Einführung und Motivation

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Transkript:

KAPITEL 1 Einführung und Motivation Inhalt 1 Beispiele 6 1.1 Beispiele mit linearen PDEs 6 1. Beispiele mit semilinearen PDEs 9 1.3 Aufgabenstellung und Ziele der Vorlesung 11 Grundkonzepte im endlich-dimensionalen Fall 11.1 Endlichdimensionale Aufgabe der optimalen Steuerung 11. Existenz optimaler Lösungen 1.3 Notwendige Optimalitätsbedingungen erster Ordnung 13.4 Adjungierter Zustand 14.5 Formale Lagrange-Technik 15.6 Diskussion der Variationsungleichung 15.7 Formulierung als Karush-Kuhn-Tucker-System und die erweiterte Lagrange-Funktion 16.8 Ausblick auf partielle Differentialgleichungen 17 Viele Prozesse in Naturwissenschaften und Technik werden durch partielle Differentialgleichungen beschrieben. Einige Beispiele dafür sind die Züchtung von Kristallen die Kühlung von Stahlprofilen das Verhalten quantenphysikalischer Teilchen der Ablauf chemischer Reaktionen die Ausbreitung von Schall- und elektromagnetischen Wellen die Bewegung von Fluiden die Ausbreitung von Wärme. Neben der numerischen Simulation zur Vorhersage des Verhaltens solcher Prozesse ist man an deren Optimierung interessiert, z.b. unter ökonomischen Gesichtspunkten oder zur Verbesserung von Materialeigenschaften. Dies führt auf Optimierungsaufgaben mit partiellen Differentialgleichungen. Ist die gesuchte Optimierungsgröße dabei eine Funktion, die man im Prozess noch frei wählen kann, so spricht man von einer Aufgabe der optimalen Steuerung. Mathematisch eng verwandt damit sind Parameteridentifikationsaufgaben, bei denen Materialparameter oder -paramterfunktionen aus Messdaten identifiziert werden sollen. Ziele der Vorlesung sind es, typische Optimalsteuerungsaufgaben mit partiellen Differentialgleichungen kennenzulernen, 5

6 1. EINFÜHRUNG UND MOTIVATION notwendige und hinreichende Bedingungen für optimale Lösungen (Ausgangspunkt für Lösungsverfahren) herzuleiten und zu verstehen sowie numerische Lösungsverfahren kennen und anwenden zu lernen. Die Vorlesung hält sich im Wesentlichen (bis auf numerische Verfahren) an das Buch Tröltzsch [005]. Zu jedem Kapitel sind die entsprechenden Abschnitte im Buch jeweils angegeben. 1 Beispiele Literatur: [Tröltzsch, 005, 1. 1.3] 1.1 Beispiele mit linearen PDEs Wir benutzen als Beispiel in dieser Vorlesung häufig die Gleichung der linearen Wärmeleitung. Betrachten wir einen Körper, der durch eine Punktmenge R 3 beschrieben wird. Im stationären, also zeitunabhängigen Fall lautet die Gleichung der linearen Wärmeleitung (isotropes, homogenes Material) κ T ( x) = q( x) in. (1.1) Dabei ist κ der Wärmeleitkoeffizient (Einheit 1 : W/(mK)), T ( x) die Temperatur an der Stelle x (Einheit: K(elvin)) und q( x) die Wärmeleistungsdichte an der Stelle x (Einheit: W/m 3 ). Zur Herleitung dieser Gleichung verweisen wir auf die Übung. Man beachte, dass der Laplace-Operator T ( x) def = ( x 1 ) + + T ( x) x x 3 die Einheit 1/m hat, da zweimal bezüglich der Ortsvariablen differenziert wird. n Γ Die Randbedingungen für die Temperatur auf dem Rand Γ = = \ int() des Gebietes hängen von den physikalischen Gegebenheiten ab. Wird etwa der Körper am Rand konstant auf einer Temperatur T gehalten (etwa durch Eiswasser), so lauten die Randbedingungen T ( x) = T ( x) auf Γ. (1.) 1 Wir geben für alle physikalischen Größen die Einheiten an. Normalerweise verwenden wir dabei die SI-Einheiten (m, s, kg, K, A). Manchmal sind jedoch die abgeleiteten Einheiten zum Verständnis besser geeignet, hier die Leistung in W(att). 1. Übung, A 3

1. BEISPIELE 7 Findet andererseits über die Oberfläche des Körpers ein Energieaustausch mit der Umgebung statt, so bildet zumindest für geringe Variationen in der Temperatur das folgende Newtonsche Gesetz der Wärmeleitung die Situation korrekt ab: n T ( x) = α (T ( x) T ( x)) auf Γ. (1.3) Dabei ist n der nach außen zeigende Normalenvektor auf Γ, α der Wärmeübergangskoeffizient (Einheit: W/(m K)) und T die Umgebungstemperatur. (1.3) besagt also, dass der Wärmefluss (Einheit: W/m ) über die Oberfläche proportional ist zur Temperaturdifferenz zwischen Körper und Umgebung. Der Wärmeübergangskoeffizient α hängt von der Kombination der Materialien Körper/Umgebung ab. Randbedingungen vom Typ (1.) nennt man Dirichlet-Randbedingungen, Bedingungen vom Typ (1.3) heißen gemischte oder Robin-Randbedingungen oder Randbedingungen dritter Art. Wenn physikalisch sinnvoll, dürfen beide Randbedingungen auch zugleich, jeweils auf einem Teil des Randes Γ vorkommen. Sind alle Größen in den Gleichungen (1.1) (1.3) bekannt, so läuft die (numerische) Lösung des Problems auf eine Simulationsaufgabe hinaus (siehe Vorlesung Numerik partieller Differentialgleichungen). In der Praxis können jedoch häufig zum Beispiel die Größen/Funktionen Wärmeleistungsdichte q( x) Umgebungstemperatur T ( x) noch innerhalb gewisser Grenzen gewählt werden. Diese Freiheitsgrade heißen Steuerungen des Problems, und sie können dazu benutzt werden, den Körper optimal aufzuheizen oder abzukühlen. Betrachten wir zunächst den Fall, dass wir die Wärmeleistungsdichte q als Steuerung nutzen. Das kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass man den aufzuheizenden Körper mit Mikrowellen- oder anderen elektromagnetischen Strahlern bestrahlt. Um festzulegen, wann eine Wahl von q besser ist als eine andere, müssen wir eine Bewertung der Steuerung q und der durch sie erzeugten Temperaturverteilung T vornehmen. Diese Bewertung übernimmt ein Zielfunktional J(T, q). Es hat sich bei der Formulierung des Zielfunktionals eingebürgert, dass kleinere Werte für bessere Steuerungen stehen. Wichtige Beispiele sind: Wollen wir die thermische Energie im Körper maximieren, so bietet sich J(T, q) = ϱ c p T ( x) d x (1.4) als Zielfunktional an, wobei ϱ die Dichte (Einheit: kg/m 3 ) und c p die spezifische Wärme bei konstantem Druck ist (Einheit: m /(Ks )). Wollen wir die thermische Energie minimieren, so lassen wir das Minuszeichen weg. Wollen wir eine vorgegebene Temperaturverteilung T d ( x) möglichst gut erreichen, so können wir J(T, q) = 1 T ( x) T d ( x) d x (1.5) verwenden. Dieses Zielfunktional erinnert an die Gaußsche Fehlerquadratsumme. Die Quadrierung der Abweichung von T T d ist notwendig, da wir

8 1. EINFÜHRUNG UND MOTIVATION uns in dieser Vorlesung nur mit differenzierbaren Funktionalen beschäftigen. Der Faktor 1/ steht nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit dort, um später den Faktor zu kompensieren, der sich bei der Ableitung ergibt. Leider führt weder (1.4) noch (1.5) ohne weitere Bedingungen auf eine wohlgestellte Aufgabe. Bei (1.4) ist anschaulich klar, dass man mit immer größeren Steuerungen q dem Körper immer größere Energien zuführen kann, sodass eine optimale Steuerung unendlich große Werte annehmen müsste. Analog kann man bei (1.5) das vorgegebene Temperaturprofil T d umso besser annähern, je größere Ausschläge die Steuerung q besitzt. Auch hier würde die optimale Steuerung unendlich große (i.a. positive und negative) Werte annehmen. Wir müssen also dafür sorgen, dass die Steuerung (in einer geeigneten Norm) beschränkt bleibt. Dies können wir zum Beispiel durch Einführung von sogenannten punktweisen Steuerbeschränkungen erzielen: Wir lassen nur Wärmeleistungsdichten q( x) zu, die q min ( x) q( x) q max ( x) in (1.6) erfüllen. Solche Beschränkungen sind in der Regel sowieso durch die Aufgabenstellung motiviert, denn wir können etwa mit dem Mikrowellenstrahler nicht beliebig große Leistungsdichten erzielen. Ist außerdem etwa nur Heizen und kein Kühlen möglich, so wählen wir q min 0. Alternativ zu (1.6) oder auch zusätzlich ist oft die Steuerung mit gewissen Kosten verbunden, z.b. durch Verbrauch elektrischer Energie. Das führt dazu, das Zielfunktional um einen sogenannten Kontrollkostenterm zu ergänzen, etwa J(T, q) = ϱ c p T ( x) d x + λ q( x) q d ( x) d x (1.7) anstelle von (1.4) oder J(T, q) = 1 T ( x) T d ( x) d x + λ q( x) q d ( x) d x (1.8) anstelle von (1.5). Dabei ist q d diejenige Steuerung, die mit den geringsten Kosten verbunden ist (oder von der man nicht zu weit abweichen möchte), in der Regel q d 0. λ > 0 ist ein Kontrollkostenparameter mit der passenden physikalischen Einheit, der als relative Gewichtung der beiden Anteile im Zielfunktional verstanden werden kann. Wir brauchen wieder das Quadrat, um ein differenzierbares Funktional zu erhalten. Zusammenfassend können wir jetzt ein erstes Beispiel einer Optimalsteuerungsaufgabe angeben: Minimiere J(T, q) = 1 T ( x) T d ( x) d x + λ q( x) q d ( x) d x unter κ T ( x) = q( x) n T ( x) = α (T ( x) T ( x)) und q min ( x) q( x) q max ( x) in. in auf Γ (1.9) Da die Steuerung q( x) auf dem Gebiet wirkt, bezeichnet man (1.9) als eine Aufgabe mit verteilter Steuerung.

1. BEISPIELE 9 Verwendet man wieder die Randbedingung (1.3), aber betrachtet dieses Mal die Umgebungstemperatur T ( x) als Steuerung und zur Abwechselung das Zielfunktional (1.4) mit Kontrollkosten, so erhält man analog die folgende Aufgabe mit Randsteuerung: Minimiere unter J(T, T ) = ϱ c p T ( x) d x + λ T ( x) T,d ( x) d x Γ κ T ( x) = q( x) in n T ( x) = α (T ( x) T ( x)) auf Γ und T,min ( x) T ( x) T,max ( x) auf Γ. (1.10) Beide Aufgaben (1.9) und (1.10) werden durch eine lineare partielle Differentialgleichung beschrieben und besitzen ein Zielfunktional mit positiven quadratischen und linearen Anteilen. Deshalb führen beide auf konvexe Optimierungsprobleme in geeigneten Funktionenräumen. Da auch die Steuerbeschränkungen linear sind, ändern sie nichts an dieser Tatsache. Konvexe Optimierungsprobleme haben besonders angenehme Eigenschaften, zum Beispiel brauchen wir nicht zwischen lokalen und globalen Optima zu unterscheiden, und im Falle strikter Konvexität ist die global optimale Lösung (sofern sie existiert) eindeutig. Wir beschäftigen uns in Kapitel genauer mit diesen Aufgaben. 1. Beispiele mit semilinearen PDEs Für viele in der Realität vorkommende Erscheinungen reichen lineare Modelle wie im vorhergehenden Abschnitt nicht aus. Deshalb behandeln wir auch Aufgaben mit sogenannten semilinearen elliptischen Differentialgleichungen. Dabei bedeutet Semilinearität, dass die Nichtlinearitäten in der Gleichung und den Randbedingungen nicht in den Termen mit der höchsten Ableitung vorkommen dürfen. Zum Beispiel ist das lineare Newtonsche Gesetz der Wärmeleitung (1.3) für hohe auftretende Temperaturen nicht mehr korrekt. Stattdessen gilt das sogenannte Stefan-Boltzmann-Gesetz n T ( x) = σ B ε (T 4 ( x) T 4 ( x)) auf Γ (1.11) mit der Boltzmann-Konstanten σ B = 5.6703 10 8 kg/(s 3 K 4 ) und der Emissivität ε [0, 1]. Zumindest ist (1.11) dann richtig, wenn die Geometrie des Körpers konvex ist, sodass die emittierte Strahlung nicht an einer anderen Stelle des Randes wieder eingefangen wird. Man beachte, dass sich das lineare Gesetz (1.3) aus (1.11) durch Linearisierung zurückgewinnen lässt.

10 1. EINFÜHRUNG UND MOTIVATION Analog zum vorhergehenden Abschnitt können wir also zum Beispiel die folgende semilineare Optimalsteuerungsaufgabe mit verteilter Steuerung stellen: Minimiere J(T, q) = 1 T ( x) T d ( x) d x + λ q( x) q d ( x) d x unter κ T ( x) = q( x) n T ( x) = σ B ε (T 4 ( x) T 4 ( x)) und q min ( x) q( x) q max ( x) in. in auf Γ (1.1) Semilineare Terme treten jedoch häufig nicht nur in der Randbedingung, sondern auch in der Gleichung auf dem Gebiet auf. Betrachten wir zum Beispiel eine chemische Reaktion, bei der eine Substanz A wie folgt zu einer Substanz B reagiert: A + A B Im stationären Fall mit Diffusion wird die Konzentration c( x) von A (Einheit: mol/m 3 ) dann durch die folgende sogenannte Reaktions-Diffusions-Gleichung beschrieben: D c( x) = kc ( x) in (1.13) Dabei ist D die Diffusionskonstante (Einheit: m /s), und k ist eine Reaktionskonstante (Einheit: m 3 /(s mol)). Das Gebiet R 3 stellt dieses Mal die Reaktionsdomäne, etwa eine Petrischale, dar. Als Randbedingung bietet sich D c( x) = f( x) auf Γ, (1.14) n an, wobei f( x) die Flussdichte der Substanz A durch die Oberfläche Γ darstellt (Einheit: mol/(m s)). Praktisch kann man f als Randsteuerung zumindest auf einem Teil des Randes einsetzen, indem man zum Beispiel über eine Düse die Substanz A mit der gewünschten Flussdichte (Durchflussrate) hinzugibt. Aus mathematischen und praktischen Gründen bieten sich auch hier wiederum Steuerbeschränkungen der Form f min ( x) f( x) f max ( x) an, wobei f min 0 dafür sorgt, dass die Substanz A nicht über die Oberfläche abgesaugt werden kann. Mit der Steuerung kann man zum Beispiel erreichen, dass die Konzentrationsverteilung möglichst genau einer vorgegebenen Verteilung c d entspricht: J(c, f) = 1 c( x) c d ( x) d x + λ f( x) f d ( x) d x (1.15) oder dass die Gesamtstoffmenge von A maximiert wird: J(c, f) = c( x) d x + λ f( x) f d ( x) d x. (1.16) Γ Wegen der Semilinearität der partiellen Differentialgleichung erhält man nun keine konvexen Aufgabestellungen mehr. Es kann mehrere lokale Minima geben, und ein globales Minimum ist in der Regel sehr schwer zu finden. Γ