AUF DEM WEG ZUR VERHANDLUNG UND VERABSCHIEDUNG DES NACHFOLGEPROGRAMMS ZUM STOCKHOLMER PROGRAMM FÜR DEN ZEITRAUM ZUSAMMENFASSUNG

Ähnliche Dokumente
Geschätzte Kosten von Maßnahmen der EU zur Terrorismusbekämpfung

Das Haager Übereinkommen vom 13. Januar 2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen

Der Vertrag von Lissabon

DIE AUSBILDUNG VON LEHRERN: AKTUELLER STAND UND PERSPEKTIVEN BEI DER AUSBILDUNG VON GRUNDSCHULLEHRERN IN EUROPA

Stand der Umsetzung des Fahrplans für eine Aufhebung der Visumpflicht für Reisen türkischer Staatsangehöriger in den Schengen- Raum

Europäische Migrations- und Asylpolitik Post-Stockholm: Die zukünftige Ausrichtung der Generaldirektion Inneres. Institutionen

IM AUFTRAG DES CULT-AUSSCHUSSES DURCHGEFÜHRTE STUDIE MINDERHEITENSPRACHEN UND BILDUNG: BEWÄHRTE VERFAHREN UND SCHWIERIGKEITEN

Welche Rechtsgrundlage für das Familienrecht? Das weitere Vorgehen

15349/16 gha/jc 1 DG D 2A

Rekapitulativ der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates ( )

Vergleichende Studie der rechtlichen Bestimmungen über Leihmutterschaft in den EU- Mitgliedstaaten

DIE AUSWIRKUNGEN DER TRENNUNG VON INFRASTRUKTURBETRIEB UND VERKEHRSLEISTUNGEN AUF DEN EISENBAHNSEKTOR IN DER EUROPÄISCHEN UNION

Europäisches Strafrecht - Bedeutung und Auswirkung auf die nationale Strafverteidigung. EU Kompetenz, Instrumente, Institutionen, Entwicklungen

11130/15 hm/ab 1 DG D 1B

PARLAMENTARISCHE VERSAMMLUNG EURONEST GRÜNDUNGSAKTE DER PARLAMENTARISCHEN VERSAMMLUNG EURONEST

RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 27. März 2002 (10.04) (OR. en) 7555/02 LIMITE DROIPEN 19 MIGR 23 COMIX 213

15414/14 cho/gha/hü 1 DG D 2A

* ENTWURF EINES BERICHTS

Sitzung der 70. Europaministerkonferenz. am 28./29. April 2016 in Brüssel. Beschluss

EUROPÄISCHER RAT KOPENHAGEN JUNI 1993 SCHLUSSFOLGERUNGEN DES VORSITZES

JUSTIZ EUROPA JUSTIZPROGRAMM DER EU ÜBERALL IN. Justiz

Der Ausbau rechtsstaatlicher Strukturen in der Republik Aserbaidschan, gefördert durch die Europäische Nachbarschaftspolitik

Informelles Treffen der Minister für Justiz und innere Angelegenheiten

Internationale und globale Zusammenhänge der Sozialen Arbeit. Die Europäische Union als Handlungsebene: Beispiel Europäische Sozialpolitik

UMSETZUNG DER KOHÄSIONSPOLITIK : VORBEREITUNGEN UND VERWALTUNGSKAPAZITÄT DER MITGLIEDSTAATEN

Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften Orientierungsaussprache

Das neue EU-Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport - Stand der Verhandlungen - Fachforum Europa Bonn, Februar 2013

Für Menschenrechte und Säkularisierung stehen

Die EU-Datenschutz-Grundverordnung: Besondere Verarbeitungsformen

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT. gemäß Artikel 294 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

1. Die 28 Mitgliedstaaten der EU:

Bundesrat Drucksache 921/07. Unterrichtung durch das Europäische Parlament

ADDENDUM ZUM ENTWURF EINES PROTOKOLLS Betr.: Tagung des Rates der Europäischen Union (ALLGEMEINE ANGELEGENHEITEN) vom 10. Mai 2010 in Brüssel

NomosTexte. Europarecht. Textausgabe 24. Auflage. Nomos

13981/16 cha/tr/cat 1 DG D 1 A

Die Europäische Union

Rat der Europäischen Union Brüssel, den 26. Juli 2017 (OR. en)

EUROPÄISCHES PARLAMENT

DE In Vielfalt geeint DE B8-0150/1. Änderungsantrag 1 Beatrix von Storch im Namen der ECR-Fraktion

Der Europäische Verwaltungsverbund

9352/01 FR/lu DG H I DE

1. Die Kommission hat dem Rat am 18. Juni 2010 den Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans (EBH) Nr. 6 zum Gesamthaushaltsplan 2010 übermittelt.

Unterrichtung. Deutscher Bundestag 13. Wahlperiode. Drucksache 13/44. durch das Europäische Parlament

Der Vertrag von Lissabon

Sitz: Strassburg Arbeitsorte: Strassburg, Luxemburg, Brüssel. Fraktionen Direktwahl seit 1979

Zur Menschenrechtsproblematik an EU- und US- Außengrenzen. Dr. Ulrike Borchardt

RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 7. Juli 2004 (30.07) (OR. en) 11267/04 CORDROGUE 59

Planspiel Festung Europa? Eine Einführung. Europäische Kommission

Europäische Wirtschaft Zusammenfassung

1. Die Europäische Union in Zahlen

Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union in Brüssel

VORTRAGSFOLIEN ZUM EUROPÄISCHEN PARLAMENT

15123/16 tr/pag 1 GIP

INTERNATIONALE ÜBEREINKÜNFTE

EU-Präsident Europäischer Rat

WORKSHOP FORUM ÜBER DIE JUSTIZIELLE ZUSAMMENARBEIT IN ZIVILSACHEN: DEBATTE MIT DEN NATIONALEN PARLAMENTEN

Tampere Geburtsstunde der EU-Politik für Justiz und Inneres

EU-Verträge. Iküi Verlag. Textfassungen nach dem Vertrag von Lissabon. mit einer systematischen Einführung. ^JJVJ Bundesanzeiger

12650/17 ak/kwo/ms 1 DGD 1C

Jahresbericht über die Tätigkeiten des Ausschusses für Betrugsbekämpfung der Europäischen Zentralbank für den Zeitraum von März 2002 Januar 2003

Kurzdarstellungen über die Europäische Union

Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union in Brüssel

GEMISCHTER PARLAMENTARISCHER AUSSCHUSS EU-TSCHECHISCHE REPUBLIK

7738/17 bhw/cat 1 DG D 1 A

Vorschlag für einen BESCHLUSS DES RATES

Vorschlag für VERORDNUNG DES RATES

PROGRAMMENTWURF Anhörung VORGEHENSWEISE DER EU IN BEZUG AUF DAS STRAFRECHT

Informelle Ministerkonferenz zum Thema "Europa vermitteln"

Der Europäische Datenschutzbeauftragte

a) Identität und Integration als Grundlagen eines Gemeinwesens

A 2006/4801 VERTRAG ÜBER EINE VERFASSUNG FÜR EUROPA

Inhaltsverzeichnis. A. Einleitung B. Europäische Ebene... 5

Aufruf für Kinderrechte

Planspiel Festung Europa?

Inhalt VORWORT...11 ABKÜRZUNGEN...13

RAT DER EUROPÄISCHEN UNION. Brüssel, den 15. Dezember 2006 (18.12) (OR. en) 15817/06 Interinstitutionelles Dossier: 2003/0252(COD)

Vorschlag für eine VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

Vorschlag für einen DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DES RATES

JUSTIZIELLE ZUSAMMENARBEIT IN STRAFSACHEN

Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe

Europäische UNION = EU. Wie funktioniert sie, wer macht was?

Arbeitsprogramm der EU-Kommission Staatssekretärin Hella Dunger-Löper Senatskanzlei Berlin

Fragen zum Kapitel Nachhaltige Entwicklung im CETA

Ethische und politische Aspekte der globalen Mobilität und Sicherheit RISE Hochrangiger Workshop, Brüssel, 26. März 2010

WO BLEIBEN DIE FRAUEN? Partizipation und Repräsentation von Frauen auf europäischer Ebene. PD Dr. Beate Hoecker

Rat der Europäischen Union Brüssel, den 4. September 2016 (OR. en)

Great Game in Zentralasien

ANHANG. Aktionsplan für ein intensiveres Vorgehen gegen Terrorismusfinanzierung. zur

Ein umfassender europäischer Rahmen für das Online-Glücksspiel - Die Mitteilung der Kommission und ihre Umsetzung

EUROPÄISCHES PARLAMENT

BESCHLUSS DER KOMMISSION. vom zur Einsetzung der Gruppe europäischer Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste

3. SCHLUSSAKTE DER REGIERUNGSKONFERENZ

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 17/1849(neu) 17. Wahlperiode

Artikel 48 EUV i.d.f. des Vertrages v. Lissabon

PROTOKOLL 3. Einrichtung und Arbeitsweise des Europäischen Ausschusses zur Ausarbeitung von Standards im Bereich der Binnenschifffahrt CESNI

ÜBER DIE ANWENDUNG DER GRUNDSÄTZE DER SUBSIDIARITÄT UND DER VERHÄLTNISMÄSSIGKEIT

Europäische Entwicklungspolitik zwischen gemeinschaftlicher Handelspolitik, intergouvernementaler Außenpolitik und ökonomischer Effizienz

Abgeschlossen durch Notenaustausch vom 11. Juli 2013 Inkrafttreten: 11. Juli 2013

Sehr geehrte Damen und Herren!

Transkript:

GENERALDIREKTION INTERNE POLITIKBEREICHE FACHABTEILUNG C: BÜRGERRECHTE UND KONSTITUTIONELLE ANGELEGENHEITEN BÜRGERLICHE FREIHEITEN, JUSTIZ UND INNERES AUF DEM WEG ZUR VERHANDLUNG UND VERABSCHIEDUNG DES NACHFOLGEPROGRAMMS ZUM STOCKHOLMER PROGRAMM FÜR DEN ZEITRAUM 2015-2019 ZUSAMMENFASSUNG Kurzfassung Ungeachtet einiger konkreter Erfolge wird die Umsetzung des Stockholmer Programms laut Halbzeitbilanz durch diverse Ungleichgewichte beeinträchtigt. Nach wie vor geben Fragen zur Fähigkeit der Union, die Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen und Krisen zu meistern, Anlass zur Sorge. Als Fazit aus Stockholm stellen sich folgende Herausforderungen für das zukünftige Programm im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts: eine politische Herausforderung (wirksame Sicherstellung des Schutzes der Grundrechte insbesondere des Schutzes personenbezogener Daten und Umsetzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Solidarität), eine institutionelle Herausforderung (Sicherstellung der Akzeptanz des Europäischen Parlaments als vollwertiger Akteur bei der Planung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts) und eine technische Herausforderung (Entwicklung einer Kultur der Ex-post-Bewertung von Ergebnissen im Bereich Justiz und Inneres). Die Verabschiedung eines neuen Programms, mit dem die Linie von Tampere und der Haager und Stockholmer Programme fortgeführt wird, ist aufgrund all dieser Faktoren vollauf gerechtfertigt. PE 493.015 DE

Diese Studie wurde vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments (LIBE) in Auftrag gegeben. VERFASSER Henri Labayle, Professor an der Université de Pau et des Pays de l Adour, Fakultät für Rechtswissenschaften in Bayonne, Mitglied des Réseau académique d études juridiques sur l immigration et l asile en Europe Odysseus (Akademisches Netzwerk für juristische Studien über Einwanderung und Asyl in Europa Odysseus ) als Vertreter Frankreichs. In Zusammenarbeit mit Philippe De Bruycker, Professor am Institut für europäische Studien der Université Libre de Bruxelles, Koordinator des Réseau académique d études juridiques sur l immigration et l asile en Europe Odysseus (Akademisches Netzwerk für juristische Studien über Einwanderung und Asyl in Europa Odysseus ). ZUSTÄNDIGER BEAMTER Alessandro DAVOLI Fachabteilung C: Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten Europäisches Parlament B-1047 Brüssel E-Mail: alessandro.davoli@europarl.europa.eu SPRACHFASSUNGEN Original: FR ÜBER DEN HERAUSGEBER Unter folgender Adresse können Sie Kontakt mit der Fachabteilung aufnehmen oder ihren monatlichen Newsletter abonnieren: poldep-citizens@europarl.europa.eu Europäisches Parlament, Druckvorlage von August 2013. Europäische Union, Brüssel, 2013. Dieses Dokument ist im Internet abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/studies HAFTUNGSAUSSCHLUSS Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung des Verfassers wieder und entsprechen nicht unbedingt dem Standpunkt des Europäischen Parlaments. Nachdruck und Übersetzung für nichtgewerbliche Zwecke sind mit Quellenangabe erlaubt; der Herausgeber ist vorab in Kenntnis zu setzen und erhält ein Belegexemplar. 2

Auf dem Weg zur Verhandlung und Verabschiedung des Nachfolgeprogramms zum Stockholmer Programm ZUSAMMENFASSUNG Die Halbzeitbilanz zur Umsetzung des Stockholmer Programms gibt Anlass zu einer Bewertung der ersten Ergebnisse des Vertrags von Lissabon. Die Bilanz des Stockholmer Programms zeigt deutlich die Ungleichgewichte, die den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts kennzeichnen: das Ungleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit aufgrund des Missverhältnisses zwischen den Normen zum Schutz natürlicher Personen und ihrer praktischen Umsetzung sowie der Verzögerung bei der Annahme von Normen zum Schutz personenbezogener Daten; das Ungleichgewicht zwischen Recht und Sicherheit durch die Annahme einer Strategie der inneren Sicherheit, die im Gegensatz dazu steht, dass ein echter europäischen Rechtsraum fehlt; das Ungleichgewicht zwischen Harmonisierung und operativer Umsetzung aufgrund eines normativen Defizits trotz einer Vielzahl vorhandener Agenturen und politischer Instrumente; das Ungleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund eines geteilten Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, weil man sich weigert, im Fall der Mittelmeerstaaten geopolitische Faktoren zu berücksichtigen und weil bestimmte Mitgliedstaaten entschlossen sind, Opt-out-Optionen zu nutzen; das Ungleichgewicht zwischen einer trotz nur schwacher Zielvorgaben stagnierenden Steuerung der legalen Zuwanderung und Fortschritten bei der Bekämpfung der illegalen Zuwanderung, die mit erheblichen Investitionen in die Datenbanken gefördert wird; das Ungleichgewicht zwischen der internen und externen Dimension der europäischen Politik, zumal mit dem Vertrag von Lissabon kein klarer institutioneller Rahmen geschaffen wurde er bleibt komplex und konfliktbeladen. Dennoch ist die Situation natürlich nicht nur negativ. Es sind auch einige konkrete Erfolge zu verzeichnen: Die unter schwierigen Umständen erfolgte Verabschiedung des Asylpakets steht für einen maßgeblichen Fortschritt in Richtung einer stärkeren Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten. Die europäische Politik wird zunehmend funktionsfähig, zum einen dank der Stärkung (Frontex) beziehungsweise Schaffung (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, die Agentur für die Steuerung der Informationssysteme des RFSR) von Agenturen wenngleich sich die Lissabonisierung von Europol und Eurojust noch hinzieht, und zum anderen dank der Entstehung einer praxisorientierten Kultur im Bereich der E-Justiz sowie der Anpassung der Arbeitsinstrumente für die Drogen- und Terrorismusbekämpfung, auch wenn die Aufgaben im Bereich des Informationsaustauschs beim Kampf gegen die Schwerkriminalität und im Datenschutz weiterhin unerledigt sind. Das für die gegenseitige Anerkennung unverzichtbare gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten wächst, mitunter aufgrund nationaler Initiativen wie im Bereich des Schutzes von Personen. 3

Fachabteilung C: Bürgerrechte und konstitutionelle Angelegenheiten Der Rückstand bei der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen wurde aufgeholt, und mit den vielen Initiativen, die zur Verabschiedung anstehen, sollten weitere Fortschritte folgen. Die Verfahrensrechte in Strafsachen sind trotz des fragmentarischen Ansatzes nach dem Scheitern des umfassenden Ansatzes einer der wesentlichen Fortschritte des Stockholmer Programms. Ungeachtet der außerordentlichen politischen Sensibilität dieses Themas für die Mitgliedstaaten verläuft die Annäherung des materiellen Strafrechts mittlerweile im Einklang mit der Lissabonisierung früherer Entscheidungsrahmen und der Aufnahme neuer Projekte. Allerdings bestehen weiterhin beunruhigende Fragen. Im Bereich rechtsstaatlicher Garantien hat die Kontroverse über die Verfassungsreformen in Ungarn gezeigt, dass die Union nicht über das erforderliche Rüstzeug verfügt, um die Mitgliedstaaten zur Einhaltung ihrer Grundwerte zu zwingen. Ferner stellt sich die Frage nach der Krisenbewältigungsfähigkeit der Union: Der Zusammenbruch des Asylsystems und des Systems zur Kontrolle der Außengrenzen in Griechenland hat die Unwirksamkeit der bestehenden Bewertungsmechanismen deutlich werden lassen, während sich das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen in der humanitären Katastrophe der syrischen Flüchtlinge nicht behauptet hat. Diese beiden Krisen zeugen auch von mangelnder Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten. Aus dieser Bilanz lassen sich insgesamt drei Herausforderungen für das zukünftige Programm ableiten: Die politische Herausforderung: Der Schutz der Grundrechte ist für Justiz und Inneres zwar kein Kernthema, bleibt jedoch weiterhin insbesondere hinsichtlich des Schutzes personenbezogener Daten von zentraler Bedeutung, zumal der Prism- Skandal die Reaktionsfähigkeit der Union diesbezüglich auf die Probe stellt. Die Tatsache, dass die Solidarität durch den Vertrag von Lissabon den Rang eines Verfassungsgrundsatzes des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erhalten hat, ist wirkungslos geblieben: Zwar nimmt die operative Dimension der Solidarität langsam Gestalt an, ihre finanzielle Dimension bleibt im Rahmen der finanziellen Vorausschau 2014-2020 jedoch notorisch unzureichend. Die institutionelle Herausforderung: Der durch den Vertrag von Lissabon zum Hauptakteur bestimmte Europäische Rat muss akzeptieren, das Parlament gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Organen in die Planung des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts einzubeziehen. Zumindest sollte hier die Verabschiedung des nächsten Programms auf einen Zeitpunkt nach der Wahl im Juni 2014 verschoben werden, damit es durch die von den Wählern erneuerten Institutionen angenommen werden kann. Die technische Herausforderung: Nach dem Scheitern des Vorschlags der Kommission von 2006 macht die Ex-Post-Bewertung der Politik zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts mit dem Wegfall des Statusberichts der ein rein beschreibendes Instrument war Rückschritte. Die Frage der Kontrolle der Mitgliedstaaten durch die Kommission erfordert zudem einen Kulturwechsel innerhalb der GD Inneres, die nach mehr als einem Jahrzehnt wichtiger 4

Auf dem Weg zur Verhandlung und Verabschiedung des Nachfolgeprogramms zum Stockholmer Programm Aufbauarbeit künftig über die wirksame Anwendung dieser Errungenschaft im Wege der Vertragsverletzungsklage wachen muss. Abgesehen davon, dass noch ganze Teilbereiche des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufgebaut werden müssen, bedarf es angesichts der großen Vorbehalte der Mitgliedstaaten gegenüber Bewertungen eines überzeugenden Programms, um Letztere davon zu überzeugen, wenn nicht gar dazu zu zwingen, Rechenschaft abzulegen. Trotz der vorherrschenden Skepsis ist die Zeit der Programme also noch nicht vorbei. Auch wenn sie inhaltlich nicht so detailliert sein werden wie das Haager oder das Stockholmer Programm und man zum Geist von Tampere zurückkehrt, werden die zukünftigen strategischen Leitlinien der legislativen und operativen Planung für den Fortschritt des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts von entscheidender Bedeutung sein.