Vernehmlassung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer als indirekter Gegenvorschlag zur «Ausschaffungsinitiative»

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Transkript:

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement Frau Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf Bundeshaus West 3003 Bern Luzern, 6. April 2009 Vernehmlassung zur Änderung des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer als indirekter Gegenvorschlag zur «Ausschaffungsinitiative» Sehr geehrte Frau Bundesrätin Die Schweizerische Konferenz der Fachstellen für Integration KoFI vereint Kompetenzzentren für Integration, die mit dem Bundesamt für Migration im Rahmen des Integrationsförderungsprogramms einen Leistungsvertrag abgeschlossen haben. Gegenwärtig gehören der Konferenz 18 Fachstellen aus allen Landesteilen der Schweiz an. Zahlreiche der in der KoFI zusammengeschlossenen Stellen verfügen über langjährige Erfahrungen in der konkreten Integrationsarbeit. Die Mitglieder der KoFI setzen sich mit verschiedenen Informations-, Beratungs- und Bildungsangeboten seit Jahren für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz ein. Teils gehen diese Tätigkeiten bis in die Zeit der klassischen Arbeitsmigration der 1960er-Jahre zurück. Folglich erlauben wir uns, zur genannten Vorlage vorwiegend aus der Sicht unserer langjährigen Praxis Stellung zu nehmen. Die Initiative hat zum Ziel, ausländischen Personen, die bestimmte Vergehen begehen, die Aufenthaltsbewilligung zu entziehen. Der vorliegende Gegenvorschlag ist dagegen umfassender, indem er nicht nur Regelungen für den Entzug der Aufenthalts- oder Niederlassungsbewilligung vorschlägt, sondern darüber hinaus für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung eine «erfolgreiche Integration» voraussetzt. Die Schweizerische Konferenz der Fachstellen für Integration KoFI ist sich bewusst, dass es die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen gilt. Dazu müssen nötigenfalls straffällige Ausländerinnen und Ausländer des Landes verwiesen KoFI/ Cosi c/o FABIA Fachstelle für die Beratung und Integration von Ausländerinnen und Ausländer; Verena Wicki, Präsidentin, Tribschenstr. 78, 6005 Luzern, Tel. 041 360 10 55, v.wicki@fabialuzern.ch

2 werden. Dabei sollte jedoch stets das Prinzip der Verhältnismässigkeit die Regel sein, insbesondere wenn es um Familien mit Kindern geht. Wir erlauben uns, zu beiden Stossrichtungen des Gegenvorschlages getrennt Stellung zu nehmen. Erteilung der Niederlassungsbewilligung nur bei erfolgreicher Integration Hier will die Vorlage «erhebliche Anreize» [Bericht zur Vorlage, S. 9] zum Erwerb einer Landessprache schaffen. Die KoFI steht der Wirksamkeit dieses Ansatzes aus verschiedenen Gründen skeptisch gegenüber: (I) Massnahmen entfalten nur dann eine Wirkung als Anreize, wenn sie von den Betroffenen auch als solche wahrgenommen werden. Die nun vorgeschlagene Revision bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung führt jedoch zu einer gegenteiligen Wirkung. Sie ist im Wesentlichen eine abstrakte Sanktionsdrohung, die keinen Bezug zur gegenwärtigen Alltagssituation der Betroffenen aufweist. Aufgrund unserer Erfahrung erachten wir das vorgeschlagene Mittel daher als für den mit der Revision angestrebten Zweck ungeeignet. Zur Förderung besserer Kenntnisse einer ortsüblichen Landessprache erachten wir das vorgeschlagene Mittel im Weiteren als nicht erforderlich. Die Förderung besserer Kenntnisse einer ortsüblichen Landessprache erfolgt nach unserer Erfahrung im Wesentlichen durch die Schaffung eines vielseitigen Kursangebotes, welches den Bedürfnissen der jeweiligen Zielgruppen gerecht wird. Zu nennen sind insbesondere Angebote für Personen mit wenig Bildungserfahrung, (Lern-) Behinderungen und/oder eingeschränkten finanziellen Mitteln. Eine solche Lösung entspricht nach unserer Erfahrung eher einem Ansatz der mit «erheblichen Anreizen» arbeiten will. Im Weiteren ist die vorgeschlagene Lösung nach unserer Auffassung unangemessen. Insbesondere rechtfertigt das Argument [Bericht zur Vorlage, Seite 9], der Entzug der Niederlassungsbewilligung aufgrund schwerwiegenden Vergehen erfordere im Einzelfall ein «langwieriges Verfahren» in keiner Weise, dass die Integration generell bei allen Gesuchstellenden aus Drittstaaten verschärfter geprüft wird. (II) Aus Fachkreisen wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die individuelle Integration schwierig zu bemessen ist. Selbst das AuG verzichtet auf eine genaue Definition der Integration. Dennoch suggeriert der vorliegende Gegenvorschlag, die individuelle Integration liesse sich bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung verschärfter prüfen. Weiter ist zu bedenken, dass die vorgeschlagene Lösung den Sprachkenntnissen bei der Bemessung der Integration zu starkes Gewicht beimisst. Der Erwerb der ortsüblichen Landessprache stellt zweifellos einen entscheidenden Faktor der Integration dar. Er ist jedoch nur ein Teil einer umfassenderen Integrationsleistung des Einzelnen und betrifft vor

3 allem den Bereich der mündlichen Interaktion. Personen die das Wesentliche von kurzen, klaren und einfachen Mitteilungen verstehen können, können am sozialen und kulturellen Leben aktiv teilnehmen und sich verständigen. Nach Wortlaut des vorliegenden Berichtes [Seite 9] sollen in Zukunft bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung jedoch «erhöhte Anforderungen an das Sprachniveau» gelten. Zu bemerken ist zudem, dass zurzeit keine geeigneten Überprüfungsinstrumente für die Bemessung der Sprachkenntnisse bestehen. Es ist deshalb überraschend, dass eine gesetzliche Neuregelung vorgeschlagen wird, für deren Umsetzung in nächster Zeit gar keine Instrumente zur Verfügung stehen. Eine uneinheitliche oder gar willkürliche Praxis bei der Erteilung der Niederlassungsbewilligung ist damit vorprogrammiert. Hinsichtlich der Problematik des Nachweises von Sprachkenntnissen verweisen wir auf das beiliegende Arbeitspapier der Integrationsförderung der Stadt Zürich «Integration, Aufenthaltsrecht und der Nachweis von Sprachkenntnissen» vom 27. November 2008. (III) Eine seriöse und professionelle Sprachstanderklärung im Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ) ist komplex und entsprechend kostspielig. Eine systematische und fachlich überzeugende Überprüfung der Deutschkenntnisse im Rahmen der Erteilung der Niederlassungsbewilligung führt zu hohen finanziellen Aufwendungen. Wir bezweifeln, dass sich diese Aufwendungen von der Wirksamkeit her - siehe dazu entsprechende Bemerkungen im Abschnitt (I) rechtfertigen lassen. Eine Überwälzung der Kosten auf die Gesuchstellenden erachten wir im Weiteren aus Gründen der Gleichbehandlung als problematisch. (IV) Problematisch erachten wir insbesondere, dass die nun vorgeschlagenen Neuerungen nur gegenüber Angehörigen von Drittstaaten anwendbar sind. Das führt zu einer Ungleichbehandlung gegenüber EU-Bürgerinnen und Bürgern, die in der Öffentlichkeit integrationspolitisch problematische Signale setzt wenn beispielsweise bei gleicher Straftat ein Drittstaatenangehöriger die Schweiz verlassen müsste und ein EU-Bürger nicht. Drittstaatsangehörige werden so generell dem Verdacht ausgesetzt, sie würden besondere Integrationsprobleme verursachen. Aus unserer Erfahrung im Kontakt mit Ausländerinnen und Ausländern wissen wir, dass dies bei den Betroffenen zur Auffassung führen kann, ihre individuell erbrachten Integrationsleistungen würden von staatlicher Seite nicht anerkannt. Solche staatlichen Signale gegenüber einzelnen Bevölkerungsgruppen sind aus integrationspolitischer Sicht äusserst bedenklich. Sie erschweren nicht nur den Integrationsprozess, sondern stehen auch im Widerspruch zur Art. 4, Abs. 3 AuG, wonach Integration auch die Offenheit der schweizerischen Gesellschaft voraussetzt.

4 (V) In unseren Beratungen stellen wir immer wieder fest, dass insbesondere Personen mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus aus Angst vor ausländerrechtlichen Konsequenzen darauf verzichten, staatliche Beratungs- und Sozialhilfestellen und damit letztlich staatliche Integrationsangebote aufzusuchen. Die nun vorgeschlagene Verschärfung der Kriterien für die Erteilung der Niederlassungsbewilligung verleiht dem zusätzlichen Auftrieb. Sie führt damit gerade bei Personen in prekären sozialen Verhältnissen eher zur Desintegration und setzt Anreize, die nicht Richtung Integration, sondern vielmehr Richtung Desintegration zielen. Aufgrund dieser Erwägungen empfiehlt die Schweizerische Konferenz der Fachstellen für Integration KoFI dem Bundesrat, im vorliegenden Revisionsentwurf auf die unter dem Titel «Erteilung der Niederlassungsbewilligung nur bei erfolgreicher Integration» ausgeführten Anpassungen zu verzichten und damit Art. 34, Abs. 2, lit. c ist vollständig zu streichen Bei Art. 42, Abs. 3 und Art. 42, Abs. 3 ist auf eine Revision zu verzichten, bzw. die bisherige Version zu belassen. Konsequenter Widerruf von Bewilligungen bei schwerwiegenden Straftaten Bei diesem Punkt verzichten wir auf eine ausführliche Würdigung. Wir beschränken uns lediglich auf Aspekte, die aus Sicht der Integration von zentraler Bedeutung sind. Hier sind nach Auffassung der KoFI insbesondere folgende Punkte zu nennen: (I) Der indirekte Gegenvorschlag zur «Ausschaffungsinitiative» führt von seiner Stossrichtung her zur Schaffung einer «Parallelgesetzgebung», indem Fragen der Strafgesetzgebung und der Sozialhilfegesetzgebung an das Ausländerrecht übertragen werden, sofern sie Ausländerinnen und Ausländer betreffen. Aus integrationspolitischer Sicht ist eine solche Entwicklung problematisch. Sie widerspricht der grundsätzlichen Stossrichtung der schweizerischen Integrationspolitik, wonach Integration primär über die Regelstrukturen zu erfolgen hat [Art. 2, VintA]. (II) Der Bericht zur Vorlage [S. 14] verweist darauf, dass der Verzicht des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung nach 15 Jahren dazu geführt habe, dass sozialhilfeabhängige Ausländerinnen und Ausländer keine persönlichen Anstrengungen mehr unternehmen. Es ist unklar, worauf sich der Bericht hier stützt und wir können diese Aussage nicht bestätigen. Wir machen vielmehr die Erfahrung, dass ausländische Personen aufgrund möglicher ausländerrechtlicher Konsequenzen teilweise auf Sozialhilfe verzichten und dadurch in prekäre Lebenssituationen geraten und auf staatliche Integrationsangebote verzichten. Integration wird damit strukturell behindert. Auch wenn der im Bericht zur Vorla-

5 ge geschilderte Sachverhalt «teilweise» vorkommen mag, so ist eine generelle Aufhebung der bisherigen Bestimmungen für alle von der neuen Regelung betroffenen Ausländerinnen und Ausländer nicht angemessen und von der Wirkung her problematisch. Aufgrund dieser Erwägungen empfiehlt die KoFI, auf einen indirekten Gegenvorschlag zur «Ausschaffungsinitiative» zu verzichten. Die KoFI empfiehlt dem Bundesrat vielmehr, im Rahmen des Abstimmungskampfes die Gesamtbevölkerung konsequent und im Sinne von Art. 3, Abs. 2 AuG über die Ziele und Grundzüge der schweizerischen Integrationspolitik und die grundsätzlichen Werte der schweizerischen Gesetzgebung zu informieren. Nach Auffassung der KoFI stehen die zunehmenden Verschärfungen von Integrationsanforderungen im Widerspruch zur liberalen Tradition der Eidgenossenschaft, welche der individuellen Freiheit und Verantwortung hohes Gewicht beimisst. Die vorgeschlagenen Verfassungs- bzw. Gesetzesänderungen widersprechen damit genau denjenigen Werten der Bundesverfassung, deren Respektierung von Ausländerinnen und Ausländern immer wieder eingefordert wird. Die KoFI dankt für die Möglichkeit zur Vernehmlassung und bitte Sie, sehr geehrte Frau Bundesrätin, die in der Vernehmlassungen dargelegten Anregungen in den indirekten Gegenvorschlag einfliessen zu lassen. Mit vorzüglicher Hochachtung Schweizerische Konferenz der Fachstellen für Integration KoFI Verena Wicki, Präsidentin Beilage: Arbeitspapier der Integrationsförderung der Stadt Zürich «Integration, Aufenthaltsrecht und der Nachweis von Sprachkenntnissen» vom 27. November 2008.