Leitbild Organisation? Universitäre Selbstbeschreibung im Umbruch

Ähnliche Dokumente
Unbeobachtbare Funktionssysteme?

Systemtheorie, Diskurs theorie und das Recht der Transzendentalphilosophie

Jenseits von Gut und Böse Zur systemtheoretischen Betrachtung von Ethik und Moral nach Niklas Luhmann

Inkommensurabilität t von Theorien und Paradigmen

Wissenssoziologie und. Wissenschaftssoziologie

Das Fach»Soziologie«THEMEN SCHWERPUNKTE - PROFESSUREN D. BISCHUR INTEGRIERTE EINFÜHRUNG WS 2016/17: EINFÜHRUNGSWOCHE - FACH SOZIOLOGIE 1

Hochschulforschung und Hochschulmanagement: Thesen zu ihrem Verhältnis

Allgemeine Systemtheorie

Grundlagen der soziologischen Theorie

Journalismus und Medien als Organisationen

Grippeschutz-Maßnahmen

Pädagogische Institutionen

Organisationstheorien

Empfehlung zum Promotionsrecht in einem differenzierten Hochschulsystem. Wien, im Februar 2014

DIE FILES DÜRFEN NUR FÜR DEN EIGENEN GEBRAUCH BENUTZT WERDEN. DAS COPYRIGHT LIEGT BEIM JEWEILIGEN AUTOR.

Einleitung: Die Öffentlichkeiten der Erziehung Zum Begriff der Öffentlichkeit... 23

Forum 1: Wissenschaftlichkeit und Erfahrungsorientierung in der Lehre Ein Widerspruch?

Rolle der Fachhochschulen zu Universitäten

Strategische Kommunikationsplanung als Problem der Linguistik. Jürgen Schulz

2 Orientierungen der Wissenschaft (Ethos)

Organisationstheorien

Institut für Computer Science, - Vision and Computational Intelligence

Tutorium Niklas Luhmann 8. Sitzung Abgrenzungen v. vorherigen Kommunikations- / Handlungskonzepten

Wissenschaftspropädeutik Gymnasium > Universität? Prof. Dr. A. Loprieno, 4. HSGYM-Herbsttagung, 12. November 2015

Wieland Jäger. Reorganisation der Arbeit

Erziehun zur Normalität

Harmonisierung oder Differenzierung im Hochschulwesen: was streben wir in Österreich an?

Hochschulkooperationen am Beispiel der TU 9 German Institutes of Technology

Der Partner als Fremder. Historische und soziologische Überlegungen

Negative Freiheitsrechte und gesellschaftliche Selbstorganisation

Organisation. Georg Schreyögg. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung GABLER. Mit Fallstudien. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage

Vom Gymnasium an die posthumboldtsche

Geschichtsschreibung und Geschichtsdenken im 19. und 20. Jahrhundert

Curriculum Studiengang SB CURRICULUM

Emil Angehrn Interpretation und Dekonstruktion

Günter Kutscha. Wissenschaftlichkeit und Erfahrungsorientierung in der Lehre Ein Widerspruch? Thesen

Re-Institutionalisierung statt De-Institutionalisierung in der Behindertenhilfe

1. Gruppe: Organisationsbegriff Institutionell (Was ist die Organisation?)

Selbstverständnis der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft e.v. (GfA)

Individualisierung bei Max Weber. Steffi Sager und Ulrike Wöhl

Abbildungsverzeichnis...VI Tabellenverzeichnis... VII Abkürzungsverzeichnis...VIII

Bildungsforschung und Bildungspolitik im Dialog. Lernprozesse und Irritationen. Heinz-Elmar Tenorth

Neue Theorie der Schule

Umweltpolitik in Deutschland

Der Status der Einheit Wort im Französischen

Lehrbuch der Erwachsenenbildung

Karl Marx ( )

Sozialstruktur und Disziplinarindividuum

1 Einführung in die Thematik Grundverständnis einer systemisch-konstruktiv(istisch)en Beratungsphilosophie... 48

Heilpädagogik: Entwicklung, Forschung, Leitung

Organisation. Georg Schreyögg. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage

Psychotherapie als Profession

Strategieprozesse und strategisches Management in Hochschulen: die Rolle des Hochschulrates Erfahrungen der CHE Consult GmbH

Univ.-Prof. Dr. M. Ewers MPH Berlin /

Das Phänomen der Familienformen im Wandel: Ist die Familie ein Auslaufmodell?

Wissenschafts- und Technikforschung 12. Dominik Mahr. Citizen Science. Partizipative Wissenschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Kindheit Lebenslagen von Kindern im Spiegel des 14. Kinder- und Jugendberichts

Halt auf freier Strecke! GQMG Summercamp 2014 Hotel Waldachtal, Schwarzwald

Einführung in die Kommunikationswissenschaft

Modulhandbuch MA Philosophie. Aufklärung in Geschichte und Gegenwart Enlightenment in Past and Present. Inhalte und Qualifikationsziele

Entwicklung der Hochschulbildung der Gesundheitsfachberufe Anmerkungen aus der Sicht der Pflegewissenschaft und der Pflege

Herzlich Willkommen zum Examenskolloquium Modul Organisation: Theorie, Gestaltung, Wandel

MARX: PHILOSOPHISCHE INSPIRATIONEN

Wissenschaftliche Definition von kultureller Differenz und Fremdheit

Geschlechterkonstruktion Sozialpsychologie

Übergänge. gesellschaftliche Voraussetzungen, pädagogische Herausforderungen

Christine ZeunerERFAHRUNG WISSENSCHAFT. Arbeiterbildung an amerikanischen und deutschen Hochschulen

Theoretische Ansätze zur Bildung von Personalvermögen in administrativen Bildungsbetrieben

Wissensaustausch im Agrar- und Ernährungssektor fördern

S i c h e r h e i t s c o n s u l t i n g

Welche strategische Weiterentwicklung für die Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften?

Technik als Kultur. Problemgeschichte (3) / Hegel und Marx: Technik als Potenzial. 10. Vorlesung ( ): Christoph Hubig

Anwendungsnahe Bildungsforschung

Die Balanced Scorecard vor dem Hintergrund des soziologischen Neo-Institutionalismus. von Angelika Wilsch

Freuds Kulturtheorie

Richard Münch Dialektik der Kommunikationsgesellschaft

Die entzauberte Universität Von Exzellenz, Relevanz und Qualitätsentwicklung

Margit Szöllösi-Janze FRITZ HABER Eine Biographie. Verlag C. H. Beck München

Die Entwicklung der Persönlichkeit 1

Prof. Dr. Martin Fischer, Karlsruher Institut für Technologie

Die Konstruktion der europäischen Gesellschaft

- Grundbegriffe: Erziehungsdefinitionen, Abgrenzung von Sozialisation, intentionale und funktionale Erziehung, Enkulturation

Sabine Liebert. Betriebliche Organisationen. Akteure im Spannungsfeld formaler und informeller Strukturen

Gesundheit Sozialwissenschaftlich orientierte Gesundheitsforschung in der Schweiz

Vorwort des Herausgebers 11 Aus Althussers Hinweis" zur 1. Auflage 13 [Aus Althussers Vorwort zur 2. Auflage] 15 Abkürzungen 17

Georg Schreyögg. Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Mit Fallstudien. 2., überarbeitete Auflage GABLER

Grundkurs Philosophie / Metaphysik und Naturphilosophie (Reclams Universal-Bibliothek) Click here if your download doesn"t start automatically

Friederike von Cossel. Entscheidungsfindung im Kulturbetrieb am Beispiel der Spielplangestaltung im Theater

Institut für Sozialwissenschaften

Zum Wandel der Fremd- und Selbstdarstellung in Heirats- und Kontaktanzeigen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eine empirische Untersuchung

Die Kritik der Gesellschaft

Die nächsten drei Vorlesungen sehe ich in einem engen Zusammenhang. Sie drehen sich um das Verhältnis Individuum Schule Gesellschaft.

VWL I (Mikroökonomik) Gesamtwiederholung

Die Entwicklung der Bewegungslehre und Sportmotorik in Deutschland

Soziologie der Liebe. Vorlesung Johannes-Gutenberg-Universität Mainz Wintersemester 2012/13 PD Dr. phil. habil. Udo Thiedeke

Potenziale und Grenzen von E-Learning

Vertrauen ist gut Marke ist besser

Bildung differenziert betrachtet

Transkript:

1. Organisation 2. Selbstbeschreibung 3. Universitäre Selbstbeschreibung 4. Universitäre Selbstbeschreibung im Umbruch 5. Risiken und Probleme 6. Anforderungen an die Leitung von Universitäten

Organisation I Organisation ist ein Phänomen der Moderne, kein allgemeiner Begriff sozialer Strukturbildung; Mit dem Organisationsbegriff war stets eine Referenzorganisation verbunden, an der sich Organisation und Organisieren orientierte. Zu Max Webers Zeiten war dies die (staatliche) Bürokratie, heute ist es das multinationale Unternehmen.

Organisation II Die jeweiligen konkreten Ausformungen der Referenzorganisation orientieren sich an Managementmoden und sind damit vergleichsweise kurzlebig; Gegenwärtig orientiert man sich gerne an Formen der Organisation, die an einem Netzwerkbegriff orientiert sind; Unter netzwerkförmigen Organisieren wird üblicherweise all das verstanden, was in Hinblick auf Organisatíonen und Organisieren als neu gilt.

Organisation III Das aus dem späten 19. Jahrhundert überkommene, an Maschinen orientierte Organisationsbild war mit der aus dem gleichen Jahrhundert stammenden Idee der Universität unverträglich; Die Begriffe Organisation und Universität mussten sich einander annähern, um im Rahmen einer Semantik funktionieren zu können.

Was bedeutet Organisationalisierung der Universität? Ausdifferenzierung von Aufgaben; Komplexitätssteigerung; Formalisierung/Quantifizierung; Bürokratisierung/Managerialisierung; Verschiebung und permanente Neuaushandlung der Handlungsdomänen von Organisation und wissenschaftlichen Disziplinen.

Selbstbeschreibung: Definition Unter dem Begriff Selbstbeschreibung sollen hier die zentralen kommunikationsbasierten Reproduktionspraxen von Organisationssystemen verstanden werden; Selbstbeschreibung umfasst (systemtheoretisch) all die Kommunikation die der Herstellung von Anschlussfähigkeit von Entscheidungen dient; Neoinstitutionalistisch gesehen dient Selbstbeschreibung der Reproduktion von Institutionen; Ein Gegenbegriff ist Fremdbeschreibung.

Selbstbeschreibung / Selbstbeschreibungstexte Unter Selbstbeschreibung fällt eine große Spannweite von organisationaler Selbstdarstellung, Kommunikation und Textproduktion: Haushaltspläne, Reden von Vorständen und Aufsichtsräten, Leitbilder, Organigramme, Geschäftsberichte, (Ver-)Ordnungen, diverseste Pläne, Wissensbilanzen etc.

Universitäre Selbstbeschreibung I: Universität als Organisation Organisationale Transformation/Organisationalisierung der Universität ist nicht neu; Im Zusammenhang mit der Herausbildung moderner Strukturen seit der frühen Neuzeit unterliegt die Universität einer permanenten Organisationalisierung; Organisationalisierung der Universität ist eine dauerhafte Triebkraft von Rationalisierung (Clarke).

Universitäre Selbstbeschreibung II: Semantik und Sozialstruktur Diese Entwicklung findet in Fremd- und Selbstbeschreibung ihren Niederschlag im Rahmen einer Dialektik von Semantik und Sozialstruktur (Als Ob Semantik/ metaphorische Semantik); Semantik beschreibt Sozialstruktur zunächst einmal als etwas Nachträgliches (Luhmann); Semantik kann der Sozialstruktur jedoch auch vorauseilen.

Universitäre Selbstbeschreibung III: Wissenschaftsbezug Universitäre Selbstbeschreibung war bis in die 1960er Jahre wissenschaftlich orientiert z. T. ihrerseits Wissenschaft (Wesensdebatte); In den 1970er Jahren begann eine veränderte technokratisch orientierte Semantik den hochschulpolitischen Diskurs zu dominieren;

Aus dieser Entwicklung resultierte in Deutschland eine Distanzierung vom Betrieb, der als etwas der Wissenschaft Uneigentliches, nicht Wesentliches betrachtet wurde; Dieses Uneigentliche wurde in den 1980er Jahren zum Teil mit dem Begriff Hochschulreform synonym gesetzt (Reformmüdigkeit).

Universitäre Selbstbeschreibung im Umbruch!? Entbesonderung der Universität; Übernahme einer fremden, von außen zugeschriebenen Semantik, die gelegentlich der Sozialstruktur vorauseilt; Herausbildung einer opportunitätsorientierten Dialektik von Kommodifizierung und Verwissenschaftlichung (Commodification Talk vs. Science Talk).

Risiken und Probleme I Unsicherheiten: Universität, Hochschule oder Dienstleistungsunternehmen?; Organisationale Instrumentalismen: Unternehmen neigen zu einem instrumentalisierenden Zugriff auf ihre Umwelt; Semantische Inkompatibilitäten: Organisationaler und wissenschaftlicher Wettbewerbsbegriff sind nicht das Gleiche.

Risiken und Probleme II Pseudorationalitäten: Betriebswirtschaftliches Bild des nutzenmaximierenen Individuums ist mit wissenschaftlichem Handeln nicht verträglich; Indikatorenopportunismus: Aus Quantifizierung; Überraschungen: Organisationales Handeln, als ob die Sozialstruktur der Semantik entspräche; Reibungsverluste: Verschränkungsebene von Disziplinen und Organisation fehlt.

Anforderungen an die Leitung von Universitäten I Problembewusstsein (Betriebswirtschaftliche Modelle enthalten das Konzept wissenschaftliche Disziplin nicht); Entwicklung wissenschaftsadäquater Problemzugänge.

Exkurs Wissenschaftliche Disziplinen Gesamtheit der zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt als wissenschaftlich anerkannten Disziplinen; Nur gelegentlich funktional aufeinander angewiesen; (Def. systemtheoretisch) Verweisungszusammenhänge zur Filterung von Relevanz; (Def. neoinstitutionalistisch) Institutionen zur Aufrechterhaltung, Promotion und Distribution spezifischer Realitätszugänge.

Anforderungen an die Leitung von Universitäten II Primär geht es um die Anerkennung von Spannungsverhältnissen nach innen und nach außen; Das Verhältnis von Organisation und Disziplinen sollte nicht als a priori unproblematisch konzeptionalisiert werden; Institutionalisierung und Bearbeitung dieser Spannungsverhältnisse als primäre institutionelle Leistung der Universität.

Schluss