Powered by Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustriebw.de/de/fachbeitrag/aktuell/translationaleslungenforschungszentrum-heidelberg/ Translationales Lungenforschungszentrum Heidelberg Universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen in Heidelberg, die sich mit der Erforschung von Lungenerkrankungen befassen, haben sich zu einem Expertennetzwerk zusammengeschlossen, dem Heidelberg Translational Lung Research Center, das an dem neuen, vom Bundesforschungsministerium geförderten Deutschen Zentrum für Lungenforschung beteiligt ist. Forschungsschwerpunkte in Heidelberg sind die Entstehung und Bekämpfung von Mukoviszidose, chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und Lungenkrebs. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung ( BMBF) hat im vergangenen Jahr vier neue nationale Gesundheitsforschungszentren für die Bereiche Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionen, Krebs und Lungenkrankheiten initiiert, an denen jeweils auch Heidelberger Forschungseinrichtungen beteiligt sind. Gemeinsame Zielsetzung der Zentren ist die Bekämpfung der großen Volkskrankheiten durch eine effektivere Zusammenarbeit von Grundlagen- und klinischer Forschung. Ein Expertennetzwerk für Lungenkrankheiten Prof. Dr. Marcus A. Mall Universitätsklinikum Heidelberg Diese Zielsetzung geht auch aus der Bezeichnung Translationales Lungenforschungszentrum" hervor, unter der sich Heidelberger Wissenschaftler, die sich mit der Entstehung und Bekämpfung von Lungenerkrankungen befassen, zu einem Netzwerk als Partner des Deutschen Zentrums für Lungenforschung zusammengeschlossen haben. Am Heidelberg 1
Translational Lung Research Center" beteiligen sich das Universitätsklinikum Heidelberg mit dem Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, der Radiologischen Klinik und den Abteilungen für Nuklearmedizin und für Sportmedizin sowie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Europäische Molekularbiologische Laboratorium und die Thoraxklinik Heidelberg. Koordinator dieses Expertennetzwerks ist Prof. Dr. Marcus Mall, Leiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie und Allergologie am Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin. Er leitet zugleich auch das Mukoviszidose-Zentrum Heidelberg. Koordinator des nationalen Zentrums ist das Helmholtz Zentrum München (HMGU), weitere Forschungspartner neben Heidelberg sind Gießen/Marburg, München, Hannover und Borstel/Lübeck. Das BMBF wird 2012 das Deutsche Zentrum für Lungenforschung mit 10 Millionen Euro fördern; bis 2014 steigt die Fördersumme dann auf 25 Millionen Euro pro Jahr an. Etwa ein Fünftel der Gesamtsumme geht an die Institutionen des Heidelberg Translational Lung Research Center. Durch die Förderung können die Forschungsschwerpunkte weiter ausgebaut werden. Als Beitrag aus Heidelberg zum Deutschen Zentrum für Lungenforschung wird die Entstehung und Bekämpfung dreier häufiger chronischer Lungenkrankheiten erforscht: die Mukoviszidose, die chronisch obstruktive Lungenerkrankung und der Lungenkrebs. Von der aktuellen intensiven Forschung am DKFZ und an der Thoraxklinik Heidelberg über Lungenkrebs, einer der häufigsten und tödlichsten Tumorarten, wurde in diesem Portal schon berichtet (Prävention und Früherkennung von Lungenkrebs). Im Folgenden werden Beiträge aus Heidelberg zur Erforschung der Mukoviszidose, der häufigsten angeborenen Lungenerkrankung mit tödlichem Verlauf, und der Chronisch Obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), der häufigsten erworbenen chronischen Lungenerkrankung bei Erwachsenen, vorgestellt. Es geht darum, aus einem besseren Verständnis der Entstehungsmechanismen heraus die Diagnostik und Früherkennung der Krankheiten zu verbessern, neue Zielmoleküle für Medikamente zu finden und schließlich kausale Therapien zu entwickeln. Ein Tiermodell für Mukoviszidose Mukoviszidose oder Cystische Fibrose (CF) ist in Westeuropa und Nordamerika die häufigste tödlich verlaufende Erbkrankheit überhaupt. Etwa 8.000 Menschen in Deutschland leiden daran, aber eine weit höhere Zahl annähernd vier Millionen sind gesunde Träger des veränderten Gens und können es, meist ohne es zu wissen, weitervererben. 1989 war das CFTR- Gen ( Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator - Gen) entdeckt worden, dessen Mutation die Symptome der Mukoviszidose verursacht. Die Mutation im CFTR- Gen führt zu einem verstärkten Wasser- und Salzentzug der Schleimhautoberflächen der Lunge, des Darms und anderer Organe, und es kommt zur Bildung eines zähen, trockenen Schleims, der verklumpt und nicht abtransportiert werden kann. In der Folge kommt es zu chronischen Lungenentzündungen und schweren Atmungs- und Verdauungsstörungen. Nur diese Folgen können symptomatisch behandelt werden; eine am Erkrankungsursprung ansetzende kausale Therapie gibt es bislang nicht. Professor Mall und seinen Mitarbeitern ist es erstmals gelungen, in einem Tiermodell schwere Lungenschäden bei Mukoviszidose zu verhindern, indem sie jungen Mäusen den Wirkstoff Amilorid als Spray in die Lunge applizierten. An dem Mausmodell konnten die Heidelberger 2
Der Wirkstoff Amilorid - Strukturformel Universität Würzburg Wissenschaftler zeigen, dass für den verstärkten Entzug von Salz und Wasser durch die Epithelzellen der Atemschleimhaut neben den gestörten Chlorid-Kanälen auch hyperaktive" Natrium-Kanäle verantwortlich sind. Amilorid hemmt diese hyperaktiven Natrium-Kanäle, wodurch sich die Befeuchtung der inneren Lungenoberflächen verbessert. Erhalten Mäuse mit der entsprechenden Mukoviszidose- Mutation von den ersten Lebenstagen an eine Inhalationstherapie mit dem Medikament, entstehen in ihrer Lunge keine Pfropfen von trockenem Schleim und es kommt nicht zu Atemwegsentzündungen und chronischen Lungenerkrankungen. Der durch Amilorid blockierbare Natriumkanal in den Epithelzellen Charité Waren bei den Tieren die Symptome der Krankheit allerdings schon vorhanden, bewirkte Amilorid keine Verbesserung. Offensichtlich verhindert ein chronischer Lungenschaden die Wirkung des Medikaments; das deutet darauf hin, dass die Veränderungen, die durch die Lungenerkrankung ausgelöst werden, möglicherweise irreversibel sind", sagte Professor Mall auf einer Pressekonferenz am 16. Februar 2011 und erläuterte, dass damit erstmals mit Amilorid eine vorbeugende Therapie der Mukoviszidose möglich sein könnte, die direkt am Basisdefekt angreift. Um beim Menschen erfolgreich eingesetzt zu werden, müssten die von dem Gendefekt betroffenen Kinder allerdings sehr früh identifiziert werden. Neugeborenen-Screening auf Mukoviszidose Die Symptome der Erbkrankheit zeigen sich bei den Kindern aber oft erst nach einigen Monaten oder sogar erst nach Jahren. Für eine präventive Amilorid-Therapie ist es dann aber zu spät. Das Problem könnte durch den neu entwickelten, von der Dietmar Hopp Stiftung finanzierten Screeningtest bei Neugeborenen auf Mukoviszidose gelöst werden, über den kürzlich hier 3
berichtet worden ist (Neugeborenen- Screening rettet Leben). Es handelt sich um einen biochemischen Screeningtest, der zukünftig eine wegen der strengen Vorschriften des deutschen Gendiagnostikgesetzes umstrittene Genanalyse bisher die einzige Möglichkeit zur endgültigen Diagnose auffälliger Kinder überflüssig machen könnte. In der Studie, die seit 2008 über 100.000 Neugeborene einschließt, wurde bisher in 19 Fällen eine Mukoviszidose kurz nach der Geburt diagnostiziert. Chronisch obstruktive Lungenerkrankungen Die aus dem Mausmodell für Mukoviszidose abgeleiteten Erkenntnisse sind auch für andere schwere Lungenkrankheiten wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung ( chronic obstructive pulmonary disease, COPD) von Bedeutung. Die COPD, dritter Forschungsschwerpunkt im Heidelberg Translational Lung Research Center, ist im Gegensatz zur Mukoviszidose keine vererbte, sondern eine erworbene Krankheit; sie äußert sich meist in Krankheitsbildern wie chronische Bronchitis und Lungenemphysem. Betroffen sind vor allem Raucher, auch Passivraucher und ehemalige Raucher (daher der verbreitete Name Raucherlunge für die häufigste Manifestation der COPD), aber auch allgemein Personen, die hohen Belastungen der Atemluft durch Umweltverschmutzung oder Beruf ausgesetzt sind. In Deutschland leiden zwischen drei und fünf Millionen und weltweit etwa 600 Millionen Menschen an COPD. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation ist sie die vierthäufigste Todesursache überhaupt. Bisher können lediglich Symptome der COPD wie Atemnot und Sauerstoffmangel behandelt werden; eine kausale Therapie gibt es nicht. Die Heidelberger Forscher konnten aber zeigen, dass auch bei chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen trockene Atemwege - wie bei der Mukoviszidose eine wichtige Rolle spielen. Daraus könnte sich ein neuer Ansatzpunkt zur Behandlung dieser Volkskrankheit ergeben. Fachbeitrag 06.03.2011 EJ BioRN BIOPRO Baden-Württemberg GmbH Weitere Informationen Prof. Dr. Marcus MallLeiter der Sektion Pädiatrische Pneumologie und Allergologiedes Zentrums für Kinderund JugendmedizinUniversitätsklinikum HeidelbergE-Mail: marcus.mall(at)med.uni-heidelberg.de 4
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