Der Orthopäde. Elektronischer Sonderdruck für C. Baier. Therapie der patellaren Instabilität bei Kindern und Jugendlichen

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Transkript:

Der Orthopäde Organ der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie Organ der Union Orthopädie und Unfallchirurgie der Fachgesellschaften DGOOC und DGU Elektronischer Sonderdruck für C. Baier Ein Service von Springer Medizin Orthopäde 2011 40:868 876 DOI 10.1007/s00132-011-1775-9 Springer-Verlag 2011 zur nichtkommerziellen Nutzung auf der privaten Homepage und Institutssite des Autors C. Baier H.R. Springorum J. Beckmann J. Grifka J. Matussek Therapie der patellaren Instabilität bei Kindern und Jugendlichen www.derorthopaede.de

Leitthema Orthopäde 2011 40:868 876 DOI 10.1007/s00132-011-1775-9 Online publiziert: 10. September 2011 Springer-Verlag 2011 C. Baier H.R. Springorum J. Beckmann J. Grifka J. Matussek Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach Therapie der patellaren Instabilität bei Kindern und Jugendlichen Die Inzidenz von Patellaluxationen im Kindes- und Jugendalter wird mit etwa 29/100.000 angegeben [2]. Subluxationsphänomene aufgrund patellarer Instabilität treten wesentlich häufiger auf. Aufgrund der Pathogenese können 2 Formen unterschieden werden: F die chronisch-habituelle Patellainstabilität aufgrund einer angeborenen Fehlbildung der Kniescheibenstabilisatoren; F die chronisch-rezidivierende, sekundäre Patellainstabilität nach traumatischer Patellaluxation. Die chronisch-habituelle Instabilität tritt wesentlich häufiger auf. Die betroffenen Patienten sind zu 60 90% Mädchen und Frauen, auch familiäre Häufungen werden beschrieben. Eine traumatische Erstluxation der Patella als Ursache für spätere chronischrezidivierende Instabilität tritt in erster Linie im Alter von 10 20 Jahren und in mehr als der Hälfte der Fälle bei sportlicher Betätigung auf [10]. Spricht man von patellarer Instabilität, ist typischerweise die mediale Instabilität mit (Sub-)Luxation der Patella nach lateral gemeint. Diese wird durch eine Reihe anatomisch-funktioneller Defizite begünstigt: F anatomisch: 1 Genu valgum, 1 Genu recurvatum, 1 Patella alta, 1 Hypoplasie der Trochlea/laterale Kondylenhypoplasie, 1 Hypoplasie/Dysplasie der Patella, 1 vermehrte femorale Antetorsion/ Innenrotation, 1 vermehrte tibiale Außenrotation, 1 Knick-Senk-Spreizfuß, 1 traumatische Fehlstellungen; F funktionell: 1 Hypotrophie des M. vastus medialis obliquus, 1 generalisierte Bandlaxizität, 1 insuffizienter Bandapparat, 1 Lähmungen. Biomechanik Zum Verständnis der patellaren Instabilität trägt die Analyse der Biomechanik des Femoropatellargelenks bei. Die Normalform dieses Gelenks wird durch die Trochlea femoris als Gleitlager und die Patella gebildet. Es gibt fließende Übergänge zu pathologischen Fehlbildungen, die zur Instabilität führen. Bezüglich der Trochlea findet man am ehesten eine laterale Kondylenhypoplasie, bzgl. der Patella eine zunehmende Reduzierung der medialen Facette (Dysplasietypen nach Wiberg [30]). E Neben den knöchernen Strukturen wird die patellare Stabilität durch dynamische, ligamentäre (passive) und muskuläre (aktive) Strukturen beeinflusst. Das mediale und laterale Retinakulum zählen zu den passiven Stabilisatoren. Medialseitig tragen das meniskopatellare sowie das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) zur Stabilisierung bei. Muskulär wird das Patellofemoralgelenk in erster Linie durch die Mm. vastus medialis obliquus bzw. lateralis obliquus des M. quadriceps femoris geführt. Durch Abgabe einzelner Fasern ans Retinaculum laterale ist der Tractus iliotibialis ebenso an der Führung der Patella beteiligt [27]. In Kniegelenkextension bzw. extensionsnaher Stellung wird die Patella eher weichteilig, mit höheren Flexionsgraden eher knöchern im trochlearen Gleitlager geführt. Klinik Prinzipiell gibt es keine spezifische oder pathognomonische Symptomatik der patellaren Instabilität. Dennoch ist das Beschwerdebild meist wegweisend für die Diagnosestellung und weitere Abklärung. In erster Linie werden diffuse, peripatellare Schmerzen, medial oder lateral betont, teilweise ausstrahlend geäußert. Typischerweise treten Schmerzen beim Treppensteigen sowie bei längerem Sitzen (Autofahrt) auf (erhöhter Anpressdruck der Patella). Durch die patellare Instablität kommt es häufig zu plötzlichem Einknicken ( giving way ) im betroffenen Gelenk. Ebenso beschreiben die betroffenen Kinder und Jugendlichen ein intermittierendes Blockieren sowie Unsicherheit, v. a. bei sportlicher Betätigung oder Treppensteigen. Bei traumatischer Genese wird von den Betroffenen häufig das Herausspringen der Kniescheibe eindeutig beschrie- 868 Der Orthopäde 10 2011

Zusammenfassung Abstract ben. Typischerweise luxiert die Patella nach lateral. Diagnostik Bei Kindern und Jugendlichen mit patellarer Instabilität muss zwischen einer traumatischen und einer angeborenen Genese mit ggf. familiärer Prädisposition unterschieden werden. Nicht selten werden Kinder von besorgten Eltern vorgestellt, die klinisch inapparent sind, jedoch eine mögliche unphysiologische Beinachse bzw. unphysiologisches Gangbild aufweisen. Häufig findet sich hier eine positive Familienanamnese hinsichtlich patellotrochleärer Fehlbildungen. Bei der Diagnostik dürfen mediale Instabilitäten mit Patella(sub)luxation nicht vergessen werden. Diese können auch als Komplikation nach operativer Korrektur des Knie-Streck-Apparats auftreten. Die Diagnostik beginnt mit der Inspektion des Patienten beim Eintreten ins Untersuchungszimmer. Das Gangbild sowie Schon- und Ausgleichsbewegungen beim Aus- und Ankleiden lassen erste Rückschlüsse auf die Ursachen der patellaren Instabilität zu. Im Stehen sollten die Beinachse, die Fußposition, die Gelenkstellung des Kniegelenks, die Position beider Patellae sowie die Muskeltrophik beurteilt werden. Im Liegen achtet man primär auf die Stellung beider Kniegelenke sowie auf etwaige muskuläre Hypotrophien. Der Lauf der Patella sollte während eines Bewegungszyklus inspiziert und palpiert werden. Zur Beurteilung der Position der Tuberositas tibiae verwendet man den Q(uadrizeps)-Winkel bzw. den Tuberkulum-Sulkus-Winkel. Die passive Beweglichkeit der Patella wird in Extension bei entspannter Quadrizepsmuskulatur sowie in 30 und 60 Flexionsstellung sowohl in mediolateraler als auch in proximodistaler Richtung getestet. Beim Apprehensiontest wird die Patella zunächst in 0 -Stellung, anschließend in 30 -Stellung des Kniegelenks passiv nach lateral verschoben. Bei patellarer Instabilität kommt es beim Patienten zu reflektorischer Abwehrspannung. Analog sollte die mediale Stabilität der Patella getestet werden. Hinweise auf retropatellare Knorpelschäden können Druckschmerzen bei Palpation der medialen und lateralen Patellafacette bzw. ein positives Zohlen-Zeichen sein. Bei Untersuchung des Patienten in Bauchlage sollte man auf Pathologien des umgebenden Muskelapparats (Verkürzung des M. quadriceps femoris sowie der ischiokruralen Muskulatur, sog. Pubertätssteife) und auf Rotationsfehler des Femurs bzw. der Tibia achten. Abschließend werden die angrenzenden Gelenke (Hüfte, Becken/Iliosakralgelenk, Sprunggelenke) untersucht. Bildgebende Verfahren Röntgen Das Röntgenbild des betroffenen Kniegelenks in 2 Ebenen mit Patellatangentialaufnahmen gehört zur Standarddiagnostik. Ebenso sollten regelhaft Patelladefiléeaufnahmen in 30, 60 und 90 Flexion angefertigt werden. Die a.-p.- Aufnahme sollte unter Belastung durchgeführt werden. Sie dient hauptsächlich zur Beurteilung des Femorotibialgelenks. Aus der streng lateralen Aufnahme kann die Höhe der Patella (Patella alta, Patella baja) mittels Insall-Salvati- oder Caton-Deschamps-Index gemessen werden. Die gebräuchlichste Messung erfolgt nach Insall-Salvati (. Abb. 1; [16]). Die Patellalänge wird dabei ins Verhältnis zur Länge des Lig. patellae gesetzt (Normwert 1±0,2). Die Patellatangentialaufnahme sollte standardmäßig in 30 45 Knieflexion durchgeführt werden. Neben der Beurteilung des patellofemoralen Gelenkspalts sowie möglicher knöcherner Verletzungen werden Stellung und Form der Kniescheibe (Patelladysplasie, -shift, -tilt) analysiert. Eine Trochleadysplasie wird durch einen Sulkuswinkel (Winkel zwischen medialer und lateraler Trochleawand) von >145 angezeigt (. Abb. 2; [4]). Die Ganzbeinstandaufnahme kann als Ergänzung zur Bestimmung der Beinachse bzw. femoraler und/oder tibialer Fehlstellung herangezogen werden. Orthopäde 2011 40:868 876 DOI 10.1007/s00132-011-1775-9 Springer-Verlag 2011 C. Baier H.R. Springorum J. Beckmann J. Grifka J. Matussek Therapie der patellaren Instabilität bei Kindern und Jugendlichen Zusammenfassung Für die patellare Instabilität bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist eine Vielzahl von Therapiemöglichkeiten operativ und konservativ beschrieben. Neuere Behandlungsoptionen wie die Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Ligaments haben diese Thematik in den Fokus gerückt und sind Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion. Im vorliegenden Beitrag werden die unterschiedlichen Therapieansätze dargestellt und anhand der aktuellen Literatur evaluiert. Schlüsselwörter Patellare Instabilität Kinder Jugendliche Junge Erwachsene Therapiemöglichkeiten Treatment of patellar instability in children and adolescents Abstract To address recurrent patellar instability in children and young adolescents a variety of therapeutic options exist either as non-operative or operative treatment. Recent options, such as reconstruction of the medial patellofemoral ligament have evoked a new focus of attention on this topic. The intention of this article is to present diverse therapeutic options and to evaluate them by reference to the current literature. Keywords Patellofemoral instability Children Teenager Young adults Therapy options Der Orthopäde 10 2011 869

Leitthema Abb. 2 9 Sulkuswinkel. β Winkel zwischen medialer und lateraler Trochleawand (Normwert <145 ) Abb. 1 8 Insall-Salvati-Index. Länge der Patella/ Länge des Lig. patellae (Norm 1±0,2) Abb. 3 8 TTTG-Abstand zwischen Tuberositas tibiae und Sulcus trochleae, gemessen parallel zu den dorsalen Femurkondylen (Normwert 5 mm, Operationsindikation >20 mm). TTTG tibial tuberosity/trochlea groove Computertomographie Die Computertomographie kann mögliche Torsionsfehlstellungen des Beins aufdecken und wird zur Bestimmung der Tuberositas-Gleitrinnen-Distanz (TTTG-Abstand, tibial tuberosity/ trochlea groove ) verwendet. Ein Abstand >20 mm wird als pathologisch gewertet und gilt als wichtiges diagnostisches Kriterium für patellare Instabilität (. Abb. 3; [12]). Um Torsionsfehlstellungen des Femurs zu ermitteln, wird der Winkel zwischen Femurhals und dorsaler Kondylenlinie des Femurs bestimmt. Torsionsfehlstellungen der Tibia werden durch Winkelbestimmung zwischen dorsaler Kondylenlinie der Tibia und Sprunggelenkachse (Linie zwischen Malleolus medialis und lateralis) ermittelt. Magnetresonanztomographie Die MRT ist heute der Goldstandard zur Beurteilung der Weichteile sowie des Gelenkknorpels. Auch der TTTG-Abstand sowie die Patellastellung können hiermit errechnet werden. > Zur Beurteilung der Weichteile und des Gelenkknorpels ist die MRT der Goldstandard Hinsichtlich der patellaren Instabilität ist eine Beurteilung der Retinakula sowie des MPFL (. Abb. 4) wichtig. Rupturen und Elongationen dieser Strukturen können ausschließlich mittels MRT abgebildet werden. Nach erstmaliger Patellaluxation sollte nach Abschluss der Basisdiagnostik immer ein intraartikulärer Schaden mittels MRT ausgeschlossen werden. Therapie Konservativ Die Behandlung der patellaren Instabilität bei Kindern und Jugendlichen ist bis auf spezielle Fälle nach akuter Patellaluxation zunächst konservativ ausgerichtet. In der Akutphase stehen bei patellarer (Sub)luxation Kühlung, Kompression und Hochlagerung im Vordergrund. Die Verwendung und Art von Orthesen ist umstritten, es gibt keine randomisierte kontrollierte Studie, die deren Einsatz rechtfertigt [8]. Dennoch werden diese in der Akutphase bei guten Erfahrungen häufig angewendet. Das Spektrum reicht dabei von einfachen patellazentrierenden Bandagen zu 4-Punkt-Rahmenorthesen, die in 20 Knieflexionsstellung angelegt werden [14]. Über die Dauer und Modifizierung der Orthesenbehandlung gibt es verschiedenste Empfehlungen, zumeist wird eine Ruhigstellung für 4 6 Wochen empfohlen. Auch zur physiotherapeutischen Beübung bei patellarer Instabilität gibt es keine Daten höheren Evidenzgrades. Neuere Studien zeigen akzeptable Ergebnisse bei alleiniger konservativer Therapie nach akuter Patellaluxation [23]. Dennoch gibt es keine einheitliche Herangehensweise. Unbestritten ist ein Auftrainieren der kniegelenkstabilisierenden und -umgreifenden Muskulatur, in erster Linie des M. vastus medialis (obliquus), aber auch der Glutäalmuskulatur und der Hüftaußenrotatoren. Eine Insuffizienz der letztgenannten Muskelgruppen resultiert in vermehrter Adduktion und Innenrotation des Femurs bei Belastung und prädisponiert zu patellarer Instabilität. Bei Patienten mit vermehrter femoraler Antetorsion (Verhältnis von Hüftinnen- zu Hüftaußenrotation 1) verstärkt sich diese Problematik. Durch mehrere Studien konnte ein effizienteres Muskelaufbautraining, v. a. des M. vastus medialis in der geschlossenen kinetischen Kette nachgewiesen werden [25]. Die physiotherapeutische Therapie beinhaltet neben dem Muskelaufbautraining das Aufdehnen verkürzter Muskelgruppen, v. a. des Tractus iliotibialis und des M. quadriceps femoris. Ziel ist ein Fersen- Gesäß-Abstand von 0 cm. Ebenso wichtig sind propriozeptives Training, physikali- 870 Der Orthopäde 10 2011

Leitthema sche Therapie (Kryotherapie, Ultraschall, Iontophorese) sowie das Taping. Die Ergebnisse der konservativen Therapie sind unterschiedlich. Nach behandelter Erstluxation werden Reluxationsraten von 15 44% angegeben [7]. Bei zusätzlich vorhandenen Risikofaktoren ist die Rezidivgefahr mit bis zu 80% sehr hoch [3]. Operativ Bei Erstluxation traumatischer Genese mit Vorliegen deutlicher Risikofaktoren (TTTG-Abstand >20 mm durch Trochleadysplasie oder Achsfehlstellungen) bzw. weiterer Begleitverletzungen (z. B. freier osteochondraler Gelenkkörper) ist primär die operative Therapie in Betracht zu ziehen. Bei unkomplizierter Erstluxation (ohne intraartikuläre Begleitverletzung und ohne klinisch relevante Risikofaktoren) ist die konservative Therapie indiziert. E Bei persistierender patellarer Instabilität bzw. rezidivierender Patellaluxation nach Ausschöpfen der konservativen Therapie ist eine operative Behandlung angezeigt. Abb. 4 9 Femorale MPFL-Ruptur (mediales patellofemorales Ligament). Pfeil Rupturstelle Eine Vielzahl operativer Verfahren ist beschrieben, die wichtigsten sollen im Folgenden dargestellt und diskutiert werden. Ein sog. Goldstandard hat sich bisher nicht etabliert und muss erst definiert werden. Bei operativer Therapie der patellaren Instabilität bei Kindern und Jugendlichen sollte bei offener Wachstumsfuge von knöchernen Transpositionen Abstand genommen werden. Es bieten sich verschiedene Weichteileingriffe an. Laterales Release Ein laterales Release ist bei verkürztem lateralem Retinakulum mit vermehrtem Patellatilt indiziert. Es kann in offener oder arthroskopischer Technik durchgeführt werden. Dabei sollte ausgeschlossen werden, dass durch das Release eine Knorpelläsion der Patella bzw. der Trochlea einer vermehrten Belastung ausgesetzt wird. Bei dieser Operationsmethode wird das laterale Retinakulum arthroskopisch oder offen chirurgisch in verschiedener Ausdehnung in Längsrichtung durchtrennt bzw. gelockert. Ein alleiniges laterales Release führt nicht zur Korrektur der (Sub)luxation der Patella. Bei zu ausgiebigem Release mit Ablösen des M. vastus lateralis obliquus besteht die Gefahr einer medialen patellaren Instabilität [18]. Nach aktueller Datenlage kann das laterale Release nur in Kombination mit einem medialen Weichteileingriff (Raffung, Rekonstruktion MPFL) bei einem TTTG-Abstand <20 mm und fehlenden bzw. minimalen Knorpelschäden der medialen Patella bzw. Trochlea [28] empfohlen werden. Mediale Raffung und Naht des medialen Retinakulums Unter dem Begriff mediale Raffung ist eine Vielzahl verschiedener weichteiliger Operationsmethoden subsumiert. Grundidee ist die Umlenkung der Zugrichtung der aktiven Stabilisatoren. Als häufigstes Verfahren wird die Operationstechnik nach Insall [15] beschrieben. Bei dieser Operationsmethode wird das mediale Retinakulum samt M. vastus medialis abgetrennt und anschließend distalisiert und lateralisiert. In Kombination erfolgt ein laterales Release. Eine alleinige mediale Raffung und Naht des medialen Retinakulums zeigt in den Studienergebnissen keine Überlegenheit zur konservativen Therapie [20]. Aufgrund berichteter hoher Reluxationsraten ist auch die Modifizierung dieser Operationstechnik nach Ali-Krogius kritisch zu prüfen [21]. Die Methode nach Goldthwait [13] kann als Modifikation der oben genannten Technik angesehen werden. Hier wird die laterale Hälfte des Lig. patellae distal abgelöst und unter dem medialen Patellarsehnenanteil periostal in Höhe des Pes anserinus refixiert. Als Komplikation dieses Verfahrens wird die Verkürzung des Lig. patellae beschrieben [1]. In unserer Klinik haben wir in den letzten 4 Jahren 18 Patienten nach dieser Methode operiert. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 19 Jahren, darunter waren 39% weiblichen und 61% männlichen Geschlechts. Es erfolgten jeweils eine postoperative Kontrolluntersuchung nach 6 Wochen und einem Jahr sowie eine aktuelle Telefonumfrage. Die durchschnittliche Nachuntersuchungszeit betrug 32 Monate. Die Reluxationsrate in unserem Patientengut lag bei 11%. Drei Patienten (17%) mussten sich einer Folgeoperation unterziehen, darunter wurde bei 2 Patienten bei rezidivierender Instabilität im Verlauf eine Tuberositasosteotomie nach Elmslie-Trillat durchgeführt. Der 2. Patient wurde auswärts knapp 2 Jahre postoperativ aufgrund einer Meniskusproblematik am betroffenen Kniegelenk arthroskopiert. Ein Patient musste aufgrund persistierender Kniegelenk- 872 Der Orthopäde 10 2011

beschwerden seinen Beruf aufgeben und eine Umschulung durchführen, 2 Patienten beklagen während ihrer Arbeit rezidivierende Beschwerden am operierten Kniegelenk bei schwerer körperlicher Arbeit und Knieen. Ihren gewohnten Alltagstätigkeiten konnten 89% der Patienten nachgehen, 72% uneingeschränkt ihre sportliche Aktivität wieder aufnehmen. Erneut dieser Operation würden sich 83% der Probanden unterziehen, 17% nicht. Der große Vorteil der medial raffenden Operationsverfahren ist der Weichteileingriff, knöcherne Strukturen, v. a. Wachstumsfugen, werden nicht verletzt. Bei entsprechender Indikation sind diese operativen Verfahren bei Kindern und Jugendlichen mit offenen Wachstumsfugen die Methode der Wahl zur Korrektur der patellaren Instabilität. Neben den genannten weichteiligen gibt es verschiedene knöcherne Verfahren, um die patellare Instabilität zu addressieren. Bei noch offenen Wachstumsfugen des Patienten besteht hierzu jedoch eine (relative) Kontraindikation. Rekonstruktion des medialen patellofemoralen Ligaments (MPFL) Bei Erwachsenen mit chronisch-rezidivierender oder habitueller Patellaluxation ist bei Fehlen von Risikofaktoren einer patellofemoralen Instabilität (Trochleadysplasie, normwertiger TTTG-Abstand, physiologische Beinachse und Torsion) sowie intakten Knorpelverhältnissen die Indikation zur isolierten Rekonstruktion des MPFL gegeben. Eine Vielzahl verschiedener Verfahren und Techniken ist hierzu beschrieben. Neben der Naht des Ligaments wird die Verwendung von Grazilis-, Semitendinosus-, sowie Adduktormagnus-Sehnen in Einzel- oder Doppelbündeltechnik propagiert. Bei Kindern und Jugendlichen mit offener Wachstumsfuge und patellofemoraler Instabilität ist zu bedenken, dass die femorale Insertionsstelle im Bereich der Wachstumsfuge liegt. Zudem sind Bohrungen bei oftmals noch kleiner Patella nicht möglich. Eine Naht oder Raffung des Ligaments mittels Fadenankern bzw. die Rekonstruktion durch Augmentation in Form eines freien Transplantats sind aus den oben genannten Gründen meist nicht möglich. In biomechanischen Studien von Ostermeier et al. [19] konnte nach isolierter MPFL-Rekonstruktion eine bessere patellofemorale Stabilität als nach medialer Tuberositasversetzung erreicht werden. Insgesamt gilt es zu bedenken, dass die Rekonstruktion des MPFL einen hohen Aufwand und hohe Kosten erfordert, ohne in den Langzeitergebnisse bisher eine signifikante Überlegenheit nachweisen zu können. > Es muss bedacht werden, dass die Rekonstruktion des MPFL einen hohen Aufwand und hohe Kosten erfordert Als Komplikation kann es nach diesem Eingriff zu einem erhöhten medialen Tilt der Patella kommen, was zu einer Überlastung des Knorpels der medialen Patella bzw. medialen Trochlea führen kann [24]. Bei Knorpelschäden sollte eine zusätzliche Knorpeltherapie erfolgen. Trochleaplastik Operative Techniken zur Modifikation der trochlearen Anatomie (z. B. durch Augmentation des lateralen Trochlearandes bzw. Vertiefung des Sulkus) sind bei offenen Wachstumsfugen kontraindiziert und Ausnahmefällen vorbehalten. Bei Patienten mit rezidivierender patellarer Instabilität und geschlossenen Epiphysenfugen, einem TTTG-Abstand >20 mm, höhergradiger Trochleadysplasie sowie intakten Knorpelverhältnissen werden Trochleaplastiken beschrieben. Dennoch zeigen sich in bisherigen Studien keine überzeugenden Ergebnisse bei einer nicht unerheblichen Komplikationsrate an Arthrofibrose bzw. patellofemoraler Arthrose [17]. Tuberositas-tibiae-Transfer Bei geschlossenen Epiphysenfugen sowie chronisch-rezidivierender und habitueller Patellaluxation ohne zentral- proximalen Knorpelschaden ist eine distale Rekonstruktion mit Rezentrierung des Kniestreckapparats angezeigt. Dies kann durch eine alleinige mediale Transposition des Tuberositas tibiae nach Elmslie-Trillat [29] bzw. anteromediale Transposition nach Fulkerson [11] erfolgen. Eine alleinige Ventralisation brachte vergleichsweise schlechtere postoperative Ergebnisse mit Hautnekrosen, Frakturen und Pseudarthrosen [22] und wird heute nicht mehr vorgenommen. Die Medialisierung der Tuberositas tibiae erfolgt durch eine koronare Osteotomie mit einer dem pathologischen Ausmaß entsprechenden Korrektur der entstehenden Knochenschuppe und Schraubenfixierung. Indikation ist ein erhöhter TTTG-Abstand >20 mm mit entsprechender patellarer Instabilität ohne relevante Torsionsfehlstellung des Femurs. Eine spezifische Komplikation dieses Eingriffs ist die Gefahr des medialen Anstoßens der Patella mit entsprechender Mehrbelastung bei (ungewollter) Überkorrektur. Die Kombination aus Medialisierung und Ventralisierung der Tuberositas tibiae ist v. a. bei Patienten mit der Kombination patellare Instabilität und laterale/distale patellofemorale Knorpeldefekte angezeigt. Die Ventralisierung erfolgt durch Interposition eines Knochenblocks in den entstehenden Spalt. Neben der (Ventro)-Medialisierung der Tuberositas tibiae werden operative Verfahren zur Distalisierung bei patellarer Instabilität und Patella alta beschrieben. In Studien zeigen sich mittelfristig gute bis sehr gute Ergebnisse [5]. Eine Gefahr ist die Überkorrektur mit Entstehung einer Patella baja [6]. > Operative Verfahren zur Distalisierung präsentieren in Studien gute bis sehr gute Ergebnisse In unserer Klinik haben wir in den letzten 4 Jahren 43 Patienten nach der Methode von Elmslie-Trillat operiert. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 22,5 Jahren, darunter waren 70% weiblichen und 30% männlichen Geschlechts. Es erfolgten jeweils eine postoperative Kontrolluntersuchung nach 6 Wochen und einem Jahr sowie eine aktuelle Telefonumfrage. Die durchschnittliche Nachuntersuchungszeit betrug 23 Monate. Die Reluxations rate in unserem Patientenklientel lag bei 7%, darunter 2 nach schwerem Trauma. Zehn Patienten (23%) mussten sich einer Folgeoperation unterziehen, darunter 5 einer Metallentfernung der Zugschrauben. Bei Der Orthopäde 10 2011 873

Leitthema Patellare Instabilität bei Kindern und Jugendlichen Klin. Untersuchung, radiolog. Diagnostik, CT/MRT Geschlossene Wachstumsfugen Offene Wachstumsfugen Patella alta Patellaabkippung TT-TG Medial raffende Verfahren Laterales Release Index > 1,2 > 20 > 20mm Ligamentärer Spannungsaus gleich, Rekonstruktion des Lig. patello-femoralemediale Tuberositasdistalisierung Roux- Goldthwait Tuberositasmedialisierung Isoliertes, lat. Hyper- pressions- Syndrom Kombinationsverfahren Abb. 5 9 Algorithmus zum Vorgehen bei patellarer Instabilität. (Mod. nach [26]) einem Patienten musste aufgrund einer Wundheilungsstörung 10 Tage postoperativ eine Wundrevision durchgeführt werden mit anschließend regelrechter Wundheilung. Ein Patient erhielt 2 Jahre postoperativ eine temporäre Epiphyseodese bei Genu valgum beidseits, 2 Patienten mussten sich 17 bzw. 21 Monate postoperativ einer Kniegelenkarthroskopie unterziehen. Ein Patient wurde 5 Monate postoperativ auswärts bei Beschwerdepersistenz am betroffenen Kniegelenk arthroskopiert, einer musste aufgrund persistierender Kniegelenksbeschwerden seinen Beruf aufgeben und eine Umschulung durchführen. Zwei Patienten beklagen während ihrer Arbeit rezidivierende Beschwerden am operierten Kniegelenk beim Knieen; 93% der Patienten konnten ihren gewohnten Alltagstätigkeiten nachgehen und 86% uneingeschränkt ihre sportliche Aktivität wieder aufnehmen. Einundneunzig Prozent der Probanden würden sich erneut dieser Operation unterziehen, 7% nicht, 2% waren sich darüber nicht klar. Femorale Korrekturosteotomien Bei höhergradigen Fehltorsionen des Femurs bzw. Achsabweichungen sind dreidimensionale Korrektureingriffe zu 874 Der Orthopäde 10 2011 erwägen. Diese technisch aufwendigen und komplikationsträchtigen Eingriffe sind auf wenige Fälle beschränkt [9]. Fazit für die Praxis Einen Algorithmus zum Vorgehen bei patellarer Instabilität veranschaulicht. Abb. 5. Die Stabilität des Femoropatellargelenks wird durch unterschiedliche biomechanische Strukturen realisiert. Bei Ausfall eines dieser oder mehrerer Mechanismen resultiert eine patellare Instabilität bis hin zur Luxation. Ein akute operative Intervention ist lediglich bei akuter Luxation mit entsprechend starkem intraartikulärem Erguss mit entsprechender Bewegungseinschränkung bzw. bei Vorliegen freier Gelenkkörper oder Zusatzverletzungen indiziert. Primär steht die konservative Therapie im Vordergrund. Diese beinhaltet eine Orthesenversorgung sowie krankengymnastische und physikalische Maßnahmen. Bei persistierender patellarer Instabilität ist die operative Versorgung angezeigt, um mittel- bis langfristig eine Femoropatellararthrose zu vermeiden. Seit Einführung der patellofemoralen Chirurgie wurde eine Vielzahl von Eingriffen zur Stabilisierung beschrieben. Der Einsatz bestimmter operativer Verfahren ist in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen bei offenen Epiphysenfugen limitiert. Hier bieten sich verschiedene Weichteileingriffe an. Die am besten evaluierte Methode mit der größten Erfahrung ist diejenige nach Goldthwait [13]. Diese Methode ist in unserer Klinik bei persistierender patellarer Instabilität bei Patienten mit offenen Epiphysenfugen das bevorzugte Verfahren mit guten Ergebnissen. Bei Patienten mit geschlossenen Epiphysenfugen, die unter persistierender patellarer Instabilität leiden, wenden wir bei einem pathologischen TTTG-Abstand bevorzugt das operative Verfahren nach Elmslie-Trillat an. Die in den letzten Jahren zunehmend propagierte Rekonstruktion des MPFL erfordert einen hohen Aufwand und ist Gegenstand einer Vielzahl aktueller Studien. Trotz guter bis exzellenter Ergebnisse und dem in einigen Studien erbrachten Nachweis einer Überlegenheit dieses Verfahrens gegenüber alternativen Operationstechniken, gilt es kritisch zu bleiben. Die bisher publizierten Daten sind größtenteils von niedriger

Evidenz und präsentieren kurz- und mittelfristige Resultate. Korrespondenzadresse Dr. C. Baier Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg, Asklepios Klinikum Bad Abbach Kaiser-Karl-V.-Allee 3, 93077 Bad Abbach c.baier@asklepios.com Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Aärimaa V, Ranne J, Mattila K et al (2008) Patellar tendon shortening after treatment of patellar instability with a patellar tendon medialization procedure. Scand J Med Sci Sports 18(4):442 446 2. Andrish J (2007) Surgical options for patellar stabilization in the skeletally immature patient. Sports Med Arthrosc 15(2):82 88 3. Arendt EA, Fithian DC, Cohen E (2002) Current concepts of lateral patella dislocation. Clin Sports Med 21:499 519 4. Brattstroem H (1964) Shape of the intercondylar groove normally and in recurrent dislocation of patella. A clinical and x-ray-anatomical investigation. Acta Orthop Scand 68(Suppl):148 5. 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Acta Orthop Scand 12:319 410 Fachnachrichten Arthur Vick-Preis 2011 verliehen Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) hat den Arthur Vick- Preis des Jahres 2011 nach ordentlichem Begutachtungsprozess an die Arbeitsgruppe von M. Goetz, S. Klug, K. Gelse, B. Swoboda und H. Carl aus Erlangen verliehen. Sie wurde für ihre herausragende wissenschaftliche Arbeit Combined arthroscopic and radiation synovectomy of the knee joint in rheumatoid arthritis. 14-year follow-up, Arthroscopy 27(1):52-9 geehrt. Der Preis wurde am 31.08.2011 im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung des DGRH- Kongresses in München übergeben. Arthur Vick (11.03.1933 11.12.1991) aus Putensen (Kreis Harburg) war von einer ausgeprägten chronischen Polyarthritis betroffen. Er vermachte sein Vermögen einer kommunalen Stiftung mit der Verfügung, dass die anfallenden Erlöse der Forschung und Heilung im Bereich der Rheumatologie zugeführt werden. Der Preis beinhaltet die Auskehrung des Betrages von 5000 und wurde 2011 bereits zum 12. Mal vergeben. Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ortho pädische Rheumatologie (DGORh), www.rheuma-orthopaedie.de 876 Der Orthopäde 10 2011