Erdbebensicherheit bei Grossprojekten Zeichnung E. Rosales Urs Trüeb 1
Traktanden Risiko-Analyse Wirkung eines Starkbebens Vereinfachte Rechenmodelle Komplexe Baukörper Methode der finiten Elemente Erdbebenlasten Berechnungsmethoden Konstruktive Hinweise Rechtliche Aspekte Versicherung Schlussbemerkungen 2
Risiko-Analyse Katarisk-Studie, Katastrophen und Notlagen in der Schweiz, VBS 2003 In der Schweiz ist das Erdbebenrisiko das bedeutendste Risiko aus Naturgefahren. Risiko = Gefährdung x Verletzbarkeit x Wert 3
Wirkung eines Starkbebens 4
Vereinfachte Rechenmodelle Ebene Betrachtung (x und y) Wände werden zu Stäben Masse auf Punkt reduziert Rotation vernachlässigt Problematische Aufteilung bei unterschiedlichen Wänden Einfache und übersichtliche Auswertung Prof. Bachmann 5
Komplexe Geometrie der modernen Arch Alles ist machbar Ästhetik wichtiger als Funktion Ingenieur zu spät beigezogen Keine durchgehenden Wände Schwierige konstruktive Details Keine Symmetrien Transparente Fassaden 6
Neues Stadion in Zürich (FEnas) Bahnbau Vortrieb Conzett, Bronzini, Gartmann AG, Chur 7
Westside Bern-Brünnen Teilprojekt Freizeitbad (FEnas) Moor Hauser & Partner AG, Bern 8
Methode der finiten Elemente uy ux uz Definition von kleinen Bausteinen = FE Geometrie der Elemente ist bekannt Masse des Bauwerkes exakt modelliert Kräfte an den Eckpunkten angesetzt Verformung und Beanspr. berechnet Ing.büro B. Kocher, Bülach 9
Erdbebenlasten Kraft = Masse x Beschleunigung F =m a x F=mxa Masse m 10
Bestimmung der Beschleunigung Gebäudestandort Baugrund Bedeutung des Bauwerkes Material und Konstruktion der Verbindungen Eigenschwingung (Frequenz) Inselspital Bern 11
Einfluss des Gebäudestandorts Erdbebenzonen Z1: agd=0.6m/s2 Z2: agd=1.0m/s2 Z3a: agd=1.3m/s2 Z3b: agd=1.6m/s2 12
Einfluss des Baugrundes Einteilung in 5 Baugrundklassen A = Fels, max. 5m Lockergestein B = >30m Lockergestein, Kies Sand vorbelastet, zementiert C = >30m Lockergestein, Kies, Sand unzementiert D = <30m Feinsand, Kies, Ton, nicht konsolidiert E = <30m Lockergestein über Fels 13
Bedeutung des Bauwerkes BWK I: keine grössere Menschenansammlung keine Gefährdung der Umwelt γf = 1.0 (Wohn-, Büro-, Gewerbe-, Industrie- und Lagergebäude) BWK II: grössere Menschenansammlungen beschränkte (lokale) Gefährdung der Umwelt γf = 1.2 (Spitäler, Schulen, Einkaufszentren, Kinos, Theater) BWK III: lebenswichtige Infrastrukturfunktion erhebliche Gefährdung der Umwelt γf = 1.4 (Feuerwehr, Ambulanz, Polizei, Versorgung, Chemie) 14
Einfluss der Eigenfrequenz 15
Antwortspektren Die Antwortspektren zeigen für beliebige Frequenzen die maximale Beschleunigung, die über die Zeit eines Erdbebens erreicht werden kann. Periode T = 1/Frequenz Maximum bei 2 bis 5 Hz Unter 0.2 Hz keine Bedeutung Über 20 Hz geringe Bedeutung Abhängig vom Baugrund 16
Ersatzlastverfahren F=mxa Nur 1. Frequenz ω1 berücksichtigt Beschleunigung a = F(agd, BT, γ ω1, q) f, Belastung höhenabhängig Einfach und übersichtlich In der Regel zu konservativ Nach neuer SIA Norm oft nicht mehr zulässig 17
Verfahren der Antwortspektren Überlagerung der 4 Modalformen 18
Institut für Geistiges Eigentum (IGE), Bern Überlagerung der ersten 4 Frequenzen (FEnas) Nydegger & Meister, Bern 19
Zeitschrittverfahren (Time-History) Die Berechnung wird nicht mehr statisch (zu einem fixen Zeitpunkt in Ruhelage des Bauwerkes) durchgeführt. Vielmehr wird die Bewegung des Körpers über kleine Zeitschritte unter Berücksichtigung der Beschleunigung und der Trägheitskräfte verfolgt. Beschleunigungen C1 Beschleunigungsdiagramm aus Messungen (Kobe) 1.5 Künstliche Erdbeben je nach Bodenklasse Beschleunigung [m/s^2] 1.0 0.5 Vorgeschrieben für grosse Stauanlagen 0.0 Mindestens 3 unabhängige Beben -0.5-1.0-1.5 0.00 Zeitschritt ca. 1/1000 Sekunde 2.00 4.00 6.00 8.00 10.00 12.00 14.00 16.00 18.00 20.00 Zeit [s] Dauer eines Erdbebens 10 bis 20 Sekunden 20
Flusskraftwerk Wettingen, Wehrpfeiler (FEnas) Dynamische Verformung des Pfeilerkopfes während der 1. Sekunde des Starkbebens ewz Produktion, Zweigbüro Graubünden 21
Grundregeln erdbebengerechter Planung Ungünstige Grundrissgestaltung Bessere Grundrissgestaltung 22
Konstruktive Hinweise im Aufriss Ungünstige Aufrissgestaltung Bessere Aufrissgestaltung 23
Konstruktive Hinweise Weiche Erdgeschosse (Zwischengeschosse) vermeiden 24
Rechtliche Folgen 90 % der Bauwerke weisen eine unbekannte oder ungenügende Erdbebensicherheit auf. Selbst bei Neubauten werden oft die Bedingungen der Normen nicht eingehalten, obschon die Schweiz seit 2003 mit den Swisscodes SIA 260-267 über ein modernes und Europakompatibles Normenwerk verfügt. Nur der Kanton Wallis und die Stadt Basel, teilweise die Kantone FR, NW kennen eine wirksame Erdbebenkontrolle, respektive sind Nachweise der Erdbebensicherheit vorgeschrieben. Seit 01.01.2001 sind für alle Bundesbauten die SIA Normen verbindlich erklärt worden. Die Nationalrätliche Raumplanungskommission sieht vor, dass die Verantwortung für das Erdbebenrisiko und die Kompetenz der Erdbebenprävention an den Bund übertragen wird. 25
Rechtliche Folgen Allgemeine Sorgfaltspflicht: Architekten, Bauingenieure und Unternehmer sind verpflichtet die Regeln der Baukunst einzuhalten. Verbindlichkeit der SIA Normen: Diese ist umstritten. Im Streitfall wird ein Gericht die Bestimmungen der SIA Normen als anerkannte Regeln der Baukunde betrachten. Erstellerhaftung: Die Ersteller sind haftbar, falls die Erdbebenbestimmungen der SIA Normen nicht eingehalten werden. Werkeigentümerhaftung nach OR Art. 58: Ungenügende Erdbebensicherheit kann als fehlerhafte Anlage (Neubau) oder als mangelhafter Unterhalt (älteres Gebäude) betrachtet werden. Anlass einer Überprüfung: Die SIA Normen 462 und 469 verlangen beim Umbau eines Gebäudes, dass die Erdbebensicherheit überprüft wird. Minderwert: Beim Verkauf entstehen infolge Mängelhaftung gemäss OR Art. 199 Kosten der nachträglichen Erdbebenertüchtigung zwischen 1 und 20 % des Gebäudewertes. 26
Versicherungen Gesamtwert des Gebäudeportfolios (versicherte Gebäudewerte ohne Mobiliar): CHF 1800 Mrd. Mobiliar: CHF 700 Mrd. Schäden infolge eines Erdbebens sind nicht versichert Die Monopolanstalten (kantonale GV in 18 von 19 Kantonen) verfügen über einen Erdbebenpool: CHF 2 Mrd. Die Gebäudeversicherung des Kanton ZH hält eigene Reserven bereit: CHF 1 Mrd. 16 Privatversicherer in den Kantonen ohne Monopolanstalt haben ebenfalls bescheidene Reserven: CHF 0.2 Mrd. Schadenerwartung für Beben der Stärke 5.5 6.0 CHF 7 Mrd. Schadenerwartung für Beben der Stärke 6.0 6.5 CHF 40 Mrd. 27
Versicherungen Der Schweizerische Versicherungsverband (SVV), die kantonalen Gebäudeversicherer sowie der Hauseigentümerverband (HEV) verlangen: Die Feuerversicherung soll mit einer Erdbebenversicherung ergänzt werden. Gesamtsumme je Ereignis: 10 Mrd. Prämie 0.05 bis maximal 0.1 In Kraft treten frühestens 01.01.2008 Abwicklung über kantonale Gebäudeversicherung oder in den GUSTAWO Kantonen über Privatversicherungen Gebäudewert: CHF 780 000.Einrichtungen: CHF 100 000.Kostenblock: CHF 120 000.- 28
Zusammenfassung Die Erdbebenbedrohung wird unterschätzt Rechtlich sind die Bauherren, Architekten und Ingenieure verpflichtet, die Erdbebensicherheit zu gewährleisten Moderne Normen und effiziente Berechnungsmethoden stehen bereit Die Kosten betragen bei Neubauten maximal 1 bis 2 % 29