Letter TCRD Ausgabe 2016 / 2 September 2016

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Transkript:

Letter TCRD Ausgabe 2016 / 2 September 2016

Inhaltsverzeichnis Inhalt Arbeitgeberähnliche Stellung während ordentlicher Betriebsliquidation 2 Arbeitgeberähnliche Stellung nach Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven 5 Unbezahlter Urlaub Auswirkungen auf die Beitragszeit und den versicherten Verdienst 7 Koordination der Absätze 1, 2 und 4 von Art. 28 AVIG bei Leistungen einer Taggeldversicherung 9 Zwischenverdienst aus selbstständiger Erwerbstätigkeit Abzüge vom Bruttoeinkommen 11 Überweisung zum Entscheid von der Arbeitslosenkasse an die Kantonale Amtsstelle 12 Impressum 14 Zweck des Audit Letters Mit diesem Kommunikationsmittel wollen wir Sie periodisch, d.h. 2 3 mal jährlich, über wichtige Erkenntnisse aus unseren verschiedenen Revisionen informieren, materielle Fragestellungen vertiefen und wiederholt auftauchende Problemfelder erörtern. Der Audit Letter hat keinen Weisungscharakter und es werden darin keine neuen Regelungen aufgestellt. Das ist Aufgabe der AVIG-Praxis. Hingegen können neue rechtliche Bestimmungen oder Weisungen aus der AVIG- Praxis, bei deren Handhabung wir in der Revision Schwierigkeiten feststellen, im Audit Letter thematisiert werden. Ziel des Audit Letter soll sein, die Vollzugstellen in ihrer täglichen Arbeit zu unterstützen und mitzuhelfen die Qualität der Arbeit hochzuhalten oder zu verbessern.

Seite 02 ALK Arbeitslosenentschädigung Arbeitgeberähnliche Stellung während ordentlicher Betriebsliquidation Art. 8, 15, 31 Abs. 3 Bst. c AVIG; Art. 27 ATSG; Art. 739 ff., 826 Abs. 2 OR, AVIG-P ALE B25-B29 Frage In welchen Fällen bleibt die arbeitgeberähnliche Stellung eines Liquidators/einer Liquidatorin während der ordentlichen Liquidation einer AG oder GmbH bestehen bzw. in welchen Fällen fällt sie weg? Kein Anspruch für Liquidator/in während der Liquidationsphase - Grundsatz Damit eine versicherte Person Anspruch auf ALE hat, muss ihr Ausscheiden aus der Firma bzw. die Aufgabe ihrer arbeitgeberähnlichen Stellung definitiv sein. Dieses Ausscheiden muss anhand fassbarer Kriterien beurteilt werden können. Die definitive Aufgabe der arbeitgeberähnlichen Stellung kann unter anderem über eine konkursrechtliche oder ordentliche Liquidation erfolgen. Bei der Beurteilung der arbeitgeberähnlichen Stellung im Rahmen eines konkursrechtlichen oder ordentlichen Liquidationsverfahrens ist die höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich strikt, wenn die betreffende Person als Liquidator/in eingesetzt ist. Der Anspruch dieser Personen auf Arbeitslosenentschädigung wird in solchen Fällen jeweils bis zum Abschluss des Liquidationsverfahrens abgelehnt, weil eine Reaktivierung der Geschäftstätigkeit bis zum Abschluss des Handelsregisteraustrages während diesem Verfahren nicht auszuschliessen ist. Es besteht in solchen Fällen jeweils die Vermutung für das Vorliegen eines Missbrauchsrisikos. Anders ist die Situation des Liquidators/der Liquidatorin im Falle einer Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven zu beurteilen (vgl. Beitrag im vorliegenden Audit Letter - Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven).

Seite 03 ALK Arbeitslosenentschädigung Anspruch für Liquidator/in während Liquidationsphase, wenn das Missbrauchsrisiko praktisch ausgeschlossen ist Ausnahme Das Bundesgericht hat anerkannt, dass sich ein Ausschluss von Arbeitslosenentschädigung in solchen Liquidationsverfahren dann nicht rechtfertigt, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls ein Missbrauch mit hohem Grad an Sicherheit ausgeschlossen werden kann (ARV 1/2015 Nr. 2). Ein Missbrauch scheidet jeweils dann aus, wenn es praktisch nichts oder kaum mehr etwas zu liquidieren gibt und eine Reaktivierung bzw. eine Rückgründung ausgeschlossen erscheint. Solche Fälle dürften in der Vollzugspraxis die Ausnahme sein. Problematik der langen Dauer des ordentlichen Liquidationsverfahrens Bei der Auflösung einer AG oder GmbH im Rahmen einer ordentlichen Liquidation dauert das Liquidationsverfahren bis zur Löschung aus dem Handelsregister immer mehr als ein Jahr (vgl. dreifacher Schuldenruf und Art. 745 Abs. 2 OR). Wenn nun in solchen Fällen für das definitive Ausscheiden nur auf den Handelsregisteraustrag abgestellt wird, kann dies wegen der vorgegebenen langen Dauer des Liquidationsverfahrens zum Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung wegen ungenügender Beitragszeiten führen. Dies dürfte immer dann der Fall sein, wenn die versicherte Person praktisch nichts oder kaum mehr etwas zu liquidieren hat, den Betrieb faktisch eingestellt hat und deshalb während des Liquidationsverfahrens auch keinen Lohn mehr bezieht. Aufklärungs- und Beratungspflicht der Kassen - Beweislast der versicherten Person Die Arbeitslosenkassen sind gemäss Art. 27 ATSG in Nachachtung ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht gehalten, den versicherten Personen die Rechtslage (Grundsatz und Ausnahme) zu erläutern. Es obliegt jedoch der versicherten Person nach Kenntnis der Rechtslage die Vermutung des Vorliegens eines Missbrauchsrisikos während der Liquidationsphase zu widerlegen. Dies gelingt ihr dann, wenn sie aufgrund der konkreten Umstände darzulegen vermag, dass trotz Stellung als Liquidator/in eine Reaktivierung des Betriebes bzw. eine Missbrauchsgefahr praktisch ausgeschlossen werden kann.

Seite 04 ALK Arbeitslosenentschädigung Dazu müssen die folgenden Bedingungen kumulativ erfüllt sein: - Kleinunternehmen, deren Besitz sich auf eine oder wenige Personen aufteilt (bspw. Familienbetrieb, Einpersonen-AG, Einpersonen-GmbH); - Auflösungsbeschluss durch die Generalversammlung (AG) oder Gesellschaftsversammlung (GmbH), Art. 704 Abs. 1 Ziff. 8 und 808b Abs. 1 Ziff. 11 OR; - erfolgte Anmeldung der Liquidation beim Handelsregisteramt ( Firma XY in Liquidation ); - es gibt wenig oder kaum mehr etwas zu liquidieren (Inventarliste der zu liquidierenden Aktiven); - es lässt sich faktisch ausschliessen, dass die bisherige Geschäftstätigkeit weiter ausgeübt wird (Auflösung Mietvertrag, Telefon, Versicherungen, Einstellung der Internetseite etc.); - keine Lohnbezüge während der Liquidationsphase (schriftliche Bestätigung des Liquidators oder der Liquidatorin). Wenn es der als Liquidator/in eingesetzten Person beweismässig nicht gelingt, die Vermutung des Vorliegens eines Missbrauchsrisikos während der ordentlichen Liquidation umzustossen, muss der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung abgelehnt werden. In diesem Fall sollte die Kasse darauf hinwiesen, dass die versicherte Person sich während der Liquidationsphase nach Möglichkeit weiterhin den beitragspflichtigen Lohn ausrichtet, um nach Abschluss des Liquidationsverfahrens über genügend Beitragszeiten zu verfügen. Rechtsprechung - 8C_850/2010 vom 28. Januar 2011-8C_988/2012 vom 24. Januar 2013 - ARV 1/2015 Nr. 2 S 69 ff. (8C_514/2014)

Seite 05 ALK Arbeitslosenentschädigung Arbeitgeberähnliche Stellung nach Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven Art. 8, 15, 31 Abs. 3 Bst. c AVIG; 230 SchKG; 159 Abs. 5 HregV, AVIG-P ALE B29 Frage Falls nicht genügend Aktiven der Schuldnerin vorhanden sind, um zumindest die Kosten des summarischen Konkursverfahrens zu decken, verfügt das Konkursgericht auf Antrag des Konkursamtes die Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven. Die Firma wird sodann drei Monate nach der publizierten Einstellung des Konkursverfahrens von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht. Wie verhält es sich mit der arbeitgeberähnlichen Stellung nach Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven bis zur Löschung des Betriebes im Handelsregister? Anspruch zwischen Einstellung des Konkursverfahrens und Löschung des Betriebes im Handelsregister - Normalfall Mit dem Konkurs eines Betriebes geht grundsätzlich die Beendigung der arbeitgeberähnlichen Stellung einher. Ebenso endet die arbeitgeberähnliche Stellung normalerweise auch im Zeitpunkt einer Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven (Art. 230 SchKG). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Firma erst drei Monate nach der publizierten Einstellung des Konkursverfahrens von Amtes wegen im Handelsregister gelöscht wird, sofern kein begründeter Einspruch erhoben wurde (Art. 159 Abs. 5 Bst. a HregV). Wie das Bundesgericht in aktueller Rechtsprechung präzisiert hat, gibt es bei der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven in der Regel nichts oder kaum mehr etwas zu liquidieren. Für die kurze verbleibende Zeit bis zur amtlichen Löschung des Betriebes im Handelsregister könne im Betrieb kaum mehr etwas Relevantes geschehen. Insbesondere sei unwahrscheinlich, dass sich die versicherte Person wieder in ihrer Firma einstellt und ein Einkommen erzielt. Von diesen Annahmen kann selbst dann ausgegangen werden, wenn die versicherte Person in bisher arbeitgeberähnlichen Stellung formalrechtlich als Liquidator/in bezeichnet ist.

Seite 06 ALK Arbeitslosenentschädigung Soweit keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, kann die Kasse somit von der Vermutung ausgehen, dass - selbst bei Stellung als Liquidator/in - bereits im Zeitpunkt der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Aktiven die arbeitgeberähnliche Stellung beendet ist und die Vermittlungsfähigkeit bejaht werden kann. Kein Anspruch zwischen Einstellung des Konkursverfahrens und Löschung des Betriebes im Handelsregister bei Anhaltspunkten, die auf Vermittlungsunfähigkeit hinweisen Verfügt die Kasse über erhebliche Anhaltspunkte, welche die Vermittlungsfähigkeit der versicherten Person infolge ihrer Stellung als Liquidator/in als zweifelhaft erscheinen lassen, hat sie den Fall der zuständigen Amtsstelle zum Entscheid zu unterbreiten. Berechtigte Zweifel können bestehen, wenn bedeutende Sachwerte wie bspw. Immobilen oder ein umfangreicher Maschinenpark zu liquidieren sind. Zudem sind bspw. Zweifel an der Vermittlungsfähigkeit angebracht, wenn erkennbar ist, dass sich die versicherte Person bemüht, die Geschäftstätigkeit auch nach Einstellung des Konkursverfahrens aufrecht zu erhalten bzw. weiterzuführen. Rechtsprechung - C 267/04 E. 4.3 und 8C_656/2011, E. 3.4/3.5

Seite 07 ALK Arbeitslosenentschädigung Unbezahlter Urlaub Auswirkungen auf die Beitragszeit und den versicherten Verdienst Art. 13 und 23 AVIG Grundsatz bei unbezahltem Urlaub Bei einem unbezahlten Urlaub wird das Arbeitsverhältnis für einen zwischen dem Arbeitgeber und der arbeitnehmenden Person vereinbarten Zeitraum unterbrochen. In dieser Zeit muss die arbeitnehmende Person weder ihre Arbeit anbieten noch gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug. Grundsätzlich gilt: keine Beitragszeit, da weder Lohn geschuldet/bezahlt, noch Arbeit geleistet wurde; die Zeit des Urlaubs wird im Bemessungszeitraum für den vv nicht erfasst. Davon zu unterscheiden wäre bspw. der Fall der arbeitnehmenden Person, die sporadisch Fehlstunden zu verantworten hat, welche vom Lohn abgezogen werden: durchgehende Beitragszeit; wird im Bemessungszeitraum berücksichtigt mit der Folge, dass der vv entsprechend herabgesetzt wird. Zum Thema Fehlstunden und versicherter Verdienst werden wir zu einem späteren Zeitpunkt einen separaten Audit Letter Beitrag publizieren. Unbezahlter Urlaub von mindestens einem ganzen Kalendermonat Beläuft sich der unbezahlte Urlaub auf mindestens einen ganzen Kalendermonat, gilt der Zeitraum nie als Beitragszeit und wird somit auch nicht im Bemessungszeitraum für den vv erfasst. Unbezahlter Urlaub von weniger als einem Kalendermonat Bei unbezahlten Urlauben von weniger als einem Monat kann das Arbeitsverhältnis falls sich dies zu Gunsten der versicherten Person auswirkt als ununterbrochen betrachtet werden. In diesem Fall bildet auch der kurze Zeitraum des unbezahlten Urlaubs Beitragszeit und ist konsequenterweise auch im Bemessungszeitraum für den vv einzubeziehen, wodurch dieser entsprechend tiefer ausfällt. Soweit die Mindestbeitragszeit von 12 Monaten nur erfüllt wird, wenn das Arbeitsverhältnis trotz unbezahltem Urlaub von weniger als einem Monat als durch-

Seite 08 ALK Arbeitslosenentschädigung gehend betrachtet wird, wird sich diese Betrachtungsweise immer zu Gunsten der versicherten Person auswirken. Geht es jedoch um die Frage, ob trotz eines unbezahlten Urlaubs von weniger als einem Monat das Arbeitsverhältnis als durchgehend zu betrachten ist, um eine Beitragszeit von 18 bzw. 22 Monaten zu erreichen, um von höheren Taggeldhöchstansprüchen zu profitieren, steht im Zeitpunkt der Rahmenfristeröffnung nicht fest, welche Variante für die versicherte Person vorteilhafter ist. Die Person muss sich in einem solchen Fall im Zeitpunkt der Anspruchsstellung definitiv entscheiden, welcher Variante sie den Vorzug gibt: höherer Taggeldhöchstanspruch verbunden mit tieferem vv oder tieferer Taggeldhöchstanspruch verbunden mit höherem vv. Die Kasse muss der versicherten Person im Rahmen ihrer Informationspflicht die Vor- und Nachteile aufzeigen. Unbezahlter Urlaub am Ende eines Arbeitsverhältnisses Bezieht eine versicherte Person am Ende eines Arbeitsverhältnisses unbezahlten Urlaub von weniger als einem Monat, wird das Arbeitsverhältnis nicht unterbrochen und wieder fortgesetzt, so dass es als durchgehend betrachtet werden kann. In tatsächlicher Hinsicht wird das Arbeitsverhältnis vielmehr in gegenseitiger Absprache mit dem letzten bezahlten Arbeitstag beendet. Der unbezahlte Urlaub am Ende des Arbeitsverhältnisses kann dementsprechend nie Beitragszeit bilden. Freistellung am Ende des Arbeitsverhältnisses Bei einer Freistellung der arbeitnehmenden Person bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgt im Unterschied zu einem unbezahlten Urlaub trotz fehlender Arbeitsleistung Lohnzahlung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses: Beitragszeit.

Seite 09 ALK Arbeitslosenentschädigung Koordination der Absätze 1, 2 und 4 von Art. 28 AVIG bei Leistungen einer Taggeldversicherung Art. 15 Abs. 2 und 28 AVIG; 15 Abs. 3 AVIV, AVIG-P ALE B248 ff., C174 ff. Koordination Art. 28 AVIG im Krankheitsfall ohne IV- Anmeldung Bei Krankheit besteht während den ersten 30 Kalendertagen Anspruch auf das volle Taggeld der ALV (Abs. 1). Dies gilt auch dann, wenn die versicherte Person gleichzeitig Anspruch auf Leistungen einer Krankenversicherung hat. Solche Leistungen werden während den ersten 30 Kalendertagen von der Arbeitslosenentschädigung abgezogen (Abs. 2). Der Zähler der 44 Krankentaggelder wird während den ersten 30 Kalendertagen belastet. Abs. 4 von Art. 28 AVIG kommt erst nach Ablauf der ersten 30 Kalendertage zum Tragen. Besteht ein Anspruch auf Leistungen einer Taggeldversicherung, werden diese nicht mehr von der Arbeitslosenentschädigung abgezogen, sondern es besteht Anspruch auf das volle Taggeld, wenn die versicherte Person zu mindestens 75 % arbeitsfähig ist bzw. auf ein um 50 % gekürztes Taggeld bei einer Arbeitsfähigkeit von mindestens 50 %. Bei einer Arbeitsfähigkeit von weniger als 50 % besteht kein Anspruch mehr auf Arbeitslosenentschädigung. Koordination Art. 28 AVIG bei Vorleistungspflicht infolge IV-Anmeldung Während der Vorleistungspflicht infolge IV-Anmeldung gilt die versicherte Person bis zum Entscheid der anderen Versicherung als vermittlungsfähig. Soweit in diesen Zeitraum der Vorleistungspflicht nicht eine Arbeitsunfähigkeit aus anderem Grund fällt, bleibt für die Anwendung von Art. 28 Abs. 1 AVIG kein Platz. Aufgrund der Vorleistungspflicht wird der Zähler der 44 Krankentaggelder nicht belastet. Entrichtet ein Taggeldversicherer Leistungen infolge der gesundheitsbedingten Beeinträchtigung, die zur Vorleistung geführt hat, wendet die Arbeitslosenkasse direkt ohne vorgängige Anwendung von Abs. 1 und 2 Abs. 4 von Art. 28 AVIG an.

Seite 10 ALK Arbeitslosenentschädigung Eine Leistungsentrichtung nach Abs. 1 und eine Anrechnung der Taggelder der Krankenversicherung nach Abs. 2 würde im ASAL fälschlicherweise zu einer Belastung der Krankentaggeldzähler führen. Vergleichen Sie bezüglich Vorleistungspflicht auch Audit Letter 2016/1 Grenzen der Vorleistungspflicht bei IV-Anmeldung. Rechtliche Grundlagen für die Leistungskoordination bei Kranken- und Unfallversicherer Die Koordination mit dem Kranken- oder Unfallversicherer wird in Art. 73 des Krankenversicherungsgesetzes KVG und in Art. 5 der Verordnung über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen UVAL geregelt. Diese Gesetzesbestimmungen enthalten die ergänzenden Regelungen zu Art. 28 Abs. 4 AVIG. Entrichtet ein Taggeldversicherer die Leistungen fälschlicherweise nicht oder nicht in vorgeschriebenem Umfang, zahlt die Arbeitslosenkasse trotzdem nach Art. 28 Abs. 4 AVIG Arbeitslosenentschädigung. In Unterstützung der versicherten Person empfehlen wir der Kasse den Taggeldversicherer auf den Umfang seiner Leistungspflicht aufmerksam zu machen. Rechtsprechung - ARV 2004 S. 50 ff., Erwägung 3 Gutachten ARV 2012 S. 217 ff., Die Koordination von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung mit Taggeldern anderer Sozialversicherungszweige, Prof. Dr. jur. Ueli Kieser

Seite 11 ALK Arbeitslosenentschädigung Zwischenverdienst aus selbstständiger Erwerbstätigkeit Abzüge vom Bruttoeinkommen Art. 24 Abs. 1 AVIG; 41a Abs. 5 AVIV, AVIG-P ALE C147 Das Bundesgericht hat sich kürzlich in einem Beschwerdeverfahren mit Art. 41a Abs. 5 AVIV bzw. mit der Frage der korrekten Ermittlung des anrechenbaren Zwischenverdiensteinkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit befasst. Dabei gelangt es in seinem Urteil vom 29. Januar 2016, 8C_631/2015 i.s. SECO gegen N. zum Schluss, dass sowohl Art. 41a Abs. 5 AVIV als auch Rz C147 AVIG-Praxis ALE gesetzeskonform sind. Das Urteil hält fest, dass bei der Ermittlung des anrechenbaren Zwischenverdienstes aus selbstständiger Erwerbstätigkeit nebst dem 20%igen Pauschalabzug nur die in Art. 41a Abs. 5 AVIV aufgeführten Material- und Warenkosten vom realisierten Bruttoeinkommen abgezogen werden dürfen. Darüber hinausgehende ausgewiesene Auslagen wie z.b. Kosten für Unterkunft und Reisen dürfen nicht zusätzlich abgezogen werden. Solche Auslagen sind im Pauschalabzug von 20 % enthalten. Rechtsprechung - 8C_631/2015 (ARV 1/2016, Nr. 2, S. 55 ff.)

Seite 12 ALK / KAST Arbeitslosenentschädigung Überweisung zum Entscheid von der Arbeitslosenkasse an die Kantonale Amtsstelle KAST Art. 81 Abs. 2, 85 Abs. 1 Bst. d und e, 95 Abs. 3 AVIG; 119 Abs. 1 Bst. a AVIV, AVIG-P ALE B274 ff. Ausgangslage Die Arbeitslosenkasse kann einen Fall der kantonalen Amtsstelle zum Entscheid unterbreiten, wenn Zweifel bestehen, ob die versicherte Person anspruchsberechtigt ist oder ob bzw. für wie viele Tage und auf welchen Zeitpunkt eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung zu erfolgen hat. Während die Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit durch die KAST in Art. 85 Abs. 1 Bst. d AVIG eigens erwähnt und in der AVIG-P ALE B274 ff. detailliert geregelt wird, kommt den übrigen Möglichkeiten für die Überweisung zum Entscheid in der Praxis geringere Bedeutung zu. Die Arbeitslosenkasse hat nicht nur bei zweifelhafter Vermittlungsfähigkeit, sondern auch bei Zweifeln, ob die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, die Möglichkeit, den Fall der kantonalen Amtsstelle zu unterbreiten. Vor einer allfälligen Überweisung muss sich die Kasse jedoch eingehend mit dem Fall auseinanderzusetzen. Sie hat den relevanten Sachverhalt umfassend und vollständig zu erheben und zu beurteilen. Bleiben ihr trotzdem Zweifel, ob die versicherte Person eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt oder inwieweit eine Einstellung in der Anspruchsberechtigung angezeigt ist, ist sie berechtigt, den Fall der kantonalen Amtsstelle zur Beurteilung zu unterbreiten. Die kantonale Amtsstelle KAST entscheidet innert nützlicher Frist über die ihr vorgelegten Fälle mit einer Feststellungsverfügung. Zuständig ist die kantonale Amtsstelle des Ortes, wo die versicherte Person die Kontrollpflicht erfüllt.

Seite 13 ALK / KAST Arbeitslosenentschädigung Im Übrigen gelten die Ausführungen in der AVIG P ALE B274 ff. betr. Prüfung der Vermittlungsfähigkeit für die Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen sinngemäss.

Seite 14 Impressum Impressum Publikation: Leistungsbereich Arbeitsmarkt / Arbeitslosenversicherung Staatssekretariat für Wirtschaft Eidgenössisches Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung WBF Redaktion: Charles Lauber, Ressort Revisionsdienst TCRD Christoph Kolb, Christoph Thalmann, Ressort Juristischer Dienst TCJD Gestaltung und Layout: Daniela Schärer, Ressort Revisionsdienst TCRD tc-revisionsdienst@seco.admin.ch