Zusammenfassung Analysis 2 1.2 Metrische Räume Die Grundlage metrischer Räume bildet der Begriff des Abstandes (Metrik). Definition 1.1 Ein metrischer Raum ist ein Paar (X, d), bestehend aus einer Menge X und einer Funktion d: X X R, die folgenden Axiomen genügt: Für alle x, y, z X gilt (i) d(x, y) 0; d(x, y) = 0 x = y (Positivität) (ii) d(x, y) = d(y, x) (Symmetrie) (iii) d(x, z) d(x, y) + d(y, z) (Dreiecksungleichung) Beispiele: 1. Jede Teilmenge von R n oder C n, versehen mit einer der Metriken d p (1 p < ) d p (x, y) := { x 1 y 1 p +... + x n y n } 1/p, d (x, y) := max k=1,...,n x k y k ist ein metrischer Raum. 2. Der metrische Raum C[a, b] besteht aus allen stetigen Funktionen f : [a, b] C mit der Metrik d (f, g) = max f(x) g(x). x [a,b] Definition 1.2 Sei (X, d) ein metrischer Raum und A eine Teilmenge von X. 1. Die Menge U ε (a) := {x X : d(x, a) < ε} wird ε-umgebung des Punktes a X genannt. 2. Ein Punkt a A heißt isolierter Punkt der Menge A, wenn es eine ε- Umgebung U ε (a) von a gibt, für die gilt U ε (a) A = {a}. 3. Ein Punkt a A heißt innerer Punkt der Menge A, wenn es eine ε- Umgebung U ε (a) von a gibt die ganz in A enthalten ist: U ε (a) A. Die Menge aller inneren Punkte von A heißt Inneres von A und wird mit A bezeichnet. 1
4. Ein Punkt a X heißt äußerer Punkt der Menge A, wenn es eine ε- Umgebung U ε (a) von a gibt die ganz im Komplement von A enthalten ist: U ε (a) (X \ A). 5. Ein Punkt a X heißt Randpunkt der Menge A, wenn jede ε-umgebung U ε (a) von a sowohl Punkte der Menge A als auch des Komplements von A enthält. Die Menge der Randpunkte von A heißt Rand von A und wird mit A bezeichnet. 6. Ein Punkt a X heißt Berührungspunkt der Menge A, wenn jede ε- Umgebung U ε (a) von a (wenigstens) einen Punkt aus A enthält. Die Menge aller Berührungspunkte von A wird mit A bezeichnet und Abschließung von A genannt. 7. Ein Punkt a X heißt Häufungspunkt der Menge A, wenn jede ε- Umgebung U ε (a) von a unendlich viele Punkte aus A enthält. Die Menge aller Häufungspunkte von A wird mit A bezeichnet und Ableitung von A genannt. 8. Die Menge A heißt offen, wenn jeder ihrer Punkte ein innerer Punkt von A ist: A A. (Die leere Menge ist offen). 9. Die Menge A heißt abgeschlossen, wenn sie alle ihre Berührungspunkte enthält: A A. (Die leere Menge ist abgeschlossen). 10. Die Menge A heißt beschränkt, wenn a X und C R existieren, so dass für alle x A gilt d(x, a) C. Jeder metrische Raum ist ein topologischer Raum (man benutze die offenen Mengen des metrischen Raumes als Topologie), das Umgekehrte gilt nicht. In topologischen Räumen gelten nicht alle für metrischen Räume gültigen Aussagen. Definition 1.3 Eine Folge (x n ) n=1 von Punkten x n aus X heißt konvergent, wenn es ein a X gibt, so dass gilt lim d(x n, a) = 0. n Der Punkt a wird Grenzwert der Folge (x n ) genannt. Definition 1.4 Die Folge (x n ) n=1 heißt Cauchy-Folge oder Fundamentalfolge, wenn gilt ε > 0 N N: n, m N d(x n, x m ) < ε. 2
Definition 1.5 Ein metrischer Raum heißt vollständig, wenn in ihm jede Cauchy-Folge konvergiert. Definition 1.6 Eine Menge A X heißt dicht in X, wenn A = X gilt. Ausführlich: x X ε > 0 y A: y U ε (x). Definition 1.7 Der metrische Raum ( X, d) wird Vervollständigung von (X, d) genannt, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 1. ( X, d) ist vollständig. 2. Es gibt eine Abbildung Φ: X X mit d(x, y) = d ( Φ(x), Φ(y) ) x, y X. 3. Die Menge Φ(X) ist dicht in X. Nach dem Vervollständigungssatz von Felix Hausdorff besitzt jeder metrische Raum eine im wesentlichen (bis auf Isometrie) eindeutig bestimmte Vervollständigung. Ein weiteres grundlegendes Konzept ist das der Kompaktheit. Definition 1.8 Es sei (X, d) ein metrischer Raum, A eine Teilmenge von X. Ein System {U α } α I offener Mengen U α X heißt Überdeckung der Menge A X, wenn gilt A α I U α. Eine Menge A heißt kompakt (in X), wenn aus jeder Überdeckung von A ein endliches Teilsystem ausgewählt werden kann, das ebenfalls Überdeckung von A ist. Die Menge A heißt relativ kompakt (in X), wenn die Abschließung von A kompakt (in X) ist. Eine alternative Charakterisierung kompakter Mengen gibt das folgende Resultat über die Folgenkompaktheit: Satz 1.1 Eine Menge A ist genau dann kompakt, wenn jede Folge (x n ) A eine konvergente Teilfolge enthält, deren Grenzwert in A liegt. 3
Definition 1.9 Seien (X, d) und (Y, ϱ) metrische Räume. Die Abbildung f : X Y heißt stetig im Punkt x 0 X, falls gilt ε > 0 δ > 0: x X, d(x, x 0 ) < δ ϱ ( f(x), f(x 0 ) ) < ε. Die Abbildung f heißt stetig auf X, wenn sie in jedem Punkt x 0 X stetig ist. Die Abbildung f heißt gleichmäßig stetig auf X, wenn gilt ε > 0 δ > 0: x, y X, d(x, y) < δ ϱ ( f(x), f(y) ) < ε. Der Satz von Weierstraß besagt, dass jede auf einer kompakten Menge X stetige Funktion auf X beschränkt ist und ihre Extremwerte annimmt. Der Satz von Heine beinhaltet, dass jede auf einer kompakten Menge X stetige Funktion auf X gleichmäßig stetig ist. Definition 1.10 Der metrische Raum (X, d) heißt unzusammenhängend, wenn es zwei nichtleere offene Teilmengen A und B von X gibt, so dass gilt A B = X, A B =. Anderenfalls heißt X zusammenhängend. Eine Teilmenge Y X heißt zusammenhängend (in X), wenn der Unterraum (Y, d) zusammenhängend ist. Eine allgemeine Form des Zwischenwertsatzes von Bolzano besagt, dass das Bild einer zusammenhängenden Menge unter einer stetigen Abbildung zusammenhängend ist. Definition 1.11 Sei (X, d) metrischer Raum. Eine Abbildung f : heißt nichtexpandierend, falls für alle x, y X gilt X X d(f(x), f(y)) d(x, y). Die Abbildung f heißt kontrahierend, falls eine Zahl q < 1 existiert, so dass für alle x, y X gilt d(f(x), f(y)) q d(x, y). Für kontrahierende Abbildungen in vollständigen metrischen Räumen gilt der Banachsche Fixpunktsatz. 4
1.3 Normierte Räume Normierte Räume sind gleichzeitig metrische und lineare Räume. Unser Ausgangspukt ist eine lineare Struktur, die es erlaubt Summen und Vielfache zu bilden. Wir betrachten hier nur lineare Räume über den Körpern R oder C. Im folgenden steht deshalb K entweder für R oder für C. Definition 1.12 Eine Menge E heißt linearer Raum über dem Körper K, wenn für alle x, y E und alle α K die Summe x + y E von x und y und das α-fache α x E von x definiert ist, wobei die folgenden Axiome gelten: (i) x, y, z E : (x + y) + z = x + (y + z) (ii) x, y E : x + y = y + x (iii) 0 E : x E : x + 0 = x (iv) x E y E : x + y = 0 (v) x E : 1 x = x (vi) x, y E, α K: α(x + y) = αx + αy (vii) x E, α, β K: (α + β) x = αx + βx (viii) x E, α, β K: (α(β x)) = (αβ)x Ist K = R spricht man von einem reellen, für K = C von einem komplexen linearen Raum. Aus der linearen Algebra werden im weiteren folgende Begriffe als bekannt vorausgesetzt: Linearkombination, lineare Abhängigkeit von Elementen, Basis, Dimension, linearer Unterraum, lineare Hülle, direkte Summe. Weil zwischen der linearen und der metrischen Struktur eine gewisse Verträglichkeit bestehen muß, wird die Metrik üblicherweise mit Hilfe einer Norm eingeführt. Definition 1.13 Ein reeller (komplexer) linearer Raum heißt reller (komplexer) normierter Raum, wenn eine Abbildung E R, x x, die sogenannte Norm definiert ist, die folgenden Axiomen genügt: (i) x E : x 0, x = 0 x = 0 (ii) x E, α K: αx = α x 5
(iii) x, y E : x + y x + y (Dreiecksungleichung) Jeder normierte Raum E wird zu einem metrischen Raum, wenn man den Abstand durch definiert. d(x, y) := x y Definition 1.14 Ein vollständiger normierter Raum wird Banachraum genannt. Beispiele: R n, C n, C[a, b], C k [a, b]. Beispiel 1.1 Der normierte Raum l p (1 p < ) besteht aus allen (reellen oder komplexen) Folgen x = {x 1, x 2,..., x n,...} für die x k p k=1 konvergiert. Die Norm von x ist ( ) 1/p x p := x k p. k=1 Der Raum l besteht aus allen beschränkten Folgen x = {x 1, x 2,..., x n,...} und ist mit der Norm x := sup x k versehen. Alle diese Räume sind vollständige normierte Räume. Nach Hausdorff kann jeder normierte Raum (im wesentlichen eindeutig) zu einem Banachraum vervollständigt werden. Beispiel 1.2 Die Vervollständigung des Raumes CL p (a, b) der auf dem Intervall [a, b] stetigen Funktionen mit der L p -Norm ( b ) 1/p f p := f(t) p dt a ist der Lebesgue-Raum L p (a, b), 1 p <. Man beachte, dass dieser Raum aus Äquivalenzklassen von Funktionen besteht. Eine alternative Konstruktion dieses Raumes verwendet Mittel und Methoden der Maß- und Integrationstheorie. 6
Definition 1.15 Jede Teilmenge F eines normierten Raumes E, die selbst ein linearer Raum ist, heißt (linearer) Unterraum (oder linearer Teilraum). Jeder Unterraum F von E wird zu einem normierten Raum, wenn man ihn mit der von E induzierten Norm versieht. Ist E ein Banachraum, so gilt dies auch für jeden seiner abgeschlossenen Unterräume. Das Hauptinteresse der Funktionalanalysis besteht in der Untersuchung von Abbildungen zwischen Räumen. Definition 1.16 Seien E, F lineare Räume. Eine Abbildung A: E F heißt linear, wenn für alle x, y E und alle α, β K gilt A(αx + βy) = α Ax + β Ay. Definition 1.17 Eine lineare Abbildung A: E F heißt beschränkt, wenn eine Konstante C existiert, so dass gilt Ax F C x E x E. Eine lineare Abbildung ist genau dann beschränkt, wenn sie (im Nullpunkt) stetig ist. Die Norm. : E R ist eine stetige (aber keine lineare) Abbildung. Definition 1.18 Eine bijektive lineare Abbildung Φ: E F zwischen normierten Räume (E,. E ) und (F,. F ) wird Isometrie genannt, wenn Φ(x) F = x E x E. Zwei normierte Räume (E,. E ) und (F,. F ) heißen isometrisch (oder genauer isometrisch isomorph), wenn zwischen ihnen eine Isometrie existiert. Beispiel 1.3 Die euklidischen Räume C n und R 2n sind isometrisch vermöge der Zuordnung z = (x 1 + i y 1, x 2 + i y 2,..., x n + i y n ) (x 1, y 1, x 2, y 2,..., x n, y n ) Isometrische Räume sind ununterscheidbar. Für viele Zwecke ist der Begriff der Isometrie jedoch zu stark. Eine Abschwächung gibt die folgende Definition 7
Definition 1.19 Eine stetige lineare Abbildung Φ: E F heißt Isomorphismus, falls sie bijektiv ist und eine stetige Inverse besitzt. Zwei normierte Räume (E,. E ) und (F,. F ) werden isomorph genannt, wenn zwischen ihnen ein Isomorphismus existiert. Schreibweise E = F. Zwei Normen. 1 und. 2 auf dem linearen Raum E heißen äquivalent, wenn die identische Abbildung ein Isomorphismus zwischen den normierten Räume (E,. 1 ) und (E,. 2 ) ist. Äquivalenz von Normen bedeutet also die Existenz zweier positiver Konstanten C 1 und C 2 mit C 1 x 1 x 2 C 2 x 1 x E. Gilt nur die linke (rechte) Seite der Ungleichung, nennt man die Norm. 1 schwächer (stärker) als die Norm. 2. Die Isomorphie normierter Räume ist eine Äquivalenzrelation. Alle auf der Konvergenz basierenden Eigenschaften von Räumen werden durch Isomorphie von einem Raum auf den anderen übertragen. Ist beispielsweise ein normierter Raum vollständig, so gilt dies auch für jeden isomorphen Raum. Jeder reelle (komplexe) n-dimensionale normierte Raum ist zum euklidischen Raum R n (C n ) isomorph, es gibt also im wesentlichen nur je einen n- dimensionalen reellen bzw. komplexen normierten Raum. Insbesondere sind auf endlichdimensionalen linearen Räumen E alle Normen äquivalent. 8