GENEHMIGUNGSRECHTLICHE FRAGESTELLUNGEN IM ZUSAMMENHANG MIT DER PCI-VERORDNUNG UND ANPASSUNGSBEDARF IN DEUTSCHLAND Energie-Workshop der WWU Münster/Forschungsstelle Regulierungsrecht (ITM) Prof. Dr. Tobias Leidinger, 29. Oktober 2014
Inhalt I. Einführung II. Rechtsgrundlage, Rechtswirkung und das Verhältnis der TEN-E Leitlinien zum nationalen Recht III. Genehmigungsrechtliche Aspekte 1. Organisation der Behördenzuständigkeiten 2. Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens 3. Fristvorgaben, Abschnittbildung und Sanktionen bei Fristüberschreitung 4. Anpassungsbedarf IV. Zusammenfassung 2
I. Einführung TEN-E VO enthält vier Regelungskomplexe: Verfahren zur Bestimmung der PCI-Projekte Regularien für das Genehmigungsverfahren Kosten-Nutzen-Analyse Finanzielle Unterstützung durch die EU 2 Fragestellungen zu genehmigungsrechtlichen Regularien: Kompetenz der EU, Rechtswirkung und Verhältnis der TEN-E VO zum nationalen Recht Genehmigungsrechtliche Aspekte im Einzelnen: Zuständigkeit, Verfahren, Fristen, Anpassungsbedarf 3
II. Rechtsgrundlage, Rechtswirkung und das Verhältnis der TEN-E Leitlinien zum nationalen Recht 1. Rechtsgrundlage: Art. 171 AEUV Grundzüge - z.t.: Art. 171 AEUV enthält keine hinreichende Kompetenzregelung - z.t.: neben Art. 171 ist Kompetenz aus Art. 194 Abs. 2 AEUV heranzuziehen - z.t.: Annexkompetenz für Verfahrensfragen greift ergänzend zur Sachkompetenz 2. Rechtswirkung: Verbindlichkeit - Erlass im ordentl. Gesetzgebungsverfahren (Art. 172 Abs. 1 i.v.m. Art. 294 AEUV) - Zustimmung des Mitgliedsstaats erforderlich (Art. 172 Abs. 2 AEUV) - Rechtsform der Verordnung: unmittelbare Geltung und Verbindlichkeit (Art. 288 Abs. 2 AEUV) 3. Verhältnis zum nationalen Recht: Anwendungsvorrang (im Fall des Normkonflikts) - keine Anwendung des nationalen, entgegenstehenden Rechts - kein Erlass widersprechender Regelungen - ggf. Konkretisierung nationalen Rechts oder Beseitigung unklarer Bestimmungen 4
III. Genehmigungsrechtliche Aspekte 1. Organisation der Behördenzuständigkeiten - Vorgabe TEN-E VO: Art. 8 Abs. 1 TEN-E VO ( one-stop-shop ) i.v.m. 3 möglichen Schemata - integriertes Schema: eine Behörde koordiniert u. entscheidet (Art. 8 Abs. 3 lit. a) - koordiniertes Schema: eine Behörde koordiniert inkl. Durchgriffsrecht, mehrere Behörden entscheiden (Art. 8 Abs. 3 lit. b) - Kooperationsschema: eine Behörde koordiniert, mehrere entscheiden (Art. 8 Abs. 3 lit. c) - in Deutschland: - Grundsatz: integriertes Schema: BNetzA oder Länderbehörde alleinzuständig - bei Zuständigkeit mehrerer Länderbehörden: daneben Kooperationsschema möglich? Entstehungsgeschichte (+) Sinn und Zweck (+) Kooperationsschema neben integriertem Schema zulässig 5
III. Genehmigungsrechtliche Aspekte 2. Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens - Vorgaben TEN-E VO: 3 Verfahrensabschnitte (Art. 10 Abs. 1 und Abs. 3) Vorantragsabschnitt: Beginn Genehmigungsverfahren bis zur Vollständigkeit Unterlagen Formaler Genehmigungsabschnitt: ab Vollständigkeit Unterlagen bis zur umfassenden Entscheidung vorab: gesondertes Verfahren : Bestimmung der Trassenkorridore - in Deutschland: gesondertes Verfahren = Bundesfachplanung i.s.v. 4 ff. NABEG / 15 ROG Vorantragsabschnitt = Antrag auf Planfeststellung i.s.v. 19, 20 NABEG (inkl. Antragskonferenz = Anhörung der Öffentlichkeit i.s.v. Art 9 Abs. 4 TEN-E VO) Formaler Genehmigungsabschnitt = Planfeststellungsverfahren i.s.v. 21 ff. NABEG Vorgaben TEN-E VO mit Strukturen dt. Genehmigungsverfahren kompatibel 6
III. Genehmigungsrechtliche Aspekte 3. Fristvorgaben, Abschnittbildung und Sanktionen bei Fristüberschreitung Fristvorgaben der TEN-E VO (Art. 10 Abs. 2 und Abs. 3 TEN-E VO) - Gesondertes Verfahren (Bundesfachplanung): 6 Monate (ohne Verlängerungsoption) - Vorantragsabschnitt: zwei Jahre - Formaler Genehmigungsabschnitt: ein Jahr und sechs Monate - Verlängerungsoption: + 6 Mon. zus. für Vorantragsabschnitt/Formalen Gen.-Abschnitt Maximalfrist: vier Jahre (inkl. Verlängerung) + sechs Monate (ges. Verfahren) Einwand: keine starre Gesamtfrist/ Lücke zwischen Bundesfachplanung+Planfeststellung? - Systematik spricht für definierte Gesamtfrist: Art. 10 Abs. 3 u. Art. 8 Abs. 3 TEN-E VO - Entstehungsgeschichte: Gesamtfrist inkl. ges. Verfahren ausdrücklich beabsichtigt - Sinn u. Zweck der Fristregelung: Straffung und Angleichung der Verfahren und Fristen Gesamtfrist von (maximal) vier Jahren und sechs Monaten verbindlich einzuhalten 7
III. Genehmigungsrechtliche Aspekte Abschnittbildung - nach TEN-E VO: keine Regelung/Aussage zur Abschnittbildung, im Ergebnis zulässig - Abschnittbildung im NABEG: ausdrücklich vorgesehen, nach EnWG zulässig - 6 Satz 4 NABEG: Bundesfachplanung (Frist: 6 Monate je Abschnitt) - 19 Abs. 1 Satz 2 NABEG: Planfeststellung (keine Fristvorgabe) - ABER: Fristvorgaben in Art. 10 Abs. 2 und 3 TEN-E VO bei Abschnittbildung nicht haltbar Abschnitt i.s. NABEG/EnWG entspricht nicht Vorhaben i.s. TEN-E VO Wortlaut: Definition Vorhaben in Art. 2 Nr. 3 TEN-E VO Systematik: Art. 10 Abs. 3 Satz 2 TEN-E VO bezieht sich auf Gesamtvorhaben Sinn und Zweck: Straffung, nicht Vervielfachung der Fristen beabsichtigt erhebliches Konfliktpotential bei Abschnittbildung 8
III. Genehmigungsrechtliche Aspekte Sanktionsfolgen bei Fristüberschreitung - Reaktionsmöglichkeiten nach TEN-E VO: - Europäischer Koordinator ( im Einvernehmen ), Art. 6 Abs. 1 TEN-E VO - Information der Regionalen Gruppe, Art. 10 Abs. 2 TEN-E VO kein Sanktionscharakter, kaum Steuerungswirkung zu erwarten - Sonstige Reaktionsmöglichkeiten: - Vertragsverletzungsverfahren durch EU-Kommission, Art. 258 AEUV (+) - Klagerechte Dritter: ÜNB: Amtshaftungsanspruch (+); Fristregelungen dienen auch seinem Schutz Sonstige Beteiligte: (-) Anerkannte Umweltverbände: (-) 9
III. Genehmigungsrechtliche Aspekte 4. Anpassungsbedarf Zwei Möglichkeiten zur Entschärfung des Konfliktpotentials - Anpassung NABEG (EnWG) an Vorgaben der TEN-E VO - Große Lösung : Gesonderter Abschnitt für PCI-Vorhaben in NABEG aufnehmen - Kleine Lösung : zumindest Fristvorgaben integrieren ( 12 I, 19 I, 24 I NABEG) ABER: Fristvorgaben der TEN-E VO praktisch kaum einhaltbar - Anpassung TEN-E VO an deutsche Vorstellungen? - Frist für gesondertes Verfahren zu kurz bemessen (Art. 10 Abs. 3 TEN-E VO) - Ausweitung der Verlängerungsoption auch auf das gesonderte Verfahren - Verlängerung der Gesamtfrist oder Wirkung nur als indikativ definieren ABER: Änderungen der TEN-E VO politisch durchsetzbar? 10
IV. Zusammenfassung Genehmigungsrechtliche Vorgaben der TEN-E VO: hinreichende Rechtsgrundlage Verbindlichkeit Anwendungsvorrang Zuständigkeitsregelungen: kompatibel mit dt. Bestimmungen (Grundsatz: integriertes Schema, Ausnahme: Kooperationsschema) Grundstrukturen der Verfahren: grds. Übereinstimmung mit dt. Bestimmungen gesondertes Verfahren = Bundesfachplanung Vorantragsabschnitt = Antrag auf Planfeststellung bis zur Vollständigkeit der Unterlagen Formaler Genehmigungsabschnitt = Planfeststellungsverfahren bis zum PLF-Beschluss Fristvorgaben: verbindliche Gesamtfrist, auch bei Abschnittbildung einzuhalten Sanktionsfolgen: Vertragsverletzungsverfahren und Amtshaftungsansprüche des ÜNB Anpassungsbedarf: zumindest in Bezug auf Fristvorgaben und Abschnittbildung 11
VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!
BACK UP
Vorschläge zur Anpassung des NABEG an Vorgaben der TEN-E VO (1) Bundesfachplanung (NABEG): Ergänzung von 12 Abs. 1 (nach Satz 1) Bezieht sich die Bundesfachplanung auf ein in mehreren Abschnitten zur Entscheidung beantragtes Vorhaben, beginnt die Frist mit Vorliegen der vollständigen Unterlagen für den ersten Abschnitt und endet mit der Entscheidung über die Bundesfachplanung für den letzten Abschnitt. Ergänzung von 12 Abs. 1 (nach Satz 3): (Satz 4 neu): Die Bundesnetzagentur hat den Vorhabenträger rechtzeitig aufzufordern, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist die erforderlichen Anträge auf Planfeststellung zu stellen, wenn nur so gewährleistet werden kann, dass die nach Art. 10 Abs. 2 TEN-E VO bestimmte Gesamtfrist für das Vorhaben eingehalten wird. 14
Vorschläge zur Anpassung des NABEG an Vorgaben der TEN-E VO (2) Planfeststellung (NABEG): Ergänzung von 19 Abs. 1 (nach Satz 2): (Satz 2): Der Antrag kann zunächst auf einzelne angemessene Abschnitte der Trasse beschränkt werden. (Satz 3 neu:) Die in Art. 10 Abs. 2 TEN-E VO bestimmte Frist für das Gesamtvorhaben ist auch in diesem Fall einzuhalten. Ergänzung von 24 Abs. 1 (nach Satz 1): (Satz 1): Die Planfeststellungsbehörde stellt den Plan fest. (Satz 2 neu:) Dabei hat sie die in Art. 10 Abs. 2 TEN-E VO bestimmte Frist einzuhalten. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bestätigung der Vollständigkeit der Unterlagen durch die Planfeststellungsbehörde gegenüber dem Vorhabenträger gemäß 21 Abs. 5 Satz 4. Bezieht sich die Planfeststellung auf ein in mehreren Abschnitten zur Entscheidung beantragtes Vorhaben, beginnt die Frist mit der Bestätigung gemäß 21 Abs. 5 Satz 4 bezogen auf den zuerst beantragten Abschnitt und endet mit der Entscheidung über die Planfeststellung für den zuletzt beantragten Abschnitt. 15
Berlin Friedrichstraße 71 10117 Berlin Deutschland T +49 30 800979-0 F +49 30 800979-979 Hamburg Hohe Bleichen 19 20354 Hamburg Deutschland T +49 40 460017-0 F +49 40 460017-28 Brüssel Rue de Loxum 25 1000 Brüssel Belgien T +32 2 551-1020 F +32 2 551-1039 Prag Kooperationspartner: Kubánek & Nedelka v.o.s. nám. Republiky 1a 110 00 Prag 1 Tschechische Republik T +420 225 996-500 F +420 225 996-555 Düsseldorf Dreischeibenhaus 1 40211 Düsseldorf Deutschland T +49 211 54061-0 F +49 211 54061-111 München Karl-Scharnagl-Ring 6 80539 München Deutschland T +49 89 21667-0 F +49 89 21667-111 Budapest Kooperationspartner: Bán, S. Szabó & Partners József nádor tér 5 6 1051 Budapest Ungarn T +36 1 266-3522 F +36 1 266-3523 Warschau Kooperationspartner: Cvak Sp. k. ul. Złota 59 00-120 Warschau Polen T +48 22 22242-00 F +48 22 22242-99 Frankfurt Mendelssohnstraße 87 60325 Frankfurt am Main Deutschland T +49 69 95514-0 F +49 69 95514-198 Stuttgart Lautenschlagerstraße 21 70173 Stuttgart Deutschland T +49 711 8997-0 F +49 711 855096 www.gleisslutz.com