13. Wahlperiode 11. 05. 2005 Antrag der Abg. Andreas Hoffmann u. a. CDU und Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit und Soziales HIV-Untersuchungen in der Schwangerschaft Antrag Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. ob es zutrifft, dass in Deutschland jährlich rund 200 Kinder von HIV-infizierten Müttern geboren werden und bei einem rechtzeitigen Einsatz qualifizierter perinatalen Betreuung und Behandlung von Mutter und Kind (kombinierter Einsatz einer antiretroviralen Prophylaxe mit einer Kaiserschnittentbindung am wehenfreien Uterus und Stillverzicht) die Mutter- Kind-Übertragungsrate von HIV auf weniger als 2 Prozent gesenkt werden könnte; 2. welche Entwicklungen sich in Bezug auf die Ausführungen in Drucksache 13/3454 Punkt 6 hinsichtlich der Verbesserung der Informationen für Schwangere ergeben haben, um eine frühestmögliche HIV-Diagnostik sicherzustellen; 3. welche Maßnahmen von Seiten des Bundes, des Landes, der Landesärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und den medizinischen Fachgesellschaften vorgesehen sind, um die HIV-Diagnostik im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft mindestens im Bereich der Risikogruppen auf eine breitere Grundlage zu stellen, um die Erkrankung Neugeborener zu vermeiden; 4. ob es zutrifft, dass mit Zustimmung der Patientinnen aus den ohnehin bei den Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen gewonnenen Blutproben ohne erneute Blutabnahme ein HIV-Test möglich wäre; Eingegangen: 11. 05. 2005 / Ausgegeben: 06. 06. 2005 1
5. ob und in welchen Fällen die Krankenkassen einen vorsorglichen HIV-Test im Falle einer Schwangerschaft bezahlen, und ob die Kosten dieser Tests vollständig von den Ärzten mit den Kassen abgerechnet werden können, ohne das Praxisbudget zu belasten, welche Kosten für einen entsprechenden Test entstehen, und mit welchen jährlichen Durchschnittskosten dagegen für die Therapie eines HIV-kranken Kindes zu rechnen ist; 6. ob der Landesregierung Gerichtsverfahren bekannt sind, bei denen Frauenärzte aufgrund angeblicher Nichtaufklärung der Patientinnen über die Möglichkeiten von HIV-Tests in der Schwangerschaft auf Schadenersatz für die immensen Behandlungskosten infizierter Kinder verklagt wurden oder werden, und wie sie den Erfolg solcher Klagen einschätzt. 10. 05. 2005 Hoffmann, Rüeck, Jägel, Klenk, Dr. Lasotta CDU Begründung Der Antrag Drucksache 13/3454 hat sich bereits ausführlich mit der Situation von HIV-erkrankten Kindern beschäftigt. Unter Punkt 6 des Antrags wurde auf die Notwendigkeit einer gezielteren HIV-Prophylaxe bei Schwangeren hingewiesen. Ziel dieses Antrages ist es, offene Fragen im Bereich der Vorsorge zu klären und darauf hinzuwirken, dass die HIV-Vorsorgeuntersuchungen auf eine breitere Basis gestellt werden. Stellungnahme Mit Schreiben vom 30. Mai 2005 Nr. 54 0141.5/13/4329 nimmt das Ministerium für Arbeit und Soziales zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen zu berichten, 1. ob es zutrifft, dass in Deutschland jährlich rund 200 Kinder von HIV-infizierten Müttern geboren werden und bei einem rechtzeitigen Einsatz qualifizierter perinatalen Betreuung und Behandlung von Mutter und Kind (kombinierter Einsatz einer antiretroviralen Prophylaxe mit einer Kaiserschnittentbindung am wehenfreien Uterus und Stillverzicht) die Mutter- Kind-Übertragungsrate von HIV auf weniger als 2 Prozent gesenkt werden könnte; Nach Angaben des Robert-Koch-Institutes (RKI) in Berlin werden jährlich ungefähr 200 Kinder von Müttern geboren, bei denen eine HIV-Infektion bereits vor der Schwangerschaft bekannt oder während der Schwangerschaft oder im Rahmen der Geburt entdeckt wurde. Hinzu kommt eine Dunkelziffer von ungefähr 50 bis 80 Kindern von möglicherweise HIV-infizierten Müttern, deren HIV-Infektion während der Schwangerschaft oder Geburt nicht entdeckt wurde, da keine Testung durchgeführt wurde. 2
Diese Angaben beruhen nach Auskunft des RKI auf den gemeldeten serologischen Untersuchungen HIV-exponierter Neugeborener sowie von sechs klinischen Behandlungszentren. Nach Angaben des RKI ist aber eine HIV-Infektion des Kindes bei den ca. 250 bis 280 Schwangerschaften, die in Deutschland derzeit pro Jahr bei bekannt HIV-infizierten Frauen ausgetragen werden inzwischen eher eine Seltenheit. 2004 wurden 19 HIV-Infektionen bei Neugeborenen und Kindern diagnostiziert. Studienergebnisse aus dem Bereich der Grundlagenforschung und aus der klinischen Forschung haben ergeben, dass die HIV-Übertragung durch prophylaktische und therapeutische Maßnahmen wie antiretrovirale Prophylaxe, Kaiserschnittentbindung und Stillverzicht auf unter 2 Prozent gesenkt werden kann. 2. welche Entwicklungen sich in Bezug auf die Ausführungen in Drucksache 13/3454 Punkt 6 hinsichtlich der Verbesserung der Informationen für Schwangere ergeben haben, um eine frühestmögliche HIV-Diagnostik sicherzustellen; 3. welche Maßnahmen von Seiten des Bundes, des Landes, der Landesärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und den medizinischen Fachgesellschaften vorgesehen sind, um die HIV-Diagnostik im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft mindestens im Bereich der Risikogruppen auf eine breitere Grundlage zu stellen, um die Erkrankung Neugeborener zu vermeiden; Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat die Landesärztekammer Baden- Württemberg in einem Schreiben vom Dezember 2004 darauf hingewiesen, dass die Sensibilisierung von Gynäkologinnen und Gynäkologen für den Themenkomplex HIV/AIDS auch vor dem Hintergrund steigender HIV-Neuinfektionen und der oft nur unzureichenden HIV-Testung während der Schwangerschaft ein wichtiges Anliegen darstellt. Im gleichen Schreiben wurde die Landesärztekammer gebeten, sich dieser Angelegenheit im Rahmen ihrer Zuständigkeit als Selbstverwaltung anzunehmen. Die Landesärztekammer forderte die Bezirksärztekammern Anfang 2005 auf, die Informationen für Schwangere in Bezug auf eine HIV-Diagnostik in der Schwangerschaft durch Fortbildungsprogramme der Akademien zu intensivieren. Die notwendigen Maßnahmen zur Prophylaxe der Mutter-Kind-Übertragung von HIV können nur dann erfolgreich eingesetzt werden, wenn die HIV-Infektion der Mutter bekannt ist. Daher sollen die niedergelassenen Gynäkologinnen und Gynäkologen jeder Schwangeren einen HIV-Antikörpertest mit einer kompetenten persönlichen Beratung anbieten. Dies sollte im Rahmen der üblichen Schwangerschaftsvorsorge entsprechend den aktuellen gültigen Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien) durchgeführt werden. Die für die Vertragsärzte verbindlichen Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses konkretisieren den Leistungsanspruch der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine zweckmäßige und ausreichende ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der 3
Entbindung. Gemäß den Mutterschafts-Richtlinien soll die Schwangere in ausreichendem Maße untersucht und beraten werden. Die Beratung soll sich auch auf die Risiken einer HIV-Infektion bzw. AIDS-Erkrankung erstrecken. Dabei soll der Arzt auch über die Infektionsmöglichkeiten und deren Häufung bei bestimmten Verhaltensweisen informieren. Das RKI hat mit einem Schreiben an den Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen die Änderung der HIV-Testempfehlung in den Mutterschaftsrichtlinien angeregt. Ziel ist hierbei, Ärzte zur Empfehlung eines HIV-Tests für Schwangere zu verpflichten. Die Frau hingegen entscheidet nach wie vor selbst, ob und wo sie den HIV-Test machen möchte. Die Testdurchführung bleibt freiwillig, dürfte aber nach der verpflichteten ärztlichen Beratung auf einer anderen Entscheidungsgrundlage beruhen. Die Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF), die gemeinsam in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe entstanden sind, empfehlen prinzipiell die Durchführung eines HIV-Testes in der Frühschwangerschaft. Dieser sollte jeder Schwangeren möglichst frühzeitig in der Schwangerschaft angeboten werden. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg stellt ihren Vertragsärzten jeweils die aktuelle Fassung der Mutterschafts-Richtlinien zur Verfügung. Des Weiteren wurde das Thema AIDS/HIV-Infektion im Rahmen einer Patienteninformation aufgegriffen. Diese informativen Broschüren werden den Mitgliedern kostenfrei zur Auslage in deren Warte- und Sprechzimmern zur Verfügung gestellt. Bei allem Bemühen um eine den oben genannten Richtlinien entsprechende Prophylaxe und Behandlung von Mutter und Kind sei ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Entscheidung zur Durchführung der vom Arzt empfohlenen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen letztlich bei der Schwangeren liegt. 4. ob es zutrifft, dass mit Zustimmung der Patientinnen aus den ohnehin bei den Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen gewonnenen Blutproben ohne erneute Blutabnahme ein HIV-Test möglich wäre; Wenn die Schwangere einer Blutabnahme zur serologischen Blutuntersuchung zustimmt, kann aus den ohnehin bei den Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen gewonnenen Blutproben grundsätzlich ein HIV-Test ohne erneute Blutabnahme erfolgen. 5. ob und in welchen Fällen die Krankenkassen einen vorsorglichen HIV-Test im Falle einer Schwangerschaft bezahlen, und ob die Kosten dieser Tests vollständig von den Ärzten mit den Kassen abgerechnet werden können, ohne das Praxisbudget zu belasten, welche Kosten für einen entsprechenden Test entstehen, und mit welchen jährlichen Durchschnittskosten dagegen für die Therapie eines HIV-kranken Kindes zu rechnen ist; Nach Auskunft der gesetzlichen Krankenversicherungen in Baden-Württemberg beinhaltet die Mutterschaftsvorsorge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eine Untersuchung auf HIV-Antikörper bei Schwangeren. Entsprechend den Mutterschafts-Richtlinien sollte bei jeder Schwangeren zu einem möglichst frühen Zeitpunkt dieser Test gegebenenfalls aus einer Blut- 4
probe, die im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge entnommen wird, durchgeführt werden. Dieser im Rahmen der richtliniengebundenen Mutterschaftsvorsorge durchgeführte Untersuchung auf HIV-Antikörper bei einer Schwangeren mittels Immunoassay nach der Gebührennummer 135 EBM 1996 bzw. 01811 EBM2000plus, bewertet mit 170 bzw. 90 Punkten, wurde von den Krankenkassen in der Vergangenheit mit einem vertraglich vereinbarten festen Euro- Betrag vergütet. Für den nach EBM mit 90 Punkten bewerteten Test entstehen der AOK Baden-Württemberg je nach KV Bezirksdirektion Kosten zwischen 4,14 Euro und 4,37 Euro. Als Leistung der Mutterschaftsvorsorge wird dieser Test im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung außerhalb des Budgets abgerechnet. Für die Zukunft haben die Krankenkassen erklärt, die so genannten ausbudgetierten Leistungen im gleichen Umfang wie bisher zu vergüten, sodass davon auszugehen ist, dass Präventionsleistungen (zu denen auch Leistungen im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge gehören) auch künftig weiterhin extrabudgetär vergütet werden. In Bezug auf die jährlichen Durchschnittskosten für die Therapie eines HIVkranken Kindes konnten von den gesetzlichen Krankenversicherungen keine Angaben gemacht werden. In der Privaten Krankenversicherung (PKV) richtet sich die Leistungspflicht des Versicherers nach dem Versicherungsvertrag. Die von den PKV-Unternehmen vergüteten Leistungen fallen im Gegensatz zu den kassenärztlichen Leistungen weder unter ein Praxisbudget noch sind sie in ihrer Gesamtsumme gedeckelt. Grundsätzlich stellt der Versicherungsfall der privaten Krankenversicherung die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen dar. Als Versicherungsfall gelten auch ambulante Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten nach gesetzlich eingeführten Programmen (gezielte Vorsorgeuntersuchungen). Nicht unter die gesetzlich eingeführten Programme fällt der vorsorgliche HIV-Test im Falle einer Schwangerschaft. Gleichwohl ist nach Auskunft des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V. Landesausschuss Baden-Württemberg nicht auszuschließen, dass der im Einzelfall begründete HIV-Test von den Mitgliedsunternehmen auf freiwilliger Basis erstattet wird. Die Abrechnung des HIV-Tests richtet sich nach den Bestimmungen der amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Einschließlich Untersuchung und Beratung fallen pro HIV-Test Kosten zwischen 50,00 Euro und 90,00 Euro an. Nach Auskunft des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e. V. Landesausschuss Baden-Württemberg können die jährlichen Durchschnittskosten für die Therapie eines HIV-erkrankten Kindes nicht exakt angegeben werden, da die vom PKV-Verband geführte Statistik nicht nach Kindern und Erwachsenen differenziert. Die Jahresdurchschnittskosten je privat versichertem HIV-Infizierten betrugen ohne Altersberücksichtigung für das Jahr 2003 ca. 14.500,00 Euro. 5
6. ob der Landesregierung Gerichtsverfahren bekannt sind, bei denen Frauenärzte aufgrund angeblicher Nichtaufklärung der Patientinnen über die Möglichkeiten von HIV-Tests in der Schwangerschaft auf Schadenersatz für die immensen Behandlungskosten infizierter Kinder verklagt wurden oder werden, und wie sie den Erfolg solcher Klagen einschätzt. Dem Ministerium für Arbeit und Soziales sind derartige Gerichtsverfahren in Baden-Württemberg mit dem Ziel der Erlangung eines Schadenersatzes nicht bekannt. Nach Angaben der AIDS-Hilfe Baden-Württemberg e. V. läuft ein entsprechendes Verfahren derzeit in München, bei dem die Eltern eines HIV-infizierten Kindes einen Arzt verklagt haben. Er hatte bei der Schwangerschaftsbetreuung nicht auf die Möglichkeit eines HIV-Tests hingewiesen. Ob solche Klagen aussichtsreich sind, kann von Seiten des Ministeriums für Arbeit und Soziales nicht beurteilt werden. Renner Minister für Arbeit und Soziales 6