Die Biomechanik des Sports hat die Beschreibung und Erklärung der Erscheinungen und Ursachen von Bewegungen im Sport unter Zugrundelegung der Bedingungen des menschlichen Organismus zum Ziel. (vgl. Roth / Willimczik 1999) Die Biomechanik berücksichtigt somit sowohl das Bios (griech. Leben) als auch die mechanischen Grundgrößen.
Biomechanik untersucht die Erscheinung und Ursachen von Bewegungen biologischer Systeme aus mechanischer Perspektive Gegenstand der Biomechanik des Sports sind sportliche Bewegungen Aufgaben 1. Quantitative Beschreibung der Erscheinungen von Bewegungen und ihre 2. Erklärung durch die Zurückführung auf mechanische Ursachen
Biomechanik basiert auf mechanischen Grundgrößen aufgeteilt in: Kinematik Beschreibung des räumlich-zeitlichen Ablaufes der Bewegungen von Punkten eines Körpers Translationen = fortschreitende Bewegungen Rotationen = Bewegung um eine Drehachse Dynamik Beschreibung des Zusammenhanges zwischen Kräften als Ursache von Bewegungsänderungen unter Berücksichtigung, dass die Körperpunkte eine Masse (m) haben. Statik = Ruhezustand (Gleichgewicht von Kräften) Kinetik = Bewegung (Ungleichgewicht von Kräften)
Translation und Rotation Bei der Bewegung des Körpers wird zwischen verschiedenen Formen der Fortbewegung unterschieden: Die Translation: Fortschreitende Bewegung aller Punkte eines Körpers auf parallelen geraden oder gekrümmten Bahnen. Beispiel: Ski-Abfahrt Die Rotation: Rotation aller Punkte eines Körpers in Form konzentrischer Kreise um eine gemeinsame Drehachse bzw. Drehpunkte. Beispiel : Pirouette Drehpunkt kann auch außerhalb des Körpers liegen. Beispiel : Riesenfelge am Reck
Bei den meisten Bewegungen kommen Translationen und Rotationen gleichzeitig vor bzw. überlagern sich. (Beispiel Salto).
Der Körperschwerpunkt (KSP) Der Körperschwerpunkt (KSP) ist ein fiktiver Punkt in den die Masse des gesamten Körpers gedacht werden kann und Angriffspunkt der Schwerkraft. Anders formuliert: Im KSP halten sich die Schwerkraftmomente aller Masseteile die Waage. Besondere Bedeutung hat der KSP deshalb, weil er als Angriffspunkt für die Schwerkraft bei jeder Bewegung wichtig ist (Angriffspunkt aller äußeren Kräfte). Im Gegensatz zu starren Körpern gibt es jedoch beim Menschen keinen festen KSP, sondern er ist abhängig von der Körperposition und der Masseverteilung im Körper. Im Stand befindet sich der KSP ungefähr in Hüfthöhe. Im Extremfall kann er sich (aufgrund der Körperposition) auch außerhalb des Körpers befinden.
Trägheitsmoment: Eigenschaft eines Körpers oder einer Masse, sich einer Drehkraft zu widersetzen. Trägheit: Eigenschaft eines Körpers oder einer Masse, sich der Wirkung einer Kraft zu widersetzen. 1. Newton sche Gesetz (Trägheitsgesetz): Jeder Körper ist träge. Er behält, wenn keine Kräfte von außen wirken, seinen vorliegenden Bewegungszustand bei.
2. Newton sches Gesetz (Beschleunigungsgesetz): Kraft bewirkt Beschleunigung, sie ist die Ursache für Geschwindigkeitsänderung. F = m Dv Dt = m a Kräfte bei sportlichen Bewegungen: Zusatz: Kraft kann auch verformen! Gewichtskraft Reibungskräfte Widerstandskräfte Zentripetal-, Zentrifugalkraft Muskelkraft
Dabei besteht eine Proportionalität zwischen Kraft und Beschleunigung! Je größer F, desto größer a bei konstanter Masse m. und eine umgekehrte Proportionalität zwischen Masse und Beschleunigung! Je größer m, desto kleiner a bei konstanter Kraft F.
Vektorielle Eigenschaften von Kräften Kräfte können addiert und subtrahiert werden: Gleichgerichtetheit bedeutet Vergrößerung der resultierenden Kraft F. Entgegengerichtetheit bedeutet Verringerung der resultierenden Kraft F. Sonderfall der Dynamik: Resultierender Kraftvektor NULL
Kraft / Impuls Was ist Kraft? Die Kraft ist diejenige Wirkung auf einen Körper oder eine ein Masse, die zur Änderung des Bewegungszustandes (= zur Beschleunigung) des Körpers führt. Die Kraft (F), die einen Körper beschleunigt, ist definiert nach Betrag und Richtung durch die Masse (m) und die Beschleunigung (a) des Körpers. Diese Krafteinwirkung wird als Impuls bezeichnet p = m x v Im Sport ist für das Ergebnis häufig die Krafteinwirkung über ein Zeitintervall entscheidend. p = m x Δv
Impuls / Beschleunigungsgesetz Wenn man berücksichtigt, dass die Beschleunigung a gleichbedeutend mit einer Geschwindigkeitsänderung Δv in einem Zeitintervall Δt ist, ergibt sich: a = Dv Dt Bei Einfügen in das Beschleunigungsgesetz F = m x a ergibt sich daraus: F = m a Û F = m Dv Dt
Kraftstoß / Bewegungsimpuls Aus den Kenntnissen über Kraft, Beschleunigung, Impuls und Kraft- Zeitverläufe lässt sich Folgendes ableiten: Aussagen zum Impuls sind durch die Variablen Kraft (F), Zeitänderung (Δt), Masse (m) und Geschwindigkeitsänderung (Δv) möglich. Eine Umformung des Beschleunigungsgesetzes macht dies deutlich: F Dt = m Dv... kennzeichnet die Einwirkung einer Kraft auf einen Körper in einer bestimmten Zeit und wird als Kraftstoß bezeichnet.... kennzeichnet die Bedeutung der Beschleunigung einer Masse m und wird als Bewegungsimpuls bezeichnet.
Beispiel Kraftstoß / Bewegungsimpuls Jeder Kraftstoß ergibt eine Impulsänderung. Wirkt auf einen Körper eine Kraft F über die Zeit t ein, dann ergibt sich eine Impulsänderung. F Dt = m Dv Bsp. Kraftstoß = Hammerwurf Bsp. Bewegungsimpuls = Boxen Einwirkungszeit von F ist entscheidend für den Betrag des Kraftstoßes mehr Masse = mehr Impuls möglich
Rotatorische Bewegungen Massenträgheitsmoment Synonym zum Trägheitsgesetz gilt dies auch bei Rotationsbewegungen. Dabei ist die Trägheit nicht nur von der Masse m sondern auch von der Lage der Teilmassen zur Drehachse abhängig. Trägheitsmoment: J = m x r 2! Merke! Je größer die Masse m und je größer der Radius r, desto größer das Trägheitsmoment J. Bedeutung für die Praxis Durch Änderung der Körperhaltung und räumliche Veränderung der Drehachse kann das Trägheitsmoment variiert werden.
Rotatorische Bewegungen / Das Drehmoment Die physikalische Größe, die eine Drehbewegung beeinflusst, also die Änderung der Rotationsgeschwindigkeit bei gleichem Trägheitsmoment verursacht, heißt Drehmoment M. Das Drehmoment ist von zwei Größen abhängig, nämlich von der Kraft F und vom Abstand r des Angriffspunktes der Kraft zu einer Drehachse oder einem Drehpunkt. M = F r Je größer F und je größer r, desto größer M Bedeutung für die Praxis / Beispiele - Ansatzpunkt von Hilfestellung bei Rotationsbewegungen - geländeangepasste Verlagerung des KSP beim Skilaufen - Verletzungsprophylaxe (s. nächste Folie)
Hier sind die Kniegelenke zwar gebeugt, jedoch ist der Rücken "krumm"; dadurch weicht das Gesäß nach hinten aus. Die Folge ist, dass sich das Drehmoment und damit die Belastung im Bereich des 5. Lendenwirbels vergrößert. Hier werden die Knie zu früh gestreckt, die Last ist zu weit vom Körperschwerpunkt entfernt. Demzufolge ist die Belastung im Bereich der Lendenwirbelsäule zu hoch. Der Rücken ist gerade; die Beine sind gebeugt, und die Last wird so nahe wie möglich am Drehpunkt vorbeigeführt; dadurch verringert sich die Belastung im Bereich des 5.Lendenwirbels.
Das Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges: Die Definition:
Das Prinzip des optimalen Beschleunigungsweges: Beispiel 1: Wollen wir unserem Körper eine möglichst große Endgeschwindigkeit vermitteln, müssen wir ein möglichst langes Einwirken der beschleunigenden Kräfte ermöglichen. Wer springt am höchsten??
Wir stellen fest, dass wir die Ausholbewegung nicht zu tief ausführen dürfen, wenn wir eine maximale Sprunghöhe erreichen wollen. Bei der Gestaltung der räumlichen Länge der Ausholbewegung konkurrieren zwei Bedingungen, eine physikalische und eine biologische.
Physikalische Bedingung: Ausholbewegung möglichst groß gestalten, damit wir beim Sprung unsere Muskelkraft während eines möglichst großen (maximalen) Beschleunigungsweges, auf den Körper wirken lassen können. Physikalisch heißt das: Je größer die Zeit (t) ist, während der die Kraft F auf einen Körper wirkt, desto größer wird der Kraftstoß (F x t), der dem Körper bis zum Ende des Kraftstoßes einen möglichst großen Impuls übermitteln kann.
Biologische Bedingung: Knie- und Hüftgelenke in der Ausholbewegung nicht zu stark beugen, damit die Schwerkraftmomente bezüglich Hüft- und Kniegelenk, die unsere Muskelkraft überwinden muss, nicht zu groß werden und uns überfordern. Außerdem ist die Muskulatur nur in einem bestimmten Dehnungsbereich optimal leistungsfähig. Prinzip des vorgedehnten Muskels r: Kraftarm des Gewichts G.
Vergleich der Rückenstoßtechnik und der Drehstoßtechnik hinsichtlich des Beschleunigungsweges Drehstoßtechnik Rückenstoßtechnik
Beschleunigungsweg optimal nicht optimal geradlinig oder stetig gekrümmt wellenförmig
Prinzip der optimalen Koordination der Teilimpulse: Die Biomechanik erfasst mit dem Koordinationsbegriff die räumliche und zeitliche Ordnung menschlicher Bewegungsvollzüge. Jeder Sportler, der sich bewegt (auch jedes sich bewegende Sportgerät) besitzt eine Masse und eine Geschwindigkeit, also einen Impuls. Entsprechend haben auch Teilbewegungen (z.b. Sprungbein, Arme etc.) (Teil-)Impulse. Dadurch wird der Impuls des Gesamtsystems erzeugt bzw. geändert.
Beispiel für räumliche Aspekte: Sprungbewegung Im Sport werden Bewegungen immer von mehreren Muskeln oder Muskelgruppen bewirkt.
Beispiel für zeitliche Aspekte: Wurf,- Stoßbewegungen
Die Definition:
Das Prinzip der maximalen Anfangskraft: Strecksprung aus statischer Hocke. Strecksprung mit Ausholbewegung.
Prinzip der Gegenwirkung Der Körper in Kontakt mit dem Boden/Wasser: Das Reaktionsgesetz (3. Newtonsches Gesetz) besagt: Wirkt ein Körper A auf einen Körper B die Kraft F aus, dann übt Körper B auf A eine gleich große, aber entgegengesetzt gerichtete Kraft F aus. Bei sportlichen Bewegungen liefert in der Regel die mechanische Umwelt die Reaktionskraft zur Muskelkraft des Sportlers.
Prinzip der Gegenwirkung Der Körper als frei bewegtes System: Finden Aktionen bestimmter Körperteile keine Reaktion in der Umwelt (Flugbewegungen, freier Fall), so sind trotzdem im Sinne der Leistungsoptimierung Gegenbewegungen anderer Körperteile sinnvoll.
Prinzip der Gegenwirkung Drehrückstoß: Den Drehrückstoß benötigen wir besonders bei Bewegungen, bei denen das Gleichgewicht wiederhergestellt werden soll. Die Arme können zum Beispiel durch das Schwingen nach hinten bzw. in Gegenrichtung einen Sturz vermeiden helfen (geschieht meist reflektorisch).
Prinzip der Impulserhaltung: Bezieht sich auf Drehbewegungen. Nach dem Impulserhaltungssatz wird der Drehimpuls konstant gehalten. Durch Variieren der Körper- bzw. Extremitätenhaltung kann das Massenträgheitsmoment beeinflusst werden. Dies hat zur Folge, dass die Winkelgeschwindigkeit in Abhängigkeit der Massenpunkte des Körpers von der Drehachse verändert werden kann. Der Betrag des Impulses ist auch vom Reibungswiderstand z.b. Kontakt zur Drehachse (z.b. Reckturnen) abhängig.
Bewegungsanalyse mit Hilfe von Bewegungsmerkmalen (MEINEL/SCHNABEL) Wozu? Schaffung einer Bewegungsvorstellung LEITEND, PROGRAMMIEREND, REGULIEREND Differenzierung in Quantitative Bewegungsmerkmale UND Qualitative Bewegungsmerkmale kinematisch und dynamisch Bewegungsrhythmus Bewegungspräzision Bewegungsfluss Bewegungskonstanz Bewegungsstärke Bewegungskopplung Bewegungsumfang Bewegungstempo
Bewegungsbeschreibung und analyse (MEINEL/SCHNABEL) Wird das Bewegungsziel durch eine einmalige Aktion erreicht (Beispiel: Werfen, Springen) spricht man von einer azyklischen Bewegung. Die Reihenfolge der Teilbewegungen ist nicht umkehrbar. Die Bewegung kann dabei in drei Phasen gegliedert werden. Es lassen sich Vorbereitungs-, Haupt- und Endphase unterscheiden. Jede Teilbewegung hat eine besondere Funktion im Gesamtablauf. In der Hauptphase wird das eigentliche Bewegungsziel erreicht. Wiederholen sich gleichartige Teilbewegungen (Beispiel: Laufen, Rudern) spricht man von einer zyklischen Bewegung. Der Bewegungsablauf lässt sich in zwei Phasen einteilen. Es kommt zu einer Überlagerung von Vorbereitungs- und Endphase (Phasenverschmelzung). Man bezeichnet die Struktur der Bewegung dann als Hauptphase und Zwischenphase. Bei einer Reihe von Bewegungen kommt es zu einer Kombination von zyklischen und azyklischen Bewegungen.
Bewegungsbeschreibung und analyse (MEINEL/SCHNABEL) Vorbereitungsphase Hauptfunktionsphase Endphase Alle Aktionen denen eine vorbereitende Funktion zugeordnet werden kann. Aktionen, die unmittelbar die Bewegungsaufgabe lösen. Alle Aktionen die der Beendung der Bewegungsaufgabe dienen. Beispiel: Einwurf Fußball VPhase HPhase EPhase
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Jede Beschreibung beruht auf der Nennung von wesentlichen Aktionen, die in jedem Fall zu realisieren sind = Aktionsskizze. Durch weitere Angaben entsteht aus der Aktionsskizze eine differenzierte Verlaufsbeschreibung.
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Möglichkeiten für Verfeinerungen der Aktionsskizze um zur Verlaufsbeschreibung zu kommen: Ø Angabe des agierenden Körperteils Ø Angabe der dynamischen Qualität Ø Angabe des zeitlichen Verlaufs Ø Angabe der räumlichen Besonderheiten
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Aktionsskizze am Beispiel der Flopbewegung: Anlaufen Abspringen Lattenüberquerung Landen
Anlaufen Unterlaufen Abspringen Steigen Brückenpos. einnehmen Floppen Landen Die Bewegung beginnt mit einem geradlinigen auf Temposteigerung angelegten... Das Kurvenlaufen ist mit einem Unterlaufen überlgert. Die Beine überholen den Oberkörper... Das Abspringen wird mit dem lattenfernen Bein ausgeführt......während des Steigens dreht der Körper um die Längsachse... Kopf und Schulter werden rücklings über die Latte gebracht......brückenposition...un terschenkel werden ausgekickt... In der L-Position erfolgt die Landung..Rücken rund..
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Wie lassen sich sportliche Bewegungen noch strukturieren? Eine in der Sportpraxis besonders gut verwertbare Typisierung ist die Unterscheidung von Haupt- und Hilfsfunktionsphasen nach GÖHNER. Hilfsfunktionsphasen Hauptfunktionsphase
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Die Gewichtung einzelner Phasen nach GÖHNER: Auf die Hauptfunktion einer Bewegung kann bei der Ausführung nicht verzichtet werden. Wird sie weggelassen oder verändert, so führt man eine andere Bewegung aus. Hauptfunktionsphasen sind daher die wichtigsten Phasen einer Bewegung.
Rolle rückwärts durch den flüchtigen Handstand Vorbereitungsphase
Rolle rückwärts durch den flüchtigen Handstand Hauptphase
Rolle rückwärts durch den flüchtigen Handstand Endphase
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Zwischenfazit Wir wissen nun, wie die Bewegung auszuführen ist...... aber noch nicht, warum die Aktionen gerade in der beschriebenen Art und Weise ausgeführt werden sollen. Funktionale Belegung
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Funktionale Belegung Die funktionale Belegung einer Bewegung besteht aus der Suche nach den Funktionen F aller in der Verlaufsbeschreibung genannten Aktionsmodalitäten A. A ist auszuführen, um F zu erreichen
Bewegungsbeschreibung und -analyse nach GÖHNER Bsp. - Funktionale Belegung Abspringen Aktionsmodalität - Verlaufsbeschreibung: Beim Absprung wird das Sprungbein nur wenig nachgebend im Sprung-, Knie- und Hüftgelenk gebeugt und sofort danach explosiv wieder nach oben gestreckt, um zu... Hinter dieser Aktionsmodalität steckt das biomechanische Prinzip der Anfangskraft.