Personen gelten; [ ] 4 Über Beschränkungen ist in einem einfachen, raschen und kostenlosen Verfahren zu entscheiden. * Bundesgesetz über den Binnenmarkt vom 6. Oktober 995, SR 943.02 (Stand vom. Januar 2007) Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 42 Norm- und Kompetenzkollision, Beispiel 4 Art. 28 StGB Unterlassung der Nothilfe Wer einem Menschen, den er verletzt hat, oder einem Menschen, der in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt, nicht hilft, obwohl es ihm den Umständen nach zugemutet werden könnte, [ ] wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 43 Norm- und Kompetenzkollision, Beispiel 4 Art. 23 Abs. BV Die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafprozessrechts ist Sache des Bundes. Art. 335 Abs. StGB Den Kantonen bleibt die Gesetzgebung über das Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist. 3
Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 44 Art. 42 Abs. BV Der Bund erfüllt die Aufgaben, die ihm die Bundesverfassung zuweist. Art. 49 Abs. BV Bundesrecht geht entgegenstehendem kantonalem Recht vor. Art. 90 BV Massgebendes Recht Bundesgesetze und Völkerrecht sind für das Bundesgericht und die anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 45 Verschiedene Wirkungen von Bundeskompetenzen Nachträglich derogatorische Wirkung, Beispiel Art. 6 Abs. 3 BV 3 Er [der Bund] richtet eine Mutterschaftsversicherung ein. Er kann auch Personen zu Beiträgen verpflichten, die nicht in den Genuss der Versicherungsleistungen gelangen können. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 46 Verschiedene Wirkungen von Bundeskompetenzen Ursprünglich derogatorische Wirkung, Beispiele Art. 90 BV Kernenergie Die Gesetzgebung auf dem Gebiet der Kernenergie ist Sache des Bundes. Art. 99 Abs. BV Geld- und Währungspolitik Das Geld- und Währungswesen ist Sache des Bundes; diesem allein steht das Recht zur Ausgabe von Münzen und Banknoten zu. 4
Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 47 Verschiedene Wirkungen von Bundeskompetenzen Parallele Kompetenzen von Bund und Kantonen, Beispiel Art. 63a Abs. und 2 BV Der Bund betreibt die Eidgenössischen Technischen Hochschulen. Er kann weitere Hochschulen und andere Institutionen des Hochschulbereichs errichten, übernehmen oder betreiben. 2 Er unterstützt die kantonalen Hochschulen und kann an weitere von ihm anerkannte Institutionen des Hochschulbereichs Beiträge entrichten. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 48 Folgen der Verletzung von Art. 49 Abs. BV Sonderfall, Beispiel 3 Art. 95 Abs. 2 Satz 2 BV Er [der Bund] gewährleistet, dass Personen mit einer wissenschaftlichen Ausbildung oder mit einem eidgenössischen, kantonalen oder kantonal anerkannten Ausbildungsabschluss ihren Beruf in der ganzen Schweiz ausüben können. Art. 3 BGBM Ortsfremden Anbieterinnen und Anbietern darf der freie Zugang zum Markt nicht verweigert werden. Beschränkungen sind in Form von Auflagen oder Bedingungen auszugestalten und nur zulässig, wenn sie: a. gleichermassen auch für ortsansässige Personen gelten; b. zur Wahrung überwiegender öffentlicher Interessen unerlässlich sind; und [ ] Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 49 Amtliche Durchsetzung des Vorrangprinzips Art. 06 Abs. 2 BGG* 2 Es [das Bundesgericht] prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist. * Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG) vom 7. Juni 2005, SR 73.0 (Stand vom. Oktober 202) 5
Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 50 Gerichtliche Durchsetzung des Vorrangprinzips, Bundesgericht als letzte Instanz Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Art. 82 BGG Grundsatz Das Bundesgericht beurteilt Beschwerden: a. gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts; b. gegen kantonale Erlasse; [ ] Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 5 Gerichtliche Durchsetzung des Vorrangprinzips, Bundesgericht als letzte Instanz Subsidiäre Verfassungsbeschwerde Art. 3 BGG Grundsatz Das Bundesgericht beurteilt Verfassungsbeschwerden gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen, soweit keine Beschwerde nach den Artikeln 72 89 zulässig ist. Art. 6 BGG Beschwerdegründe Mit der Verfassungsbeschwerde kann die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden. Juristische Fakultät / Allgemeines Staatsrecht I / HS202 / Prof. Dr. Markus Schefer 52 Gerichtliche Durchsetzung des Vorrangprinzips, Bundesgericht als letzte Instanz Klage ans Bundesgericht Art. 20 Abs. BGG Das Bundesgericht beurteilt auf Klage als einzige Instanz: a. Kompetenzkonflikte zwischen Bundesbehörden und kantonalen Behörden; [ ] 6