Stationäre Krankenhausbehandlung. multiresistenten Tuberkulose

Ähnliche Dokumente
DEUTSCHES ZENTRALKOMITEE ZUR BEKÄMPFUNG DER TUBERKULOSE

Die integrierte Versorgung Chancen, Möglichkeiten und Risiken

Berlin, den

Beispiel für eine innovative Versorgungsstruktur. Der Selektivvertrag mit dem Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs

Gesünder oder kränker aus dem Krankenhaus? Nosokomiale Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa. Prof. Dr. med. Dr. rer.nat. B.

Intersektorale (stationär-ambulante) Klinikpfade

Schweres und Schwieriges Asthma. Marisa Hübner Universitätsmedizin Mainz III.Medizinische Klinik, Schwerpunkt Pneumologie

Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß 2. Kapitel 14 Absatz 4 Spiegelstrich 2 der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses

18. Nationaler Kongress für KMT und SZT der Pflege September 2006 in Marburg

PIKS. Pandemische Influenza Krankenhaus Surveillance. Pandemische Influenza Krankenhaus Surveillance PIKS. Deutschland,

Pflegestützpunkte. in Rheinland-Pfalz. P. Landua

BAG Kinder- und Jugendpsychiatrie im Öffentlichen Gesundheitsdienst zu

S D M K D M KV G ONKOLOGIE C üsseldorf D

Besondere Versorgung für klärungsbedürftige Fälle in der Region Bamberg

Fachtagung Hier können Sie gewinnen!

Amtsärztliche Gutachten zu Beihilfefragen eine Arbeitshilfe aus NRW

Tuberkulose-Überwachung in Deutschland. Daten aus dem Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland 2013

Fragen und Antworten rund um Formalitäten und Finanzierung

Reha-Curriculum für Vertragsärzte Indikationen und Fallbeispiele aus der Geriatrie

Entlassmanagement im Krankenhaus. Abschlussbericht der DKI-Krankenhausbefragung im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG)

// Ambulante Psychotherapie sowie

Menschen mit Demenz im Krankenhaus

Anlage 2 Vertrag zur Überweisungssteuerung

Homecare. Therapie koordination aller ambulanten Leistungen zur Erhaltung der Lebensqualität schwerkranker Menschen

Beschluss. des Bewertungsausschusses nach 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V in seiner 195. Sitzung

Arbeitshilfe. Pflegeüberleitung. Stand: Autoren AG Pflegeüberleitung Baden-Württemberg MDK Baden-Württemberg

Verordnung Aktuell. FAQs zur Krankenbeförderung

2. Konferenz Modellregion Hygiene Ruhrgebiet Die neue KRINKO-Empfehlung zu MRSA Friederike Lemm

Patientensicherheit. Anforderungen aus Sicht des G-BA, der GVG und der Versicherer

Neue Patientenleitlinie zu Colitis Ulcerosa erschienen

Fortbildung als Hebel zur ambulanten Qualitätsförderung und -sicherung - Das Beispiel HIV-Medizin

Kooperatives Belegarztwesen Effektive Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung

GEBORGEN IM NETZWERK Häusliche Pflege zwischen Familie, Hausarzt und Krankenhaus

Tuberkulose. Heinrich - Brügger Schule ( Klinikschule ) Schulleiter S. Prändl, Oberarzt Dr. M. Rau. Waldburg-Zeil Kliniken

Anforderungen an neue Vergütungssysteme aus Sicht der Krankenkassen

Für Ärzte der Bezirksstelle Düsseldorf: KV Nordrhein Bezirksstelle Düsseldorf Abteilung Qualitätssicherung Fax-Nr Düsseldorf

Qualitätssicherungskonferenz des Gemeinsamen Bundesausschusses Entlassungsmanagement

Qualität des ambulanten Pflegedienstes

Symposium der Regionalen Arbeitsgemeinschaft MultiResistente Erreger BGL - RARE-BGL

Psychiatrische Klinik

Qualitätsbericht. der IKK classic in der Region Sachsen. für das Behandlungsprogramm. IKK Promed Asthma

Bayerische Landesarbeitsgemeinschaft Multiresistente Erreger (LARE) und regionale Netzwerkbildung

Vor dem Heimeinzug. Fragen und Antworten rund um Finanzierung und Formalitäten. Wer kann in ein Altenheim einziehen?

Vereinbarung Q-Sicherung u. Q-Management

PLÖTZLICH EIN PFLEGEFALL IN DER FAMILIE - WAS MUSS ICH WISSEN?

Integrierte regionale psychosomatische Versorgung Main-Rhön

Ist-Situation der ambulanten neuropsychologischen Versorgung in Deutschland. der ambulanten

Ambulante Versorgung psychisch kranker Menschen

Anlage 3, Nr. 9 Diagnostik und Versorgung von Patienten von Frühgeborenen mit Folgeschäden

Medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlung. Erstattungsprobleme in der privaten Krankheitskostenversicherung

Home Care Berlin e.v. Beratung und Förderung der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (SAPV)

Neue Versorgungsformen in der Schmerztherapie

Qualität des ambulanten Pflegedienstes Ambulanter Pflegedienst Lebenswert APL GmbH

Abgrenzung KSR - BGSW: Wann und Warum welche Maßnahme? Dr. Andreas Dietrich Friederikenstift Bad Münder

Anforderungen aus Sicht eines ZfP. Dr. Dieter Grupp ZfP Südwürttemberg

Betreutes Wohnen für Menschen mit HIV, Aids oder chronischer Hepatitis C. Martin Hilckmann, fachliche Leitung ZIK

Entlass- und Überleitungsmanagement. Dr. Martin Theisohn KGK

Vereinbarung gemäß 118 Absatz 2 SGB V. zwischen

Qualität des ambulanten Pflegedienstes

22. Kongress der dt. Kontinenzgesellschaft Mainz, F. Pakravan, C. Helmes CPZ-Coloproktologisches Zentrum Düsseldorf

Anlage 2 zum Vertrag zur Verbesserung der patientenorientierten medizinischen Versorgung in Bremen

VEREINBARUNG ÜBER DIE VERGÜTUNG DER STRUKTURIERTEN BEHANDLUNGSPROGRAMME ASTHMA UND COPD (VERGÜTUNGSVEREINBARUNG DMP ASTHMA/ COPD)

Epstein-Barr-Virus-Infektion: Möglichkeiten und Grenzen der serologischen Diagnostik von Reaktivierungen und chronischen Verläufen

1. Beatmungssituation vorhanden: invasiv oder non-invasiv (Beatmung via Tracheostoma oder Maskenbeatmung);

Anlage 4 Strukturqualität Krankenhaus 1. I Strukturvoraussetzungen für Krankenhäuser mit Schwerpunkt konventionelle Kardiologie

Psychotherapeutische Leistungen

Behandlung nicht-motorischer. Beschwerden

E.He.R. erkannt E.He.R. versorgt

zum Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung gemäß 73 b SGB V - Vergütungsvereinbarung Hausärzte -

Anmeldung für die Tagesstätte

Dienstleistung und Organisation. bis zu 17 Kriterien bis zu 10 Kriterien bis zu 10 Kriterien bis zu 37 Kriterien. HKP Chickowsky GmbH 1,0 sehr gut

Qualität des ambulanten Pflegedienstes

Für Menschen in einer psychischen Krise in der zweiten Lebenshälfte. Alterspsychiatrie (U3) Psychiatrie

Die integrierte Versorgung in der ambulanten Behandlung von Essstörungen

B-[26] Fachabteilung Klinik für Psychiatrie Sozialpsychiatrie und Psychotherapie

Qualität des ambulanten Pflegedienstes

Evaluation der Nebenwirkungen während der Tumortherapie

Erfüllung der Qualitätsanforderungen der Initiative Infektionsschutz durch die Länderhygieneverordnungen

Regionale MRSA-Netzwerk-/Fallkonferenz

Mutter / Vater & Kind Kurantrag des Versicherten

Hepatitis C Therapie bei Suchtpatienten. Marc Isler, Arzt Zokl1 und Checkpoint Zürich ARUD Zürich

Vorlesung Krankenhausrecht am an der Universität Augsburg 8. Abrechnung von Krankenhausleistungen

Ärzteinformation Nr. 16 / Colitis ulcerosa. Konservative und chirurgische Therapie

Ambulante gynäkologische Operationen

Qualität des ambulanten Pflegedienstes

Versorgung der Patienten - Anspruch und Wirklichkeit -

HIV hautnah Herausforderungen im Versorgungsalltag. Möglichkeiten ausschöpfen Grenzen erkennen

Qualität des ambulanten Pflegedienstes

Neurologische TagesReha

Psychische Störungen von Frauen während der Schwangerschaft und nach der Geburt

Informationsmaterial

Hellweg-Klinik Bielefeld. Ganztägig ambulante Rehabilitation suchtkranker Menschen

Leistungen klinischer Krebsregister für Versorgungszentren, Kliniken und niedergelassene Ärzte Jutta Engel für das Forum KKR

Ambulant durchgeführte psychotherapeutische Behandlungen und Maßnahmen der psychosomatischen Grundversorgung

Lungenentzündung gehören Sie zu einer Risikogruppe?

Tuberkulose und Hygienemaßnahmen im Krankenhaus

Projekt: Gründung einer Einrichtung zur sozialmedizinischen Nachsorge kranker Kinder

1.1 Anforderungen an die DRG-Kodierung und -Dokumentation... 19

WAS TUN BEI ANGST & DEPRESSION? von. Hans Kottke

Grundlagen der Homecare- Versorgung in Deutschland

Transkript:

Stationäre Krankenhausbehandlung von Tuberkulosepatienten und Management der multiresistenten Tuberkulose Arbeitskreis Tuberkulose im Fachausschuss Infektionsschutz des BVÖGD Martin Priwitzer Gesundheitsamt Stuttgart und DZK, Berlin Udo Götsch Gesundheitsamt Frankfurt am Main ÖGD-Kongress Reutlingen, 28. April 2016 1

Zwei Themenkomplexe, teilweise miteinander verknüpft: Stationäre Behandlung der Tuberkulose Behandlung der multiresistenten Tuberkulose (stationär und ambulant) 2

Stationäre Behandlung der Tb: Ist überhaupt ein stationärer Aufenthalt notwendig? aus medizinischen Gründen? aus Gründen des Infektionsschutzes? wie lange? 3

Ist überhaupt ein stationärer Aufenthalt notwendig? aus medizinischen Gründen: nach 39 SGB V weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann 4

Ist überhaupt ein stationärer Aufenthalt notwendig? Kriterien nach dem gemeinsamen Katalog der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zu 17 c Krankenhausfinanzierungsgesetz (Prüfverfahren) A: Schwere der Erkrankung (lebensbedrohliche Infektion, toxische Medikamente) 5

Ist überhaupt ein stationärer Aufenthalt notwendig? B: Intensität der Behandlung (i.v.) D: Komorbiditäten (v. a. Lungen- und Lebererkrankungen) F: Soziale Faktoren (nicht gesicherte ambulante Versorgung, fragliche Compliance) 6

Med. Kriterien zur initial stationären Behandlung Empfehlung des AK Schweregrad der Tuberkulose (Ausdehnung, Symptome und Komplikationen) Schwere Grund-/Begleitkrankheiten (z. B. auch bestimmte psychiatrische Erkrankungen wie Demenz oder Psychosen) Therapieprobleme (Verdacht auf Mehrfachresistenz [Vorbehandlung, Herkunftsland, Ansteckungsquelle] sowie schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen, intravenöse Behandlung) 7

Med. Kriterien zur initial stationären Behandlung Empfehlung des AK Mangelnde Mitarbeit (Compliance; insbesondere durch Alkoholkrankheit, schwierige psychosoziale Verhältnisse) Ambulant nicht klärbare Diagnose Ungenügende Infrastruktur für eine ambulante Behandlung (z. B. zu geringe Facharztdichte) Bei Kindern ist grundsätzlich eine stationäre Behandlung zu erwägen. 8

Wichtig: sorgfältige Dokumentation durch die Klinik, um nachträgliche Streichungen von Pflegetagen durch den MDK zu vermeiden! z. B. durch die Dokumentationsbögen des DZK (www.pneumologie.de/dzk/ empfehlungen.html) 9

Ist überhaupt ein stationärer Aufenthalt notwendig? aus Gründen des Infektionsschutzes ( 30 Abs. 1 IfSG) initial häufig überschneidend mit medizinischen Gründen sobald keine medizinischen Gründe mehr vorliegen: Information des Gesundheitsamtes, Entscheidung über weitere Isolation 10

Ist überhaupt ein stationärer aus Gründen des Infektionsschutzes ( 30 Abs. 1 IfSG) im Krankenhaus (vereinbarter Tagessatz, von der zuständigen Behörde zu tragen; medizinische Kosten von der Krankenkasse) zu Hause (wenn möglich) andernorts Aufenthalt notwendig? 11

Wann ist eine Entisolierung möglich? Für primär ansteckende Patienten (mikroskopischer oder nur kultureller Nachweis in respiratorischem Material) mit voll sensiblen Stämmen bzw. ohne anamnestische Hinweis auf MDR-Tb (vor Vorliegen des Resistogramms) sind folgende Bedingungen vor einer Entisolierung zu fordern: 3 mikroskopisch negative Sputen (unter Aufsicht gewonnen, ggf. nach inhalativer Provokation; im Einzelfall kann eine Bronchoskopie vor Entisolierung angezeigt sein) 12

mindestens 3 Wochen effektive Therapie klinische und radiologische Besserung Compliance des Patienten Wann ist eine Entisolierung möglich? Eine vollständig ambulante Behandlung ist bei Patienten ohne Risikofaktoren prinzipiell möglich, wenn die psychosozialen und häuslichen Rahmenbedingungen dies zulassen. Für MDR-Patienten sind vor Entisolierung zusätzlich 3 negative Kulturen einwandfreier Qualität zu verlangen. 13

Multiresistente Tuberkulose: Charakteristika lange Therapiedauer häufig protrahierte Ansteckungsfähigkeit häufige und zum Teil gravierende unerwünschte Arzneimittelwirkungen lange i.v.-therapie (mindestens 8 Monate) mäßiger Behandlungserfolg hohes Rezidivrisiko 14

Multiresistente Tuberkulose: Strategien zur Fallführung i. d. R. stationäre Behandlung, solange keine negative Kultur vorliegt Behandlung in Zentren ambulante Behandlung durch erfahrene Fachärzte gemeinsam mit dem Hausarzt Fallmanager (med. oder Sozialarbeit), i. d. R. beim Gesundheitsamt 15

Multiresistente Tuberkulose: Strategien zur Fallführung muttersprachliche Aufklärung psychosoziale Betreuung prinzipiell direkt überwachte Medikamentengabe (DOT): Klinikambulanzen, Arztpraxen, Sozialdienste, Pflegedienste, Gesundheitsamt Kostenklärung, unterstützt durch Fallmanager/Gesundheitsamt 16

Multiresistente Tuberkulose: Besonderheiten Arbeitsfähigkeit? Im Prinzip ja, aber Was tun mit ausbehandelten, ansteckenden Patienten? Umgebungsuntersuchung: Testung, präventive Behandlung, Röntgenkontrollen Überwachung nach Behandlung Molekulare Typisierung, Schnelltest 17

Die ausführliche Arbeitshilfe wird demnächst veröffentlicht! martin.priwitzer@stuttgart.de Tel. 07 11 / 2 16-5 93 20 18